18. III. 16 +5°, sehr schön!
— Von Sophie (K.); der Schwager muß dennoch nach Mähr.-Ostrau einrücken u. von dort eventuell weiter. Verzweifelte Stimmung. Kündigt Ankunft in W. an. — Von Mittelmann (K.); Einstellung des Verfahrens; dankt für die Hilfe u. kündigt Brief oder Besuch an. — An Fl. (K.OJ 8/3, [5]); Absage für Donnerstag wegen Ankunft der Schwester. — Weisse erscheint um 5h nachmittags u. spielt mir ein neues Lied vor, das, so weit der Eindruck nach seinem noch immer etwas undiszipliniertem undisziplinierten Spiele zu urteilen gestattet, sowohl trefflich angelegt als ausgeführt ist. Im Anschluß daran zeige ich ihm den Stand des Chopin- Autographs im Prélude Asdur, spreche von der Etüde Edur, vom Prélude Bmoll usf. — *{166} Von Leutnant u. Oberleutnant Bednař Feldpostkarte, die uns im Caféhaus überreicht wird. — — Lie-Liechen u. ich machen den Versuch in anderen Wäschereien bezw. Putzereien. — — Abends Spaziergang am Ufer, wie wir die linke u. rechte Bahngasse nennen. 1 Der Mond gibt seinen Segen u. erhebt uns in Sphären, in die wir ohne solche wunderbaren Mittel nicht gelangen könnten. — *Die Entente scheint uneinig zu sein; doch liegt der Grund davon weniger im Mangel an Einigkeit selbst, der bei aber oberflächlicher Betrachtung doch allein Ursache einer Uneinigkeit sein könnte, sondern in der geringeren Begabung der betreffenden Nationen. Wie lehrreich ist doch die Betrachtung der methodischen Kampfweise, wie sie die Deutschen im Laufe des Weltkrieges beobachtet haben. Als wüßten sie das günstige Ergebnis von vornherein, stellten sie den methodischen Plan auf, einen Gegner nach dem andern niederzuringen u. nicht sie alle zugleich u. an verschiedenen Orten zu bekämpfen. Zuerst deckte sich Deutschland wider einen Einfall von belgischer Seite u. nahm die Verwüstung Ostpreussens, die Ueberschwemmung Galiziens geduldig hin, ohne auch nur den Versuch zu machen, ernstlich in diesen Gebieten Wiederstand [sic] zu leisten. Erst hernach vertrieben sie die Russen aus Ostpreussen, worauf sie dann Galizien von den Russen säuberten. Später kam Serbien an die Reihe, Montenegro, die Türkei wurde betreut, endlich Albanien, während die Gegner an verschiedenen Plänen gleichzeitig arbeiteten u. alle durcheinander warfen, so daß die Ausführung des einen an der des anderen hinderte. Das Vorgefühl der Deutschen, das sich in der methodischen Anlage zeigte, hat sie nicht getäuscht, wie eben die Ausführung zeigt. Aber daran liegt es ja eben: eine solche Anlage traut sich nur derjenige zu, der die Kraft zur Ausführung hat. Es ist töricht darüber nachzugrübeln, was am Anfang ist, die Kraft der Ausführung oder der Anlage; beide gehören organisch zueinan- {167} der u. niemals wird eine solche Tat methodisch ausführen können, wessen Vorgefühl nicht dazu disponiert ist u. umgekehrt wird sich bei niemand ein solches Vorgefühl einstellen, der der Ausführung nicht fähig ist. War für mich doch auch mir selbst bei der Betrachtung der Ereignisse überfür den Unwert der Gegner nichts so bestimmend, als ihre zerfahrene Art zu sehen, den Mangel jeglicher Disposition zu beobachten, woraus ich ohneweiters auf den Mangel überragender geistiger Kraft schließen u. so meine frühes Urteil über die betreffenden Nationen bestätigen durfte. *Zuhause angelangt treffe ich ein Telegramm, das die Ankunft des Schwagers für morgen abends 7h ankündigt. *
© Transcription Marko Deisinger. |
March 18, 1916, +5°, very fine weather!
