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OJ 89/5, [6] - Handwritten letter from Schenker to Hoboken, dated September 17, 1932
Ihren lieben Brief habe ich noch in Igls erhalten, 2 da Sie aber zugleich Ihre Dolomiten-Tour ankündigten, konnte ich nicht gleich antworten. Inzwischen verließen wir Igls u. kamen nach Hause, dennoch schrieb ich Ihnen auch von hier aus nicht sogleich, denn ‒ ich rechne „Touren“ noch nach den alten Eisenbahnzeiten, nicht nach den neueren Auto-, geschweige Flugzeiten, die mir alle fremd sind, u. da brachte ich mit meiner bäuerlichen Rechenkunst heraus, daß Sie heute doch endlich in Gar- {2} misch zurück sein müssen, wie lang Sie auch die Dolomiten-Tour gespannt haben mögen. (Nebenbei: daß ich „Ohr-Fliegen“ in Zügen u.sw. verstehe, zählt in diesen Zusammenhängen leider gar nicht.) Und nun. Herzlichst danke ich Ihnen dafür, daß Sie mich in all die schwebenden Fragen Einblick nehmen lassen. Doch möchte ich hier nur davon sprechen, was mich selbst betrifft. Vor Allem: sehr freue ich mich darüber, daß Sie die Verbindung mit mir noch aufrechterhalten, ich freue mich dessen für uns Beide. Ihres feinsinnigen, echt künstlerischen Ohres, womit Sie ganz gewiß in der ersten Reihe der „Musiker“ stehen, habe ich mich immer gefreut. (Wohl Ihnen freilich, daß {3} Sie nur für die Musik, nicht aber von der Musik zu leben brauchen!) Sollten Sie mit Ihrer neuen Arbeit noch nicht fertig sein, dann beenden wir vielleicht, ohne jede Nebenabsicht, die Mazurken, so daß auch diese Arbeit zu Ende gediehe. 3 Oder: noch Vieles Andere hätte ich zu zeigen. Endlich: den „fr. S.“ habe ich Anfang September in Igls abgeschlossen 4 u. mit einem 1/8 Wein begossen! Aber nun kommt das Strapaziözeste: die Manuscript- u. Drucklegung. Halten Sie bitte, mein l. Herr v Hoboken, fest den Daumen ‒ sehr nützlich wäre es auch, wenn Frl. Boy den Daumen hielte ‒, damit die Arbeit glücklich vollendet werde. Vermutlich werde ich {4} in die Nummer hineinsteigen, die die „U. E.“ in ihrem Katalog für den „fr. S.“ all die Jahre her noch immer freigehalten hat. 5 Daß Sie daran dachten, im Notfall den Betrag gleich auszuschütten, macht Ihrem Herzen alle Ehre, aber ich glaube ‒ darüber reden wir noch – besser zu tun, wenn ich Sie bitte, erst bis der Verlag die Rechnung präsentiert (die vermutlich kleiner sein wird), diese zu honorieren. Habe ich doch wieder erlebt, daß der (durch Dr. Weisse vemittelte) Beitrag eines hiesigen Industriellen, trotz aller Vorsicht von mir u. meinem Anwalt, bedeutend zusammengeschlumpft ist! Druckt die „U. E.,“ entfällt vermutlich auch Tomay u. damit die {5} Notwendigkeit, immer wieder mit Vorschussen zu arbeiten. Und doch, Tomay würde ich schwer missen, er hat mit Erfolg entschieden. Über Format u. die anderen schwierigen Fragen berate ich mich ständig mit unserem Prof. Deutsch, bevor ich mit dem Verlag spreche. Und dann erst geht es los. Ein solches Werk ist schon bei Geburt ein Geschenk an die Menschheit, ich muß die Arbeit schenken, Sie schenken Geld, u. schließlich muß das Werk so kurz gefaßt werden, daß es mit kleinstem Gelde auch erworben werden kann, worin ja wieder ein Geschenk enthalten {6} ist. Und doch, von diesem Werke allein wird die Erlösung kommen. Bekannt ist aber, daß der Erlöser immer daraufzählt, die Erlösung wollen die Erlösten immer umsonst haben, da sie ihr Geld lieber noch für all das verwenden, was ihrer Erlösung entgegensteht . . . . Wir grüßen Sie u. Frl. Boy auf das herzlichste. © Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2016 |
