20. +4°.
— Von Mittler (Br.OJ 12/56, [3]): versucht in Hinsicht der politischen Bemerkung noch immer Recht zu behalten, betont dabei aber auch seinen den eigenen Patriotismus u. fügt noch weitere Fragen aus op. 111 bei. — — — Die Putzerei lehnt die meine Wäsche ab, weil ich letzthin auf einem Abzug für erlittenen Schaden im Betrage von 1 Krone bestanden habe. Aus der Art, wie die Kaufmannsfrau lieber auf zwei Kunden verzichtet, als daß sie für einen in ihrem Betriebe verübten Schaden auch nur mit 1 Krone eintritt, auf dessen Abstellung zu dringen wir all die Zeit nicht müde wurden, spricht deutlich dafür, daß ihr offenbar kaufmännische Mittel auch sonst genug zur Verfügung stehen, um die Rentabilität ihres Betriebes auch selbst noch dann zu sichern, wenn sie eben zwei Kunden verliert. Sie braucht nur gelegentlich einigemal den anderen Kunden eine stärkere Rechnung vorzulegen u. schon ist der Schaden Verlust hereingebracht, u. wie zugleich auch gegenüber allen Kunden das Recht auf einseitige Schadenzufügung selbstherrlich proklamiert u. festgehalten. — Bahr entdeckt im „N. W. Journal“ vom Sonntag ein verborgenes herrliches Wien. Nach langem Hin u. Her verrät er, daß er damit das – katholische Wien meint! 1 Nun So begreift man dann aber endlich auch seine Abkehr vom protestantischen Deutschland. — Keine Ware mehr?! Wie schlau ist doch der Kaufmann, mit dem kurzen Gedächtnis der Menschen zu rechnen, die offen- {625} bar schon vergessen haben, wie viel kostbare Ware in Kellern bei der Spediteuren einfach nur an der Geldgier des Kaufmanns zugrunde gegangen sind [recte ist]. Und gerade diejenigen schreien am meisten über Mangel an Vorräten, die, um noch höherer Preise willen als die Höchstpreise sind, die Waren so lange zurückhalten, bis sie, nun , niemand mehr zunutze, nicht als Ware an sich, nicht als Geldwert, ganz u. völlig zugrunde gegangen. — Das Recht auf Existenz fordert niemand zudringlicher als der Kaufmann, der es ja ohnehin wohl auch schon selbst am rücksichtslosesten durchzusetzen vermag. Nun So nimmt gegenwärtig der Staat herzbrechenden Anteil z. B. an dem Schicksal der – Kinobesitzer, denen somit die kolossalen Gewinne nachgehen werden. Wann hilft der Staat endlich aber auch den Künstlern? — Staat: Die Ordnung, zu der Genies geraten [haben] u. raten, hat der Staat nicht angenommen, wohl aber diejenige, die die Usurpatoren bescherten, die im selben Maße, als sie jegliche wirkliche, auf Vernunft, Gerechtigkeit u. Sitte beruhende Ordnung gegen sich selbst unschädlich zu machen genötigt waren, desto rücksichtsloser mit einer der Unordnung begannen, die sie auf den Namen u. Charakter der Ordnung umtauften u. umlogen! — Wäre Ist menschliche Kultur etwa so aufzufassen, wie die Kultur der Bienen, Wespen u. Ameisen, wo läge liegt dann aber der Unterschied? Ist der Ertrag unserer Arbeit jemand [sic] noch jemand anderem als dem Menschen zugedacht, etwa so wie uns selbst der Honig der Biene, die Milch der Kuh? Wenn nicht, – welche singuläre Stellung des Menschen unter den Tieren wäre nicht schon damit allein begründet?! — Tiere treiben keine Bevölkerungspolitik u. im Grunde hätten dürften es ebensowenig die Menschen zu tun. —© Transcription Marko Deisinger. |
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— LetterOJ 12/56, [3] from Mittler : he seeks to be proved right with regard to the political comment, but also thereby stresses his own patriotism; and he asks further questions about Op. 111 . — — The cleaning company refuses to take my laundry, as I had recently insisted on a reimbursement of 1 Krone for damages suffered. The way in which the businessman's wife would rather turn down two customers than cough up 1 Krone for one customer, for damages caused in her business, shows clearly that she evidently has enough businesslike means at her disposal that she can still maintain the profitability of her business if she has to lose two customers. She only has occasionally to present the other customer a higher bill now and again and the loss is already made up, as at the same time the right to a unilateral infliction of damages, with respect to all customers, is high-handedly proclaimed and adhered to. — Bahr , in the Sunday edition of the Neues Wiener Journal , discovers a concealed, splendid Vienna. After a lot of to-ing and fro-ing, he reveals that he is referring to – Catholic Vienna ! 