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diktiert.


Mein lieber Professor Deutsch! 1

Vielen Dank für Ihren Rat, 2 ich habe in meiner Antwort an den Verlag 3 mich fast wörtlich Ihrer Wendungen bedient, nur um ja nicht fehlzugehen.

Ich habe nach Möglichkeit gesucht, mich darüber nicht mehr zu grämen, als mir gut tut; auch darin folgte ich Ihrer liebgedachten Empfehlung.

Was Herrn v. Hoboken anlangt:

Es fiel ihm plötzlich ein, einen Scheck zu schicken, der eine Erhöhung des Honorars für die Stunde um 5 S. enthielt. Da er in seinem Brief kein Wort darüber verlauten ließ, habe ich ihn bei der Jau- {2} se gefragt, ob er sich geirrt habe, worauf er mit einer unvergleichlich gut gespielten Verstellung erwiderte, er habe doch auch schon im Vorjahre das höhere Honorar gezahlt. Leider waren wir nicht in der Lage ihm das bestätigen zu können u. er meinte dann, daß er in seinen Büchern nachsehen wolle. Was sagen Sie nun dazu, daß er mir ein Honorar in der Einbildung wohl gegönnt hat, was hinderte ihn aber es nachzutragen? Bedenken Sie den mir zugedachten Mehrbetrag, addieren Sie dazu was er für geleistete Mehrarbeit wirklich zu zahlen gehabt hätte, es käme ein ansehnlicher Betrag als Gegenleistung für seine Hilfe bei Jhrb. II zustande.

Als ich v. H. mitteilte, daß ich die {3} Doppelstunden auflösen müsse, habe ich mich bereit erklärt, ihm 4, 3 oder 2 Einzelstunden zu geben. Da hätten Sie sehen sollen, mit welcher Gier er sich auf 3 Stunden stürzte, um mit dem Ersparnis einer 4. Stunde ein Geschäft zu machen.

Wohl aber das Tragischste war dieses: Als ich von der Unmöglichkeit der Doppelstunden sprach, 4 versuchte ich ihn zur Erkenntnis zu bringen, daß er durch seinen eigenmächtigen Eingriff in meinen Lehrgang diese Häufung von vier Theoriestunden in einer Woche verschuldet habe. Aber in seinem hartgesottenen Egoismus empfand er den Sachverhalt ganz anders, denn er erklärte mir, daß er sich der neuentstande- {4} nen Schwierigkeit wohl bewußt war u. deshalb später zur Stunde erschien u. sonst mit mir über verschiedene Dinge plauschte. Also gerade das, was meine unerhörte physische Pein gewesen, von je 10 zu 10 Minuten den Stoff wechseln zu müssen, empfand er als eine mir zugedachte Erleichterung. Mochte ich die Bibliothek plündern u. ihm das Schönste vorlegen, – er ist sich nur einer Schenkung an mich bewußt. Und das sagte er als Gast an meinem Tisch – s. außerdem Punkt 1 u. 2.

So stellt sich H. v. H. die Beziehung zu mir vor; er fühlt sich sicher als mein ergebener Freund, aber nur weil er meine Vorteile genießt: er sieht {5} mich bereit u. aufgeschlossen, in der Einbildung sieht er sich ebenso – wie gut, daß nicht alle Schüler mir so gute Freunde sind. Das Geld, das v. H. in die Erstdrucksammlung investirte, ist eine sehr gute Kapitalsanlage, das Geld, das er für das Archiv u. für die Gesamtausgabe 5 schenkt, schenkt ihm die soziale Position; leider bedeutet ihm ist das, was ich ihm ins Gehirn gestopft habe u. noch stopfe, keine Kapitalsanlage, auch nützt es ihm zur Verbesserung der Position gar nicht, daher (was aber nicht meine Schuld ist) sein im Kreise meiner Schüler nicht dagewesenes Betragen mir gegenüber.


Mit herzlichstem Gruß
Ihr
[signed:] H Schenker

Wien, 12. X. 30

© Transcription William Drabkin, 2023

dictated


My dear Professor Deutsch! 1

Many thanks for your advice. 2 In my reply to the publisher, 3 I have used your formulations almost literally, and indeed only not to go astray.

I have tried as much as possible not to trouble myself about this any more than is good for me; in this respect, too, I followed your thoughtful advice.

As concerns Mr. van Hoboken:

It suddenly occurred to him to send me a check that contained a five-shilling increase in the hourly lesson fee. As he said not a word about it in his letter, I asked him over our afternoon snack {2} whether he had made a mistake, whereupon he replied – with well-played dissemblance, that he had indeed paid the higher lesson fee already in the previous year. Unfortunately we [Jeanette and Heinrich] were not in a position to confirm that to him; and he said that he would consult his account books. Now, what do you say to this, that he would have granted me a [higher] lesson fee in his imagination, but what prevented him from following it up? If you consider the additional payment that he intended and add that which he really ought to have paid for the additional work I did for him, that would amount to a substantial sum as a quid pro quo for his help with the second yearbook.

