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26. V. 17

Abreise nach Kautzen . Schon die Tramway war über u. über besetzt; in der Bahn ging es immerhin leidlich ab. In Dobersberg ging uns bei der Ankunft der Wagen ab, der erst später kam. — Mama in einem Zustand angetroffen, der denn schon bedenklicher ist, als Dodi geschildert; schon das kürzeste Beisammensein mit ihr verrät, daß sie jegliche Zeiteinteilung verloren hat u. so z. B. in einem Tage gleich mehrere Tage zählt, wodurch sich nun in ganz anderer Weise als angeblich blos durch Bosheit erklärt, weshalb sie mitunter behauptet, kein Mittagmahl gegessen zu haben, obgleich sie es knapp vorher zu sich genommen, oder daß das Mädchen nicht bei ihr schlafe, oder die Kerze nicht, wie es sein sollte, am Nachttisch zu finden war sei usw. Wir erklären dies alles nicht nur Wilhelm, sondern auch Julie u. Marie in dem Bestreben, dadurch zumindest jenes Mißverständnis aus der Welt zu schaffen, das auf der Annahme einer Bosheit seitens der Mutter beruht. W.s Eigensinn u. Beschränktheit fielen uns dabei in unangenehmer Weise auf, so wenn er, um nicht als ungerecht zu erscheinen, behauptet, die Mutter sehr wohl zu verstanden ehen u. sie zu entschuldigen; sei doch auch er selbst so beschaffen, daß er lieber unter Fremden als bei seinen eigenen Leuten sein Leben zu beschließen wünscht, u. zwar schon aus dem Grunde, weil er Fremden Befehle u. Aufträge zu erteilen das Recht hätte, was zuhause naturgemäß entfallen müßte. Ich erwiderte darauf, daß, wenn es nur einmal so weit sein würde, man ihn doch sicher nicht nach seiner Herrschsucht fragen, sondern ihn einfach dazu zwingen würde, zuhause zu bleiben. Dennoch fürchte ich, daß alle Gegenargumente an seinem Eigensinn scheitern. Doppelt scharf zu verurteilen ist dieser Eigensinn, als Wilhelm, nur um gegenüber der Mutter Recht zu behalten, nicht einmal von seinen Erfahrungen als Arzt Gebrauch macht, die ihm doch {682} schon längst den Zustand der Mutter so hätten erscheinen lassen müssen, wie wir ihn zum all sogleich auf den erstenmal Blick erkannt haben. Das Gasthaus ist geschlossen. W. erzählt einige hübsche von guter Charakteranlage zeugende Züge der Kinder. Nachmittag ein wenig Regen, leider noch immer zu wenig.

© Transcription Marko Deisinger.

May 26, 1917.

Departure to Kautzen . Even the tramway was filled to overflowing; on the train, things went tolerably well. In Dobersberg, the wagon was departing as we were arriving, and returned only later. — Mama found in an already more serious condition than Dodi had pictured; even the shortest encounter betrayed to me that she had lost all sense of time and so, for example, she counts several days within one day, and in doing so she would explain herself in a completely different way than apparently just out of malice: why she insisted among other things that she hadn't eaten any lunch, although she just had something to eat a moment before; or that the maid was not sleeping in her room; or that the candle was not to be found on her night table where it belonged; and so on. We explained all this not only to Wilhelm but also to Julie and Marie, in an effort at least to clear up the misunderstanding that this was supposedly some malice on the part of our mother. Wilhelm's obstinacy and narrowness made an unpleasant impression on us, for instance when, in order not to seem unfair, he claimed that he was very capable of understanding and excusing her; but is he not also himself constituted in such a way that he would prefer to end his life among strangers than among his own family, and indeed on the grounds that he would have the right to give strangers commands and instructions, something that would naturally not be possible at home. To this I replied that, if things were actually to have gone so far, then one would surely not question him about his compulsion to give orders but would simply persuade him to remain at home. Nonetheless, I fear that all counter-arguments will fail on account of his obstinacy. This obstinacy is doubly to be condemned, since Wilhelm, merely to be proved right with regard to our mother, does not once make use of his experiences as a doctor; this would surely have led to him recognizing long ago {682} our mother's condition, which we recognized at first sight. The restaurant is closed. Wilhelm tells us a few things about the children that testify to their good disposition. In the afternoon, a little rain, but still too little.

© Translation William Drabkin.

