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[UE receipt:] 16. Feb. 1910
[UE accession #:] 0003

Sehr geehrter Herr Direktor!

Ich habe Sie heute in Gesellschaft des H. Prof. M. Violin besucht, der Ihnen ein ganz [be]scheidenes Manuscriptchen (etwa 30 Druckseiten, 19 Notenbeispiele) überbracht hat. 1 H. v. Wöss hat die Arbeit übernommen u. versprach, Ihnen sofort Mitteilung zu machen. Nähere Aufklärung will ich hier selbst geben.

Es soll diedas Brochürchen dem historischen Konzert, das H. Dir. Bopp veranstaltet, 2 nicht nur als Praeludium sondern auch als Programm, als Führer dienen. Es wird darin die berechtigte Frage des sog. Kontinuo, der Bearbeitungsmethode der älteren Werke – gerade heute ist von Batka , u. im Extrablatt u.s.w. längeres [übe]r diese Frage aus Anlaß der Aufführung des „Messias“ von Reiter 3 gebracht worden – dargestellt, indem in ganz sachlicher Weise, u. in chronologischer Ordnung die Methoden von S. Bach , Mozart , Mendelssohn , u. Brahms aufgezeigt werden. Daß nur diese „altmodischen“ Meister angeführt wurden, erklärt {2} sich einfach damit, daß eben nur diese Meister gelegentlich sich in der Bearbeitung versucht haben. ( Mozart als Bearbeiter Händel ’scher Werke, ebenso Mendelssohn u. Brahms ). R. Strauss , Mahler , Reger , Pfitzner haben sich, wohl in Ermanglung einer guten Gelegenheit, mit solchen Bearbeitungen nicht abgegeben. Darum fehlen sie in jener schönen Studie von H. Violin .

Die Studie ist also abschließend; sie bringt von jedem Meister ein Beispiel der Technik, erläutert dieses u. fügt auch eigene Ansichten des betreffenden Meisters, wo sie historisch verbürgt sind, bei.

Schon die Darstellung der Methoden der Meister könnte bei nerven Gemütern Anstoß erregen, in dem Sinne nämlich, als sinnlich dadurch beleidet fühlen, daß die Meister es besser als sie selbst gemacht haben. Nun, erwarten Sie es anders? Ist es denn nicht selbstverständlich, daß Mozart , oder Brahms solche Sachen besser machen, als z.B. Siegfried Ochs in Berlin u.s.w.? Wo läge in der Feststellung der Methoden der Meister eine Beleidigung? Aber man hört die Wahrheit nicht gerne, u. will sie nicht gerne aufkommen lassen, wenn sie gewisse Leistungen als minderwertige bloßstellt.

{3} Füge ich noch hinzu, daß die Studie damit abschließt, zu zeigen, wie ich selbst es sowohl in den 4 Fällen der im Konzert zur Darstellung gelangenden Stücke, als auch im Falle der Händel’schen Orgelkonzerte, die seinerzeit die „ U.E. “ in meinem 4-händigen Arrangement publiziert hat, gehalten haben, daß bei dieser Gelegenheit zur Stärkung seiner eigenen Ansicht der Autor auch mehrmals meinen in der „ U.E .“ erschienenen Arbeiten citiert, so glaube ich damit vielleicht glücklich auf ein eigenes Interesse der „ U.E. “ hingewiesen zu haben. Es mag vielleicht angebracht sein, die Autorität des Mitarbeiters in so würdiger Weise zu fördern, meinen Sie nicht? Zumal die Honorarfrage fast keine Rolle spielt. Worüber mündlich besser u. einfacher.

H. Dir. Bopp hat die Studie selbstverständlich schon gelesen, u. er möchte sie im Bürstenabzüge [no]ch einmal sehen.

Ich will hoffen, daß Sie die Entscheidung im günstigen Sinne treffen u. zeichnen


mit besten Grüßen
I[h]r ergeb[ener]
[signed:] H Schenker

15. 2. 10

© Transcription Ian Bent, 2005, 2020

[UE receipt:] 16. Feb. 1910
[UE accession #:] 0003

Sehr geehrter Herr Direktor!

I called on you today in the company of Prof. Moriz Violin, who brought for you a modest little manuscript (some 30 printed pages, 19 music examples). 1 Mr. von Wöß took delivery of the work and promised to bring it to your attention immediately. I myself will give you further clarification here.

This little brochure is intended to serve not only as a prelude to but also as program for and as a guide to the historical concert that Director Bopp is organizing. 2 In it, the legitimate question of the so-called continuo, the method of arranging in early works, is presented ‒ just today, this question has been aired at length by Batka, and in the Extrablatt and elsewhere, on the occasion of the performance of [Handel's] Messiah by Reiter. 3 In it, in a highly systematic way, and in chronological order, the methods of J. S. Bach, Mozart, Mendelssohn, and Brahms are demonstrated. That only these "outmoded" masters are instanced is to be explained {2} simply by the fact that only these masters were from time to time active as arrangers (Mozart as arranger of works by Handel, likewise with Mendelssohn and Brahms). R. Strauß, Mahler, Reger, Pfitzner have not concerned themselves with arrangements, no doubt for want of suitable occasion. This is why they do not figure in this elegant study by Mr. Violin.

