Downloads temporarily removed for testing purposes
|
22 Juli
1929
Lieber und verehrter Herr Dr.,
1
Unsere Briefe hatten sich tatsächlich gekreuzt
2
und nehme ich heute Gelegenheit, Ihre Beide zu beantworten.
Zunächst einmal die Angelegenheit
Vrieslander
. Sie wissen ja, dass ich
den Standpunkt, dass es sich hier um bestellte Arbeit handele, billige. Doch möcht ich nicht
ohne Weiteres die Honorarforderung V’s
anerkennen sondern diese zuerst unter Berücksichtigung folgender Punkte prüfen.
- 1) Kann das Archiv die
gleiche Honorare zahlen wie eine, durch viele Abonnenten sichergestellte
Zeitschrift?
- 2) Ist das Honorar bei Ablieferung der Arbeit oder erst bei dessen
Veröffentlichung fällig?
- 3) Haben wir das Recht, Kürzungen vorzunehmen und diese auf das Honorar zu
verrechnen?
zu 1 meine ich, dass wir nicht dieselben Honorare zahlen können, wie eine gut fundierte
Zeitschrift und dass wir im Falle Vrieslander keinen Präzedenzfall schaffen dürfen.
Zu 2, dass bei bestellten Arbeiten dass [sic] Honorar bei Ablieferung
fällig sei, hier jedoch, wo es sich um ein Erstfall handelt, die principielle Stellungnahme
des Kuratoriums nötig sei; dieses kann erst in October zusammentreten.
Drittens bin ich der Ansicht, dass wir Kürzungen vornehmen dürfen, im vorliegenden
Falle z.ä. bei den, stets wieder neu ausgeschriebenen Parallelstellen, und dass wir das
Honorar nach den tatsächlich übrigbleibenden Zeilen zu zahlen haben.
Jedenfalls soll Herr Vrieslander warten bis er vom Archiv eine Summe zugewiesen bekommt, die beinahe die Hälfte von dem ausmacht,
was es jährlich braucht[,] um mehr [zu sein,] als wie es für
das [recte
den]
Schubertkongress aufgewandt hat.
Die Zeitungsnotiz betreffs der Handschriften in der
Pürglitzer Bibliothek
3
ist recht interessant. Ich glaube nicht, dass uns
bisher etwas davon bekannt war.
Seit einigen Tagen befasse ich mich mit Brahms’ Op. 117 No.
1. Ich will natürlich auch den Gang des Stückes klar
erkennen bevor ich an die Vergleichsarbeit gehe, werde aber nicht ganz damit fertig,
besonders nicht mit der Bassführung im
zweiten Abschnitt des
Mittelteiles. Oberflächlich betrachtet wäre an
dem Simrock’schen Druck nicht viel
auszusetzen; dagegen weicht die neue Gesamtausgabe in einigen Punkten
ab.
Nach einer Zeit schlimmer Nässe und Kälte ist nun auch hier der Sommer
durchgebrochen und zwar gleich mit einer solchen Gewalt, dass es für die hiesige Gegend viel
zu warm und Windstill ist. Aber auch das wird sich geben. Es ist jedenfalls besser, als wie
Sturm und Regen.
Mit den besten Grüssen von Hotel zu Hotel bin ich
Ihr sehr ergebener
[unsigned]
© Transcription John Rothgeb, 2012
|
22 Juli
1929
Dear and revered Dr. [Schenker],
1
Our letters had actually crossed,
2
and today I take the opportunity to answer both of yours.
To begin with the Vrieslander
matter. You do of course know that I endorse the point of view that we are dealing here with
work that has been ordered. Yet I would prefer not to approve unconditionally the fee set by
Vrieslander, but instead would first
examine it with respect to the following points.
- 1) Can the Archive pay
the same fee as a periodical that is financially secured by many subscribers?
- 2) Is the fee payable on delivery of the work or only on its
publication?
- 3) Have we the right to abridge the work and to reduce the fee
accordingly?
Re 1), I think that we cannot pay the same fees as a well-funded periodical, and that
we should establish no such precedent in Vrieslander's case.
