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5. IX. 14

KarteOJ 13/30, [13] von Roth, München, mit freundlicher Nachfrage.

Karte von Mama, die mit mir sprechen möchte.

*

Die Deutschen besetzen Reims; somit wird der letzte Schutz vor Paris zunichte gemacht.

*

Vor Lemberg angeblich g Gefechtspause. Ich kann nur wünschen, daß das Umgehungsmanöver des linken oesterreichischen Flügels gelingen möge. 1 Ueberhaupt spielt Lemberg eine zu große Rolle im [illeg]Gefühlsleben der Wiener Presse; , so insbesondere hat die derN. Fr. Pr., die offenbar viele Abonnenten in Lemberg hat u. darum in unverschämtester Weise den Generalstabs-Chef mit Wünschen u. Bitten bedrängt, Lemberg (, versteht sich die Abonnenten der „N. Fr. Pr.“,) zu schonen. Die Auslassungen der N. Fr. Pr.-Scribenten sind umso schamloser, als diese sie sich ins bescheidene Gewand militärischer Laien hüllen; sie wollen ja nichts sagen, meinen sie, sie sagen nur . . u. so talmudisieren die ekligen Journalisten die amtlichen Mitteilungen durch, jedes Wort mehrere male wiederkauend, aus- deutend , u. umdeutend – kurz, unermüdlich sich an im Göpel derselben Worten berauschend sich drehend. Daß die oesterreichische Bevölkerung bislang z. B. Komarow nicht kannte, so geht ihr sogar jeglicher Sinn auch für einen Sieg bei Komarow ab; was sie allenfalls besser verstehen würde, wäre eine Schlacht bei einer Stadt, die deren Namen ihr geläufig ist. Welcher Tiefstand menschlicher Psyche überhaupt, u. wie vergeudet sind doch alle Genietaten von Feldherrn, wenn die Erwiderung auf einen Sieg, wie der bei Komarow doch nur in d ieer Frage, was bei Lemberg geschieht, gipfelt. ! Und wie schwer lastet auf {686} der Regierung die Verantwort lichkeitung, solchen tierischen Horden gute Daseinsbedingungen zu vermitteln u. sei es auch gegen ihr deren eigenes Verständnis!

*

Besuch des kleinen Hupka, dem ich, trotz seiner Jugend, nicht müde wurde, unter Anderem auch die tiefen Gründe des Schauspiels, das er augenblicklich genießt, darzulegen. Freilich ließ ich die seine Jugend dann eben auch Jugend bleiben u. ließ gestattete ihm mir seine Geschichtchen aus der Schule weitläufig zu erzählen, woran er ja noch vielmehr Freude u. unmittelbares Interesse als an meinen Darlegungen hatte. Als aber die „Heil“-Rufe des Skutari-Detachements 2 vor von der deutschen Botschaft her ertönten, habe ich ihn selbst fortgeschickt, damit er nach der Ursache der Begeisterung sehen möge. Auch dieses Zeichen der Jugend hat mich gefreut, doch alle Zeichen aber hindern mich nicht, zur rechten Zeit zu sehen säen. – Uebrigens gelangte auch ich selbst noch dazu, den Marsch des Skutari-Detachements zu sehen; ein in jeder Hinsicht höchst erfreulicher Anblick.

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© Transcription Marko Deisinger.

September 5, 1914.

PostcardOJ 13/30, [13] from Roth in Munich, with a friendly inquiry.

Postcard from Mama, who would like to "speak" with me.

*

The Germans occupy Reims; thus the last stronghold before Paris has been taken.