I received your nice letter while still in Igls; 2 as you announced then your tour of the Dolomites, I could not answer immediately. Meanwhile we left Igls and came home, but I nevertheless did not write to you immediately from here either, because – I still figure "tours" according to the old railroad times, not according to the new automobile (to say nothing of airplane) times, which are all foreign to me, and thus I calculated, with my rustic reckoning, that today you would finally have to be back in Garmisch, {2} however long you may have extended the Dolomite tour. (Incidentally: the fact that I understand "ear-flying" in linear progressions etc. unfortunately doesn't count at all in such matters.) And now, I thank you most heartily for giving me an inkling as to all of the undecided questions. But here I want to speak only of that which involves me personally. Foremost: I am delighted that you maintain your relationship with me; I am happy about that for both of us. I have always rejoiced in your discriminating, truly artistic ear, with which you absolutely stand in the first rank of "musicians." (Lucky you, however, that {3} you need to live only for music, but not by music!) In case you are not ready with your new work, then perhaps we will finish up the Mazurkas without any distraction, so that this work as well will reach a fruitful conclusion. 3 Or, there are still many other things I would have to show. Finally: I have completed Free Composition in Igls at the beginning of September 4 and have toasted the event with a 1/8-litre of wine! But now comes the most grueling ordeal: the manuscript and printing preparation. Please keep your fingers crossed, my dear Mr. van Hoboken ‒ it would be very helpful if Miss Boy were to keep hers crossed too ‒, so that the work will be successfully completed. Presumably I will take my place {4} in the number which Universal Edition has still kept open all these years for Free Composition . 5 That you considered disbursing the entire sum immediately in case of emergency is a tribute to your good heart, but I believe ‒ we will talk about it later ‒ that it will be better if I ask you to remit payment only when the publisher presents the bill (which will presumably be smaller). I have again lived to see the contribution of a local industrialist (procured by Dr. Weisse), despite all precaution by me and by my attorney, substantially dwindle! If UE is doing the printing, presumably Tomay will be dropped as well, and with him the {5} necessity of dealing every time with monetary advances. And yet, I would badly miss Tomay; he has made successful decisions. Concerning format and the other difficult questions I am continually consulting with our Prof. Deutsch before I speak with the publisher. Only then will it get under way. Such a work is at its birth already a gift to humanity; I must bestow the work, you bestow money, and finally the work must be so economically designed that it can be afforded even with the least money, wherein once again a gift is comprised. {6} And yet, from this work alone will salvation come. We know, however, that the savior always pays the price; the saved always expect to get the salvation free of charge, since they would rather use their money for what stands in the way of their salvation . . . . We greet you and Miss Boy most warmly. © Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2016 |
Ihren lieben Brief habe ich noch in Igls erhalten, 2 da Sie aber zugleich Ihre Dolomiten-Tour ankündigten, konnte ich nicht gleich antworten. Inzwischen verließen wir Igls u. kamen nach Hause, dennoch schrieb ich Ihnen auch von hier aus nicht sogleich, denn ‒ ich rechne „Touren“ noch nach den alten Eisenbahnzeiten, nicht nach den neueren Auto-, geschweige Flugzeiten, die mir alle fremd sind, u. da brachte ich mit meiner bäuerlichen Rechenkunst heraus, daß Sie heute doch endlich in Gar- {2} misch zurück sein müssen, wie lang Sie auch die Dolomiten-Tour gespannt haben mögen. (Nebenbei: daß ich „Ohr-Fliegen“ in Zügen u.sw. verstehe, zählt in diesen Zusammenhängen leider gar nicht.) Und nun. Herzlichst danke ich Ihnen dafür, daß Sie mich in all die schwebenden Fragen Einblick nehmen lassen. Doch möchte ich hier nur davon sprechen, was mich selbst betrifft. Vor Allem: sehr freue ich mich darüber, daß Sie die Verbindung mit mir noch aufrechterhalten, ich freue mich dessen für uns Beide. Ihres feinsinnigen, echt künstlerischen Ohres, womit Sie ganz gewiß in der ersten Reihe der „Musiker“ stehen, habe ich mich immer gefreut. (Wohl Ihnen freilich, daß {3} Sie nur für die Musik, nicht aber von der Musik zu leben brauchen!) Sollten Sie mit Ihrer neuen Arbeit noch nicht fertig sein, dann beenden wir vielleicht, ohne jede Nebenabsicht, die Mazurken, so daß auch diese Arbeit zu Ende gediehe. 