3. VII. 16 Wolkenlos!
— Die Russen habe den Zeitpunkt der Offensive 1 offenbar auch mit Rücksicht auf eine Erntestörung gewählt. In der Tat ist es ihnen gelungen, in fast ganz Bukowina u. in einigen Bezirken sSüd-Ost-Galiziens das Erntegut zu zerstören. Im Allgemeinen sieht es so aus, als würden die Alliierten nach langer Vorbereitung nicht nur den letzten entscheidenden Versuch machen , u. eEiniges zurückzuerobern, u. sondern vor allem auch um mit dem Angriff damit auch die Blokade [sic] zu kombinieren u. dadurch zu verschärfen wollen . *„Es ist so“ gilt Dem [recte dem] Durchschnittsmenschen, daß es „so ist“, schon als Beweis, daß es auch nicht anders sein kann. Sofort erklärt er daher den Dichter für lebensfremd, wenn er den gegenwärtigen Stand tadelt in der Voraussetzung, daß er anders sein könnte oder auch nur anders gesehen, d. h. von einer anderen Ursache bezogen werden könnte müßte. Daß sich der Dichter gegen den Durchschnittsmenschen niemals verständlich machen kann, liegt eben daran, daß sie Beide offenbar verschiedene Gehirnsubstanzen haben. Denn wenn es zum letzten Begreifen u. zur letzten Erklärung genügt zu sagen: „Weil es so ist, darum muss es so sein“, der ist niemals in das Reich der Logik hinüberzuretten, geschweige daß er begriffe, wie ganz anders Ursache u. Wirkung zusammenhängen. — *Amerika ist im Begriffe Mexiko zu annektieren, ist aber im übrigen gegen jegliche Annexionsgelüste anderer Staaten eingenommen! 2 — *„Herrenvolk“ nennen sich die Engländer – dieses genügt, um sich bei der übrigen {321} Welt in Respekt zu setzen, als wäre auch im Leben der Staaten eine Art sozialer Schichtung gegeben. *Wie ein geistiger Edelmensch stets nur Gutes u. Schönes ausström ent , weil er nicht anders kann, so ist es dagegen dem Reichen gegeben, nur Gier, Unmoral u. Laster zu verbreiten. Der Ueberfluß an Geld ist die Ursache davon. — *Unbildung ist war es, die den Menschen zunächst in geozentrische Gedanken verwickelt hat; erst die Bildung (der Astronomen, Gelehrten, Denker) demolierte diese Denkweise zugunsten höherer Systeme. Aber gGrößte gesteigerteste Bildung war u. mußte es sein, denn nur sie vermag vermochten die Erde entsprechend der Wahrheit in das Sonnensystem einzugliedern u. besonders das eigene Ich in das All der Menschheit u. der Natur aufzulösen. Halbbildung führt nur zu Respektlosigkeit, die weit verächtlicher ist, als die Angst vor Naturkräften, die wie sie dem ungebildeten Wilden eigen ist. Als Blüte alles egozentrischen Denkens ist die Eitelkeit zu bezeichnen; sie ist das sicherste Kennzeichen eines Nullichs. Das Lebensziel setzt ein ausgelöschtes u. von jeder Eitelkeit befreites Ich voraus. Mag auch die Aufgabe eine künstliche sein, so ist doch nur in d erie Hingabe an einen selbstgewollten Zweck der Sinn des Lebens zu erkennen setzen. Doch ist dieser Standpunkt leider nicht allen erreichbar! Es gilt zuerst, vor sich selbst zu nichts werden, hernach, trotz dem nNichts, sich selbst wieder, gleichsam neu, aus eigenem zu erwerben, um sich erst dann in der neugewählten Aufgabe dauernd zu besitzen. — *„Nullich“ — *In der „Ostdeutschen [recte Österreichischen] Rundschau“, 1. Juliheft, bestreitet der Verfasser eines Aufsatzes über die Moderne Staatsgalerie in Wien, Herr Schäffler, die „Galeriewürdigkeit“ des Malers {322} Klimt u. seiner Genossen. 3 So ging es denn damit falsche Wege, wie ich es immer gesagt habe. *
© Transcription Marko Deisinger. |
July 3, 1916, cloudless!
