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OJ 89/5, [7] - Typewritten letter (carbon copy) from Hoboken to Schenker, dated September 22, 1932
Vielen herzlichen Dank für Ihren so liebenswurdigen Brief. 2 Unsere Tour, wenn Sie auch noch nach alten Eisenbahnzeiten rechnen, war schneller beendet als Sie annahmen und hat uns, ausser durch die Dolomiten nach Bozen, von dort noch weiter über das Stilfser Joch und den Berninapass nach St. Moritz geführt. Am Dienstag den 13en waren wir schon wieder in Garmisch zurück und haben alles sehr genossen. Wie sehr freue ich mich zu hören, dass Sie den „Freien Satz“ nunmehr abgeschlossen haben! Wir wünschen Ihnen für Manuscript- und Drucklegung, dass die Arbeit gut von Statten gehen möge und halten Ihnen gern und fest den Daumen. Ich freue mich besonders, dass ich Ihnen bei der Drucklegung finanziell behilflich werde sein können; so habe ich dann auch an der Veröffentlichung dieses grossen Werkes einen, wenn auch noch so kleinen Anteil. Ich habe inzwischen auch von Prof. Haas eine Antwort bekommen, die ich hier einlage, mit meiner Gegenantwort darauf, 3 weil ich Ihnen, als Mitkurator des Archives, von dieser Korrespondenz auf dem Laufenden halten möchte. Wie Sie sehen, legt Herr Prof. Haas Wert auf Vertraulichkeit der jetzigen Verhandlungen; Sie werden diesen Wunsch wohl, ebenso wie ich, entsprechen. Passt es Ihnen, wenn wir am Dienstag den 4en Oktober nachmittags um halb 4 zu einer Kuratoriumssitzung zu Ihnen herauf kommen? 4 Von Prof. Deutsch, dem ich auch von meinem Wegzugsplan in Kenntniss gesetzt habe, erhielt ich ebenfalls eine Antwort. Er kann seine Enttäuschung über meine Entschluss nicht verhehlen und ich kann ihm das nachfühlen. Allein kann ich mich dadurch nicht bestimmen lassen. Es geht für mich jetzt, nachdem ich geschieden bin und ziemlich hohe finanzielle Verpflichtungen dabei auf mich habe nehmen müssen, in erster Linie darum festzustellen in welchem Stil ich weiter leben kann. Hierzu muss ich natürlich die weitere Entwicklung der Weltwirtschaftskrise abwarten und erst dann kann ich mich entscheiden ob, und in welchem Masse ich meinen beiden Sammlungen weiterpflegen kann. Bis dahin gilt es {2} lediglich das zu erhalten, was ich bisher errichtet habe. Ich bin nun mal leider Gottes der Träumen Joseph’s zu wenig eingedenkt gewesen und habe in den fetten Jahren nicht an den darauf meistens folgenden mageren gedacht. Hieran ist nun einmal nichts mehr zu ändern und ich kann mich sehr gut darein fügen. Nur scheinen Prof. Haas und Prof. Deutsch das nicht gut zu begreifen. Sie schreiben so richtig in Ihrem Brief, wie wohl es mir ist, dass ich nur für die Musik, und nicht von der Musik zu leben brauche; ich darf aber diese meine Lebensstellung nicht noch weiter untergraben. Dr. Jonas schrieb mir einen längeren Brief und sandte mir auch sein Prospekt. 5 Ich habe ihm noch nicht geantwortet doch werde ich das wahrscheinlich heute noch erledigen. Ich möchte gerne durch eine entsprechende Subskription wenigsten[s] die Herausgabe des Werkes sicherstellen, weiss aber nicht, wieviel ich zu diesem Zweck zeichnen muss. Es ist mir daher sehr lieb, dass Sie mir vorgeschlagen haben, die Druckkosten für den „Freien Satz“ erst nach und nach beim Präsentieren der Rechnungen des Verlages zu bezahlen; dadurch bleibt mir diese[s] Jahr dann etwas für Dr. Jonas frei. Ich beauftrage heute der Rotterdamschen Bank in Rotterdam Ihnen das Honorar für Oktober, November und Dezember in der Höhe Sch. 1560.- (13 Wochen, 2 mal wöchentlich à 60 Sch.) zuzuschicken. Sollten Sie lieber eine andere Währung haben, so können wir das noch regeln, wenn ich wieder in Wien sein werde. Mit den herzlichsten Grüssen, ebenfalls von Frl. Boy, schliesse ich als Ihr ganz ergebener [unsigned] © Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2017 |