3 Oder: noch Vieles Andere hätte ich zu zeigen. Endlich: den „fr. S.“ habe ich Anfang September in Igls abgeschlossen 4 u. mit einem 1/8 Wein begossen! Aber nun kommt das Strapaziözeste: die Manuscript- u. Drucklegung. Halten Sie bitte, mein l. Herr v Hoboken, fest den Daumen ‒ sehr nützlich wäre es auch, wenn Frl. Boy den Daumen hielte ‒, damit die Arbeit glücklich vollendet werde. Vermutlich werde ich {4} in die Nummer hineinsteigen, die die „U. E.“ in ihrem Katalog für den „fr. S.“ all die Jahre her noch immer freigehalten hat. 5 Daß Sie daran dachten, im Notfall den Betrag gleich auszuschütten, macht Ihrem Herzen alle Ehre, aber ich glaube ‒ darüber reden wir noch – besser zu tun, wenn ich Sie bitte, erst bis der Verlag die Rechnung präsentiert (die vermutlich kleiner sein wird), diese zu honorieren. Habe ich doch wieder erlebt, daß der (durch Dr. Weisse vemittelte) Beitrag eines hiesigen Industriellen, trotz aller Vorsicht von mir u. meinem Anwalt, bedeutend zusammengeschlumpft ist! Druckt die „U. E.,“ entfällt vermutlich auch Tomay u. damit die {5} Notwendigkeit, immer wieder mit Vorschussen zu arbeiten. Und doch, Tomay würde ich schwer missen, er hat mit Erfolg entschieden. Über Format u. die anderen schwierigen Fragen berate ich mich ständig mit unserem Prof. Deutsch, bevor ich mit dem Verlag spreche. Und dann erst geht es los. Ein solches Werk ist schon bei Geburt ein Geschenk an die Menschheit, ich muß die Arbeit schenken, Sie schenken Geld, u. schließlich muß das Werk so kurz gefaßt werden, daß es mit kleinstem Gelde auch erworben werden kann, worin ja wieder ein Geschenk enthalten {6} ist. Und doch, von diesem Werke allein wird die Erlösung kommen. Bekannt ist aber, daß der Erlöser immer daraufzählt, die Erlösung wollen die Erlösten immer umsonst haben, da sie ihr Geld lieber noch für all das verwenden, was ihrer Erlösung entgegensteht . . . . Wir grüßen Sie u. Frl. Boy auf das herzlichste. © Transcription John Rothgeb and Heribert Esser, 2016 |
I received your nice letter while still in Igls; 2 as you announced then your tour of the Dolomites, I could not answer immediately. Meanwhile we left Igls and came home, but I nevertheless did not write to you immediately from here either, because – I still figure "tours" according to the old railroad times, not according to the new automobile (to say nothing of airplane) times, which are all foreign to me, and thus I calculated, with my rustic reckoning, that today you would finally have to be back in Garmisch, {2} however long you may have extended the Dolomite tour. (Incidentally: the fact that I understand "ear-flying" in linear progressions etc. unfortunately doesn't count at all in such matters.) And now, I thank you most heartily for giving me an inkling as to all of the undecided questions. But here I want to speak only of that which involves me personally. Foremost: I am delighted that you maintain your relationship with me; I am happy about that for both of us. I have always rejoiced in your discriminating, truly artistic ear, with which you absolutely stand in the first rank of "musicians." (Lucky you, however, that {3} you need to live only for music, but not by music!) In case you are not ready with your new work, then perhaps we will finish up the Mazurkas without any distraction, so that this work as well will reach a fruitful conclusion. 3 Or, there are still many other things I would have to show. Finally: I have completed Free Composition in Igls at the beginning of September 4 and have toasted the event with a 1/8-litre of wine! But now comes the most grueling ordeal: the manuscript and printing preparation. Please keep your fingers crossed, my dear Mr. van Hoboken ‒ it would be very helpful if Miss Boy were to keep hers crossed too ‒, so that the work will be successfully completed. Presumably I will take my place {4} in the number which Universal Edition has still kept open all these years for Free Composition . 