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Hamburg 13, Mittelweg 126, Ia/II.
2.VI.34.
Jeder denkt, sie sind perdü,
aber nein, noch leben sie!
(Wilhelm Busch.) 1

Hochverehrter, lieber Meister! 2

Ich habe weidlich nach verschiedenen Seiten geknurrt und die Zähne gefletscht, nach anderen Seiten hinwiederum aufklärend und überzeugend gewirkt und gearbeitet; item ich in die bröckelnde Mauer des Starrsinnes einen soliden Haken getrieben habe, an dem ich mich vielleicht wieder anseilen kann. 3 Folgendermaßen läutet ein Schreiben, das ich vom Landesleiter der Reichsmusikkammer 4 erhielt:
„Sehr geehrter Herr von Cube!
Ich teile Ihnen mit, dass ich mich über die Gründe Ihrer Kündigung beim Deutschen Konservatorium direkt informieren werde. Eine Stellungnahme zur „Schenker-Theorie“ scheint mir zurzeit durchaus nicht erforderlich und ist es mir unerfindlich, weshalb Sie mit einer derartigen Begründung gekündigt wurden. ........“

Es folgen dann noch Bemerkungen über die Einflussnahme der R.M.K. auf Anstellungsverträge. Ich habe nach diesem Schreiben meiner Direktion auf den Kopf zu gesagt, dass der Kündigungsgrund um ein fauler Vorwand für unsaubere geschäftliche Machenschaften war, (denn ich kenne jetzt auch meinen Nachfolger!), worauf wir den schönsten Krach kriegten, und ich erst recht rausgeschmissen wurde! Immerhin habe jetzt ich die reine Weste, und meine Direktion den Fleck auf der Conduite! Was mir allerdings nun ein ehrenvoller, aber leider kein stofflicher Ersatz für die verlorene Verdienstquelle ist. Einige beherzte Schüler sind mit mir „in die Verbannung“ gegangen. Aber erst nebelhaft erheben sich am Horizonte die Umrisse einer neuen eventuellen Arbeitsstätte. Jetzt kommen erst die Ferien und mitten darin unser Familienzuwachs, sodass mir alle Haare einzeln zu Berge stehen, und ich ein S.O.S. an die Verwandten losgelassen habe. Obs hilft??? —

{2} Einliegend finden Sie ferner die Besprechung eines Vortrages, den ich kürzlich mit dem Mute der Verzweiflung gehalten habe. Es schien mir der einzigmögliche Weg, die Wahrheit zur Sprache zu bringen, ohne auf eine a-priori-Ablehnung zu stossen. Der Erfolg übertraf meine Erwartungen, und auch die Besprechung – von mir leicht inspiriert – zeigt, dass es noch Leute gibt, die eine geistige Verantwortung auf sich zu nehmen bereit sind. Curioserweise hatte der Vortrag ein Echo aus – – – – – Frankfurt! Von dort schrieb mir ein Professor Alfred Hoehn (kennen Sie ihn?), 5 dass er von diesen Dingen mehr erfahren möchte. Ich werde ihm ein paar zusammenhängende Notizen und eine „selbstgezogene“ Urlinie schicken. 6

Beim Bach präludium 7 habe ich mich zu folgendem Ursatze durchgerungen:
thumb

Cum grano salis natürlich! Jetzt arbeite ich auch an der Fuge! 8 Dies ist auch so ähnlich. Im Übrigen bin ich mit „Nestbau“ beschäftigt, streiche meine Möbel, tapeziere Wände, zimmere Tische und Garderoben, denn Handwerker bezahlen ist nicht möglich, und ausserdem wird das Selbstgefühl gesteigert! —

Gott und mein Glaube an die Ewigkeit alles Deutschen – auch im neuen Deutschland – helfe mir weiter! — 9


Mit vielen herzlichen Grüssen von uns beiden an Sie und Ihre liebe Gattin bich ich stets
Ihr
[signed:] Cube.
[in lower left margin:]

Was macht Hans Wolf?