— The Russians have evidently chosen the time of their offensive 1 with a view to damaging a harvest. In point of fact, they have succeeded in destroying the harvest crop in almost the whole of Bukovina and in some regions of southeast Galicia. In general, it appears that the Allies, after a long preparation, will not only make a last, decisive attempt to win back some territory but, above all, also to combine and intensify it with the blockade. *"That's the way it is" is, for an ordinary person, proof that it cannot be otherwise. In this way he immediately declares that the poet is out of touch with everyday life for criticizing the current state of affairs, for thinking that they could be different or at least seen in a different way, i.e. that they would have to be related to a different cause. That the poet could never put across his ideas to the ordinary person may be explained on the basis that their brains are evidently made of different substances. For if it is sufficient for someone to say, in the last analysis, "Since it is so, it must therefore be so," then he can never be rescued by the realm of logic, let alone understand how cause and effect might be related in an entirely different way. — *America is at the point of annexing Mexico, but it is otherwise opposed to any annexation eagerness on the part of other states! 2 — *"Master race," the English call themselves – this is sufficient for them to be shown respect by the rest of the world, {321} as if there were a kind of social stratification even in the realm of states. *As an intellectual person of rank always emanates only good and beautiful things, because he cannot do otherwise, so it is, by contrast, given to a rich person to spread only greed, immorality, and vice. Having too much money is the cause of this. — *It was ignorance that first entangled people in geocentric thoughts; only education (of astronomers, learned people, thinkers) demolished this way of thinking in favor of higher systems. It was, had to be, the greatest, most elevated education; for it alone was capable of arranging the earth in the solar system in accordance with the truth, and in particular to resolving the "ego" into the "all" of humanity and nature. Inadequate knowledge leads only to lack of respect, which is much more contemptible than fear of the forces of nature as found among uneducated savages. The fruits of this egocentric thought is called vanity: it is the surest sign of a Mr. Nobody. The goal of life presupposes an ego that has been effaced and is free of all vanity. Even if the task is an artificial one, it is only from a dedication to a self-desired purpose that life achieves meaning. But this standpoint is, unfortunately, not something that everyone can attain! One must first become nothing in the face of oneself and afterwards, in spite of the nothing, regain oneself, almost as a new being, in order only then to dedicate oneself at length to the newly chosen task. — *"Mr. Zero" — *In the Ostdeutsche Rundschau [recte Österreichische Rundschau] , first July issue, the author of an article on the Moderne Galerie in Vienna, Mr. Schäffler disputes the "museum worthiness" of the painter {322} Klimt and his contemporaries. 3 So it all went in the wrong direction, as I have always said. *
© Translation William Drabkin. |
3. VII. 16 Wolkenlos!
— Die Russen habe den Zeitpunkt der Offensive 1 offenbar auch mit Rücksicht auf eine Erntestörung gewählt. In der Tat ist es ihnen gelungen, in fast ganz Bukowina u. in einigen Bezirken sSüd-Ost-Galiziens das Erntegut zu zerstören. Im Allgemeinen sieht es so aus, als würden die Alliierten nach langer Vorbereitung nicht nur den letzten entscheidenden Versuch machen , u. eEiniges zurückzuerobern, u. sondern vor allem auch um mit dem Angriff damit auch die Blokade [sic] zu kombinieren u. dadurch zu verschärfen wollen . *„Es ist so“ gilt Dem [recte dem] Durchschnittsmenschen, daß es „so ist“, schon als Beweis, daß es auch nicht anders sein kann. Sofort erklärt er daher den Dichter für lebensfremd, wenn er den gegenwärtigen Stand tadelt in der Voraussetzung, daß er anders sein könnte oder auch nur anders gesehen, d. h. von einer anderen Ursache bezogen werden könnte müßte. Daß sich der Dichter gegen den Durchschnittsmenschen niemals verständlich machen kann, liegt eben daran, daß sie Beide offenbar verschiedene Gehirnsubstanzen haben. Denn wenn es zum letzten Begreifen u. zur letzten Erklärung genügt zu sagen: „Weil es so ist, darum muss es so sein“, der ist niemals in das Reich der Logik hinüberzuretten, geschweige daß er begriffe, wie ganz anders Ursache u. Wirkung zusammenhängen. — *Amerika ist im Begriffe Mexiko zu annektieren, ist aber im übrigen gegen jegliche Annexionsgelüste anderer Staaten eingenommen! 