— From Sophie (postcard); my brother-in-law must return to Moravian Ostrava after all, and from their perhaps go even further. Tone of desperation. She announces her arrival in Vienna. — From Mittelmann (postcard): cessation of his [bad] behavior; he thanks me for my help and says he will visit or write to me. — To Floriz (postcardOJ 8/3, [5]); cancellation for Thursday, on account of my sister's arrival. — Weisse appears at 5 o'clock in the afternoon and plays me a new song which, so far as I am able to judge from his playing, which is still lacking in discipline, is as splendidly conceived as it has been executed. As a follow-on, I show him the state of the Chopin autograph in the Prelude in A flat major; I talk about the Etude in E major, the Prelude in B flat minor, etc. — *{166} From Lieutenant and Senior Lieutenant Bednař, a field postcard, which is handed to us in the coffee house — — Lie-Liechen and I attempt to find another laundry and cleaning firm. — — In the evening, a walk along the riverbank, as we call the Linke Bahngasse and the Rechte Bahngasse. 1 The moon gives us its blessing, and raises us into spheres into which we could not arrive without such wonderful mediums. — *The Entente appears to be divided by dispute; however, the reason for this lies less in the absence of unity itself which, when considered superficially, could itself be the cause of a disunity, but rather in the meager giftedness of the nations concerned. How instructive it is, however, to observe the methodic battle strategy which the Germans have employed in the course of the world war. As if they knew the favorable outcome from the outset, they established the methodical plan of defeating one opponent after another, rather than fighting against them all at the same time and in different places. First they shielded Germany against an incursion from the Belgian side and patiently accepted the devastation of East Prussia and the inundation of Galicia without even attempting to offer serious resistance in these territories. Only afterwards did they drive the Russians from East Prussia, after which they then cleared Galicia of the Russians. Later it was Serbia's turn, then Montenegro; Turkey was managed; and finally Albania – during which time their opponents were working simultaneously on various plans and jumbled them together, so that the realization of one plan prevented that of another. The German's sentience, which manifested itself in a methodical approach, did not deceive them, as the execution shows. But that is indeed the point: such an approach can be entrusted only to one who has the power to carry it through. It is foolish to ponder over what should come first, the power of execution or the approach: both belong to one another organically, {167} and never can such a deed be executed methodically without the presentiment; conversely, no one will gain such a presentiment who is incapable of following it through. But even for myself, when considering the events, nothing better defines the worthlessness of our opponents than their disjointed vision, their failure to observe any tendency. From this I deduce, without further ado, their lack of superior power, and thus I may confirm my previous judgment of the nations concerned. *Returning home, I receive a telegram announcing the arrival of my brother-in-law tomorrow at 7 o'clock in the evening. *
© Translation William Drabkin. |
18. III. 16 +5°, sehr schön!
— Von Sophie (K.); der Schwager muß dennoch nach Mähr.-Ostrau einrücken u. von dort eventuell weiter. Verzweifelte Stimmung. Kündigt Ankunft in W. an. — Von Mittelmann (K.); Einstellung des Verfahrens; dankt für die Hilfe u. kündigt Brief oder Besuch an. — An Fl. (K.OJ 8/3, [5]); Absage für Donnerstag wegen Ankunft der Schwester. — Weisse erscheint um 5h nachmittags u. spielt mir ein neues Lied vor, das, so weit der Eindruck nach seinem noch immer etwas undiszipliniertem undisziplinierten Spiele zu urteilen gestattet, sowohl trefflich angelegt als ausgeführt ist. Im Anschluß daran zeige ich ihm den Stand des Chopin- Autographs im Prélude Asdur, spreche von der Etüde Edur, vom Prélude Bmoll usf. — *{166} Von Leutnant u. Oberleutnant Bednař Feldpostkarte, die uns im Caféhaus überreicht wird. — — Lie-Liechen u. ich machen den Versuch in anderen Wäschereien bezw. Putzereien. — — Abends Spaziergang am Ufer, wie wir die linke u. rechte Bahngasse nennen. 1 Der Mond gibt seinen Segen u. erhebt uns in Sphären, in die wir ohne solche wunderbaren Mittel nicht gelangen könnten. — *Die Entente scheint uneinig zu sein; doch liegt der Grund davon weniger im Mangel an Einigkeit selbst, der bei aber oberflächlicher Betrachtung doch allein Ursache einer Uneinigkeit sein könnte, sondern in der geringeren Begabung der betreffenden Nationen. Wie lehrreich ist doch die Betrachtung der methodischen Kampfweise, wie sie die Deutschen im Laufe des Weltkrieges beobachtet haben. Als wüßten sie das günstige Ergebnis von vornherein, stellten sie den methodischen Plan auf, einen Gegner nach dem andern niederzuringen u. nicht sie alle zugleich u. an verschiedenen Orten zu bekämpfen. Zuerst deckte sich Deutschland wider einen Einfall von belgischer Seite u. nahm die Verwüstung Ostpreussens, die Ueberschwemmung Galiziens geduldig hin, ohne