The study is definitive; it provides an example of the technique from [the work of] each composer, elucidates this, and also includes the views of the composer concerned in each case, when these can be supported historically.

The very presentation of the methods of the masters could in itself give offense among nervous souls, who may feel palpably affronted that the masters have done it better that they themselves have. But would you expect it to be otherwise? For is it not to be taken for granted that Mozart or Brahms do such things better than, e.g., Siegfried Ochs in Berlin, and others? Where is the offense in uncovering the masters' methods? But people do not like to hear the truth, and will not willingly allow it to spring up when it exposes certain products as inferior.

{3} If I add to this that the study ends by showing how I myself have handled the matter, not only in the four pieces to be presented at the concert, but also in the Handel Organ Concertos that UE published some time ago in my four-hand arrangement, and that the author also reinforces his own views on the subject by frequently citing works of mine that have been published by UE, then I believe I have perhaps felicitously acted in the interests of UE. It may perhaps be appropriate to promote the authority of the collaborator in so worthy a way, don't you think? At the same time, the question of honorarium is scarcely an issue. Better and simpler to speak about this face-to-face.

Director Bopp has of course already read the study, and he would like to see it again in proof.

I hope that your decision will go in the right way, and I remain,


With best wishes,
Your devoted
[signed:] H. Schenker

February 15, 1910

© Translation Ian Bent, 2005, 2020

[UE receipt:] 16. Feb. 1910
[UE accession #:] 0003

Sehr geehrter Herr Direktor!

Ich habe Sie heute in Gesellschaft des H. Prof. M. Violin besucht, der Ihnen ein ganz [be]scheidenes Manuscriptchen (etwa 30 Druckseiten, 19 Notenbeispiele) überbracht hat. 1 H. v. Wöss hat die Arbeit übernommen u. versprach, Ihnen sofort Mitteilung zu machen. Nähere Aufklärung will ich hier selbst geben.

Es soll diedas Brochürchen dem historischen Konzert, das H. Dir. Bopp veranstaltet, 2 nicht nur als Praeludium sondern auch als Programm, als Führer dienen. Es wird darin die berechtigte Frage des sog. Kontinuo, der Bearbeitungsmethode der älteren Werke – gerade heute ist von Batka , u. im Extrablatt u.s.w. längeres [übe]r diese Frage aus Anlaß der Aufführung des „Messias“ von Reiter 3 gebracht worden – dargestellt, indem in ganz sachlicher Weise, u. in chronologischer Ordnung die Methoden von S. Bach , Mozart , Mendelssohn , u. Brahms aufgezeigt werden. Daß nur diese „altmodischen“ Meister angeführt wurden, erklärt {2} sich einfach damit, daß eben nur diese Meister gelegentlich sich in der Bearbeitung versucht haben. ( Mozart als Bearbeiter Händel ’scher Werke, ebenso Mendelssohn u. Brahms ). R. Strauss , Mahler , Reger , Pfitzner haben sich, wohl in Ermanglung einer guten Gelegenheit, mit solchen Bearbeitungen nicht abgegeben. Darum fehlen sie in jener schönen Studie von H. Violin .

Die Studie ist also abschließend; sie bringt von jedem Meister ein Beispiel der Technik, erläutert dieses u. fügt auch eigene Ansichten des betreffenden Meisters, wo sie historisch verbürgt sind, bei.

Schon die Darstellung der Methoden der Meister könnte bei nerven Gemütern Anstoß erregen, in dem Sinne nämlich, als sinnlich dadurch beleidet fühlen, daß die Meister es besser als sie selbst gemacht haben. Nun, erwarten Sie es anders? Ist es denn nicht selbstverständlich, daß Mozart , oder Brahms solche Sachen besser machen, als z.B. Siegfried Ochs in Berlin u.s.w.? Wo läge in der Feststellung der Methoden der Meister eine Beleidigung? Aber man hört die Wahrheit nicht gerne, u. will sie nicht gerne aufkommen lassen, wenn sie gewisse Leistungen als minderwertige bloßstellt.

{3} Füge ich noch hinzu, daß die Studie damit abschließt, zu zeigen, wie ich selbst es sowohl in den 4 Fällen der im Konzert zur Darstellung gelangenden Stücke, als auch im Falle der Händel’schen Orgelkonzerte, die seinerzeit die „ U.E. “ in meinem 4-händigen Arrangement publiziert hat, gehalten haben, daß bei dieser Gelegenheit zur Stärkung seiner eigenen Ansicht der Autor auch mehrmals meinen in der „ U.E .“ erschienenen Arbeiten citiert, so glaube ich damit vielleicht glücklich auf ein eigenes Interesse der „ U.E. “ hingewiesen zu haben. Es mag vielleicht angebracht sein, die Autorität des Mitarbeiters in so würdiger Weise zu fördern, meinen Sie nicht? Zumal die Honorarfrage fast keine Rolle spielt. Worüber mündlich besser u. einfacher.

