30. Januar 1924 –2°, grau.
— Von Halm (Br.): ist besorgt, ob sein Brief eingelaufen ist, will im übrigen nicht drängen; erkundigt sich wegen Oppel u. nach dem „hochbegabten“ Komponisten, dessen ich im 3. Heft des Tonwillen erwähnt habe. 1 — Lie-Liechen mit Marie zum 2. Mal bei Frühmann. — Mit Lie-Liechen im Schweizerpark. — An Detoni (K.): frage nach dem Umbruch des 5. u. 6. Heftes; erinnere an die Fassung des Titelblattes. — An Frau Komorn (Br.): erhöhe auf 300000 Kr. — An Roth (Br.): bestätige seinen Brief, komme auf Händel später zurück – hier nur ein Inserat der U.-E. aus dem die Interessen-Gemeinschaft oder richtiger –Einheit mit Kalmus hervorgeht: ein witzig angelegter Betrug eines sogenannten jungen Verlages, der für wenig Geld seinen Grundstock hätte beschaffen wollen. — Reinschrift der Urlinie-Tafel. — 2 An Halm (Br.): entschuldige mich wegen der Verzögerung; habe mich umgesehen, ob ich Hilfe bringen könnte; meine Erwartungen bezüglich des Konzertes u. des Legates sind fehlgegangen. Herr Reichling erzählte mir von Wickersdorf, – bin aber gegen eine so hingebungsvolle Pflege der Masse, die sie niemals lohnt; glaube nicht an die Zukunft des Sozialismus: auch die Lenin-Bauern sind die selben , del wie die Zaren-Bauern geblieben. Wehe, wenn Deutschland sich in den Kopf setzt, den Widerstreit von Natur u. Marx zu Marx’ Gunsten lösen zu wollen. Meide {2628} das Amt eines Kunstrichters u. lasse auch die Nicht-Genies leben, schon weil ihr Kunst-Egoismus die [illeg]Großen zu Worte kommen läßt. Daraus also, daß ich dem Höchsten nachgehe, darf nicht der Schluss gezogen werden, daß ich den Nicht-Genies das Lebenslicht ausblasen will. Ich verkenne nicht die Lauterkeit des Schaffens, aber die Stimmführung ist brüchig, offenbar wegen Mangels an improvisatorischem Können, das der sich meiner Ansicht nach vom Mißverstehen des Generalbasses u. der Harmonielehre herschreibt. [illeg]Hebe Oppels op. 26 No. 1 u. einen Manuscript-Chor hervor, erkläre aber die anderen Arbeiten ebenfalls für brüchig. Bemerke übrigens, daß auf [illeg]solchen Grunde Flecke unangenehmer hervortreten als auf dem Grunde des unsaubern Satzes von Hindemith. Erbitte die II. Auflage u. frage, ob u. wie viele Bände der Sonatenausgabe ihm zugeschickt worden sind. Erwähne schließlich der Teuerung. — Rothberger ersucht mich, morgen früher kommen zu dürfen, weil er über Feiertag u. Sonntag auf eine Skitour vereisen will u. „einen billigen Zug“ benutzen möchte. Einen Teil der Stunde brachte er mit Erkundigung nach der besten Schumann- u. Chopin-Ausgabe zu, die er endlich doch besitzen müsse! Schweinerei! — Frl. Elias zahlt 900 cz. Kronen, heute ist das die Hälfte des Honorars. —© Transcription Marko Deisinger. |
January 30, 1924 –2°, gray.