26. V. 17

Abreise nach Kautzen . Schon die Tramway war über u. über besetzt; in der Bahn ging es immerhin leidlich ab. In Dobersberg ging uns bei der Ankunft der Wagen ab, der erst später kam. — Mama in einem Zustand angetroffen, der denn schon bedenklicher ist, als Dodi geschildert; schon das kürzeste Beisammensein mit ihr verrät, daß sie jegliche Zeiteinteilung verloren hat u. so z. B. in einem Tage gleich mehrere Tage zählt, wodurch sich nun in ganz anderer Weise als angeblich blos durch Bosheit erklärt, weshalb sie mitunter behauptet, kein Mittagmahl gegessen zu haben, obgleich sie es knapp vorher zu sich genommen, oder daß das Mädchen nicht bei ihr schlafe, oder die Kerze nicht, wie es sein sollte, am Nachttisch zu finden war sei usw. Wir erklären dies alles nicht nur Wilhelm, sondern auch Julie u. Marie in dem Bestreben, dadurch zumindest jenes Mißverständnis aus der Welt zu schaffen, das auf der Annahme einer Bosheit seitens der Mutter beruht. W.s Eigensinn u. Beschränktheit fielen uns dabei in unangenehmer Weise auf, so wenn er, um nicht als ungerecht zu erscheinen, behauptet, die Mutter sehr wohl zu verstanden ehen u. sie zu entschuldigen; sei doch auch er selbst so beschaffen, daß er lieber unter Fremden als bei seinen eigenen Leuten sein Leben zu beschließen wünscht, u. zwar schon aus dem Grunde, weil er Fremden Befehle u. Aufträge zu erteilen das Recht hätte, was zuhause naturgemäß entfallen müßte. Ich erwiderte darauf, daß, wenn es nur einmal so weit sein würde, man ihn doch sicher nicht nach seiner Herrschsucht fragen, sondern ihn einfach dazu zwingen würde, zuhause zu bleiben. Dennoch fürchte ich, daß alle Gegenargumente an seinem Eigensinn scheitern. Doppelt scharf zu verurteilen ist dieser Eigensinn, als Wilhelm, nur um gegenüber der Mutter Recht zu behalten, nicht einmal von seinen Erfahrungen als Arzt Gebrauch macht, die ihm doch {682} schon längst den Zustand der Mutter so hätten erscheinen lassen müssen, wie wir ihn zum all sogleich auf den erstenmal Blick erkannt haben. Das Gasthaus ist geschlossen. W. erzählt einige hübsche von guter Charakteranlage zeugende Züge der Kinder. Nachmittag ein wenig Regen, leider noch immer zu wenig.

© Transcription Marko Deisinger.

May 26, 1917.

Departure to Kautzen . Even the tramway was filled to overflowing; on the train, things went tolerably well. In Dobersberg, the wagon was departing as we were arriving, and returned only later. — Mama found in an already more serious condition than Dodi had pictured; even the shortest encounter betrayed to me that she had lost all sense of time and so, for example, she counts several days within one day, and in doing so she would explain herself in a completely different way than apparently just out of malice: why she insisted among other things that she hadn't eaten any lunch, although she just had something to eat a moment before; or that the maid was not sleeping in her room; or that the candle was not to be found on her night table where it belonged; and so on. We explained all this not only to Wilhelm but also to Julie and Marie, in an effort at least to clear up the misunderstanding that this was supposedly some malice on the part of our mother. Wilhelm's obstinacy and narrowness made an unpleasant impression on us, for instance when, in order not to seem unfair, he claimed that he was very capable of understanding and excusing her; but is he not also himself constituted in such a way that he would prefer to end his life among strangers than among his own family, and indeed on the grounds that he would have the right to give strangers commands and instructions, something that would naturally not be possible at home. To this I replied that, if things were actually to have gone so far, then one would surely not question him about his compulsion to give orders but would simply persuade him to remain at home. Nonetheless, I fear that all counter-arguments will fail on account of his obstinacy. This obstinacy is doubly to be condemned, since Wilhelm, merely to be proved right with regard to our mother, does not once make use of his experiences as a doctor; this would surely have led to him recognizing long ago {682} our mother's condition, which we recognized at first sight. The restaurant is closed. Wilhelm tells us a few things about the children that testify to their good disposition. In the afternoon, a little rain, but still too little.

© Translation William Drabkin.