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Outside Lemberg, apparently a pause in the fighting. I can only hope that the diversionary maneuver of the Austrian left flank will succeed. 1 In general, Lemberg is playing too great a role in the emotional life of the Viennese press, especially that of the Neue freie Presse , which apparently has many subscribers in Lemberg, for which reason they brazenly harass the chief of general staff with wishes and requests to spare Lemberg (viz. the subscribers to the Neue freie Presse ). The utterances of the subscribers to the Neue freie Presse are all the more shameless, since they wrap themselves in the modest cloth of military laymen; "they do not want to say anything at all," they say, "they say only" … and thus the loathsome journalists thoroughly talmudize the official reports, chewing over, interpreting, and reinterpreting each word several times – in short, tirelessly revolving in the capstan of the same words. Since the Austrian population had previously not heard, for example, of Komarów then they have no understanding at all even for a victory at Komarów; what they would better understand would be a battle near a town whose name is familiar to them. What a nadir of human psyche in general, and how wasted are all the acts of genius by field commanders if the response to a victory such as that at Komarów merely culminates in the question of what is happening in Lemberg! And how heavily does the government bear the responsibility {686} of communicating good conditions of existence to such animalistic hordes, even if that goes against its own understanding!

*

Visit from little Hupka, to whom I did not tire, in spite of his youth, of expounding among other things even the profound basis of the theater which he is at present experiencing. Of course, I let his youth remain nothing more than youth, and I permitted him to tell me about his little stories from school at length, something which gave him much greater pleasure and direct interest than my explanations. As the cries of "Hail" from the Skutari detachment 2 resounded from the German embassy, however, I sent him thither myself, so that he might find out the cause of the excitement. Even this sign of youth delighted me; all signs, however, do not prevent me from planting seeds at the correct time. – Moreover, I too succeeded in observing the march of the Skutari detachment; in every respect, a thoroughly gratifying sight.

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© Translation William Drabkin.

5. IX. 14

KarteOJ 13/30, [13] von Roth, München, mit freundlicher Nachfrage.

Karte von Mama, die mit mir sprechen möchte.

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Die Deutschen besetzen Reims; somit wird der letzte Schutz vor Paris zunichte gemacht.

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Vor Lemberg angeblich g Gefechtspause. Ich kann nur wünschen, daß das Umgehungsmanöver des linken oesterreichischen Flügels gelingen möge. 1 Ueberhaupt spielt Lemberg eine zu große Rolle im [illeg]Gefühlsleben der Wiener Presse; , so insbesondere hat die derN. Fr. Pr., die offenbar viele Abonnenten in Lemberg hat u. darum in unverschämtester Weise den Generalstabs-Chef mit Wünschen u. Bitten bedrängt, Lemberg (, versteht sich die Abonnenten der „N. Fr. Pr.“,) zu schonen. Die Auslassungen der N. Fr. Pr.-Scribenten sind umso schamloser, als diese sie sich ins bescheidene Gewand militärischer Laien hüllen; sie wollen ja nichts sagen, meinen sie, sie sagen nur . . u. so talmudisieren die ekligen Journalisten die amtlichen Mitteilungen durch, jedes Wort mehrere male wiederkauend, aus- deutend , u. umdeutend – kurz, unermüdlich sich an im Göpel derselben Worten berauschend sich drehend. Daß die oesterreichische Bevölkerung bislang z. B. Komarow nicht kannte, so geht ihr sogar jeglicher Sinn auch für einen Sieg bei Komarow ab; was sie allenfalls besser verstehen würde, wäre eine Schlacht bei einer Stadt, die deren Namen ihr geläufig ist. Welcher Tiefstand menschlicher Psyche überhaupt, u. wie vergeudet sind doch alle Genietaten von Feldherrn, wenn die Erwiderung auf einen Sieg, wie der bei Komarow doch nur in d ieer Frage, was bei Lemberg geschieht, gipfelt. ! Und wie schwer lastet auf {686} der Regierung die Verantwort lichkeitung, solchen tierischen Horden gute Daseinsbedingungen zu vermitteln u. sei es auch gegen ihr deren eigenes Verständnis!

