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Ser. A, {165} par
26. 8.

Die Reparaturarbeiten an den Straßen sind soweit gediehen, daß an eine Ausfahrt bereits gedacht werden kann. Zeigt sich darin immerhin ein gewisser Lebenstrieb der niedrigen Bauernorganismen, die schon im eigenen Interesse, worunter die Fremdenindustrie mit inbegriffen ist, um die Verbesserung von Schäden sich in ihrer Art eifrig bemühen, so ist dagegen andererseits die schwerfällige Art nicht aufmerksam genug zu betrachten, in der sie von einem solchen Ereignis, wie von sämtlichen Ereignissen überhaupt, Notiz nehmen, sich aneignend oder weitergebend. So wußte kein Bauer des Dorfes bestimmt anzugeben, was sich nur einige Kilometer unterhalb des Dorfes zutrug, so daß die Sommergäste keinerlei bestimmte Auskunft über Fahrtmöglichkeiten erhalten konnten, ja vor kommenden Falles sogar falsche Auskunft {166} par erhiel[t]en, wie z.B. ein Tourist in Prad 1 die Anweisung erhielt, über die Valnairalpe 2 nach Sulden zu gehen, während die Straße bereits passierbar war. 3

Solche primitive Zustände sind am besten geeignet, einer rückschauenden Phantasie einige Rätsel aus den ersten Zeiten der Kultur zu enthüllen. Man erwäge nur eines: Wenn die Geistesträgheit des Volkes eine so große, daß sie, selbst wo Lebensinteressen in Frage kommen, nicht recht weichen will, was alles hat dazu gehört, um z.B. in das griechische Volk die Illiade oder Odyssee einzupflanzen. Welche Intensität muß da schon im Dichter aufgehauft gewesen sein, da er das unabweisliche Bedürfnis hatte, von den Ereignissen seiner Phantasie Mitteilungen an das Volk zu machen? Welche vulkanische Hitzegrade machen doch offenbar einen Dichter aus, wenn man sieht, wie wenig die übrigen Menschen sonst Lust haben, Erlebtes mitzuteilen? Und im Laufe von Jahrhunderten, wie mußte da die Wucht der Epopeen immer größer u. stärker geworden sein, wenn endlich die Trägheit des Volkes in der Entgegennahme solcher poetischen Mitteilungen niedergerungen werden konnte! Schon aus der Betrachtung dieser beiden Punkte allein mag man das Alter der griechischen Kultur wohl nach vielen, vielen Jahrhunderten abschätzen; freilich nach der Adaptierung des Volksgeistes für Mitteilungen in Form von Poesie gieng es dann in rascherem Tempo.

[See the entry for September 10 for a further report of the state of the road toward Bozen (Bolzano) and the involvement of the villagers.]
*

Jean Paul: Vorschule d. Aesthet. 4
„Denn erstlich wie aufgehendes Sonnenlicht trifft das aufsteigende Genie die Welt; die sämmtlichen Kritiker niesen, die Nachahmer zeugen *) u. alles fühlt sich neugeboren.

*) Bekanntlich wirkt plötzliches Licht auf die Nasennerven u. auf die genitalia.[“]

© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {165} par
August 26

The repair work on the streets has progressed sufficiently to make it conceivable that we migh get out. If nevertheless this reveals a certain instinct among the lower peasant organisms who ‒ already in their own interests, with which the tourist industry is bound up ‒ exert themselves in their own way zealously to rectify any damage, then on the other hand not enough attention is paid to the sluggish way in which they take note of such an eventuality (or any eventualities whatsoever), learn lessons, and pass them on. So no peasant villager knows how exactly to indicate what has occurred only a few kilometers beneath the village, hence the summer guests could get no precise information about possibilities for travel ‒ indeed, in some instances were even given false information, {166} par as in one case when a tourist in Prad 1 was instructed to go to Sulden via Valnairalpe, 2 whereas the road [from Prad to Sulden] was already passable. 3

Such primitive states of affairs are at best suited to uncovering some puzzle from the earliest era of culture by way of a retrospective imagination. I should mention just one instance where the intellectual indolence of the people is so great that, even where self-interests are at stake, it will not readily give up all that has belonged to it, in order, for example, to implant the Iliad or Odyssee into the Greek people. What intensity must already have been building up in the poet when he felt the irresistible necessity to communicate to the people the events of his imagination? But we can see what volcanic temperatures clearly make up a poet when we think how little the other people otherwise have any desire to communicate personal experience? And over the centuries, how must the power of the epic poems have become steadily weightier and more forceful for it to be possible for the indolence of the people finally to be overcome by the reception of such poetic communications! Even from consideration of these two points alone, the age of Greek culture can, after many, many centuries, easily be measured. Clearly, after the adaptation of the spirit of the people for communications in the form of poetry things proceeded at a faster pace.

[See the entry for September 10 for a further report of the state of the road toward Bozen (Bolzano) and the involvement of the villagers.]
*

Jean Paul: Introduction to Aesthetics 4
"For in the first place, genius strikes the world like the light of the rising sun; the assembled critics sneeze, imitators procreate*), and everything feels new-born."

*) As is well know, sudden light works on the nasal nerves and on the genitalia."

© Translation Ian Bent, 2019

Ser. A, {165} par
26. 8.