Ach so: Furtwängler will sich Mitte Juni mit mir in Verbindung setzen! 10

© Transcription William Drabkin, 2006


Hamburg 13, Mittelweg 126, Ia/II.
June 2, 1934
Everyone thinks the game is up,
But, no, there's life in them yet!
(Wilhelm Busch.) 1

Most revered, dear master, 2

I have growled and flashed my teeth in many directions, and again been active and at work on other fronts to enlighten and convince, with the result that I have driven a solid hook into the crumbling wall of obstinacy, onto which I may be able to rope myself once more. 3 A letter, which I received from the provincial leader of the Reichsmusikkammer, 4 reads as follows:
"Dear Mr. von Cube!
This is to let you know that I shall inform myself directly concerning the grounds of your dismissal from the German Conservatory. An opinion concerning "Schenkerian theory" seems to me at this time entirely unnecessary, and I cannot understand why you were dismissed on grounds of that sort..."

There then follow remarks about the extent to which the Reichsmusikkammer exerts an influence over employment contracts. After receiving this letter I spoke face to face with the administration, saying that the reason for my dismissal was a lame pretext for shady business dealings (for I also know now who my successor is!), whereupon we had the fiercest row and I was categorically thrown out! None the less, it is I who wears the clean shirt, and the administration which has a black mark for conduct! This is at any rate for me an honorable, though unfortunately not a material, substitute for the lost sources of income. A few brave pupils went with me "into banishment." But the outlines of a new possibility for work are rising only hazily on the horizon. Now the summer holidays are intervening, and in the midst of this the new member of our family, so that all of my hairs are standing up like mountains and I have issued an S.O.S. to our relatives. But will that help???

{2} I have also enclosed for you the review of a lecture that I gave recently, with the courage of despair. It seemed to me the only possible way of giving voice to the truth, without meeting an a priori objection. The success exceeded my expectation, and even the review – lightly drawing inspiration from me – shows that there are still people who are prepared to bear intellectual responsibility. Strangely enough, the lecture received an echo from, of all places, Frankfurt! From there a Professor Alfred Hoehn (do you know him?) 5 wrote to me, saying that he wanted to learn more about these things. I shall send him a few related notices and a "self-drawn" Ursatz. 6

In the Bach Prelude, 7 I have arrived at the following Ursatz:
thumb

[You may take this,] of course, with a pinch of salt! Now I am also working on the fugue. 8 This is also very similar. Otherwise, I am busy "building a nest," painting my furniture, papering the walls, and building tables and wardrobes, since paying a builder is impossible and, in addition, my self-esteem is thereby increased.

May God and my belief in the eternity of everything German – even in the new Germany – help me further! 9


With many cordial greetings from the two of us to you and your dear wife, I am always
Yours,
[signed:] Cube.
[in lower left margin:]

[P.S.:] What is Hans Wolf up to?

Oh, yes: Furtwängler will get in touch with me in the middle of June! 10

© Translation William Drabkin, 2006


Hamburg 13, Mittelweg 126, Ia/II.
2.VI.34.
Jeder denkt, sie sind perdü,
aber nein, noch leben sie!
(Wilhelm Busch.) 1

Hochverehrter, lieber Meister! 2

Ich habe weidlich nach verschiedenen Seiten geknurrt und die Zähne gefletscht, nach anderen Seiten hinwiederum aufklärend und überzeugend gewirkt und gearbeitet; item ich in die bröckelnde Mauer des Starrsinnes einen soliden Haken getrieben habe, an dem ich mich vielleicht wieder anseilen kann. 3 Folgendermaßen läutet ein Schreiben, das ich vom Landesleiter der Reichsmusikkammer 4 erhielt:
„Sehr geehrter Herr von Cube!
Ich teile Ihnen mit, dass ich mich über die Gründe Ihrer Kündigung beim Deutschen Konservatorium direkt informieren werde. Eine Stellungnahme zur „Schenker-Theorie“ scheint mir zurzeit durchaus nicht erforderlich und ist es mir unerfindlich, weshalb Sie mit einer derartigen Begründung gekündigt wurden. ........“

