4. IV. 16 Des Morgens +8° im Schatten, wolkenlos!
Ein wahrer Triumphzug des Frühlingsgottes. — — Von Dahms (Br.OJ 10/1, [18]); dankt für op. 111 u. spricht die Ueberzeugung von der Fortdauer meiner Arbeiten aus; kann nicht begreifen, wie nach Brahms das kommen konnte, was gekommen ist u. teilt mit, er habe seine eigenen Arbeiten vernichtet u. wollte, er hätte auch alles übrige Geschriebene besser nicht geschrieben. — *An Mama Kartengruß von Lie-Liechen! — An Sophie K. von Lie-Liechen; dankt für Mitteilung u. nimmt an der Freude Teil. — — An Tante (Br.); Anfrage wegen des Osterfestes. — *Im „N. W. Tgbl.“ bekennt sich Gutenbrunn in einem „ aAlte Erfahrungen“ überschriebenem Feuilleton zum Pessimismus: er glaubt nicht an den „Aufschwung“ als wohltätige Folge des Krieges. Diesen, übrigens weder ausführlich noch tief genug motivier- {186} ten Gedanken hält die Redaktion offenbar schon für staats- u. sozialfeindlich u. schickt einen Vermerk voraus, in dem die drolligerweise feststellt, daß der Gedanke nur des Verfassers „persönliche Ansicht“ ist, die in der breiten Oeffentlichkeit „nicht jeder teilen wird.“ 1 Natürlich ist damit vor allem auf die Leser gezielt, die man nicht dadurch vor den Kopf stoßen will, daß man ihnen die Illusion eines „Aufschwunges“ nimmt. Wie angenehm ist es da, das Nützliche des Wuchers mit dem Angenehmen des Aufschwungesparfums zu verbinden. Ja, ja, das „N. W. Tgbl.“ kennt seine Leser! Am allerwenigsten zerbricht es sich darüber den Kopf, ob es eine gute Pädagogik sei, den Betrügern den Tatbestand des von ihnen begangenen Wuchers zu beschönigen. Umso lieber hält auch die Redaktion selbst an der Methode des Wucherers fest: Auch sie verbinden das Nützliche des Abonnentenfangs mit der Annehmlichkeit der Illusion, das Volk zu erziehen u. an seinem Aufschwung mitzuarbeiten. — *Oberleutnant Bednař im Caféhaus; auf Urlaub u. vor einem Besuch in Kautzen. Absurd renommistisch spricht er von Immelmann nur als von einem „braven Burschen“. *
© Transcription Marko Deisinger. |
April 4, 1916. In the morning, +8° in the shade, cloudless!
A veritable triumphal procession of the god of spring. — LetterOJ 10/1, [18] from Dahms; he thanks me for Op. 111 and expresses his conviction that my works will be valid for a long time; he cannot understand how what came after Brahms could have come, and tells me that he has destroyed his own works and thought that it would have been better if he also hadn’t written everything else he had written. — *To Mama, postcard greeting from Lie-Liechen! — To Sophie, postcard from Lie-Liechen; thanks her for her communication and shares her joy. — — Letter to my aunt; question about the Easter holiday. — *In a feuilleton in the Neues Wiener Tagblatt entitled "Old Experiences," Gutenbrunn admits being a pessimist: he does not believe in the "boom" as a beneficial consequence of the war. These thoughts, which are worked out neither comprehensively nor deeply enough, {186} are treated by the editors as evidently injurious to the state and society, and they append a note in which they state, amusingly, that the opinions are only the author’s "personal view" and that "not everyone will share them" among the broader public. 1 Naturally this is aimed above all at the readership, which should not be snubbed by taking from them the illusion of a "boom." How agreeable it is to connect the profitability of extortion with the pleasant scent of a "boom." Yes indeed, the Neue Wiener Tagblatt knows its readers! Least of all will it break its head of the question of whether it is good pedagogy to whitewash the reality of the extortion perpetrated by the swindlers. Even the editors themselves prefer to adhere to the method of extortion: they, too, connect the profitability of the subscription clutches with the pleasantness of the illusion of educating the people and collaborating on their "boom." — *Senior lieutenant Bednař at the coffee house; on holiday, and before a visit to Kautzen. With absurd swagger, he speaks of Immelmann only as a "good little boy." *
