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Mein lieber Wilhelm! 1

Auf dem Vormerkzettel steht dein Name seit unserer Rückkunft aus Tirol, das schon wie ein Traum weit, weit hinter uns liegt. Aber die Ereignisse haben uns derart gebeutelt – eine in dieser Art seltene Erscheinung in unserem sonst arbeitsgeruhigem Leben –, daß ich nicht einmal zu einem Brief ausholen konnte!

Das neue Mädchen aus Tirol gab sehr viel zu schaffen. Nun bewährt sie sich aufs Beste. Wir lassen uns aber auch recht viel Geld kosten, Du würdest staunen.

Dann mußte ich ständig dem Verleger meiner Werke an die Gurgel fahren, denn er machte Miene, die vertraglichen Tantiemen u. Honorare in der eigenen Tafeln verschwinden zu machen. Um den entsetzlichen Schädigungen vorzubeugen, habe ich mich entschlossen, meine Werke einem Verlag in München zu übergeben. Da galt es, sich zuvor {2} von dem bisherigen Verlag loszukoppeln, da ich einen Prozeß vermeiden wollte, der mir sicher zwar viel Geld eingetragen, aber viel Zeit geraubt hätte. Ohne Hilfe des Advokaten wollte ich den Abschied von Wien, ich meine: vom Wiener Verlag, nicht machen. Das Gelaufe, stundenlange Konferenzen, Briefe von beiden Verlagen zu mir, ich zu ihnen u. zum Anwalt. Zu alldem die laufende Besorgung meiner Vierteljahrschrift u. Stunden, denk’ das nur zusammen! 2

Und dann noch etwas: ich schlucke eine Fischgräte, sie wandert (ohne sich mir bemerkbar zu machen) 1½ Wochen durch den Darm u. bleibt schließlich knapp vor dem Ausgang stecken u. legt sich quer. Ein Chirurg mußte eingreifen (keine Operation) u. die Gräte herausnehmen, – ich habe geschrien, geweint vor Schmerzen, denn die Gräte, die sich verspießt hat, mußte erst umgedreht werden.

Ich glaube sagen zu können, daß die star- {3} ken Störungen vorüber sind u. von nun ab – wir wollen so hoffen – nur der Tag mit seiner Plage sein Recht üben wird.

Wenn Du nicht zu Weihnachten zu Grueber’s fährst, sondern zuhause bleibst, könnten wir dich endlich besuchen u. unser Wort mit Vergnügen einlösen. Denn diesmal bildet sich eine Gruppe von 4 Tagen (von Dienstag dem 25. bis Sonntag den 28.) ganz ungezwungen, so daß wir 3 Tage bei Dir bleiben könnten.

Selbstverständlich geht unser Besuch auf unsere Rechnung, die Zeiten sind heute andere als ehedem.

Wir haben keinerlei Wintersachen, weder ich noch LieLiechen haben einen Pelz, du müsstest also den Wagen mit Pelzen ausrüsten, damit wir warm bei Dir einlangen. 3

Solltest du aber zu Grueber’s fahren u. also Wien gastieren, so komm doch herauf. Wir können dir zwar kein Bett anbieten, {4} wir hatten genug Mühe, 2 Betten auszustatten, da wir in die Wohnung mit leeren Händen eingezogen sind –, aber Du sollst ganz vorzüglich bewertet werden, von früh bis Abends, kannst baden, ruhen, schlafen, machen, was dich freut.

Also schreibe uns, was du zu tun gedenkst.

Sollte dir unser Besuch jetzt noch nicht praktisch erscheinen, so werden wir trotzdem nicht versäumen, ein andermal zu kommen. Aber, wie gesagt, wir wären schon jetzt bereit. Und kommst Du nach Wien, so komme herauf. 4

Morgen hoffe ich Mozio zu sehen. 5


Nun viele Grüße u. Küsse von uns Beiden
Deine
[signed:] Heinrich u. LieLie

12. XII 1924

III., Keilgasse 8

© Transcription William Drabkin, 2024



My dear Wilhelm, 1

Your name has been on our to-do list ever since our return from the Tyrol, which like a dream lies far, far behind us. But the events hit us – a seldom occurrence of this type in our otherwise calm life of work – such that I couldn’t even manage a letter!

The new maid from the Tyrol caused a lot of bother. Now, she is proving herself splendidly. However, it is costing us quite a lot of money. You would be surprised.

And then I constantly had to go after the throat of the publisher of my works. He made out as though he was going to make the contractual royalties and honoraria disappear into his own pocket. In order to prevent such horrible damages, I decided to turn over my works to a publisher in Munich. It was necessary, then, to disengage beforehand {2} from the previous publisher because I wanted to avoid a lawsuit, which would surely have brought me a lot of money, but would have robbed [me of] a lot of time. Without the help of the attorney, I did not want to take leave of Vienna, I mean take leave of the Viennese publisher. The running around, hours-long meetings, letters to me from both publishers, from me to them and to the attorney. And on top of all that, the ongoing worry about my quarterly journal and lessons. Just imagine that all together! 2

And then yet something else: I swallowed a fishbone, it wandered (without making itself noticeable to me) for a week and a half through the bowel, and finally got stuck shortly before the exit and situated itself sideways. A surgeon had to intervene (no surgery) and extract the bone – I screamed, cried from pain because the bone, which had gotten jammed, had first to be flipped around.