Es folgen dann noch Bemerkungen über die Einflussnahme der R.M.K. auf Anstellungsverträge. Ich habe nach diesem Schreiben meiner Direktion auf den Kopf zu gesagt, dass der Kündigungsgrund um ein fauler Vorwand für unsaubere geschäftliche Machenschaften war, (denn ich kenne jetzt auch meinen Nachfolger!), worauf wir den schönsten Krach kriegten, und ich erst recht rausgeschmissen wurde! Immerhin habe jetzt ich die reine Weste, und meine Direktion den Fleck auf der Conduite! Was mir allerdings nun ein ehrenvoller, aber leider kein stofflicher Ersatz für die verlorene Verdienstquelle ist. Einige beherzte Schüler sind mit mir „in die Verbannung“ gegangen. Aber erst nebelhaft erheben sich am Horizonte die Umrisse einer neuen eventuellen Arbeitsstätte. Jetzt kommen erst die Ferien und mitten darin unser Familienzuwachs, sodass mir alle Haare einzeln zu Berge stehen, und ich ein S.O.S. an die Verwandten losgelassen habe. Obs hilft??? —

{2} Einliegend finden Sie ferner die Besprechung eines Vortrages, den ich kürzlich mit dem Mute der Verzweiflung gehalten habe. Es schien mir der einzigmögliche Weg, die Wahrheit zur Sprache zu bringen, ohne auf eine a-priori-Ablehnung zu stossen. Der Erfolg übertraf meine Erwartungen, und auch die Besprechung – von mir leicht inspiriert – zeigt, dass es noch Leute gibt, die eine geistige Verantwortung auf sich zu nehmen bereit sind. Curioserweise hatte der Vortrag ein Echo aus – – – – – Frankfurt! Von dort schrieb mir ein Professor Alfred Hoehn (kennen Sie ihn?), 5 dass er von diesen Dingen mehr erfahren möchte. Ich werde ihm ein paar zusammenhängende Notizen und eine „selbstgezogene“ Urlinie schicken. 6

Beim Bach präludium 7 habe ich mich zu folgendem Ursatze durchgerungen:
thumb

Cum grano salis natürlich! Jetzt arbeite ich auch an der Fuge! 8 Dies ist auch so ähnlich. Im Übrigen bin ich mit „Nestbau“ beschäftigt, streiche meine Möbel, tapeziere Wände, zimmere Tische und Garderoben, denn Handwerker bezahlen ist nicht möglich, und ausserdem wird das Selbstgefühl gesteigert! —

Gott und mein Glaube an die Ewigkeit alles Deutschen – auch im neuen Deutschland – helfe mir weiter! — 9


Mit vielen herzlichen Grüssen von uns beiden an Sie und Ihre liebe Gattin bich ich stets
Ihr
[signed:] Cube.
[in lower left margin:]

Was macht Hans Wolf?

Ach so: Furtwängler will sich Mitte Juni mit mir in Verbindung setzen! 10

© Transcription William Drabkin, 2006


Hamburg 13, Mittelweg 126, Ia/II.
June 2, 1934
Everyone thinks the game is up,
But, no, there's life in them yet!
(Wilhelm Busch.) 1

Most revered, dear master, 2

I have growled and flashed my teeth in many directions, and again been active and at work on other fronts to enlighten and convince, with the result that I have driven a solid hook into the crumbling wall of obstinacy, onto which I may be able to rope myself once more. 3 A letter, which I received from the provincial leader of the Reichsmusikkammer, 4 reads as follows:
"Dear Mr. von Cube!
This is to let you know that I shall inform myself directly concerning the grounds of your dismissal from the German Conservatory. An opinion concerning "Schenkerian theory" seems to me at this time entirely unnecessary, and I cannot understand why you were dismissed on grounds of that sort..."

There then follow remarks about the extent to which the Reichsmusikkammer exerts an influence over employment contracts. After receiving this letter I spoke face to face with the administration, saying that the reason for my dismissal was a lame pretext for shady business dealings (for I also know now who my successor is!), whereupon we had the fiercest row and I was categorically thrown out! None the less, it is I who wears the clean shirt, and the administration which has a black mark for conduct! This is at any rate for me an honorable, though unfortunately not a material, substitute for the lost sources of income. A few brave pupils went with me "into banishment." But the outlines of a new possibility for work are rising only hazily on the horizon. Now the summer holidays are intervening, and in the midst of this the new member of our family, so that all of my hairs are standing up like mountains and I have issued an S.O.S. to our relatives. But will that help???