Warmest thanks for your very nice letter. 2 Our tour, even if you still calculate according to old railroad times, was concluded more quickly than you assumed and took us, aside from through the Dolomites to Bolzano, from there still further over the Stilfser Joch and the Bernina Pass to St. Moritz. On Tuesday the 13th we were already back in Garmisch, having enjoyed everything very much. How happy I am to hear that you have now completed Free Composition ! We wish you good progress in the work on the manuscript and printing and will keep our fingers tightly crossed for you. I am particularly happy that I will be able to help you financially on the printing; that gives me a part to play, if ever so small, in the publication of this major work. I have meanwhile received an answer from Prof. Haas too, which I enclose here together with my reply to it, 3 because I would like to keep you, as co-curator of the Archive, up to date on this correspondence. As you see, Prof. Haas places value on the confidentiality of the current negotiations; you, just as I, will no doubt join in this wish. Would it be convenient for you if we came up to your place on Tuesday, October 4, about 4:30 for a meeting of the Board of Directors? 4 I received an answer too from Prof. Deutsch, whom I had also informed of my departure-plan. He cannot conceal his disappointment over my decision, and I can sympathize with him on that. But I must not be influenced by that. My problem now, after I have divorced and have been compelled to take on rather high financial obligations, is to determine first of all in what style I can live from now on. For this I must of course await further developments in the world economic crisis and only then decide whether, and to what extent, I can maintain my two collections. Until then it is only a matter of {2} keeping what I have achieved thus far. I have, alas, held the dreams of Joseph too little in mind, and have not given thought in the rich years to the lean ones that usually follow. Now there is really nothing more to be done about that, and I can adjust very well. But Prof. Haas and Prof. Deutsch seem not really to understand that. You write so truly in your letter how fortunate I am that I can live only for music and not by music; but I must not further degrade this, my life-station. Dr. Jonas wrote me a longish letter and sent me his prospectus 5 too. I have not yet answered him, but will probably take care of that still today. I would like at least to insure publication of the work through an appropriate subscription, but I don't know how much I shall have to commit for this purpose. I am therefore very pleased that you have suggested payment of the printing costs for Free Composition only gradually as the publisher's invoices are presented; that leaves me something over for Dr. Jonas this year. Today I am instructing the Rotterdam Bank in Rotterdam to send you the fee for October, November, and December in the amount of 1,560 shillings (13 weeks, twice a week @ 60 shillings). In case you would rather have a different currency, we can arrange that later, when I am again in Vienna. With warmest greetings, from Miss Boy as well, I close as Your wholly devoted [unsigned] © Translation John Rothgeb & Heribert Esser, 2017 |
Vielen herzlichen Dank für Ihren so liebenswurdigen Brief. 2 Unsere Tour, wenn Sie auch noch nach alten Eisenbahnzeiten rechnen, war schneller beendet als Sie annahmen und hat uns, ausser durch die Dolomiten nach Bozen, von dort noch weiter über das Stilfser Joch und den Berninapass nach St. Moritz geführt. Am Dienstag den 13en waren wir schon wieder in Garmisch zurück und haben alles sehr genossen. Wie sehr freue ich mich zu hören, dass Sie den „Freien Satz“ nunmehr abgeschlossen haben! Wir wünschen Ihnen für Manuscript- und Drucklegung, dass die Arbeit gut von Statten gehen möge und halten Ihnen gern und fest den Daumen. Ich freue mich besonders, dass ich Ihnen bei der Drucklegung finanziell behilflich werde sein können; so habe