I believe I can say that the {3} hefty disturbances are passed, and from now on let us hope that only everyday life, with its [usual] trouble, will exercise its rights.

If you are not going to Grueber’s for Christmas but rather are staying home, we could finally visit you and with pleasure make good on our word. This time, a succession of four days comes together completely on its own (from Tuesday the 25th to Sunday the 28th), so that we could stay with you for three days.

Naturally, our visit is at our expense, the times are different today than previously.

We have no winter things whatsoever. Neither I nor LieLiechen have a fur coat. You would therefore have had to provide the car with furs so that we arrive warm at your place. 3

However, should you go to Gruebers and thus pay a visit to Vienna, do come over. We cannot admittedly offer you a bed – {4} we had enough trouble furnishing two beds because we moved into the apartment empty handed. But you are to be hosted totally first-rate, from morning to evening, you can bathe, relax, sleep, and do what makes you happy.

So write us what you intend to do.

Should our visit not yet seem practical to you at the moment, we will nevertheless not miss out on coming another time. However, as I said, we are ready even now. And if you come to Vienna, come over. 4

Tomorrow, I hope to see Mozio. 5


Now, abundant greetings and kisses from us both.
Your
[signed:] Heinrich and LieLie

December 12, 1924

Keilgasse 8, Wien III

© Translation Lee Rothfarb, 2024



Mein lieber Wilhelm! 1

Auf dem Vormerkzettel steht dein Name seit unserer Rückkunft aus Tirol, das schon wie ein Traum weit, weit hinter uns liegt. Aber die Ereignisse haben uns derart gebeutelt – eine in dieser Art seltene Erscheinung in unserem sonst arbeitsgeruhigem Leben –, daß ich nicht einmal zu einem Brief ausholen konnte!

Das neue Mädchen aus Tirol gab sehr viel zu schaffen. Nun bewährt sie sich aufs Beste. Wir lassen uns aber auch recht viel Geld kosten, Du würdest staunen.

Dann mußte ich ständig dem Verleger meiner Werke an die Gurgel fahren, denn er machte Miene, die vertraglichen Tantiemen u. Honorare in der eigenen Tafeln verschwinden zu machen. Um den entsetzlichen Schädigungen vorzubeugen, habe ich mich entschlossen, meine Werke einem Verlag in München zu übergeben. Da galt es, sich zuvor {2} von dem bisherigen Verlag loszukoppeln, da ich einen Prozeß vermeiden wollte, der mir sicher zwar viel Geld eingetragen, aber viel Zeit geraubt hätte. Ohne Hilfe des Advokaten wollte ich den Abschied von Wien, ich meine: vom Wiener Verlag, nicht machen. Das Gelaufe, stundenlange Konferenzen, Briefe von beiden Verlagen zu mir, ich zu ihnen u. zum Anwalt. Zu alldem die laufende Besorgung meiner Vierteljahrschrift u. Stunden, denk’ das nur zusammen! 2

Und dann noch etwas: ich schlucke eine Fischgräte, sie wandert (ohne sich mir bemerkbar zu machen) 1½ Wochen durch den Darm u. bleibt schließlich knapp vor dem Ausgang stecken u. legt sich quer. Ein Chirurg mußte eingreifen (keine Operation) u. die Gräte herausnehmen, – ich habe geschrien, geweint vor Schmerzen, denn die Gräte, die sich verspießt hat, mußte erst umgedreht werden.

Ich glaube sagen zu können, daß die star- {3} ken Störungen vorüber sind u. von nun ab – wir wollen so hoffen – nur der Tag mit seiner Plage sein Recht üben wird.

Wenn Du nicht zu Weihnachten zu Grueber’s fährst, sondern zuhause bleibst, könnten wir dich endlich besuchen u. unser Wort mit Vergnügen einlösen. Denn diesmal bildet sich eine Gruppe von 4 Tagen (von Dienstag dem 25. bis Sonntag den 28.) ganz ungezwungen, so daß wir 3 Tage bei Dir bleiben könnten.

Selbstverständlich geht unser Besuch auf unsere Rechnung, die Zeiten sind heute andere als ehedem.

Wir haben keinerlei Wintersachen, weder ich noch LieLiechen haben einen Pelz, du müsstest also den Wagen mit Pelzen ausrüsten, damit wir warm bei Dir einlangen. 3

Solltest du aber zu Grueber’s fahren u. also Wien gastieren, so komm doch herauf. Wir können dir zwar kein Bett anbieten, {4} wir hatten genug Mühe, 2 Betten auszustatten, da wir in die Wohnung mit leeren Händen eingezogen sind –, aber Du sollst ganz vorzüglich bewertet werden, von früh bis Abends, kannst baden, ruhen, schlafen, machen, was dich freut.