Re 2), [I think] that in the case of work
that we have ordered, the fee would be payable on delivery; here, however, where there is no
precedent, I think the position on principle of the Board of Trustees would have to be
established, but it can meet only in October.
Thirdly, I am of the opinion that we may introduce abridgements, in the present case,
for example, in the parallel passages that are always written out in full, and that we would
have to reckon the fee by the lines that actually remain.
In any case, Mr. Vrieslander should wait until he receives from the Archive an allotted sum which amounts to about half of what
it annually needs in order [to be] more than it
spent on the Schubert convention.
The newspaper article concerning manuscripts in the
Pürglitz Library
3
is most interesting. I do
not believe that any of this has thus far been known to us.
For several days I have been working on Brahms's Op. 117,
No. 1. I naturally want to understand the continuity of the
piece clearly before I begin the work of comparison, but am not
completely finished, especially not with the organization of the
bass in the second
section of the middle
part. Superficially considered, there would not be much
fault to find with the Simrock
printing; the new collected edition, however, differs on several
points.
After a period of unpleasant cold and wet, the summer has broken out here
as well, and indeed all at once with such force that it is far too warm and windless for
this area. But that too will pass. It is in any case better than storm and rain.
With best greetings from hotel to hotel, I am
Yours very truly
[unsigned]
© Translation John Rothgeb, 2012
|
22 Juli
1929
Lieber und verehrter Herr Dr.,
1
Unsere Briefe hatten sich tatsächlich gekreuzt
2
und nehme ich heute Gelegenheit, Ihre Beide zu beantworten.
Zunächst einmal die Angelegenheit
Vrieslander
. Sie wissen ja, dass ich
den Standpunkt, dass es sich hier um bestellte Arbeit handele, billige. Doch möcht ich nicht
ohne Weiteres die Honorarforderung V’s
anerkennen sondern diese zuerst unter Berücksichtigung folgender Punkte prüfen.
- 1) Kann das Archiv die
gleiche Honorare zahlen wie eine, durch viele Abonnenten sichergestellte
Zeitschrift?
- 2) Ist das Honorar bei Ablieferung der Arbeit oder erst bei dessen
Veröffentlichung fällig?
- 3) Haben wir das Recht, Kürzungen vorzunehmen und diese auf das Honorar zu
verrechnen?
zu 1 meine ich, dass wir nicht dieselben Honorare zahlen können, wie eine gut fundierte
Zeitschrift und dass wir im Falle Vrieslander keinen Präzedenzfall schaffen dürfen.
Zu 2, dass bei bestellten Arbeiten dass [sic] Honorar bei Ablieferung
fällig sei, hier jedoch, wo es sich um ein Erstfall handelt, die principielle Stellungnahme
des Kuratoriums nötig sei; dieses kann erst in October zusammentreten.
Drittens bin ich der Ansicht, dass wir Kürzungen vornehmen dürfen, im vorliegenden
Falle z.ä. bei den, stets wieder neu ausgeschriebenen Parallelstellen, und dass wir das
Honorar nach den tatsächlich übrigbleibenden Zeilen zu zahlen haben.
Jedenfalls soll Herr Vrieslander warten bis er vom Archiv eine Summe zugewiesen bekommt, die beinahe die Hälfte von dem ausmacht,
was es jährlich braucht[,] um mehr [zu sein,] als wie es für
das [recte
den]
Schubertkongress aufgewandt hat.
Die Zeitungsnotiz betreffs der Handschriften in der
Pürglitzer Bibliothek
3
ist recht interessant. Ich glaube nicht, dass uns
bisher etwas davon bekannt war.
Seit einigen Tagen befasse ich mich mit Brahms’ Op. 117 No.
1. Ich will natürlich auch den Gang des Stückes klar
erkennen bevor ich an die Vergleichsarbeit gehe, werde aber nicht ganz damit fertig,
besonders nicht mit der Bassführung im
zweiten Abschnitt des
Mittelteiles. Oberflächlich betrachtet wäre an
dem Simrock’schen Druck nicht viel
auszusetzen; dagegen weicht die neue Gesamtausgabe in einigen Punkten
ab.