H. Dir. Bopp hat die Studie selbstverständlich schon gelesen, u. er möchte sie im Bürstenabzüge [no]ch einmal sehen.

Ich will hoffen, daß Sie die Entscheidung im günstigen Sinne treffen u. zeichnen


mit besten Grüßen
I[h]r ergeb[ener]
[signed:] H Schenker

15. 2. 10

© Transcription Ian Bent, 2005, 2020

[UE receipt:] 16. Feb. 1910
[UE accession #:] 0003

Sehr geehrter Herr Direktor!

I called on you today in the company of Prof. Moriz Violin, who brought for you a modest little manuscript (some 30 printed pages, 19 music examples). 1 Mr. von Wöß took delivery of the work and promised to bring it to your attention immediately. I myself will give you further clarification here.

This little brochure is intended to serve not only as a prelude to but also as program for and as a guide to the historical concert that Director Bopp is organizing. 2 In it, the legitimate question of the so-called continuo, the method of arranging in early works, is presented ‒ just today, this question has been aired at length by Batka, and in the Extrablatt and elsewhere, on the occasion of the performance of [Handel's] Messiah by Reiter. 3 In it, in a highly systematic way, and in chronological order, the methods of J. S. Bach, Mozart, Mendelssohn, and Brahms are demonstrated. That only these "outmoded" masters are instanced is to be explained {2} simply by the fact that only these masters were from time to time active as arrangers (Mozart as arranger of works by Handel, likewise with Mendelssohn and Brahms). R. Strauß, Mahler, Reger, Pfitzner have not concerned themselves with arrangements, no doubt for want of suitable occasion. This is why they do not figure in this elegant study by Mr. Violin.

The study is definitive; it provides an example of the technique from [the work of] each composer, elucidates this, and also includes the views of the composer concerned in each case, when these can be supported historically.

The very presentation of the methods of the masters could in itself give offense among nervous souls, who may feel palpably affronted that the masters have done it better that they themselves have. But would you expect it to be otherwise? For is it not to be taken for granted that Mozart or Brahms do such things better than, e.g., Siegfried Ochs in Berlin, and others? Where is the offense in uncovering the masters' methods? But people do not like to hear the truth, and will not willingly allow it to spring up when it exposes certain products as inferior.

{3} If I add to this that the study ends by showing how I myself have handled the matter, not only in the four pieces to be presented at the concert, but also in the Handel Organ Concertos that UE published some time ago in my four-hand arrangement, and that the author also reinforces his own views on the subject by frequently citing works of mine that have been published by UE, then I believe I have perhaps felicitously acted in the interests of UE. It may perhaps be appropriate to promote the authority of the collaborator in so worthy a way, don't you think? At the same time, the question of honorarium is scarcely an issue. Better and simpler to speak about this face-to-face.

Director Bopp has of course already read the study, and he would like to see it again in proof.

I hope that your decision will go in the right way, and I remain,


With best wishes,
Your devoted
[signed:] H. Schenker

February 15, 1910

© Translation Ian Bent, 2005, 2020

Footnotes

1 Moriz Violin, Über das sogenannte “Continuo”: Ein Beitrag zur Lösung des Problems. –.75 Mk. This was eventually published by UE as No.3089. The UE advertisement of 1913 (OC Scores, No.26, back of LfS 109), states: "The present work seeks to offer clarification on the difficult question of the continuo. It presents continuo methods comprehensively according to the teachings of [Johann] Sebastian and [Carl Philipp] Emmanuel Bach, and in separate sections according to the practise of Mozart, Mendelssohn, and Brahms." — There is a revealing entry in Schenker's diary for February 1, 1910: "den „Kontinuo“ für Floriz auch 14 tägige Arbeit beendet." ("'Continuo', fourteen days' work in all, finished for Floriz.").

2 See WSLB 44, October 18, 1909, for first mention of this concert as forthcoming. The concert was canceled: see OJ 1/9, p.118, June 1910.

3 Perhaps Josef Reiter (1862–1939), who was Director of the Salzburg Mozarteum 1908–1911.

Commentary

Rights Holder
Heirs of Heinrich Schenker, in the public domain
License
This document is deemed to have been in the public domain as of January 1, 2006. All reasonable steps have been taken to locate the heirs of Heinrich Schenker. Any claim to intellectual rights should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk.
Format
3p letter, Bogen format, holograph salutation, message, valediction, and signature, UE stamp, and accession number
Provenance
Universal Edition Archive (document date-1976)—on permanent loan to the Wienbibliothek im Rathhaus (1976-)

Digital version created: 2020-07-01
Last updated: 2010-03-04