16. XII. 15 -1°.

— Von Dodi (K.): Alles wohlauf. — Antwort an Frau Pairamall. — Beschwerde an den Direktor der Reinigungswerke wegen unpünktlicher Lieferung der Wäsche. —

— Der tolle Hund wurde, wie ich nachträglich erfuhr, im Corridor eines Hauses nach langer Jagd erschlagen. —

— Frau Colbert erzählt[,] von einer Abendgesellschaft mit einem Fräulein nachhause gegangen zu sein, das als die ihr wertvollste Pointe meiner Harmonielehre hinstellte, alles komme auf die Intuition des Spielers an. Das also will ein meiner Lehre geneigtes Mädchen aus meinen Büchern herausgelesen haben. —

*

Fl. u. W. bei Lie-Liechen; Hauptthema Frl. Fanny, bei der nunmehr die Konsequenzen zutage getreten sind, die sie seinerzeit, als sie den verhängnisvollen Schritt wider den Rat der Familie u. der Frau Hauser unternommen, einfach ableugnete, weil sie darin wirksame Gegenargumente gegen ihren Schritt sonst hätte erkennen müssen. Es paßte ihr damals nicht, die Konsequenzen mit zu bedenken, u. sie log sie p erro futuro einfach weg. Nun, da sie dennoch eingetroffen, lügt sie einfach die Ursache weg u. hält nur ihre eigene verbrecherische Eitelkeit u. Histerie [sic] aufrecht, so zwischen abgeleugneter Ursache u. abgeleugneten Wirkungen mitten inne, angeblich in strahlender Tugend erhoben über die Bosheit der Familie u. Freunde, in Wahrheit aber vom Schicksal geknickt wie ein Floh. Die Erscheinung ist an sich traurig genug, da sie zum ständigen Repertoire des Menschendramas gehört, doppelt traurig u. wiederwärtig [sic] ist nur dieser besondere Fall dadurch, daß er völlig spurlos in die Zeit hinabrinnt u. Schwester u. Bruder ohne Läuterung u. Erkenntnis der Schuld ins Grab sinken werden. Niemals wird Frl. Fanny erfahren, wie erbärmlich ihre Technik gewesen, bei vollem Bewußtsein der ihr mitgeteilten eventuellen Konsequenzen sie dennoch von der Hand zu weisen, weil sie hemmend hätten wirken müssen; niemals wird der Bruder die Genugtuung erleben, die Erkennt- {71} nis einer solchen Schuld herbeizuführen. Die Natur allein verfährt nach Maßgabe von Ursache u. Wirkung u. nimmt die Opfer gleichsam kalten Herzens, wenn sie zur Wirkung gehören. Seit Kindheit schon litt Frl. Fanny an überreizter Empfindlichkeit, die allen Gästen des Hauses sofort wahrnehmbar wurde. Man weiß[,] welche scharfe Ausstrahlung, etwa wie Knoblauch oder Zwiebel, ein überempfindlicher Mensch von sich gibt, u. wie sie sich sofort durch geheime eben unerforschliche Wunder der Natur dem Nervensystem der anderen mitteilen. So war es denn immer peinlich für den Gast, der, zur Unbefangenheit bereit, erst durch das Belauertwerden immer befangener wurde, so daß er lieber den heißen Boden mied. In Allem u. Jedem witterte sie Geringschätzung u. Verrat u. stellte gerade dadurch übergroße Ansprüche, auf die sie gar kein Recht hatte. Nur sie allein wußte nichts von ihrer Anmaßung. Sie verkapselte sich in den Wonnen eines Martyriums u. ahnte nicht, in welchem Mißverhältnis das Gefühl einer angeblichen Geringschätzung seitens anderer oder, was dasselbe, die Größe ihrer Ansprüche zu den objektiv vorhandenen Eigenschaften stand. Ihr war eben genug, sich geringgeschätzt zu fühlen u. die Schuld daran trug alle übrige Welt. Nun ist die Trennung der Schwester vom Hause des Bruders rascher gekommen, als ich sie nach meiner Beurteilung erwartet habe. Mag nun Fl. mindestens jene letzte Auseinandersetzung erspart bleiben, die ihm mit seiner Frau droht! —

*

© Transcription Marko Deisinger.

December 16, 1915, -1°.

