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2. X. 16

Von Dr. Dub (Br.): Absage; Begründung: Dr. Weigel sei es gelungen, noch ein paar Monate hier zu bleiben; auch wünsche Adler, daß die Kleine den Unterricht bei Weigel fortsetze; gegen Weigel hätte aber auch ich selbst umsoweniger einzuwenden, als er ja bei mir die Ausbildung erlangt habe. —

— An Dr. Dub (Br.): Bberichtige den Irrtum bezüglich Weigels u. weise darauf hin, daß Weigel Harmonielehre ja nach Brosig 1 doziert, was allein dagegen spr iech te, daß er ja mein Schüler gewesen sei; bemerke außerdem, daß eine Richtigstellung des Brosig wohl auch zu erfolgen haben werde, u. endlich bezeichne ich die Mitteilung über Adler zwar nicht unerwartet, immerhin aber als ein wertvolles Dokument. —

— Von Hupka (K.): gedenkt zur Stunde zu kommen; näheres verspricht er mündlich vorzubringen.

— Von Sophie (Br.): gratuliert u. schildert ihre nunmehr wieder einigermaßen gebesserten Verhältnisse, befürchtet aber eine neuerliche Versetzung u. zwar in die Nähe Wiens, was ihr der größeren Kosten halber nicht gerade angenehm wäre. —

— Frau Pairamall erscheint abends zur verabredeten Stunde u. rückt mit ihrer Bitte heraus: Sie könne sich nicht, wie in all d ieen vergangenen Jahren, für die Dauer der ganzen Saison binden, da sie nicht einmal weiß, ob ihr der Gesundheitszustand gestatten werde, überhaupt mit den Stunden zu beginnen. Ich möge also bis zum 1. November warten u. ihr so zunächst einen Monat Zeit lassen, zu sehen, welche Wirkung das Leben in Wien auf ihren Gesundheitszustand übe. Sollte es ihr möglich sein werden, so wäre sie bereit, am 1. Nov. zu beginnen, das Honorar monatlich zu erlegen; über die Dauer des Unterrichtes aber könne sie nichts Bestimmtes sagen, da sie die ganze Frage von ihrer Gesundheit abhängig machen müsse. Sie bat um Rücksicht wegen des Krankheitsfalles u. der Kriegsverhältnisse. {453} Im Laufe der Unterredung bekannte gestand sie auch, daß sie sich über mein System, das ich den Schülern gegenüber beobachte, nachgedacht habe Gedanken gemacht u. darin Härten finde gefunden [habe]! Ich wie ßs diesen Einwand mit sehr drastischen Spitzen wider die reichen Schüler zurück, ließ mich schließlich dennoch aber herbei, die Rücksicht ausnahmsweise walten zu lassen u. mit 1. Nov. zu beginnen, machte aber sofort auch den Vorbehalt, daß ich nicht wünsche, um einer kurzen Unterrichtsdauer wegen aus der Ordnung gerissen zu werden. Darauf gab sie mir zu verstehen, daß viel mehr Gründe dafür sprechen, daß sie in Wien zu bleiben als in die Schweiz zu reisen werde. Auch versäumte ich nicht, ihr Ehrgefühl auf die Probe zu stellen, indem ich wegen der ihr zugestandenen Ausnahmslizenz sie ausdrücklich bat, davon mindestens gegen jederman[n] zu schweigen. Auch diese Probe bestand aber ihre schmutzige Gesinnung siegreich, denn sie meinte, dies gehe ja ohnehin niemand etwas an u. sie werde das Geheimnis wohl bewahren. Ich hatte hauptsächlich den Eindruck, daß es ihr in erster Linie einfach um den Diebstahl von 160 Kronen ging u. wurde in diesem Eindruck dadurch ihre Mitteilung bestärkt, daß sie ihre Tochter zu Fr. Colbert ebenfalls erst in einem späteren Zeitpunkt schickt, (wie sie denn auch am Schluße der vorigen Saison den Unterricht bei Fr. C. auch um einen Monat abkürzte). Ich gestehe, daß die Situation mir überaus peinlich war; ihr die wahre Gesinnung der Dame dürfte ich nicht entlarven u. wenn ich sie gelegentlich indirekt apostrophierte, indem ich ähnliche Züge ihrer Erkenntnis empfahl, so wußte sie sich immer wieder dumm zu stellen u. schließlich die Unempfindlichkeit zu bewahren. Da außerdem der Fall Brünauer noch in der Schwebe war – seine erste Stunde sollte erst morgen sein –, so lag es in meinem eigenen Interesse Rücksicht zu spielen, auch wenn ein höheres Interesse vielleicht noch mehr Rücksicht wider das Prinzip der Saison erheischt hätte. In diesem Dilemma mußte ich mich also bescheiden der Bitte nachzugeben, betonte aber immer wieder den Wunsch, daß ich mindestens vom von November ab das System zurückgewinnen möchte. Unter allen Umständen gelangte ich trotz bitterem Nachgeschmack mindestens zum Abschluss einer Epoche, die jahraus jahrein mich in Ner- {454} vosität stürzt, sofern ich in den letzten Septemberwochen um eine Uebersicht über die Einkünfte der Saison zu ringen habe.

