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OJ 15/16, [75] - Handwritten letter from Weisse to Schenker, dated April 21, 1931
soeben erhalte ich beiliegenden Zeilen von Furtwängler, die ich Sie nach Lectüre mir zurückzuschicken bitte. Ich wäre Ihnen dankbar, wollten Sie mich mit einem Wort wissen lassen, ob Sie darin Anlass zum Pessimismus finden? 2 Besser noch eine Zeitlang Geduld – als in H..ken’s 3 Fangarmen sofort „sicher“ zu sein! Übrigens fiel mir noch eine andere Idee ein, anlässlich eines Empfehlungsschreiben von Karpath [,] der sich darauf als „musikal. Berater des österr. Unterrichtsministers“ unterschrieb. 4 Ob man hier nicht eine staatl. Sub- {2} vention für den Freien Satz bewirken könnte. Der Gedanke, dass Sie Karpath in dieser Angelegenheit schreiben, wäre nicht von der Hand zu weisen. Weiss doch zumindest der Berater des österr. Unterrichtsministers immerhin, dass Sie der „beste Theoretiker Österreichs“ sind! 5 Doch wäre es vielleicht gut, wir sprächen darüber noch demnächst. Furtw. Zeilen über mich setze ich Ihnen in Abschrift her, da sie Sie interessieren dürften. „Dr. H.
W[.]
ist einer der besten
Musiker, die ich kenne. Als Komponist verfügt er über ein souveränes Können, das ihm
ermöglicht, seinen sehr persönlichen, von dem, was heute im Durchschnitt komponiert
wird[,] weit abliegenden Ideen, eine
{3} objectiv gültige Form zu geben. Als Lehrer und Theoretiker halte ich ihn
durch hellsichtige Klarheit und wahrhaft lebendiges Wissen verbunden mit der Gabe unbedingt
überzeugender Darstellung für gradezu vorbildlich. Er ist Schüler von Heinrich Schenker, – der nicht mit Unrecht von vielen für den
bedeutendsten Musiktheore- tiker der Gegenwart gehalten wird, – dessen zum Teil nicht leicht
zu interpretierende Lehre er der heutigen Generation mit ausserordentlicher Klarheit
wiederzugeben imstande ist.“ © Transcription William Drabkin, 2008 |
I have just received the enclosed lines from Furtwängler, which I ask you to return to me after you have read them. I would be grateful if you would let me know, in a word, whether you find in them cause for pessimism. 2 It is better to be patient for a while than to be "secure" in the tentacles of H...ken! 3 Moreover, I had yet another idea, with regard to a letter of recommendation from Karpath, who signed his name under the title of "Musical Adviser to the Austrian Ministry of Education": 4 might one not be able to obtain a state subvention {2} for Free Composition ? The idea that you write to Karpath about this possibility should not be rejected out of hand, as the Adviser to the Austrian Ministry of Education knows, at any rate, that you are "the best theorist in Austria"! 5 Nevertheless, it would perhaps be a good idea for us to speak about this soon. I am copying out for you Furtwängler's lines about me, as you may find them interesting: "Dr. Hans Weisse is one of the best
musicians that I know. As a composer, he has command of a sovereign technique that enables
him to give an objectively valid form to his very personal ideas, which lie far about the
average for today. {3} I regard him as a veritably model teacher and theorist,
on account of his far-sighted clarity, and truly living wisdom, joined with the gift of
being able to explain things with utter conviction. He is a pupil of Heinrich Schenker, who many regard ‒ and not without
justification ‒ as the most important music theorist of the present time; and he is capable
of transmitting Schenker's theory, which is in part not easy to interpret, to today's
generation with extraordinary clarity." © Translation William Drabkin, 2008 |
soeben erhalte ich beiliegenden Zeilen von Furtwängler, die ich Sie nach Lectüre mir zurückzuschicken bitte. Ich wäre Ihnen dankbar, wollten Sie mich mit einem Wort wissen lassen, ob Sie darin Anlass zum Pessimismus finden? 2 Besser noch eine Zeitlang Geduld – als in H..ken’s 3 Fangarmen sofort „sicher“ zu sein! Übrigens fiel mir noch eine andere Idee ein, anlässlich eines Empfehlungsschreiben von Karpath [,] der sich darauf als „musikal. Berater des österr. Unterrichtsministers“ unterschrieb. 4 Ob man hier nicht eine staatl. Sub- {2} vention für den Freien Satz bewirken könnte. Der Gedanke, dass Sie Karpath in dieser Angelegenheit schreiben, wäre nicht von der Hand zu weisen. Weiss doch zumindest der Berater des österr. Unterrichtsministers immerhin, dass Sie der „beste Theoretiker Österreichs“ sind! 5 Doch wäre es vielleicht gut, wir sprächen darüber noch demnächst. Furtw. Zeilen über mich setze ich Ihnen in Abschrift her, da sie Sie interessieren dürften. „Dr. H.