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Besuch des kleinen Hupka, dem ich, trotz seiner Jugend, nicht müde wurde, unter Anderem auch die tiefen Gründe des Schauspiels, das er augenblicklich genießt, darzulegen. Freilich ließ ich die seine Jugend dann eben auch Jugend bleiben u. ließ gestattete ihm mir seine Geschichtchen aus der Schule weitläufig zu erzählen, woran er ja noch vielmehr Freude u. unmittelbares Interesse als an meinen Darlegungen hatte. Als aber die „Heil“-Rufe des Skutari-Detachements 2 vor von der deutschen Botschaft her ertönten, habe ich ihn selbst fortgeschickt, damit er nach der Ursache der Begeisterung sehen möge. Auch dieses Zeichen der Jugend hat mich gefreut, doch alle Zeichen aber hindern mich nicht, zur rechten Zeit zu sehen säen. – Uebrigens gelangte auch ich selbst noch dazu, den Marsch des Skutari-Detachements zu sehen; ein in jeder Hinsicht höchst erfreulicher Anblick.

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© Transcription Marko Deisinger.

September 5, 1914.

PostcardOJ 13/30, [13] from Roth in Munich, with a friendly inquiry.

Postcard from Mama, who would like to "speak" with me.

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The Germans occupy Reims; thus the last stronghold before Paris has been taken.

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Outside Lemberg, apparently a pause in the fighting. I can only hope that the diversionary maneuver of the Austrian left flank will succeed. 1 In general, Lemberg is playing too great a role in the emotional life of the Viennese press, especially that of the Neue freie Presse , which apparently has many subscribers in Lemberg, for which reason they brazenly harass the chief of general staff with wishes and requests to spare Lemberg (viz. the subscribers to the Neue freie Presse ). The utterances of the subscribers to the Neue freie Presse are all the more shameless, since they wrap themselves in the modest cloth of military laymen; "they do not want to say anything at all," they say, "they say only" … and thus the loathsome journalists thoroughly talmudize the official reports, chewing over, interpreting, and reinterpreting each word several times – in short, tirelessly revolving in the capstan of the same words. Since the Austrian population had previously not heard, for example, of Komarów then they have no understanding at all even for a victory at Komarów; what they would better understand would be a battle near a town whose name is familiar to them. What a nadir of human psyche in general, and how wasted are all the acts of genius by field commanders if the response to a victory such as that at Komarów merely culminates in the question of what is happening in Lemberg! And how heavily does the government bear the responsibility {686} of communicating good conditions of existence to such animalistic hordes, even if that goes against its own understanding!

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Visit from little Hupka, to whom I did not tire, in spite of his youth, of expounding among other things even the profound basis of the theater which he is at present experiencing. Of course, I let his youth remain nothing more than youth, and I permitted him to tell me about his little stories from school at length, something which gave him much greater pleasure and direct interest than my explanations. As the cries of "Hail" from the Skutari detachment 2 resounded from the German embassy, however, I sent him thither myself, so that he might find out the cause of the excitement. Even this sign of youth delighted me; all signs, however, do not prevent me from planting seeds at the correct time. – Moreover, I too succeeded in observing the march of the Skutari detachment; in every respect, a thoroughly gratifying sight.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 This entry refers to the Battle of Galicia (August 23 to September 11, 1914), a larger series of battles between Russia and Austria-Hungary during the early stages of World War I. The Austro-Hungarian armies were initially successful (Battles of Kraśnik and Komarów), but finally defeated (Battles of Gnila Lipa and Rawa) and forced out of Galicia, while the Russians captured Lemberg and, for approximately nine months, ruled Eastern Galicia.

2 Marine Detachment Skutari: At the Treaty of London in 1913 ending the First Balkan War it was agreed that Albania be recognized as an independent state. The city of Skutari (modern Shkodër) was given an international peacekeeping force mainly to defend it from the Montenegrins who had occupied it during the recent war. The international force consisted of troops from Great Britain, France, Austria-Hungary, Italy and Germany. The German contribution was an 100-strong detachment, known as the Marine Detachment Skutari. When the First World War broke out the German troops were placed under Austro-Hungarian command. As such they saw action against the Serbians in Bosnia in August 1914. Several of the German marines received Austro-Hungarian decorations for bravery in this action. The Marine Detachment Skutari was then withdrawn via Vienna to Germany, where it was disbanded on September 7, 1914, and used to form the Naval Corps in Flanders on the Western front.