auch nur den Versuch zu machen, ernstlich in diesen Gebieten Wiederstand [sic] zu leisten. Erst hernach vertrieben sie die Russen aus Ostpreussen, worauf sie dann Galizien von den Russen säuberten. Später kam Serbien an die Reihe, Montenegro, die Türkei wurde betreut, endlich Albanien, während die Gegner an verschiedenen Plänen gleichzeitig arbeiteten u. alle durcheinander warfen, so daß die Ausführung des einen an der des anderen hinderte. Das Vorgefühl der Deutschen, das sich in der methodischen Anlage zeigte, hat sie nicht getäuscht, wie eben die Ausführung zeigt. Aber daran liegt es ja eben: eine solche Anlage traut sich nur derjenige zu, der die Kraft zur Ausführung hat. Es ist töricht darüber nachzugrübeln, was am Anfang ist, die Kraft der Ausführung oder der Anlage; beide gehören organisch zueinan- {167} der u. niemals wird eine solche Tat methodisch ausführen können, wessen Vorgefühl nicht dazu disponiert ist u. umgekehrt wird sich bei niemand ein solches Vorgefühl einstellen, der der Ausführung nicht fähig ist. War für mich doch auch mir selbst bei der Betrachtung der Ereignisse überfür den Unwert der Gegner nichts so bestimmend, als ihre zerfahrene Art zu sehen, den Mangel jeglicher Disposition zu beobachten, woraus ich ohneweiters auf den Mangel überragender geistiger Kraft schließen u. so meine frühes Urteil über die betreffenden Nationen bestätigen durfte. *Zuhause angelangt treffe ich ein Telegramm, das die Ankunft des Schwagers für morgen abends 7h ankündigt. *
© Transcription Marko Deisinger. |
March 18, 1916, +5°, very fine weather!
— From Sophie (postcard); my brother-in-law must return to Moravian Ostrava after all, and from their perhaps go even further. Tone of desperation. She announces her arrival in Vienna. — From Mittelmann (postcard): cessation of his [bad] behavior; he thanks me for my help and says he will visit or write to me. — To Floriz (postcardOJ 8/3, [5]); cancellation for Thursday, on account of my sister's arrival. — Weisse appears at 5 o'clock in the afternoon and plays me a new song which, so far as I am able to judge from his playing, which is still lacking in discipline, is as splendidly conceived as it has been executed. As a follow-on, I show him the state of the Chopin autograph in the Prelude in A flat major; I talk about the Etude in E major, the Prelude in B flat minor, etc. — *{166} From Lieutenant and Senior Lieutenant Bednař, a field postcard, which is handed to us in the coffee house — — Lie-Liechen and I attempt to find another laundry and cleaning firm. — — In the evening, a walk along the riverbank, as we call the Linke Bahngasse and the Rechte Bahngasse. 1 The moon gives us its blessing, and raises us into spheres into which we could not arrive without such wonderful mediums. — *The Entente appears to be divided by dispute; however, the reason for this lies less in the absence of unity itself which, when considered superficially, could itself be the cause of a disunity, but rather in the meager giftedness of the nations concerned. How instructive it is, however, to observe the methodic battle strategy which the Germans have employed in the course of the world war. As if they knew the favorable outcome from the outset, they established the methodical plan of defeating one opponent after another, rather than fighting against them all at the same time and in different places. First they shielded Germany against an incursion from the Belgian side and patiently accepted the devastation of East Prussia and the inundation of Galicia without even attempting to offer serious resistance in these territories. Only afterwards did they drive the Russians from East Prussia, after which they then cleared Galicia of the Russians. Later it was Serbia's turn, then Montenegro; Turkey was managed; and finally Albania – during which time their opponents were working simultaneously on various plans and jumbled them together, so that the realization of one plan prevented that of another. The German's sentience, which manifested itself in a methodical approach, did not deceive them, as the execution shows. But that is indeed the point: such an approach can be entrusted only to one who has the power to carry it through. It is foolish to ponder over what should come first, the power of execution or the approach: both belong to one another organically, {167} and never can such a deed be executed methodically without the presentiment; conversely, no one will gain such a presentiment who is incapable of following it through. But even for myself, when considering the events, nothing better defines the worthlessness of our opponents than their disjointed vision, their failure to observe any tendency. From this I deduce, without further ado, their lack of superior power, and thus I may confirm my previous judgment of the nations concerned. *Returning home, I receive a telegram announcing the arrival of my brother-in-law tomorrow at 7 o'clock in the evening. *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 In the third district of Vienna (Landstraße), the Rechte and Linke Bahngasse runs alongside the train line which, at the time, connected the North and South Railway Stations, and which now connects the Praterstern with the Vienna Central Station (Hauptbahnhof). |