When I told Hoboken that I {3} had to terminate the two-hour lessons, I declared myself ready to give him four, three or two one-hour lessons. You should have seen with what greed he jumped at the idea of three lessons, in order to make a good business deal by dispensing with the fourth lesson.

But the most tragic thing of all was this: When I spoke of the impossibility of the two-hour lessons, 4 I sought to make him understand that, by his unilateral engagement in my course of studies, he was responsible for this accumulation of four weekly theory lessons. But in his obstinate egoism he conceived the matter in a different way; for he explained to me that he was well aware of the newly arisen {4} difficulty and therefore appeared later at his lesson and otherwise chatted about various things. Thus precisely that which caused my unimagined physical pain, having to change the subject from one ten-minute period to the next, he thought of as providing intended relief. If I wished to plunder his library and present the most beautiful things to him – he is only conscious of making a gift to me. And that he said to me as a guest at my dinner table – see also points 1 and 2.

Thus Mr. van Hoboken presents his relationship to me. He feels himself secure as my devoted friend, but only because he enjoys my benefits: he sees {5} me at the ready and approachable; in his vanity he sees himself likewise – how good it is that not all my pupils are such good friends. The money that Hoboken invested in his collection of first editions is a good capital investment; the money that he provides for the Archive and for the collected edition 5 gives him his social position; unfortunately, that which I have stuffed into his brain, and which I continue to stuff, does not signify to him an improvement of his position at all, and thus (though it is not my fault) his unprecedented behavior towards me in my circle of pupils.


With cordial greetings,
Your
[signed:] H. Schenker

Vienna, October 12, 1930

© Translation William Drabkin, 2023

diktiert.


Mein lieber Professor Deutsch! 1

Vielen Dank für Ihren Rat, 2 ich habe in meiner Antwort an den Verlag 3 mich fast wörtlich Ihrer Wendungen bedient, nur um ja nicht fehlzugehen.

Ich habe nach Möglichkeit gesucht, mich darüber nicht mehr zu grämen, als mir gut tut; auch darin folgte ich Ihrer liebgedachten Empfehlung.

Was Herrn v. Hoboken anlangt:

Es fiel ihm plötzlich ein, einen Scheck zu schicken, der eine Erhöhung des Honorars für die Stunde um 5 S. enthielt. Da er in seinem Brief kein Wort darüber verlauten ließ, habe ich ihn bei der Jau- {2} se gefragt, ob er sich geirrt habe, worauf er mit einer unvergleichlich gut gespielten Verstellung erwiderte, er habe doch auch schon im Vorjahre das höhere Honorar gezahlt. Leider waren wir nicht in der Lage ihm das bestätigen zu können u. er meinte dann, daß er in seinen Büchern nachsehen wolle. Was sagen Sie nun dazu, daß er mir ein Honorar in der Einbildung wohl gegönnt hat, was hinderte ihn aber es nachzutragen? Bedenken Sie den mir zugedachten Mehrbetrag, addieren Sie dazu was er für geleistete Mehrarbeit wirklich zu zahlen gehabt hätte, es käme ein ansehnlicher Betrag als Gegenleistung für seine Hilfe bei Jhrb. II zustande.

Als ich v. H. mitteilte, daß ich die {3} Doppelstunden auflösen müsse, habe ich mich bereit erklärt, ihm 4, 3 oder 2 Einzelstunden zu geben. Da hätten Sie sehen sollen, mit welcher Gier er sich auf 3 Stunden stürzte, um mit dem Ersparnis einer 4. Stunde ein Geschäft zu machen.

Wohl aber das Tragischste war dieses: Als ich von der Unmöglichkeit der Doppelstunden sprach, 4 versuchte ich ihn zur Erkenntnis zu bringen, daß er durch seinen eigenmächtigen Eingriff in meinen Lehrgang diese Häufung von vier Theoriestunden in einer Woche verschuldet habe. Aber in seinem hartgesottenen Egoismus empfand er den Sachverhalt ganz anders, denn er erklärte mir, daß er sich der neuentstande- {4} nen Schwierigkeit wohl bewußt war u. deshalb später zur Stunde erschien u. sonst mit mir über verschiedene Dinge plauschte. Also gerade das, was meine unerhörte physische Pein gewesen, von je 10 zu 10 Minuten den Stoff wechseln zu müssen, empfand er als eine mir zugedachte Erleichterung. Mochte ich die Bibliothek plündern u. ihm das Schönste vorlegen, – er ist sich nur einer Schenkung an mich bewußt. Und das sagte er als Gast an meinem Tisch – s. außerdem Punkt 1 u. 2.