— From Halm (letter): he is concerned whether his letter has arrived, does not wish to pressurize [me] by the way; inquires about Oppel and about the "highly talented" composer, whom I mentioned in the third issue of the Tonwille . 1 — Lie-Liechen with Marie for the second time at Frühmann's. — With Lie-Liechen in the Schweizerpark. — To Detoni (postcard): I ask about the page make-up for the fifth and sixth issues; remind him about the version of the title-page. — To Mrs. Komorn (letter): raise [fee] to 300,000 Kronen. — To Roth (letter): acknowledge his letter, will come back to Handel later – here an advert by the UE indicating its solidarity or more correctly its unity with Kalmus: a facetiously effected fraud from a so-called young publishing house, which wanted to acquire its basic assets for little money. — Fair copy of the Urlinie graph. — 2 To Halm (letter): apologize on account of the delay; have looked around, whether I could bring any help; my expectations about the concert and the bequest were misplaced. Herr Reichling told me about Wickersdorf, – am opposed to such a devoted fostering of the masses, which never pays off; do not believe in the future of socialism: moreover the Lenin peasants have stayed the same as the tsarist peasants. Woe betide Germany if it takes into its head to resolve the conflict between Nature and Marx in Marx's favor. Avoid {2628} the office of a judge in art and permit the non-geniuses to live, even if only because their artistic egotism allows the great masters to have their say. The fact that I pursue the greatest masters might lead one to conclude that I wish to extinguish the light of life for non-geniuses. I do not misconstrue the integrity of their creative production, but their voice-leading is flawed, obviously due to a lack of improvisational ability, that which in my view derives from a misunderstanding of thoroughbass and of harmonic theory. Bring up Oppel's Op. 26 No. 1 and a choral work in manuscript, explaining the other works to be flawed as well. Remark by the way, that on such a basis blotches come to the fore more unpleasantly than on the basis of Hindemith's impure compositional technique. Request the second edition and ask if, and how many, volumes of the sonata edition have been sent to him. Finally mention the inflation. — Rothberger asks to be allowed to come earlier than usual tomorrow, because he wants to go off on a skiing trip over the holiday and Sunday and wishes to use "a cheap train." He spends part of the lesson inquiring about the best Schumann and Chopin editions, which he would certainly ultimately want to own himself! Swinishness! — Miss Elias pays 900 Czechoslovakian Kronen, these days that is half the fee. —© Translation Stephen Ferguson. |
30. Januar 1924 –2°, grau.
— Von Halm (Br.): ist besorgt, ob sein Brief eingelaufen ist, will im übrigen nicht drängen; erkundigt sich wegen Oppel u. nach dem „hochbegabten“ Komponisten, dessen ich im 3. Heft des Tonwillen erwähnt habe. 1 — Lie-Liechen mit Marie zum 2. Mal bei Frühmann. — Mit Lie-Liechen im Schweizerpark. — An Detoni (K.): frage nach dem Umbruch des 5. u. 6. Heftes; erinnere an die Fassung des Titelblattes. — An Frau Komorn (Br.): erhöhe auf 300000 Kr. — An Roth (Br.): bestätige seinen Brief, komme auf Händel später zurück – hier nur ein Inserat der U.-E. aus dem die Interessen-Gemeinschaft oder richtiger –Einheit mit Kalmus hervorgeht: ein witzig angelegter Betrug eines sogenannten jungen Verlages, der für wenig Geld seinen Grundstock hätte beschaffen wollen. — Reinschrift der Urlinie-Tafel. — 2 An Halm (Br.): entschuldige mich wegen der Verzögerung; habe mich umgesehen, ob ich Hilfe bringen könnte; meine Erwartungen bezüglich des Konzertes u. des Legates sind fehlgegangen. Herr Reichling erzählte mir von Wickersdorf, – bin aber gegen eine so hingebungsvolle Pflege der Masse, die sie niemals lohnt; glaube nicht an die Zukunft des Sozialismus: auch die Lenin-Bauern sind die selben , del wie die Zaren-Bauern geblieben. Wehe, wenn Deutschland sich in den Kopf setzt, den Widerstreit von Natur u. Marx zu Marx’ Gunsten lösen zu wollen. Meide {2628} das Amt eines Kunstrichters u. lasse auch die Nicht-Genies leben, schon weil ihr Kunst-Egoismus die [illeg]Großen zu Worte kommen läßt. Daraus also, daß ich dem Höchsten nachgehe, darf nicht der Schluss gezogen werden, daß ich den Nicht-Genies das Lebenslicht ausblasen will. Ich verkenne nicht die Lauterkeit des Schaffens, aber die Stimmführung ist brüchig, offenbar wegen Mangels an improvisatorischem Können, das der sich meiner Ansicht nach vom Mißverstehen des Generalbasses u. der Harmonielehre herschreibt. [illeg]Hebe Oppels op. 26 No. 1 u. einen Manuscript-Chor hervor, erkläre aber die anderen Arbeiten ebenfalls für brüchig. Bemerke übrigens, daß auf [illeg]solchen Grunde Flecke unangenehmer hervortreten als auf dem Grunde des unsaubern Satzes von Hindemith. Erbitte die II. Auflage u. frage, ob u. wie viele Bände der Sonatenausgabe ihm zugeschickt worden sind. Erwähne schließlich der Teuerung. — Rothberger ersucht mich, morgen früher kommen zu dürfen, weil er über Feiertag u. Sonntag auf eine Skitour vereisen will u. „einen billigen Zug“ benutzen möchte. Einen Teil der Stunde brachte er mit Erkundigung nach der besten Schumann- u. Chopin-Ausgabe zu, die er endlich doch besitzen müsse! Schweinerei! — Frl. Elias zahlt 900 cz. Kronen, heute ist das die Hälfte des Honorars. —© Transcription Marko Deisinger. |
January 30, 1924 –2°, gray.
— From Halm (letter): he is concerned whether his letter has arrived, does not wish to pressurize [me] by the way; inquires about Oppel and about the "highly talented" composer, whom I mentioned in the third issue of the Tonwille . 1 — Lie-Liechen with Marie for the second time at Frühmann's. — With Lie-Liechen in the Schweizerpark. — To Detoni (postcard): I ask about the page make-up for the fifth and sixth issues; remind him about the version of the title-page. — To Mrs. Komorn (letter): raise [fee] to 300,000 Kronen. — To Roth (letter): acknowledge his letter, will come back to Handel later – here an advert by the UE indicating its solidarity or more correctly its unity with Kalmus: a facetiously effected fraud from a so-called young publishing house, which wanted to acquire its basic assets for little money. — Fair copy of the Urlinie graph. — 2 To Halm (letter): apologize on account of the delay; have looked around, whether I could bring any help; my expectations about the concert and the bequest were misplaced. Herr Reichling told me about Wickersdorf, – am opposed to such a devoted fostering of the masses, which never pays off; do not believe in the future of socialism: moreover the Lenin peasants have stayed the same as the tsarist peasants. Woe betide Germany if it takes into its head to resolve the conflict between Nature and Marx in Marx's favor. Avoid {2628} the office of a judge in art and permit the non-geniuses to live, even if only because their artistic egotism allows the great masters to have their say. The fact that I pursue the greatest masters might lead one to conclude that I wish to extinguish the light of life for non-geniuses. I do not misconstrue the integrity of their creative production, but their voice-leading is flawed, obviously due to a lack of improvisational ability, that which in my view derives from a misunderstanding of thoroughbass and of harmonic theory. Bring up Oppel's Op. 26 No. 1 and a choral work in manuscript, explaining the other works to be flawed as well. Remark by the way, that on such a basis blotches come to the fore more unpleasantly than on the basis of Hindemith's impure compositional technique. Request the second edition and ask if, and how many, volumes of the sonata edition have been sent to him. Finally mention the inflation. — Rothberger asks to be allowed to come earlier than usual tomorrow, because he wants to go off on a skiing trip over the holiday and Sunday and wishes to use "a cheap train." He spends part of the lesson inquiring about the best Schumann and Chopin editions, which he would certainly ultimately want to own himself! Swinishness! — Miss Elias pays 900 Czechoslovakian Kronen, these days that is half the fee. —© Translation Stephen Ferguson. |
Footnotes1 "Die Kunst zu hören," Der Tonwille Heft 3 (1922), 2; Eng. transl., I, p. 118: "I asked a highly gifted composer on one occasion ...." 2 Jeanette inserts an emdash at this point, then continues writing without paragraph break. |