18. Oktober 1924 Schön.

— An Saphir (K.): bitte, das Instrument vor dem 1. XI. einzustellen, damit ich nicht überflüssigerweise die Monatsrate an Kohn entrichten muß. — Gas: 156000, elektrisches Licht 130000 Kronen. — Bei der Ueberreichung der Analyse bemerkt der Diener Otto, auf „vereinzelte Zylinder“ deutend, „das ist gar nichts, das verschwindet wieder, ich habe es auch gehabt, zeigen Sie sie dem Arzt, Handkuß der gnädigen Frau“ – meiner bemächtigt sich ein außerordentlicher Schreck, ich schließe auf eine Nierenreizung. — Zu Frühmann: wir zeigen Angst u. Bestürzung, Lie-Liechen findet nun darin die Ursache ihrer schon durch zwei Jahre getragenen Kreuzschmerzen, Frühmann dagegen nimmt es leicht oder weniger tragisch, läßt sich aber offenbar aus Entgegenkommen an unsere Vorsicht herbei, Lie-Liechen für acht Tage ins Bett zu schicken; wünscht dann ein Fläschchen, um zu sehen, ob eine zweite Analyse gemacht werden soll. Auf Lie-Liechens Todesgedanken hat er ein gemütliches Lachen, schreibt zwar kein Medikament vor, entzieht aber Café u. Thee. Als „Zuckerl“ fürs Bett gestattet er das Diktat im Bett u. die Morgentoilette außer Bett. Auf dem Heimweg kaufen wir ein Thermometer: 22000. In der Fasangasse ruft mich die Jetty an, erzählt von ihren jüngsten Erlebnissen, von Heinis Fortschritten. Ich, besorgt, daß sie uns nicht etwa nachhause begleite u. den glücklich gerissenen Faden von neuem knüpfe, teile ihr mit, daß wir soeben vom Arzt kommen u. Lie-Liechen eine leichte Nierenreizung habe, weshalb sie der Ruhe pflegen müsse. Nun kommt auch Lie-Liechen dazu, die meine Absicht nicht durchschauend, mir die Mitteilung verübelt. Glücklicherweise blieb es dabei, daß Jetty nur bis zum Haus mitgeht u. wir rasch Schluß machen können, um Lie-Liechen zur Ruhe zu bringen. Das {2743} Zu-Bett-gehen-müssen bringt Lie-Liechen ganz aus der Fassung, zumal die Lektüre des Artikels „Niere“ im Lexikon; sie sieht Nierenschwund, Tod binnen Kurzem. Wir verbringen beide eine schlechte Nacht.

© Transcription Marko Deisinger.

October 18, 1924 Nice.

— To Saphir (postcard): ask [him] to make the instrument available before November 1 so that I do not have to pay the monthly fee to Kohn for nothing. — Gas: 156,000, electric light 130,000 Kronen. — When handing over the analysis, the assistant Otto comments, pointing to "individual casts," "that's not a big deal, that'll go away, I had it, too, show it to the doctor, good day, ma'am" – I am overcome with extreme fright, I deduce a kidney irritation. — To Frühmann: we show our fear and dismay, now Lie-Liechen sees it as the cause of the lower back pain she has been suffering for two years already, but Frühmann takes the results lightly or less tragically, however, apparently as a concession to our caution, sends Lie-Liechen to bed for eight days; after that he wants a sample to see whether a second analysis should be done. He responds to Lie-Liechen's thoughts of death with a casual laugh, does not prescribe any medications, but forbids her coffee and tea. As a "treat" for bed, he permits her to take dictation in bed and to get out of bed to wash in the morning. On the way home we buy a thermometer: 22,000. On Fasangasse, Jetty calls out to me, tells [us] about her recent experiences, about Heini's progress. Concerned that she may accompany us home and reconnect the happily broken thread, I inform her that we are just on our way from the doctor and that Lie-Liechen has a mildly irritated kidney, so she has to rest. Now Lie-Liechen also jumps in, not having grasped my intention, and begrudges my having told her. Luckily it doe not go any further than Jetty coming as far as the house and we quickly excuse ourselves in order to see to it that Lie-Liechen gets some rest. Having {2743} to go to bed totally upsets Lie-Liechen, all the more when she reads the entry on "kidneys" in the lexicon; she sees renal atrophy, rapid death. We both have a bad night.

© Translation Scott Witmer.

