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8. Wolkenlos; drückende Hitze.

— Brief von Vrieslander mit Bild. — Brief vom Bankverein, der einen von mir schon am 27. VI. erlegten Betrag noch einmal fordert. Obgleich uns der Weg einen Strich durch unseren Plan macht, müssen wir dennoch in den Bankverein eilen, wo wir den Sachverhalt richtigstellen. Der Leiter der Filiale bringt aber nach wienerischer Unsitte, beileibe keine Entschuldigung vor, sondern bemerkt herablassend: Wenn Sie es sagen, genügt es. — Den Betrag für die Einbruchsversicherung bezahlt. —

*

{328} Um 9h fassen wir den Entschluss nach Hütteldorf hinauszufahren, um uns den Sonntagsausflug zu ersparen; von dort nach Weidlingau, wo wir zu Tisch essen. Nach Tisch in den Wald. Nun erscheint uns aber der Weg länger, als wir ihn in Erinnerung hatten; wir finden auch keine bequeme Gelegenheit zur Ruhe, weder geeigneten Boden, noch eine Bank, auch nicht Wasser zur Stillung des Durstes u. so entschließen wir uns denn nach dieser schmerzlichen Enttäuschung zu einem „Ausflug nach Wien“, wie ich scherzweise sagte. Wir fassen auch den Entschluß, solche Experimente nicht zu wiederholen, die ja schließlich samt u. sonders ergebnislos verlaufen. Lie-Liechen besorgt sofort auch die Materialien zum Abendessen u. erst dann gönnen wir uns die wohlverdiente Ruhe. —

*

Gärtner mit Frau im Caféhaus bis 11h. Unter anderem erzählt er, daß sich Fr. Fritz Mendl an ihn gewendet habe, gelegentlich etwas ihrem Manne vorzusingen, der da er sonst so wenig Gelegenheit habe, Kunst auf sich einwirken zu lasse. Als aber G. das Honorar nannte, 200 Kronen per Abend, schützte Fr. M. sofort eine Reise ihres Gatten vor. – Ferner erzählte G. so manches aus seinem Freundeskreis, das eine gänzliche Verwahrlosung des, nicht nur des patriotischen, sondern auch des kaufmännischen Denkens u. Fühlens verriet. Insbesondere peinlich war es mir zu hören, daß in Offizierskreisen, so wenigstens erzählte G., der Krieg als ein dynastischer aufgefasst werde. Die Idee des großen Staates u. der Vorteile eines solchen scheint in Offizierskreisen offenbar noch keinen Eingang gefunden zu haben. —

*

Von Peters langt ein neuer HändelRoth–Band 1 ein.

*

© Transcription Marko Deisinger.

8. Cloudless, oppressive heat.

— Letter from Vrieslander, with picture. — Letter from the Bankverein, which again demands a payment which I had already made on June 27. Although the errand causes a cancellation of our plan, we must nevertheless hurry to the Bankverein, where we clear up the matter. The head of the branch, with characteristic Viennese incivility, offers no apology at all, but remarks condescendingly: "If you say so, that is sufficient." — The invoice for break-in insurance paid. —

*

{328} At 9 o'clock we decide to go out to Hütteldorf, to spare ourselves the Sunday excursion; from there to Weidlingau, where we have lunch. After lunch, in the forest. But now the route seems longer to us than we had remembered; we find no opportunity to rest, neither a suitable piece of ground nor a bench, and also no water to quench our thirst. And so, after this bitter disappointment, we decide on an "excursion to Vienna," as I jokingly put it. We also resolve not to repeat such experiences which in the end go wrong in so many ways. Lie-Liechen immediately acquires the materials for supper, and only then do we enjoy our well-earned rest. —

*

Gärtner and his wife at the coffee house until 11 o'clock. He says, among other things, that Mrs. Fritz Mendl turned to him about the possibility of singing something to her husband since he had so little opportunity for art to work its effect on him. But when Gärtner named his fee, 200 Kronen for an evening, Mrs. Mendl immediately pretended that her husband would be going on a trip. – Gärtner recounted much else from his circle of friends, which betrayed a complete disregard not only of patriotic but also of business thinking and feeling. It was especially painful to me to hear that, among the officer circles, the war was regarded as a dynastic war. The idea of the great state, and of the advantages of such, were things that seemed not have found their way into the officer circles. —

*

From Peters, a new volume of Handel, edited by Roth, 1 arrives.

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© Translation William Drabkin.

