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27. VIII. 19 Bewölkt.

— Ich u. Weisse holen Dahms ab; auch Herr Klammerth ist aus Wien wieder eingetroffen. — Mit beiden Gästen nun auf der Hochstraße nach Radstadt, wo wir Kerzen einkaufen, 20 Stück für 54 Kronen; kehren auf demselben Wege wieder zurück. Spiele noch am Vormittag S. Bach, Scarlatti, Haydn u. anderes u. ziehe auch den jungen Klammerth der Gesellschaft zu. Gegen 12h machen wir mit den Gästen Besuch beim Hausherrnpaar; das Kind deklamirt u. erregt dasselbe Interesse wie bei uns. — Nach der Jause auf dem Weg nach Eben; Kl. jun. macht eine photographische Aufnahme, doch müssen wir sehr bald wegen schwerer drohender Wolkenmassen zurück; glücklicherweise sind wir, da die ersten Tropfen fallen, nur mehr wenige Schritte vom Schloß entfernt. Eine Weile plauschen wir in Dahms Zimmer, aus dessen Fenstern wir einen Regenbogen zu sehen bekommen, wie wir keinen je gesehen haben: überaus kräftig in den Farben war er als Doppelregenbogen über das ganze Tal gespannt. Bald tritt die Gesellschaft in mein Zimmer, wo ich dann wieder am Klavier Platz nehme, um bald zu spielen, bald so manches, z. B. das Adagio aus der Ddur-Sonate op. 7 von Beethoven zu zeigen. Abends gibt Weisse einige Sprüche Goethes 1 zum besten, ich u. Dahms aber geraten in eine politische Kontroverse; letzterer nämlich hegt, weil kriegsbetroffen, schwersten Groll gegen die ehemaligen Machthaber u. Befehlshaber der Armee, apostrophirt Hindenburg als Feldwebel, Ludendorff als Schwerverbrecher – kein Zweifel, daß sich darin eine gewisse Beschränktheit äußert, die nicht gerade das Beste für seine künstlerische Entwicklung hoffen läßt. Ich vermeide jedoch, es aufs Aeußerste zu treiben, zumal auch Lie-Liechen jederzeit darüber wacht, daß wir nicht zu weit in Meinungsverschiedenheit geraten, auch nicht zu weit uns in die Politik vorwagen; ich deute {48} aber immerhin kräftig genug an, wie ganz anders ich über alle diese Dinge denke.

© Transcription Marko Deisinger.

August 27, 1919 Overcast.

Weisse and I collect Dahms; Mr. Klammerth has also arrived back from Vienna. — With both guests along the high road to Radstadt, where we buy candles, 20 for 54 Kronen; return along the same road. I play J. S. Bach, Scarlatti, Haydn and others already in the morning and draw young Klammerth into the group. Around 12:00 we take the guests to visit the man and lady of the house; the child declaims and awakens the same interest as in us. — After teatime along the path to Eben; Klammerth, Jr. takes a photographic picture, but we have to return very soon because of a heavy threatening cloud mass; happily, we are only a few more steps from the castle when the first drops fall. We chat in Dahm's room for a while, and see a rainbow out of his window, the likes of which we have never seen before: a double rainbow with very strong colors spanning the entire valley. Soon the group enters my room, where I again take a seat at the piano to play this and that, e.g., the Adagio from Beethoven's Sonata in D major, Op. 7. In the evening, Weisse delivers a few sayings by Goethe, 1 but Dahms and I slip into a political controversy; namely, he, while affected by the war, is deeply resentful of those formerly in power and the army generals, apostrophizing Hindenburg as a sergeant, Ludendorff as a felon – no doubt that this betrays a certain limitation, which does not exactly lead one to hope for the best for his artistic development. But I avoid pushing it to the limit, given that Lie-Liechen is also watching to see that we do not slip too deeply into differences of opinion or to dare to advance too far into politics; but I always indicate {48} strongly enough how differently I think about all of these issues.

© Translation Scott Witmer.