18. Oktober 1924 Schön.

— An Saphir (K.): bitte, das Instrument vor dem 1. XI. einzustellen, damit ich nicht überflüssigerweise die Monatsrate an Kohn entrichten muß. — Gas: 156000, elektrisches Licht 130000 Kronen. — Bei der Ueberreichung der Analyse bemerkt der Diener Otto, auf „vereinzelte Zylinder“ deutend, „das ist gar nichts, das verschwindet wieder, ich habe es auch gehabt, zeigen Sie sie dem Arzt, Handkuß der gnädigen Frau“ – meiner bemächtigt sich ein außerordentlicher Schreck, ich schließe auf eine Nierenreizung. — Zu Frühmann: wir zeigen Angst u. Bestürzung, Lie-Liechen findet nun darin die Ursache ihrer schon durch zwei Jahre getragenen Kreuzschmerzen, Frühmann dagegen nimmt es leicht oder weniger tragisch, läßt sich aber offenbar aus Entgegenkommen an unsere Vorsicht herbei, Lie-Liechen für acht Tage ins Bett zu schicken; wünscht dann ein Fläschchen, um zu sehen, ob eine zweite Analyse gemacht werden soll. Auf Lie-Liechens Todesgedanken hat er ein gemütliches Lachen, schreibt zwar kein Medikament vor, entzieht aber Café u. Thee. Als „Zuckerl“ fürs Bett gestattet er das Diktat im Bett u. die Morgentoilette außer Bett. Auf dem Heimweg kaufen wir ein Thermometer: 22000. In der Fasangasse ruft mich die Jetty an, erzählt von ihren jüngsten Erlebnissen, von Heinis Fortschritten. Ich, besorgt, daß sie uns nicht etwa nachhause begleite u. den glücklich gerissenen Faden von neuem knüpfe, teile ihr mit, daß wir soeben vom Arzt kommen u. Lie-Liechen eine leichte Nierenreizung habe, weshalb sie der Ruhe pflegen müsse. Nun kommt auch Lie-Liechen dazu, die meine Absicht nicht durchschauend, mir die Mitteilung verübelt. Glücklicherweise blieb es dabei, daß Jetty nur bis zum Haus mitgeht u. wir rasch Schluß machen können, um Lie-Liechen zur Ruhe zu bringen. Das {2743} Zu-Bett-gehen-müssen bringt Lie-Liechen ganz aus der Fassung, zumal die Lektüre des Artikels „Niere“ im Lexikon; sie sieht Nierenschwund, Tod binnen Kurzem. Wir verbringen beide eine schlechte Nacht.

© Transcription Marko Deisinger.

October 18, 1924 Nice.

— To Saphir (postcard): ask [him] to make the instrument available before November 1 so that I do not have to pay the monthly fee to Kohn for nothing. — Gas: 156,000, electric light 130,000 Kronen. — When handing over the analysis, the assistant Otto comments, pointing to "individual casts," "that's not a big deal, that'll go away, I had it, too, show it to the doctor, good day, ma'am" – I am overcome with extreme fright, I deduce a kidney irritation. — To Frühmann: we show our fear and dismay, now Lie-Liechen sees it as the cause of the lower back pain she has been suffering for two years already, but Frühmann takes the results lightly or less tragically, however, apparently as a concession to our caution, sends Lie-Liechen to bed for eight days; after that he wants a sample to see whether a second analysis should be done. He responds to Lie-Liechen's thoughts of death with a casual laugh, does not prescribe any medications, but forbids her coffee and tea. As a "treat" for bed, he permits her to take dictation in bed and to get out of bed to wash in the morning. On the way home we buy a thermometer: 22,000. On Fasangasse, Jetty calls out to me, tells [us] about her recent experiences, about Heini's progress. Concerned that she may accompany us home and reconnect the happily broken thread, I inform her that we are just on our way from the doctor and that Lie-Liechen has a mildly irritated kidney, so she has to rest. Now Lie-Liechen also jumps in, not having grasped my intention, and begrudges my having told her. Luckily it doe not go any further than Jetty coming as far as the house and we quickly excuse ourselves in order to see to it that Lie-Liechen gets some rest. Having {2743} to go to bed totally upsets Lie-Liechen, all the more when she reads the entry on "kidneys" in the lexicon; she sees renal atrophy, rapid death. We both have a bad night.

© Translation Scott Witmer.