1 Thus, however, one finally can understand his rejection of Protestant Germany. — No more wares?! How clever the businessman is, reckoning on the short-term memory of people {625} who have evidently forgotten already how many precious wares have gone to waste in the cellars of the shipping companies simply as a result of the businessman's greed for money. And those who cry most about the lack of provisions are precisely those who hold back their wares for higher prices than the maximum prescribed prices – until these wares, no longer of use to anyone either as a ware in itself or as a monetary value, have gone completely to waste. — The right to an existence is something that no one demands so urgently as the businessman, who in any event is indeed surely able to gain it even in the most ruthless way. Thus at present the state is feeling heartbreaking sympathy for the fate of the movie theater owners, to whom colossal profits will thus follow. But when will the state finally help the artists, too? — The state: the order, which geniuses have advised and continue to advise, has not been taken on by the state; but they have adopted one which the usurpers granted. To the same degree that they needed to protect themselves from any regulation based on reason, justice, and morals, all the more wantonly did they begin with the disorder which they rebranded and lied about in the name and character of order! — If human culture is to be understood in manner similar to the cultures of bees, wasps, and ants, wherein then lies the difference? Are the proceeds of our work intended for someone else other than a person, perhaps as the honey of the bees and the milk of cows? If not, what a singular place of man among the animals would not already have been established by this alone. — Animals do not engage in any demographic policy-making; and people ought essentially do so just as little. —© Translation William Drabkin. |
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— Von Mittler (Br.OJ 12/56, [3]): versucht in Hinsicht der politischen Bemerkung noch immer Recht zu behalten, betont dabei aber auch seinen den eigenen Patriotismus u. fügt noch weitere Fragen aus op. 111 bei. — — — Die Putzerei lehnt die meine Wäsche ab, weil ich letzthin auf einem Abzug für erlittenen Schaden im Betrage von 1 Krone bestanden habe. Aus der Art, wie die Kaufmannsfrau lieber auf zwei Kunden verzichtet, als daß sie für einen in ihrem Betriebe verübten Schaden auch nur mit 1 Krone eintritt, auf dessen Abstellung zu dringen wir all die Zeit nicht müde wurden, spricht deutlich dafür, daß ihr offenbar kaufmännische Mittel auch sonst genug zur Verfügung stehen, um die Rentabilität ihres Betriebes auch selbst noch dann zu sichern, wenn sie eben zwei Kunden verliert. Sie braucht nur gelegentlich einigemal den anderen Kunden eine stärkere Rechnung vorzulegen u. schon ist der Schaden Verlust hereingebracht, u. wie zugleich auch gegenüber allen Kunden das Recht auf einseitige Schadenzufügung selbstherrlich proklamiert u. festgehalten. — Bahr entdeckt im „N. W. Journal“ vom Sonntag ein verborgenes herrliches Wien. Nach langem Hin u. Her verrät er, daß er damit das – katholische Wien meint! 1 Nun So begreift man dann aber endlich auch seine Abkehr vom protestantischen Deutschland. — Keine Ware mehr?! Wie schlau ist doch der Kaufmann, mit dem kurzen Gedächtnis der Menschen zu rechnen, die offen- {625} bar schon vergessen haben, wie viel kostbare Ware in Kellern bei der Spediteuren einfach nur an der Geldgier des Kaufmanns zugrunde gegangen sind [recte ist]. Und gerade diejenigen schreien am meisten über Mangel an Vorräten, die, um noch höherer Preise willen als die Höchstpreise sind, die Waren so lange zurückhalten, bis sie, nun , niemand mehr zunutze, nicht als Ware an sich, nicht als Geldwert, ganz u. völlig zugrunde gegangen. — Das Recht auf Existenz fordert niemand zudringlicher als der Kaufmann, der es ja ohnehin wohl auch schon selbst am rücksichtslosesten durchzusetzen vermag. Nun So nimmt gegenwärtig der Staat herzbrechenden Anteil z. B. an dem Schicksal der – Kinobesitzer, denen