27. VIII. 19 Bewölkt.

— Ich u. Weisse holen Dahms ab; auch Herr Klammerth ist aus Wien wieder eingetroffen. — Mit beiden Gästen nun auf der Hochstraße nach Radstadt, wo wir Kerzen einkaufen, 20 Stück für 54 Kronen; kehren auf demselben Wege wieder zurück. Spiele noch am Vormittag S. Bach, Scarlatti, Haydn u. anderes u. ziehe auch den jungen Klammerth der Gesellschaft zu. Gegen 12h machen wir mit den Gästen Besuch beim Hausherrnpaar; das Kind deklamirt u. erregt dasselbe Interesse wie bei uns. — Nach der Jause auf dem Weg nach Eben; Kl. jun. macht eine photographische Aufnahme, doch müssen wir sehr bald wegen schwerer drohender Wolkenmassen zurück; glücklicherweise sind wir, da die ersten Tropfen fallen, nur mehr wenige Schritte vom Schloß entfernt. Eine Weile plauschen wir in Dahms Zimmer, aus dessen Fenstern wir einen Regenbogen zu sehen bekommen, wie wir keinen je gesehen haben: überaus kräftig in den Farben war er als Doppelregenbogen über das ganze Tal gespannt. Bald tritt die Gesellschaft in mein Zimmer, wo ich dann wieder am Klavier Platz nehme, um bald zu spielen, bald so manches, z. B. das Adagio aus der Ddur-Sonate op. 7 von Beethoven zu zeigen. Abends gibt Weisse einige Sprüche Goethes 1 zum besten, ich u. Dahms aber geraten in eine politische Kontroverse; letzterer nämlich hegt, weil kriegsbetroffen, schwersten Groll gegen die ehemaligen Machthaber u. Befehlshaber der Armee, apostrophirt Hindenburg als Feldwebel, Ludendorff als Schwerverbrecher – kein Zweifel, daß sich darin eine gewisse Beschränktheit äußert, die nicht gerade das Beste für seine künstlerische Entwicklung hoffen läßt. Ich vermeide jedoch, es aufs Aeußerste zu treiben, zumal auch Lie-Liechen jederzeit darüber wacht, daß wir nicht zu weit in Meinungsverschiedenheit geraten, auch nicht zu weit uns in die Politik vorwagen; ich deute {48} aber immerhin kräftig genug an, wie ganz anders ich über alle diese Dinge denke.

© Transcription Marko Deisinger.

August 27, 1919 Overcast.

Weisse and I collect Dahms; Mr. Klammerth has also arrived back from Vienna. — With both guests along the high road to Radstadt, where we buy candles, 20 for 54 Kronen; return along the same road. I play J. S. Bach, Scarlatti, Haydn and others already in the morning and draw young Klammerth into the group. Around 12:00 we take the guests to visit the man and lady of the house; the child declaims and awakens the same interest as in us. — After teatime along the path to Eben; Klammerth, Jr. takes a photographic picture, but we have to return very soon because of a heavy threatening cloud mass; happily, we are only a few more steps from the castle when the first drops fall. We chat in Dahm's room for a while, and see a rainbow out of his window, the likes of which we have never seen before: a double rainbow with very strong colors spanning the entire valley. Soon the group enters my room, where I again take a seat at the piano to play this and that, e.g., the Adagio from Beethoven's Sonata in D major, Op. 7. In the evening, Weisse delivers a few sayings by Goethe, 1 but Dahms and I slip into a political controversy; namely, he, while affected by the war, is deeply resentful of those formerly in power and the army generals, apostrophizing Hindenburg as a sergeant, Ludendorff as a felon – no doubt that this betrays a certain limitation, which does not exactly lead one to hope for the best for his artistic development. But I avoid pushing it to the limit, given that Lie-Liechen is also watching to see that we do not slip too deeply into differences of opinion or to dare to advance too far into politics; but I always indicate {48} strongly enough how differently I think about all of these issues.

© Translation Scott Witmer.

Footnotes

1 Possibly: Johann Wolfgang von Goethe, Göthe-Sprüche (= Meyers Groschenbibliothek der deutschen Classiker für alle Stände 185. Hildburghausen, New York, Meyer around 1850).