Nach einer Zeit schlimmer Nässe und Kälte ist nun auch hier der Sommer
durchgebrochen und zwar gleich mit einer solchen Gewalt, dass es für die hiesige Gegend viel
zu warm und Windstill ist. Aber auch das wird sich geben. Es ist jedenfalls besser, als wie
Sturm und Regen.
Mit den besten Grüssen von Hotel zu Hotel bin ich
Ihr sehr ergebener
[unsigned]
© Transcription John Rothgeb, 2012
|
22 Juli
1929
Dear and revered Dr. [Schenker],
1
Our letters had actually crossed,
2
and today I take the opportunity to answer both of yours.
To begin with the Vrieslander
matter. You do of course know that I endorse the point of view that we are dealing here with
work that has been ordered. Yet I would prefer not to approve unconditionally the fee set by
Vrieslander, but instead would first
examine it with respect to the following points.
- 1) Can the Archive pay
the same fee as a periodical that is financially secured by many subscribers?
- 2) Is the fee payable on delivery of the work or only on its
publication?
- 3) Have we the right to abridge the work and to reduce the fee
accordingly?
Re 1), I think that we cannot pay the same fees as a well-funded periodical, and that
we should establish no such precedent in Vrieslander's case.
Re 2), [I think] that in the case of work
that we have ordered, the fee would be payable on delivery; here, however, where there is no
precedent, I think the position on principle of the Board of Trustees would have to be
established, but it can meet only in October.
Thirdly, I am of the opinion that we may introduce abridgements, in the present case,
for example, in the parallel passages that are always written out in full, and that we would
have to reckon the fee by the lines that actually remain.
In any case, Mr. Vrieslander should wait until he receives from the Archive an allotted sum which amounts to about half of what
it annually needs in order [to be] more than it
spent on the Schubert convention.
The newspaper article concerning manuscripts in the
Pürglitz Library
3
is most interesting. I do
not believe that any of this has thus far been known to us.
For several days I have been working on Brahms's Op. 117,
No. 1. I naturally want to understand the continuity of the
piece clearly before I begin the work of comparison, but am not
completely finished, especially not with the organization of the
bass in the second
section of the middle
part. Superficially considered, there would not be much
fault to find with the Simrock
printing; the new collected edition, however, differs on several
points.
After a period of unpleasant cold and wet, the summer has broken out here
as well, and indeed all at once with such force that it is far too warm and windless for
this area. But that too will pass. It is in any case better than storm and rain.
With best greetings from hotel to hotel, I am
Yours very truly
[unsigned]
© Translation John Rothgeb, 2012
|
Footnotes
1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/2, p. 3356,
July 26, 1929: "Von v. H. (Br.): er arbeite an Brahms' op. 117, sei aber
steckgeblieben." ("From Hoboken (letter): he is working at Brahms's Op. 117, but has got
stuck.").
2 Cf. OJ 89/3, [4], first
paragraph.
3 The library
of the castle of Křivoklát (Ger. Pürglitz), a Bohemian edifice dating from the 12th
century. In 1929, the year of this correspondence, the castle and its contents were sold
by the owners at the time, the house of Fürstenberg, to the Czechoslovak Republic.
(Information from various sources, including Wikipedia.)
|
Commentary
- Rights Holder
-
IPR: Heirs of Anthony van Hoboken
- Format
-
1p letter, carbon copy, typed message, unsigned
- Provenance
-
Hoboken, Anthony van ([document date]-1983)--Schneider, Hans(19??-2007)--University of California, Riverside (2007--)
- Rights Holder
-
EITHER: Heirs of Anthony van Hoboken.
OR: Heirs of Henrich Schenker, deemed to be in the public domain.
- License
-
EITHER: Permission to publish granted by the heirs of Anthony van Hoboken February 3, 2007. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk.
OR: All reasonable steps have been taken to locate the heirs of Heinrich Schenker. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk.
Digital version created: 2012-11-19 Last updated: 2012-11-19
|
|