Die Reparaturarbeiten an den Straßen sind soweit gediehen, daß an eine Ausfahrt bereits gedacht werden kann. Zeigt sich darin immerhin ein gewisser Lebenstrieb der niedrigen Bauernorganismen, die schon im eigenen Interesse, worunter die Fremdenindustrie mit inbegriffen ist, um die Verbesserung von Schäden sich in ihrer Art eifrig bemühen, so ist dagegen andererseits die schwerfällige Art nicht aufmerksam genug zu betrachten, in der sie von einem solchen Ereignis, wie von sämtlichen Ereignissen überhaupt, Notiz nehmen, sich aneignend oder weitergebend. So wußte kein Bauer des Dorfes bestimmt anzugeben, was sich nur einige Kilometer unterhalb des Dorfes zutrug, so daß die Sommergäste keinerlei bestimmte Auskunft über Fahrtmöglichkeiten erhalten konnten, ja vor kommenden Falles sogar falsche Auskunft {166} par erhiel[t]en, wie z.B. ein Tourist in Prad 1 die Anweisung erhielt, über die Valnairalpe 2 nach Sulden zu gehen, während die Straße bereits passierbar war. 3

Solche primitive Zustände sind am besten geeignet, einer rückschauenden Phantasie einige Rätsel aus den ersten Zeiten der Kultur zu enthüllen. Man erwäge nur eines: Wenn die Geistesträgheit des Volkes eine so große, daß sie, selbst wo Lebensinteressen in Frage kommen, nicht recht weichen will, was alles hat dazu gehört, um z.B. in das griechische Volk die Illiade oder Odyssee einzupflanzen. Welche Intensität muß da schon im Dichter aufgehauft gewesen sein, da er das unabweisliche Bedürfnis hatte, von den Ereignissen seiner Phantasie Mitteilungen an das Volk zu machen? Welche vulkanische Hitzegrade machen doch offenbar einen Dichter aus, wenn man sieht, wie wenig die übrigen Menschen sonst Lust haben, Erlebtes mitzuteilen? Und im Laufe von Jahrhunderten, wie mußte da die Wucht der Epopeen immer größer u. stärker geworden sein, wenn endlich die Trägheit des Volkes in der Entgegennahme solcher poetischen Mitteilungen niedergerungen werden konnte! Schon aus der Betrachtung dieser beiden Punkte allein mag man das Alter der griechischen Kultur wohl nach vielen, vielen Jahrhunderten abschätzen; freilich nach der Adaptierung des Volksgeistes für Mitteilungen in Form von Poesie gieng es dann in rascherem Tempo.

[See the entry for September 10 for a further report of the state of the road toward Bozen (Bolzano) and the involvement of the villagers.]
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Jean Paul: Vorschule d. Aesthet. 4
„Denn erstlich wie aufgehendes Sonnenlicht trifft das aufsteigende Genie die Welt; die sämmtlichen Kritiker niesen, die Nachahmer zeugen *) u. alles fühlt sich neugeboren.

*) Bekanntlich wirkt plötzliches Licht auf die Nasennerven u. auf die genitalia.[“]

© Transcription Ian Bent, 2019

Ser. A, {165} par
August 26

The repair work on the streets has progressed sufficiently to make it conceivable that we migh get out. If nevertheless this reveals a certain instinct among the lower peasant organisms who ‒ already in their own interests, with which the tourist industry is bound up ‒ exert themselves in their own way zealously to rectify any damage, then on the other hand not enough attention is paid to the sluggish way in which they take note of such an eventuality (or any eventualities whatsoever), learn lessons, and pass them on. So no peasant villager knows how exactly to indicate what has occurred only a few kilometers beneath the village, hence the summer guests could get no precise information about possibilities for travel ‒ indeed, in some instances were even given false information, {166} par as in one case when a tourist in Prad 1 was instructed to go to Sulden via Valnairalpe, 2 whereas the road [from Prad to Sulden] was already passable. 3

Such primitive states of affairs are at best suited to uncovering some puzzle from the earliest era of culture by way of a retrospective imagination. I should mention just one instance where the intellectual indolence of the people is so great that, even where self-interests are at stake, it will not readily give up all that has belonged to it, in order, for example, to implant the Iliad or Odyssee into the Greek people. What intensity must already have been building up in the poet when he felt the irresistible necessity to communicate to the people the events of his imagination? But we can see what volcanic temperatures clearly make up a poet when we think how little the other people otherwise have any desire to communicate personal experience? And over the centuries, how must the power of the epic poems have become steadily weightier and more forceful for it to be possible for the indolence of the people finally to be overcome by the reception of such poetic communications! Even from consideration of these two points alone, the age of Greek culture can, after many, many centuries, easily be measured. Clearly, after the adaptation of the spirit of the people for communications in the form of poetry things proceeded at a faster pace.

[See the entry for September 10 for a further report of the state of the road toward Bozen (Bolzano) and the involvement of the villagers.]
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Jean Paul: Introduction to Aesthetics 4
"For in the first place, genius strikes the world like the light of the rising sun; the assembled critics sneeze, imitators procreate*), and everything feels new-born."

*) As is well know, sudden light works on the nasal nerves and on the genitalia."

© Translation Ian Bent, 2019

Footnotes

1 Prad am Stilfser Joch: 9km (5 miles) north-north-east of Sulden.

2 Valnairalpe: probably a reference to a "via Valnera", which takes a hillier route southwest from Prad, roughly parallel to the main road between Prad and Gomagoi.

3 No paragraph-break in source. Heinrich and Jeanette wrote a letter to Moriz Violin this same day, admitting their indecision as to when to leave Sulden: OJ 6/5, [2].

4 Jean Paul’s sämmtliche Werke in vier Bänden, vol. II (Paris: Baudry, 1843), chapter 181 "Komischer Anhang zum Titan," p. 818, Art. 9. — See his letter to Moriz Violin of August 18, OJ 6/5, [1] for his comments on Jean Paul's Vorschule and Heine's Deutschland.