8. Wolkenlos; drückende Hitze.

— Brief von Vrieslander mit Bild. — Brief vom Bankverein, der einen von mir schon am 27. VI. erlegten Betrag noch einmal fordert. Obgleich uns der Weg einen Strich durch unseren Plan macht, müssen wir dennoch in den Bankverein eilen, wo wir den Sachverhalt richtigstellen. Der Leiter der Filiale bringt aber nach wienerischer Unsitte, beileibe keine Entschuldigung vor, sondern bemerkt herablassend: Wenn Sie es sagen, genügt es. — Den Betrag für die Einbruchsversicherung bezahlt. —

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{328} Um 9h fassen wir den Entschluss nach Hütteldorf hinauszufahren, um uns den Sonntagsausflug zu ersparen; von dort nach Weidlingau, wo wir zu Tisch essen. Nach Tisch in den Wald. Nun erscheint uns aber der Weg länger, als wir ihn in Erinnerung hatten; wir finden auch keine bequeme Gelegenheit zur Ruhe, weder geeigneten Boden, noch eine Bank, auch nicht Wasser zur Stillung des Durstes u. so entschließen wir uns denn nach dieser schmerzlichen Enttäuschung zu einem „Ausflug nach Wien“, wie ich scherzweise sagte. Wir fassen auch den Entschluß, solche Experimente nicht zu wiederholen, die ja schließlich samt u. sonders ergebnislos verlaufen. Lie-Liechen besorgt sofort auch die Materialien zum Abendessen u. erst dann gönnen wir uns die wohlverdiente Ruhe. —

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Gärtner mit Frau im Caféhaus bis 11h. Unter anderem erzählt er, daß sich Fr. Fritz Mendl an ihn gewendet habe, gelegentlich etwas ihrem Manne vorzusingen, der da er sonst so wenig Gelegenheit habe, Kunst auf sich einwirken zu lasse. Als aber G. das Honorar nannte, 200 Kronen per Abend, schützte Fr. M. sofort eine Reise ihres Gatten vor. – Ferner erzählte G. so manches aus seinem Freundeskreis, das eine gänzliche Verwahrlosung des, nicht nur des patriotischen, sondern auch des kaufmännischen Denkens u. Fühlens verriet. Insbesondere peinlich war es mir zu hören, daß in Offizierskreisen, so wenigstens erzählte G., der Krieg als ein dynastischer aufgefasst werde. Die Idee des großen Staates u. der Vorteile eines solchen scheint in Offizierskreisen offenbar noch keinen Eingang gefunden zu haben. —

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Von Peters langt ein neuer HändelRoth–Band 1 ein.

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© Transcription Marko Deisinger.

8. Cloudless, oppressive heat.

— Letter from Vrieslander, with picture. — Letter from the Bankverein, which again demands a payment which I had already made on June 27. Although the errand causes a cancellation of our plan, we must nevertheless hurry to the Bankverein, where we clear up the matter. The head of the branch, with characteristic Viennese incivility, offers no apology at all, but remarks condescendingly: "If you say so, that is sufficient." — The invoice for break-in insurance paid. —

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{328} At 9 o'clock we decide to go out to Hütteldorf, to spare ourselves the Sunday excursion; from there to Weidlingau, where we have lunch. After lunch, in the forest. But now the route seems longer to us than we had remembered; we find no opportunity to rest, neither a suitable piece of ground nor a bench, and also no water to quench our thirst. And so, after this bitter disappointment, we decide on an "excursion to Vienna," as I jokingly put it. We also resolve not to repeat such experiences which in the end go wrong in so many ways. Lie-Liechen immediately acquires the materials for supper, and only then do we enjoy our well-earned rest. —

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Gärtner and his wife at the coffee house until 11 o'clock. He says, among other things, that Mrs. Fritz Mendl turned to him about the possibility of singing something to her husband since he had so little opportunity for art to work its effect on him. But when Gärtner named his fee, 200 Kronen for an evening, Mrs. Mendl immediately pretended that her husband would be going on a trip. – Gärtner recounted much else from his circle of friends, which betrayed a complete disregard not only of patriotic but also of business thinking and feeling. It was especially painful to me to hear that, among the officer circles, the war was regarded as a dynastic war. The idea of the great state, and of the advantages of such, were things that seemed not have found their way into the officer circles. —

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From Peters, a new volume of Handel, edited by Roth, 1 arrives.

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Georg Friedrich Händel, Dreissig Gesänge für eine Frauenstimme aus Opern und Oratorien ausgewählt und mit Klavierbegleitung, ed. Herman Roth (Leipzig: C. F. Peters, no date).