© Translation William Drabkin. |
4. IV. 16 Des Morgens +8° im Schatten, wolkenlos!
Ein wahrer Triumphzug des Frühlingsgottes. — — Von Dahms (Br.OJ 10/1, [18]); dankt für op. 111 u. spricht die Ueberzeugung von der Fortdauer meiner Arbeiten aus; kann nicht begreifen, wie nach Brahms das kommen konnte, was gekommen ist u. teilt mit, er habe seine eigenen Arbeiten vernichtet u. wollte, er hätte auch alles übrige Geschriebene besser nicht geschrieben. — *An Mama Kartengruß von Lie-Liechen! — An Sophie K. von Lie-Liechen; dankt für Mitteilung u. nimmt an der Freude Teil. — — An Tante (Br.); Anfrage wegen des Osterfestes. — *Im „N. W. Tgbl.“ bekennt sich Gutenbrunn in einem „ aAlte Erfahrungen“ überschriebenem Feuilleton zum Pessimismus: er glaubt nicht an den „Aufschwung“ als wohltätige Folge des Krieges. Diesen, übrigens weder ausführlich noch tief genug motivier- {186} ten Gedanken hält die Redaktion offenbar schon für staats- u. sozialfeindlich u. schickt einen Vermerk voraus, in dem die drolligerweise feststellt, daß der Gedanke nur des Verfassers „persönliche Ansicht“ ist, die in der breiten Oeffentlichkeit „nicht jeder teilen wird.“ 1 Natürlich ist damit vor allem auf die Leser gezielt, die man nicht dadurch vor den Kopf stoßen will, daß man ihnen die Illusion eines „Aufschwunges“ nimmt. Wie angenehm ist es da, das Nützliche des Wuchers mit dem Angenehmen des Aufschwungesparfums zu verbinden. Ja, ja, das „N. W. Tgbl.“ kennt seine Leser! Am allerwenigsten zerbricht es sich darüber den Kopf, ob es eine gute Pädagogik sei, den Betrügern den Tatbestand des von ihnen begangenen Wuchers zu beschönigen. Umso lieber hält auch die Redaktion selbst an der Methode des Wucherers fest: Auch sie verbinden das Nützliche des Abonnentenfangs mit der Annehmlichkeit der Illusion, das Volk zu erziehen u. an seinem Aufschwung mitzuarbeiten. — *Oberleutnant Bednař im Caféhaus; auf Urlaub u. vor einem Besuch in Kautzen. Absurd renommistisch spricht er von Immelmann nur als von einem „braven Burschen“. *
© Transcription Marko Deisinger. |
April 4, 1916. In the morning, +8° in the shade, cloudless!
A veritable triumphal procession of the god of spring. — LetterOJ 10/1, [18] from Dahms; he thanks me for Op. 111 and expresses his conviction that my works will be valid for a long time; he cannot understand how what came after Brahms could have come, and tells me that he has destroyed his own works and thought that it would have been better if he also hadn’t written everything else he had written. — *To Mama, postcard greeting from Lie-Liechen! — To Sophie, postcard from Lie-Liechen; thanks her for her communication and shares her joy. — — Letter to my aunt; question about the Easter holiday. — *In a feuilleton in the Neues Wiener Tagblatt entitled "Old Experiences," Gutenbrunn admits being a pessimist: he does not believe in the "boom" as a beneficial consequence of the war. These thoughts, which are worked out neither comprehensively nor deeply enough, {186} are treated by the editors as evidently injurious to the state and society, and they append a note in which they state, amusingly, that the opinions are only the author’s "personal view" and that "not everyone will share them" among the broader public. 1 Naturally this is aimed above all at the readership, which should not be snubbed by taking from them the illusion of a "boom." How agreeable it is to connect the profitability of extortion with the pleasant scent of a "boom." Yes indeed, the Neue Wiener Tagblatt knows its readers! Least of all will it break its head of the question of whether it is good pedagogy to whitewash the reality of the extortion perpetrated by the swindlers. Even the editors themselves prefer to adhere to the method of extortion: they, too, connect the profitability of the subscription clutches with the pleasantness of the illusion of educating the people and collaborating on their "boom." — *Senior lieutenant Bednař at the coffee house; on holiday, and before a visit to Kautzen. With absurd swagger, he speaks of Immelmann only as a "good little boy." *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Ignotus, "Alte Erfahrungen," Neues Wiener Tagblatt, No. 94, April 4, 1916, 50th year, pp. 3-4. |