— From Dodi (postcard): all is well. — Reply to Mrs. Pairamall. — Complaint to the director of the cleaning company on account of unpunctual delivery of the laundry. —

— The mad dog, I subsequently learned, was killed in the corridor of a house after a long chase. —

— Mrs. Colbert, returning home from an evening party with a young lady, tells me that the lady asserted that the most valuable point in my Theory of Harmony was that everything depends on the player's intuition. This, then, is what a young lady who is attracted to my theories has discerned from by books. —

*

Floriz and Vally at Lie-Liechen's; the main topic of conversation is Fanny, the consequences of whose behavior have once again come to light, as a result of her taking the disastrous step of going against the advice of her family and Mrs. Hauser – for the simple reason that she would otherwise have had to admit the validity of their counter-arguments. She did not then want to consider the consequences and she simply lied them away for the future. Now that she has nonetheless encountered them, she is simply lying them away and is maintaining her own delinquent vanity and hysteria, thus caught between denied cause and denied effect, ostensibly in blazing virtue against the wickedness of her family and friends, but in reality squashed like a flea. The phenomenon is sad enough in itself, as it belongs to the standard repertoire of human dramas; what is doubly tragic and reprehensible about this particular case is that it will disappear in time without a trace, and sister and brother will sink into their graves without there being any resolution or recognition of responsibility. Never will Fanny learn how wretched her actions have been, in spite of being fully aware of the possible consequences communicated to her should she deny them since they would have had inevitably had a constricting effect: her brother will never have the satisfaction of causing her to recognize a responsibility of that sort. {71} Nature alone proceeds on the basis of cause and effect, and it takes its victims cold-heartedly, so to speak, if they are part of the consequences. Even since childhood, Miss Fanny suffered from oversensitivity, which was immediately perceivable by every house guest. One knows what vibes are transmitted by an oversensitive person, like garlic or onions, and how they are immediately communicated by some secret, unfathomable mystery to the nervous system of others. And so it was always painful for the guest who, inclined to impartiality, became ever more biased only by being stalked, so that he would rather avoid the fiery terrain. She perceived disdain and betrayal in each and every one, and from those very feelings made impossible demands, to which she had no right at all. Only she herself knew nothing of her arrogance. She encapsulated herself in the delights of martyrdom and had no idea of the imbalance her sense of a supposed disparagement on the part of others (or, what amounts to the same thing, the greatness of her aspirations) stood in relation to the qualities that were objectively present. For her, it was perfectly sufficient to feel undervalued, and the blame for this was borne by the rest of the world. Now the separation of the sister from her brother's house has come more quickly than I was expecting, on the basis of my judgment. I hope that Floriz may now at least be spared that final confrontation which threatens him and his wife! —

*

© Translation William Drabkin.

16. XII. 15 -1°.

— Von Dodi (K.): Alles wohlauf. — Antwort an Frau Pairamall. — Beschwerde an den Direktor der Reinigungswerke wegen unpünktlicher Lieferung der Wäsche. —

— Der tolle Hund wurde, wie ich nachträglich erfuhr, im Corridor eines Hauses nach langer Jagd erschlagen. —

— Frau Colbert erzählt[,] von einer Abendgesellschaft mit einem Fräulein nachhause gegangen zu sein, das als die ihr wertvollste Pointe meiner Harmonielehre hinstellte, alles komme auf die Intuition des Spielers an. Das also will ein meiner Lehre geneigtes Mädchen aus meinen Büchern herausgelesen haben. —