So stellt sich H. v. H. die Beziehung zu mir vor; er fühlt sich sicher als mein ergebener Freund, aber nur weil er meine Vorteile genießt: er sieht {5} mich bereit u. aufgeschlossen, in der Einbildung sieht er sich ebenso – wie gut, daß nicht alle Schüler mir so gute Freunde sind. Das Geld, das v. H. in die Erstdrucksammlung investirte, ist eine sehr gute Kapitalsanlage, das Geld, das er für das Archiv u. für die Gesamtausgabe 5 schenkt, schenkt ihm die soziale Position; leider bedeutet ihm ist das, was ich ihm ins Gehirn gestopft habe u. noch stopfe, keine Kapitalsanlage, auch nützt es ihm zur Verbesserung der Position gar nicht, daher (was aber nicht meine Schuld ist) sein im Kreise meiner Schüler nicht dagewesenes Betragen mir gegenüber.


Mit herzlichstem Gruß
Ihr
[signed:] H Schenker

Wien, 12. X. 30

© Transcription William Drabkin, 2023

dictated


My dear Professor Deutsch! 1

Many thanks for your advice. 2 In my reply to the publisher, 3 I have used your formulations almost literally, and indeed only not to go astray.

I have tried as much as possible not to trouble myself about this any more than is good for me; in this respect, too, I followed your thoughtful advice.

As concerns Mr. van Hoboken:

It suddenly occurred to him to send me a check that contained a five-shilling increase in the hourly lesson fee. As he said not a word about it in his letter, I asked him over our afternoon snack {2} whether he had made a mistake, whereupon he replied – with well-played dissemblance, that he had indeed paid the higher lesson fee already in the previous year. Unfortunately we [Jeanette and Heinrich] were not in a position to confirm that to him; and he said that he would consult his account books. Now, what do you say to this, that he would have granted me a [higher] lesson fee in his imagination, but what prevented him from following it up? If you consider the additional payment that he intended and add that which he really ought to have paid for the additional work I did for him, that would amount to a substantial sum as a quid pro quo for his help with the second yearbook.

When I told Hoboken that I {3} had to terminate the two-hour lessons, I declared myself ready to give him four, three or two one-hour lessons. You should have seen with what greed he jumped at the idea of three lessons, in order to make a good business deal by dispensing with the fourth lesson.

But the most tragic thing of all was this: When I spoke of the impossibility of the two-hour lessons, 4 I sought to make him understand that, by his unilateral engagement in my course of studies, he was responsible for this accumulation of four weekly theory lessons. But in his obstinate egoism he conceived the matter in a different way; for he explained to me that he was well aware of the newly arisen {4} difficulty and therefore appeared later at his lesson and otherwise chatted about various things. Thus precisely that which caused my unimagined physical pain, having to change the subject from one ten-minute period to the next, he thought of as providing intended relief. If I wished to plunder his library and present the most beautiful things to him – he is only conscious of making a gift to me. And that he said to me as a guest at my dinner table – see also points 1 and 2.

Thus Mr. van Hoboken presents his relationship to me. He feels himself secure as my devoted friend, but only because he enjoys my benefits: he sees {5} me at the ready and approachable; in his vanity he sees himself likewise – how good it is that not all my pupils are such good friends. The money that Hoboken invested in his collection of first editions is a good capital investment; the money that he provides for the Archive and for the collected edition 5 gives him his social position; unfortunately, that which I have stuffed into his brain, and which I continue to stuff, does not signify to him an improvement of his position at all, and thus (though it is not my fault) his unprecedented behavior towards me in my circle of pupils.


With cordial greetings,
Your
[signed:] H. Schenker

Vienna, October 12, 1930

© Translation William Drabkin, 2023

Footnotes

1 Sending of this letter is recorded in Schenker’s diary for October 12, 1930: “An Deutsch (Br. diktirt): Hobokeniana von Donnerstag.” (“To Deutsch (letter, dictated)”: Thursday’s Hoboken saga.”).

2 Deutsch’s letter OC 54/325 of October 11, 1930 advising Schenker about negotiating proof-correction costs with the publishers.

3 Schenker’s diary entry of October 12, 1930 records a letter (not surviving) to Drei Masken Verlag: “An den Verlag (Br. diktirt): ich lehne ab, für alle Korrekturen aufzukommen, bitte um eine detaillirte Rechnung; ein Bindemuster wäre willkommen.” (“To the publishers (letter, dictated): I decline to be held responsible for all proof-correction [costs], ask for a detailed account. A sample cover would be appreciated.”).

4 It is likely that, during a period of intensive care from his physicians the previous month, Schenker was advised not to teach for more than one hour at a time. This may also be the reason for dictation of the letter.

5 The collected edition of the works of C. P. E. Bach, a project associated with the Photogram Archive, which did not come to fruition.

Commentary

Format
printed picture postcard: printed picture, typewritten recipient address, postmark and postage stamp, recto; typewritten salutation, message, and valediction, holograph valediction and signature, verso
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-1938)--Oster, Ernst (1938-c.1939)—New York Public Library (c.1939-)

Digital version created: 2023-05-17
Last updated: 2015-09-18