W[.]
ist einer der besten
Musiker, die ich kenne. Als Komponist verfügt er über ein souveränes Können, das ihm
ermöglicht, seinen sehr persönlichen, von dem, was heute im Durchschnitt komponiert
wird[,] weit abliegenden Ideen, eine
{3} objectiv gültige Form zu geben. Als Lehrer und Theoretiker halte ich ihn
durch hellsichtige Klarheit und wahrhaft lebendiges Wissen verbunden mit der Gabe unbedingt
überzeugender Darstellung für gradezu vorbildlich. Er ist Schüler von Heinrich Schenker, – der nicht mit Unrecht von vielen für den
bedeutendsten Musiktheore- tiker der Gegenwart gehalten wird, – dessen zum Teil nicht leicht
zu interpretierende Lehre er der heutigen Generation mit ausserordentlicher Klarheit
wiederzugeben imstande ist.“ © Transcription William Drabkin, 2008 |
I have just received the enclosed lines from Furtwängler, which I ask you to return to me after you have read them. I would be grateful if you would let me know, in a word, whether you find in them cause for pessimism. 2 It is better to be patient for a while than to be "secure" in the tentacles of H...ken! 3 Moreover, I had yet another idea, with regard to a letter of recommendation from Karpath, who signed his name under the title of "Musical Adviser to the Austrian Ministry of Education": 4 might one not be able to obtain a state subvention {2} for Free Composition ? The idea that you write to Karpath about this possibility should not be rejected out of hand, as the Adviser to the Austrian Ministry of Education knows, at any rate, that you are "the best theorist in Austria"! 5 Nevertheless, it would perhaps be a good idea for us to speak about this soon. I am copying out for you Furtwängler's lines about me, as you may find them interesting: "Dr. Hans Weisse is one of the best
musicians that I know. As a composer, he has command of a sovereign technique that enables
him to give an objectively valid form to his very personal ideas, which lie far about the
average for today. {3} I regard him as a veritably model teacher and theorist,
on account of his far-sighted clarity, and truly living wisdom, joined with the gift of
being able to explain things with utter conviction. He is a pupil of Heinrich Schenker, who many regard ‒ and not without
justification ‒ as the most important music theorist of the present time; and he is capable
of transmitting Schenker's theory, which is in part not easy to interpret, to today's
generation with extraordinary clarity." © Translation William Drabkin, 2008 |
Footnotes
1 Receipt of
this letter and Schenker's reply are recorded in his diary at OJ 4/4, pp. 3608‒3609,
April 21, 1931: "Von Weisse (Br. expreß): Brief von F.! Erklärt sich im Prinzip dessen
sicher, daß das Geld für die Eroica sowohl wie für den
freien Satz aufzubringen sein werde. – Weisse empfiehlt ‒ Karpath als
Berater des Ministers eventuell für den freien Satz anzugehen! W.
legt eine Abschrift des Zeugnisses von F. bei, es ist wirklich blendend, vielleicht
fallen nur mir diplomatische Einschränkungen auf, so wenn er über das souveräne Können
in den Kompositionen spricht u. dabei den Begriff des Durchschnitts gebraucht, oder wenn
er von mir schreibt „. . wie Viele nicht mit Unrecht meinen“ (ich sei der größte
Theoretiker der Gegenwart). W. teilt noch mit, daß Karpath mich als den besten
Theoretiker Oesterreichs bezeichnet habe! — An Weisse (Br. expreß): F.s Brief zurück;
ich bestätige den großen Eindruck von F.s Empfehlung – ich will gern an das Wort eines
Ehrenmannes glauben. Auf die Einladung zu uns werde ich noch zurückkommen.
2 For a long time, Weisse had been urging patience upon Schenker, saying that Furtwängler's silence was not necessarily a sign that he was unwilling, or unable, to win financial support from him. 3 Hoboken’s shifty attitude towards patronage is reflected elsewhere in the Schenker correspondence, e.g. in Schenker’s letter to Felix-Eberhard von Cube, OJ 5/7a, [35], March 28, 1931. 4 From the context, it appears that the letter that Weisse has enclosed was written by Karpath, and addressed to Furtwängler. 5 This is probably a quotation from the enclosed letter. |
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Commentary
Digital version created: 2018-10-04 |