{2} I have also enclosed for you the review of a lecture that I gave recently, with the courage of despair. It seemed to me the only possible way of giving voice to the truth, without meeting an a priori objection. The success exceeded my expectation, and even the review – lightly drawing inspiration from me – shows that there are still people who are prepared to bear intellectual responsibility. Strangely enough, the lecture received an echo from, of all places, Frankfurt! From there a Professor Alfred Hoehn (do you know him?) 5 wrote to me, saying that he wanted to learn more about these things. I shall send him a few related notices and a "self-drawn" Ursatz. 6

In the Bach Prelude, 7 I have arrived at the following Ursatz:
thumb

[You may take this,] of course, with a pinch of salt! Now I am also working on the fugue. 8 This is also very similar. Otherwise, I am busy "building a nest," painting my furniture, papering the walls, and building tables and wardrobes, since paying a builder is impossible and, in addition, my self-esteem is thereby increased.

May God and my belief in the eternity of everything German – even in the new Germany – help me further! 9


With many cordial greetings from the two of us to you and your dear wife, I am always
Yours,
[signed:] Cube.
[in lower left margin:]

[P.S.:] What is Hans Wolf up to?

Oh, yes: Furtwängler will get in touch with me in the middle of June! 10

© Translation William Drabkin, 2006

Footnotes

1 Wilhelm Busch (1832-1908), artist and poet, most famous for his picture stories, among which Max und Moritz (1865) became a children's classic.

2 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/7, p. 3914, June 4, 1934: "Von Cube (Br.): hält mich auf dem Laufenden über seine Lebenschwierigkeiten, grüßt auch die „liebe Frau“ usw." (From Cube (letter): brings me up to date on the difficulties of his life, sends greetings also to my "dear wife" etc.").

3 Haken (a thin wedge driven into a rockface, used as a safety device in mountaneering) and anseilen (to tie into a rope) are terms that Schenker, a keen Alpinist, would not only have understood but also have been pleased to see used metaphorically.

4 Reichmusikkammer (Reich Music Chamber): the body controlling music throughout Germany during the period of National Socialism, itself subdivided into departments for composition, soloists, orchestras, entertainment music, music education, choral music, church music, concert agencies, etc., and 31 regional offices. It was one of seven sub-chambers of the Reichskulturkammer (Reich Culture Chamber), founded in 1933, the year that Hitler came to power, under the authority of the Propaganda Minister Joseph Goebbels. Its President for the first two years was Richard Strauss.

5 Alfred Hoehn: teacher of piano at the Frankfurt Conservatory (taught, among others, the conductor Hans Rosbaud).

6 No paragraph-break in original.

7 This is a follow-up graph to an analysis sent with Cube's previous letter to Schenker, OJ 9/34, [39], April 29, 1934.

8 Voice-leading graphs of both the Prelude and the Fugue in D major from the Well-Tempered Clavier, Book 1, are included in Cube's unpublished Lehrbuch der musikalischen Kunstgesetze. (They are dated 1956 and 1957, respectively.)

9 On his "allegiance to the new Germany," see Cube's previous letter, OJ 9/34, [39], April 29, 1934, and also Cube's OJ 9/34, [37], May 11, and Schenker's OJ 5/7a, [46], May 14, 1933.

10 Cube's last letter to Schenker, OJ 9/34, [42], October 4, 1934, quotes in full the letter written by Wilhelm Furtwängler in support of his dedication to the teaching of Schenker's theories.

Commentary

Format
2-p letter, second page numbered "II," holograph message and signature, including music example
Provenance
Schenker, Heinrich ([document date]-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
IPR: The heirs of Felix-Eberhard von Cube -- except for enclosed printed materials
License
Permission to publish granted by the heirs of Felix-Eberhard von Cube, March 2006. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk.

Digital version created: 2006-10-09
Last updated: 2011-11-13