somit die kolossalen Gewinne nachgehen werden. Wann hilft der Staat endlich aber auch den Künstlern? — Staat: Die Ordnung, zu der Genies geraten [haben] u. raten, hat der Staat nicht angenommen, wohl aber diejenige, die die Usurpatoren bescherten, die im selben Maße, als sie jegliche wirkliche, auf Vernunft, Gerechtigkeit u. Sitte beruhende Ordnung gegen sich selbst unschädlich zu machen genötigt waren, desto rücksichtsloser mit einer der Unordnung begannen, die sie auf den Namen u. Charakter der Ordnung umtauften u. umlogen! — Wäre Ist menschliche Kultur etwa so aufzufassen, wie die Kultur der Bienen, Wespen u. Ameisen, wo läge liegt dann aber der Unterschied? Ist der Ertrag unserer Arbeit jemand [sic] noch jemand anderem als dem Menschen zugedacht, etwa so wie uns selbst der Honig der Biene, die Milch der Kuh? Wenn nicht, – welche singuläre Stellung des Menschen unter den Tieren wäre nicht schon damit allein begründet?! — Tiere treiben keine Bevölkerungspolitik u. im Grunde hätten dürften es ebensowenig die Menschen zu tun. —© Transcription Marko Deisinger. |
20. +4°.
— LetterOJ 12/56, [3] from Mittler : he seeks to be proved right with regard to the political comment, but also thereby stresses his own patriotism; and he asks further questions about Op. 111 . — — The cleaning company refuses to take my laundry, as I had recently insisted on a reimbursement of 1 Krone for damages suffered. The way in which the businessman's wife would rather turn down two customers than cough up 1 Krone for one customer, for damages caused in her business, shows clearly that she evidently has enough businesslike means at her disposal that she can still maintain the profitability of her business if she has to lose two customers. She only has occasionally to present the other customer a higher bill now and again and the loss is already made up, as at the same time the right to a unilateral infliction of damages, with respect to all customers, is high-handedly proclaimed and adhered to. — Bahr , in the Sunday edition of the Neues Wiener Journal , discovers a concealed, splendid Vienna. After a lot of to-ing and fro-ing, he reveals that he is referring to – Catholic Vienna ! 1 Thus, however, one finally can understand his rejection of Protestant Germany. — No more wares?! How clever the businessman is, reckoning on the short-term memory of people {625} who have evidently forgotten already how many precious wares have gone to waste in the cellars of the shipping companies simply as a result of the businessman's greed for money. And those who cry most about the lack of provisions are precisely those who hold back their wares for higher prices than the maximum prescribed prices – until these wares, no longer of use to anyone either as a ware in itself or as a monetary value, have gone completely to waste. — The right to an existence is something that no one demands so urgently as the businessman, who in any event is indeed surely able to gain it even in the most ruthless way. Thus at present the state is feeling heartbreaking sympathy for the fate of the movie theater owners, to whom colossal profits will thus follow. But when will the state finally help the artists, too? — The state: the order, which geniuses have advised and continue to advise, has not been taken on by the state; but they have adopted one which the usurpers granted. To the same degree that they needed to protect themselves from any regulation based on reason, justice, and morals, all the more wantonly did they begin with the disorder which they rebranded and lied about in the name and character of order! — If human culture is to be understood in manner similar to the cultures of bees, wasps, and ants, wherein then lies the difference? Are the proceeds of our work intended for someone else other than a person, perhaps as the honey of the bees and the milk of cows? If not, what a singular place of man among the animals would not already have been established by this alone. — Animals do not engage in any demographic policy-making; and people ought essentially do so just as little. —© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Hermann Bahr, "Tagebuch," Neues Wiener Journal, No. 8398, March 18, 1917, 25th year, p. 6. |