Also schreibe uns, was du zu tun gedenkst.

Sollte dir unser Besuch jetzt noch nicht praktisch erscheinen, so werden wir trotzdem nicht versäumen, ein andermal zu kommen. Aber, wie gesagt, wir wären schon jetzt bereit. Und kommst Du nach Wien, so komme herauf. 4

Morgen hoffe ich Mozio zu sehen. 5


Nun viele Grüße u. Küsse von uns Beiden
Deine
[signed:] Heinrich u. LieLie

12. XII 1924

III., Keilgasse 8

© Transcription William Drabkin, 2024



My dear Wilhelm, 1

Your name has been on our to-do list ever since our return from the Tyrol, which like a dream lies far, far behind us. But the events hit us – a seldom occurrence of this type in our otherwise calm life of work – such that I couldn’t even manage a letter!

The new maid from the Tyrol caused a lot of bother. Now, she is proving herself splendidly. However, it is costing us quite a lot of money. You would be surprised.

And then I constantly had to go after the throat of the publisher of my works. He made out as though he was going to make the contractual royalties and honoraria disappear into his own pocket. In order to prevent such horrible damages, I decided to turn over my works to a publisher in Munich. It was necessary, then, to disengage beforehand {2} from the previous publisher because I wanted to avoid a lawsuit, which would surely have brought me a lot of money, but would have robbed [me of] a lot of time. Without the help of the attorney, I did not want to take leave of Vienna, I mean take leave of the Viennese publisher. The running around, hours-long meetings, letters to me from both publishers, from me to them and to the attorney. And on top of all that, the ongoing worry about my quarterly journal and lessons. Just imagine that all together! 2

And then yet something else: I swallowed a fishbone, it wandered (without making itself noticeable to me) for a week and a half through the bowel, and finally got stuck shortly before the exit and situated itself sideways. A surgeon had to intervene (no surgery) and extract the bone – I screamed, cried from pain because the bone, which had gotten jammed, had first to be flipped around.

I believe I can say that the {3} hefty disturbances are passed, and from now on let us hope that only everyday life, with its [usual] trouble, will exercise its rights.

If you are not going to Grueber’s for Christmas but rather are staying home, we could finally visit you and with pleasure make good on our word. This time, a succession of four days comes together completely on its own (from Tuesday the 25th to Sunday the 28th), so that we could stay with you for three days.

Naturally, our visit is at our expense, the times are different today than previously.

We have no winter things whatsoever. Neither I nor LieLiechen have a fur coat. You would therefore have had to provide the car with furs so that we arrive warm at your place. 3

However, should you go to Gruebers and thus pay a visit to Vienna, do come over. We cannot admittedly offer you a bed – {4} we had enough trouble furnishing two beds because we moved into the apartment empty handed. But you are to be hosted totally first-rate, from morning to evening, you can bathe, relax, sleep, and do what makes you happy.

So write us what you intend to do.

Should our visit not yet seem practical to you at the moment, we will nevertheless not miss out on coming another time. However, as I said, we are ready even now. And if you come to Vienna, come over. 4

Tomorrow, I hope to see Mozio. 5


Now, abundant greetings and kisses from us both.
Your
[signed:] Heinrich and LieLie

December 12, 1924

Keilgasse 8, Wien III

© Translation Lee Rothfarb, 2024

Footnotes

1 Writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for December 12, 1924: “An Wilhelm (Br.): erklären uns bereit für vier Tage zu kommen; wiederhole unsere Einladung an ihn.” (“To Wilhelm (letter): we express our willingness to come for four days; I reiterate our invitation to him.”).

2 For a detailed account of the dispute with Universal Edition, see Heinrich Schenker, Der Tonwille: Pamphlets/Quarterly Publication …, ed. William Drabkin, transl. Ian Bent and others (New York: Oxford University Press), vol. II (2005), pp. v–xii.

3 “den … ausrüsten” (“provide … furs”): underlined, presumably by Wilhelm, and the whole paragraph bracketed by him in the left margin.

4 Heinrich and Jeanette were at home across the Christmas period, and there is no sign of Wilhelm having visited them.

5 Schenker’s diary for December 13, 1924 records: “Bei Mozio 100 Dollar hinterlegt.“ (“At Mozio's, 100 dollars deposited.”).

Commentary

Format
4p letter (Bogen format), holograph salutation, message, valediction, and signatures
Provenance
Wilhelm Schenker (document date-1938?)—Jeanette Schenker (1938?-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1955)--Jonas, Oswald (c.1955-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Heinrich Schenker; deemed to be in the public domain
License
This document is deemed to be in the public domain as of January 1, 2006. Any claim to intellectual rights should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2024-06-11
Last updated: 2010-03-11