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Fl. u. W. bei Lie-Liechen; Hauptthema Frl. Fanny, bei der nunmehr die Konsequenzen zutage getreten sind, die sie seinerzeit, als sie den verhängnisvollen Schritt wider den Rat der Familie u. der Frau Hauser unternommen, einfach ableugnete, weil sie darin wirksame Gegenargumente gegen ihren Schritt sonst hätte erkennen müssen. Es paßte ihr damals nicht, die Konsequenzen mit zu bedenken, u. sie log sie p erro futuro einfach weg. Nun, da sie dennoch eingetroffen, lügt sie einfach die Ursache weg u. hält nur ihre eigene verbrecherische Eitelkeit u. Histerie [sic] aufrecht, so zwischen abgeleugneter Ursache u. abgeleugneten Wirkungen mitten inne, angeblich in strahlender Tugend erhoben über die Bosheit der Familie u. Freunde, in Wahrheit aber vom Schicksal geknickt wie ein Floh. Die Erscheinung ist an sich traurig genug, da sie zum ständigen Repertoire des Menschendramas gehört, doppelt traurig u. wiederwärtig [sic] ist nur dieser besondere Fall dadurch, daß er völlig spurlos in die Zeit hinabrinnt u. Schwester u. Bruder ohne Läuterung u. Erkenntnis der Schuld ins Grab sinken werden. Niemals wird Frl. Fanny erfahren, wie erbärmlich ihre Technik gewesen, bei vollem Bewußtsein der ihr mitgeteilten eventuellen Konsequenzen sie dennoch von der Hand zu weisen, weil sie hemmend hätten wirken müssen; niemals wird der Bruder die Genugtuung erleben, die Erkennt- {71} nis einer solchen Schuld herbeizuführen. Die Natur allein verfährt nach Maßgabe von Ursache u. Wirkung u. nimmt die Opfer gleichsam kalten Herzens, wenn sie zur Wirkung gehören. Seit Kindheit schon litt Frl. Fanny an überreizter Empfindlichkeit, die allen Gästen des Hauses sofort wahrnehmbar wurde. Man weiß[,] welche scharfe Ausstrahlung, etwa wie Knoblauch oder Zwiebel, ein überempfindlicher Mensch von sich gibt, u. wie sie sich sofort durch geheime eben unerforschliche Wunder der Natur dem Nervensystem der anderen mitteilen. So war es denn immer peinlich für den Gast, der, zur Unbefangenheit bereit, erst durch das Belauertwerden immer befangener wurde, so daß er lieber den heißen Boden mied. In Allem u. Jedem witterte sie Geringschätzung u. Verrat u. stellte gerade dadurch übergroße Ansprüche, auf die sie gar kein Recht hatte. Nur sie allein wußte nichts von ihrer Anmaßung. Sie verkapselte sich in den Wonnen eines Martyriums u. ahnte nicht, in welchem Mißverhältnis das Gefühl einer angeblichen Geringschätzung seitens anderer oder, was dasselbe, die Größe ihrer Ansprüche zu den objektiv vorhandenen Eigenschaften stand. Ihr war eben genug, sich geringgeschätzt zu fühlen u. die Schuld daran trug alle übrige Welt. Nun ist die Trennung der Schwester vom Hause des Bruders rascher gekommen, als ich sie nach meiner Beurteilung erwartet habe. Mag nun Fl. mindestens jene letzte Auseinandersetzung erspart bleiben, die ihm mit seiner Frau droht! —

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© Transcription Marko Deisinger.

December 16, 1915, -1°.

— From Dodi (postcard): all is well. — Reply to Mrs. Pairamall. — Complaint to the director of the cleaning company on account of unpunctual delivery of the laundry. —

— The mad dog, I subsequently learned, was killed in the corridor of a house after a long chase. —

— Mrs. Colbert, returning home from an evening party with a young lady, tells me that the lady asserted that the most valuable point in my Theory of Harmony was that everything depends on the player's intuition. This, then, is what a young lady who is attracted to my theories has discerned from by books. —

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Floriz and Vally at Lie-Liechen's; the main topic of conversation is Fanny, the consequences of whose behavior have once again come to light, as a result of her taking the disastrous step of going against the advice of her family and Mrs. Hauser – for the simple reason that she would otherwise have had to admit the validity of their counter-arguments. She did not then want to consider the consequences and she simply lied them away for the future. Now that she has nonetheless encountered them, she is simply lying them away and is maintaining her own delinquent vanity and hysteria, thus caught between denied cause and denied effect, ostensibly in blazing virtue against the wickedness of her family and friends, but in reality squashed like a flea. The phenomenon is sad enough in itself, as it belongs to the standard repertoire of human dramas; what is doubly tragic and reprehensible about this particular case is that it will disappear in time without a trace, and sister and brother will sink into their graves without there being any resolution or recognition of responsibility. Never will Fanny learn how wretched her actions have been, in spite of being fully aware of the possible consequences communicated to her should she deny them since they would have had inevitably had a constricting effect: her brother will never have the satisfaction of causing her to recognize a responsibility of that sort. {71} Nature alone proceeds on the basis of cause and effect, and it takes its victims cold-heartedly, so to speak, if they are part of the consequences. Even since childhood, Miss Fanny suffered from oversensitivity, which was immediately perceivable by every house guest. One knows what vibes are transmitted by an oversensitive person, like garlic or onions, and how they are immediately communicated by some secret, unfathomable mystery to the nervous system of others. And so it was always painful for the guest who, inclined to impartiality, became ever more biased only by being stalked, so that he would rather avoid the fiery terrain. She perceived disdain and betrayal in each and every one, and from those very feelings made impossible demands, to which she had no right at all. Only she herself knew nothing of her arrogance. She encapsulated herself in the delights of martyrdom and had no idea of the imbalance her sense of a supposed disparagement on the part of others (or, what amounts to the same thing, the greatness of her aspirations) stood in relation to the qualities that were objectively present. For her, it was perfectly sufficient to feel undervalued, and the blame for this was borne by the rest of the world. Now the separation of the sister from her brother's house has come more quickly than I was expecting, on the basis of my judgment. I hope that Floriz may now at least be spared that final confrontation which threatens him and his wife! —

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© Translation William Drabkin.