2 — *„Herrenvolk“ nennen sich die Engländer – dieses genügt, um sich bei der übrigen {321} Welt in Respekt zu setzen, als wäre auch im Leben der Staaten eine Art sozialer Schichtung gegeben. *Wie ein geistiger Edelmensch stets nur Gutes u. Schönes ausström ent , weil er nicht anders kann, so ist es dagegen dem Reichen gegeben, nur Gier, Unmoral u. Laster zu verbreiten. Der Ueberfluß an Geld ist die Ursache davon. — *Unbildung ist war es, die den Menschen zunächst in geozentrische Gedanken verwickelt hat; erst die Bildung (der Astronomen, Gelehrten, Denker) demolierte diese Denkweise zugunsten höherer Systeme. Aber gGrößte gesteigerteste Bildung war u. mußte es sein, denn nur sie vermag vermochten die Erde entsprechend der Wahrheit in das Sonnensystem einzugliedern u. besonders das eigene Ich in das All der Menschheit u. der Natur aufzulösen. Halbbildung führt nur zu Respektlosigkeit, die weit verächtlicher ist, als die Angst vor Naturkräften, die wie sie dem ungebildeten Wilden eigen ist. Als Blüte alles egozentrischen Denkens ist die Eitelkeit zu bezeichnen; sie ist das sicherste Kennzeichen eines Nullichs. Das Lebensziel setzt ein ausgelöschtes u. von jeder Eitelkeit befreites Ich voraus. Mag auch die Aufgabe eine künstliche sein, so ist doch nur in d erie Hingabe an einen selbstgewollten Zweck der Sinn des Lebens zu erkennen setzen. Doch ist dieser Standpunkt leider nicht allen erreichbar! Es gilt zuerst, vor sich selbst zu nichts werden, hernach, trotz dem nNichts, sich selbst wieder, gleichsam neu, aus eigenem zu erwerben, um sich erst dann in der neugewählten Aufgabe dauernd zu besitzen. — *„Nullich“ — *In der „Ostdeutschen [recte Österreichischen] Rundschau“, 1. Juliheft, bestreitet der Verfasser eines Aufsatzes über die Moderne Staatsgalerie in Wien, Herr Schäffler, die „Galeriewürdigkeit“ des Malers {322} Klimt u. seiner Genossen. 3 So ging es denn damit falsche Wege, wie ich es immer gesagt habe. *
© Transcription Marko Deisinger. |
July 3, 1916, cloudless!
— The Russians have evidently chosen the time of their offensive 1 with a view to damaging a harvest. In point of fact, they have succeeded in destroying the harvest crop in almost the whole of Bukovina and in some regions of southeast Galicia. In general, it appears that the Allies, after a long preparation, will not only make a last, decisive attempt to win back some territory but, above all, also to combine and intensify it with the blockade. *"That's the way it is" is, for an ordinary person, proof that it cannot be otherwise. In this way he immediately declares that the poet is out of touch with everyday life for criticizing the current state of affairs, for thinking that they could be different or at least seen in a different way, i.e. that they would have to be related to a different cause. That the poet could never put across his ideas to the ordinary person may be explained on the basis that their brains are evidently made of different substances. For if it is sufficient for someone to say, in the last analysis, "Since it is so, it must therefore be so," then he can never be rescued by the realm of logic, let alone understand how cause and effect might be related in an entirely different way. — *America is at the point of annexing Mexico, but it is otherwise opposed to any annexation eagerness on the part of other states! 2 — *"Master race," the English call themselves – this is sufficient for them to be shown respect by the rest of the world, {321} as if there were a kind of social stratification even in the realm of states. *As an intellectual person of rank always emanates only good and beautiful things, because he cannot do otherwise, so it is, by contrast, given to a rich person to spread only greed, immorality, and vice. Having too much money is the cause of this. — *It was ignorance that first entangled people in geocentric thoughts; only education (of astronomers, learned people, thinkers) demolished this way of thinking in favor of higher systems. It was, had to be, the greatest, most elevated education; for it alone was capable of arranging the earth in the solar system in accordance with the truth, and in particular to resolving the "ego" into the "all" of humanity and nature. Inadequate knowledge leads only to lack of respect, which is much more contemptible than fear of the forces of nature as found among uneducated savages. The fruits of this egocentric thought is called vanity: it is the surest sign of a Mr. Nobody. The goal of life presupposes an ego that has been effaced and is free of all vanity. Even if the task is an artificial one, it is only from a dedication to a self-desired purpose that life achieves meaning. But this standpoint is, unfortunately, not something that everyone can attain! One must first become nothing in the face of oneself and afterwards, in spite of the nothing, regain oneself, almost as a new being, in order only then to dedicate oneself at length to the newly chosen task. — *"Mr. Zero" — *In the Ostdeutsche Rundschau [recte Österreichische Rundschau] , first July issue, the author of an article on the Moderne Galerie in Vienna, Mr. Schäffler disputes the "museum worthiness" of the painter {322} Klimt and his contemporaries. 3 So it all went in the wrong direction, as I have always said. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 The Brusilov Offensive against the armies of the Central Powers on the Eastern Front was the Russian Empire's greatest feat of arms during World War I. Launched on June 4, 1916, it lasted until late September. The offensive was highly successful, but it came at a tremendous loss of life. 2 See E[ugen] Oberhummer, "Mexiko und Amerika" and "Der amerikanisch-mexikanische Konflikt. Eine schroffe mexikanische Note an die Union," Neue Freie Presse, No. 18628, July 2, 1916, pp. 3-4 and 10. 3 Karl Scheffler, "Die Österreichische Staatsgalerie," Österreichische Rundschau 48 (1916), pp. 20-29. |