5 That you considered disbursing the entire sum immediately in case of emergency is a tribute to your good heart, but I believe ‒ we will talk about it later ‒ that it will be better if I ask you to remit payment only when the publisher presents the bill (which will presumably be smaller). I have again lived to see the contribution of a local industrialist (procured by Dr. Weisse), despite all precaution by me and by my attorney, substantially dwindle! If UE is doing the printing, presumably Tomay will be dropped as well, and with him the {5} necessity of dealing every time with monetary advances. And yet, I would badly miss Tomay; he has made successful decisions. Concerning format and the other difficult questions I am continually consulting with our Prof. Deutsch before I speak with the publisher. Only then will it get under way. Such a work is at its birth already a gift to humanity; I must bestow the work, you bestow money, and finally the work must be so economically designed that it can be afforded even with the least money, wherein once again a gift is comprised. {6} And yet, from this work alone will salvation come. We know, however, that the savior always pays the price; the saved always expect to get the salvation free of charge, since they would rather use their money for what stands in the way of their salvation . . . . We greet you and Miss Boy most warmly. © Translation John Rothgeb and Heribert Esser, 2016 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OC 4/5, p. 3773, September 17, 1932: "An v. Hoboken (Br.): freue mich der weiteren Verbindung, der freie Satz ist abgeschlossen, zu honoriren wäre erst die Verlegerrechnung." ("To Hoboken (letter): I look forward to our continued relationship; Free Composition is finished, payment not needed before the publishers' invoice."). 2 = OJ 89/5, [5], September 5, 1932. 3 Schenker's surviving lesson notes end at May 1932, hence it is no longer possible beyond that date to track, by that means, references to lesson materials in these letters. In May 1932, Hoboken had been working on Chopin Etudes Op. 10, Nos. 1‒8 and Nocturne Op. 27, No. 2. 4 Schenker recorded in his diary for September 4, 1932 (OJ 4/5, p. 3769) concerning Der freie Satz: "Vormittags diktire ich letzte Abschnitte bis zum Anschluß „Uebertragung“; das Werk liegt auf dem Tisch in gehöriger Ordnung von S. 1 bis ..., wie ein Schaubrot ausgelegt!!" ("In the morning I dictate the last section up to the point of connection at "Transferance"; the work lies on the table in the correct order from p. 1 to ?, like a showbread!!"). (Schaubrot (in Hebrew, lechem ha-panim, "bread of the presence"), one of a series of twelve loaves of bread, placed on a special table (shulchan) in a synagogue as a presentation to God.) 5 The plate numbers "UE 6869" (text volume) and "UE 6869a" (supplement: music examples) were assigned to Der freie Satz at the same time as Universal Edition took over the earlier volumes of the series Neue musikalische Theorien und Phantasien from Cotta in 1921, Harmonielehre (UE 6866), Kontrapunkt 1 (UE 6867), and assigned "UE 6868" to Kontrapunkt 2. Harmonielehre and Kontrapunkt 1 were delivered from the printers to the publisher on February 21, 1921, so their UE numbers, and presumably those of the other two volumes, must have been assigned in January or early February (cf. OC 52/244, January 12, 1921). 6 i.e. the prospectus, inviting subscriptions to Jonas's Das Wesen des musikalischen Kunstwerks: Einführung in die Lehre Heinrich Schenkers (Vienna: Saturn-Verlag, 1934): see OJ 12/6, [15], Jonas to Schenker, September 5, 1932, and OJ 5/18, 13, Schenker to Jonas, September 7, 1932. 7 Schenker has drawn two interlocking downward-curved lines, one from the "E" of "Emil" to the "v" of "van", the other from the "L" of "Ludwig" to the "n" of "Beethoven". |
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Commentary
Digital version created: 2016-12-06 |