ich dann auch an der Veröffentlichung dieses grossen Werkes einen, wenn auch noch so kleinen Anteil. Ich habe inzwischen auch von Prof. Haas eine Antwort bekommen, die ich hier einlage, mit meiner Gegenantwort darauf, 3 weil ich Ihnen, als Mitkurator des Archives, von dieser Korrespondenz auf dem Laufenden halten möchte. Wie Sie sehen, legt Herr Prof. Haas Wert auf Vertraulichkeit der jetzigen Verhandlungen; Sie werden diesen Wunsch wohl, ebenso wie ich, entsprechen. Passt es Ihnen, wenn wir am Dienstag den 4en Oktober nachmittags um halb 4 zu einer Kuratoriumssitzung zu Ihnen herauf kommen? 4 Von Prof. Deutsch, dem ich auch von meinem Wegzugsplan in Kenntniss gesetzt habe, erhielt ich ebenfalls eine Antwort. Er kann seine Enttäuschung über meine Entschluss nicht verhehlen und ich kann ihm das nachfühlen. Allein kann ich mich dadurch nicht bestimmen lassen. Es geht für mich jetzt, nachdem ich geschieden bin und ziemlich hohe finanzielle Verpflichtungen dabei auf mich habe nehmen müssen, in erster Linie darum festzustellen in welchem Stil ich weiter leben kann. Hierzu muss ich natürlich die weitere Entwicklung der Weltwirtschaftskrise abwarten und erst dann kann ich mich entscheiden ob, und in welchem Masse ich meinen beiden Sammlungen weiterpflegen kann. Bis dahin gilt es {2} lediglich das zu erhalten, was ich bisher errichtet habe. Ich bin nun mal leider Gottes der Träumen Joseph’s zu wenig eingedenkt gewesen und habe in den fetten Jahren nicht an den darauf meistens folgenden mageren gedacht. Hieran ist nun einmal nichts mehr zu ändern und ich kann mich sehr gut darein fügen. Nur scheinen Prof. Haas und Prof. Deutsch das nicht gut zu begreifen. Sie schreiben so richtig in Ihrem Brief, wie wohl es mir ist, dass ich nur für die Musik, und nicht von der Musik zu leben brauche; ich darf aber diese meine Lebensstellung nicht noch weiter untergraben. Dr. Jonas schrieb mir einen längeren Brief und sandte mir auch sein Prospekt. 5 Ich habe ihm noch nicht geantwortet doch werde ich das wahrscheinlich heute noch erledigen. Ich möchte gerne durch eine entsprechende Subskription wenigsten[s] die Herausgabe des Werkes sicherstellen, weiss aber nicht, wieviel ich zu diesem Zweck zeichnen muss. Es ist mir daher sehr lieb, dass Sie mir vorgeschlagen haben, die Druckkosten für den „Freien Satz“ erst nach und nach beim Präsentieren der Rechnungen des Verlages zu bezahlen; dadurch bleibt mir diese[s] Jahr dann etwas für Dr. Jonas frei. Ich beauftrage heute der Rotterdamschen Bank in Rotterdam Ihnen das Honorar für Oktober, November und Dezember in der Höhe Sch. 1560.- (13 Wochen, 2 mal wöchentlich à 60 Sch.) zuzuschicken. Sollten Sie lieber eine andere Währung haben, so können wir das noch regeln, wenn ich wieder in Wien sein werde. Mit den herzlichsten Grüssen, ebenfalls von Frl. Boy, schliesse ich als Ihr ganz ergebener [unsigned] © Transcription John Rothgeb & Heribert Esser, 2017 |
Warmest thanks for your very nice letter. 2 Our tour, even if you still calculate according to old railroad times, was concluded more quickly than you assumed and took us, aside from through the Dolomites to Bolzano, from there still further over the Stilfser Joch and the Bernina Pass to St. Moritz. On Tuesday the 13th we were already back in Garmisch, having enjoyed everything very much. How happy I am to hear that you have now completed Free Composition ! We wish you good progress in the work on the manuscript and printing and will keep our fingers tightly crossed for you. I am particularly happy that I will be able to help you financially on the printing; that gives me a part to play, if ever so small, in the publication of this major work. I have meanwhile received an answer from Prof. Haas too, which I enclose here together with my reply to it, 3 because I would like to keep you, as co-curator of the Archive, up to date on this correspondence. As you see, Prof. Haas places value on the confidentiality of the current negotiations; you, just as I, will no doubt join in this wish. Would it be convenient for you if we came up to your place on Tuesday, October 4, about 4:30 for a meeting of the Board of Directors? 