15. V. 11°, etwas kühler.
— Zwischen 9–10h Anmeldung der Sommerfrische beim Fremdenverkehrsbüro. — Der Gärtner setzt in Bedrängnis den Tagespreis einfach in einen Monatspreis {673} um. Nun belaufen sich die Kosten auf nur wenig mehr als im Vorjahre. — Geld macht unabhängig – aber selbst die Unabhängigkeit vermag der Reiche so wenig als irgend etwas anderes wirklich zu haben. Er wird nur erzogen, seine Unabhängigkeit vor allem den anderen zu zeigen. Aus Unfähigkeit ist er zufrieden, wenn er sie bloß zeigen darf. — Der Kaufmann: nennt sich großzügig u. weitblickend, wenn er z. B. über 2000 Tonnen Getreide disponiert; aber was gilt ein solcher Weitblick, wenn es ihm an Weiterblick fehlt, hinter die paar armseligen Tonnen zu sehen, um all den übeln Lastern auszuweichen, die mit jenem angeblichen Weitblick organisch verbunden sind. — Der Reichskanzler spricht in seiner Rede weder einen Verzicht noch einen Eroberungsgedanken aus. 1 — Fr. Wally im Caféhaus gesteht ohne Umschweife ihre „Niedertracht“ ein, auf unsere beiden Fragekarten nicht geantwortet zu haben, Floriz sei hier gewesen. —© Transcription Marko Deisinger. |
May 15. 11°, somewhat cooler.
— Between 9 and 10 o'clock, registration of our summer holiday at the tourist bureau. — The gardener, in difficulties, converts his daily price simply into a monthly price. {673} Now the costs are only a little higher than they were the previous year. — Money brings freedom – but independence is something that the rich man really wants less than some other possession. He is brought up only to show his independence, above all, to others. Out of incompetence, he is happy merely to show it. — The businessman: he calls himself magnanimous and far-sighted if, for example, he disposes of more than 2,000 tons of grain; but of what good is this far-sightedness, if he lacks the further-sightedness to see beyond the few paltry tons in order to avoid all the ugly vices that are organically connected with that supposed far-sightedness. — In his speech, the imperial chancellor expresses neither an abandonment nor an intention to conquer. 1 — In the coffee house, Vally admits without prevarication her "malice" in not answering our postcards to inform us that Floriz had been here. —© Translation William Drabkin. |
15. V. 11°, etwas kühler.
— Zwischen 9–10h Anmeldung der Sommerfrische beim Fremdenverkehrsbüro. — Der Gärtner setzt in Bedrängnis den Tagespreis einfach in einen Monatspreis {673} um. Nun belaufen sich die Kosten auf nur wenig mehr als im Vorjahre. — Geld macht unabhängig – aber selbst die Unabhängigkeit vermag der Reiche so wenig als irgend etwas anderes wirklich zu haben. Er wird nur erzogen, seine Unabhängigkeit vor allem den anderen zu zeigen. Aus Unfähigkeit ist er zufrieden, wenn er sie bloß zeigen darf. — Der Kaufmann: nennt sich großzügig u. weitblickend, wenn er z. B. über 2000 Tonnen Getreide disponiert; aber was gilt ein solcher Weitblick, wenn es ihm an Weiterblick fehlt, hinter die paar armseligen Tonnen zu sehen, um all den übeln Lastern auszuweichen, die mit jenem angeblichen Weitblick organisch verbunden sind. — Der Reichskanzler spricht in seiner Rede weder einen Verzicht noch einen Eroberungsgedanken aus. 1 — Fr. Wally im Caféhaus gesteht ohne Umschweife ihre „Niedertracht“ ein, auf unsere beiden Fragekarten nicht geantwortet zu haben, Floriz sei hier gewesen. —© Transcription Marko Deisinger. |
May 15. 11°, somewhat cooler.
— Between 9 and 10 o'clock, registration of our summer holiday at the tourist bureau. — The gardener, in difficulties, converts his daily price simply into a monthly price. {673} Now the costs are only a little higher than they were the previous year. — Money brings freedom – but independence is something that the rich man really wants less than some other possession. He is brought up only to show his independence, above all, to others. Out of incompetence, he is happy merely to show it. — The businessman: he calls himself magnanimous and far-sighted if, for example, he disposes of more than 2,000 tons of grain; but of what good is this far-sightedness, if he lacks the further-sightedness to see beyond the few paltry tons in order to avoid all the ugly vices that are organically connected with that supposed far-sightedness. — In his speech, the imperial chancellor expresses neither an abandonment nor an intention to conquer. 1 — In the coffee house, Vally admits without prevarication her "malice" in not answering our postcards to inform us that Floriz had been here. —© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Die Rede Bethmann Hollwegs über die Friedensziele Deutschlands," Neue Freie Presse, No. 18941, May 16, 1917, morning edition, pp. 2-5. |