4 I received an answer too from Prof. Deutsch, whom I had also informed of my departure-plan. He cannot conceal his disappointment over my decision, and I can sympathize with him on that. But I must not be influenced by that. My problem now, after I have divorced and have been compelled to take on rather high financial obligations, is to determine first of all in what style I can live from now on. For this I must of course await further developments in the world economic crisis and only then decide whether, and to what extent, I can maintain my two collections. Until then it is only a matter of {2} keeping what I have achieved thus far. I have, alas, held the dreams of Joseph too little in mind, and have not given thought in the rich years to the lean ones that usually follow. Now there is really nothing more to be done about that, and I can adjust very well. But Prof. Haas and Prof. Deutsch seem not really to understand that. You write so truly in your letter how fortunate I am that I can live only for music and not by music; but I must not further degrade this, my life-station. Dr. Jonas wrote me a longish letter and sent me his prospectus 5 too. I have not yet answered him, but will probably take care of that still today. I would like at least to insure publication of the work through an appropriate subscription, but I don't know how much I shall have to commit for this purpose. I am therefore very pleased that you have suggested payment of the printing costs for Free Composition only gradually as the publisher's invoices are presented; that leaves me something over for Dr. Jonas this year. Today I am instructing the Rotterdam Bank in Rotterdam to send you the fee for October, November, and December in the amount of 1,560 shillings (13 weeks, twice a week @ 60 shillings). In case you would rather have a different currency, we can arrange that later, when I am again in Vienna. With warmest greetings, from Miss Boy as well, I close as Your wholly devoted [unsigned] © Translation John Rothgeb & Heribert Esser, 2017 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker’s diary at OJ 4/6, p. 3776, September 24, 1932: "Von v. Hoboken (Br.): den Durchschlag seiner Antwort an Haas; an mich freundlich, als Snob durch die Mitteilung vom freien Satz bestimmt; fließt nun auch snobistisch zu Jonas über. Freilich ist dieser Snobismus billig; Beträge, die im Haushalt eines reichen Mannes nicht die geringste Rolle spielen, reichen hin, um Künstler-Bettler zu beschenken, jedenfalls ist der Ertrag für den Snobismus größer als die Auslage." ("From Hoboken (letter): the essence of his reply to Haas; to me he is friendly – determined to be a snob, from the communication about Free Composition; he now brims over with snobbishness towards Jonas. Of course, this snobbishness is cheap; sums that do not play the slightest role in the household of a rich man are sufficient to give away to artist-beggars; in any event, the return on his snobbishness is greater than his outlay."). 2 = OJ 89/5, [6], September 17, 1932. 3 Not filed with this letter: presumably returned to Hoboken. 4 Hoboken canceled through illness on October 4, so the meeting was postponed to the 7th. There is no record in the diary of a meeting on that date; Hoboken came to Schenker without Haas on Monday October 11, and agreed to increase his annual support to the Photogram Archive from 6,000 to 7,800 shillings: OJ 4/5, pp. 3782-3783. 5 Prospectus for his forthcoming Das Wesen des musikalischen Kunstwerks: Einführung in die Lehre Heinrich Schenkers (Vienna: Saturn-Verlag, 1934). |
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Commentary
Digital version created: 2017-02-07 |