© Transcription Marko Deisinger.

October 2, 1916.

Letter from Dr. Dub: refusal; reason: it is possible for Dr. Weigel to remain here for a few more months; Adler, too, wishes that the girl continues to study with Weigel; but even I myself would have all the less reason for objecting to Weigel, since he has after all received his training from me. —

— Letter to Dr. Dub: I correct the error with respect to Weigel and refer to the fact that Weigel is actually studying the theory of harmony according to Brosig, 1 which in itself speaks against him having been my pupil; I note in addition that a "rectification of Brosig" must surely take place; and finally I note the communication about Adler is not unexpected, to be sure, but nonetheless a valuable document. —

— Postcard from Hupka: he is thinking of coming for his lesson; he promises to tell me more in person.

— Letter from Sophie: she congratulates me and describes her situation, which has somewhat improved again; but she fears a new transfer, and in fact in the vicinity of Vienna, something she does not really think would be suitable on account of the greater expenses. —

— Mrs. Pairamall appears in the evening at the agreed hour, and lays bare her request: she cannot tie herself down for the duration of the entire teaching year, as she has in all the past years, since she does not know whether the state of her health will permit her even to begin with the lessons at all. I might therefore wait until November 1 and thus give her a month's time to see what effect life in Vienna has on the state of her health. If permitted, she would be prepared to begin on November 1, paying the lesson fee every month; she was unable to say anything definitive about the length of the tuition, as she has to make the entire matter dependent upon her health. She asked for consideration in view of her [recent] illness and the wartime conditions. {453} In the course of the discussion, she also admitted that the [lesson] arrangement that I administer to my pupils gives her cause for concern, and that she has found "severities" in it! I have repudiated this objection with extremely sharp remarks against my wealthy pupils; but in the end I condescended, exceptionally, to make an allowance and begin on November 1, but also with the proviso that I do not wish to be thrown off course on account of a brief period of tuition. Thereupon she gave me to understand that there are many more reasons in favor of her remaining in Vienna than traveling to Switzerland. I also did not neglect to put her sense of honor to the test by asking her at least to say nothing to anyone about the exceptional license I granted her. But her greedy intentions passed even this test victoriously, for she said that it was at any rate no one else's business, and she would keep the secret well. My main impression was that, for her, it was simply a case of stealing 160 Kronen, and this impression was strengthened when she told me that she is likewise sending her daughter to Mrs. Colbert at a later date (as she had also shortened the tuition with Mrs. Colbert by a month at the end of the previous season). I admit that the situation was thoroughly painful to me; I was unable to divine the lady's true intentions, and when I occasionally referred to these indirectly, by calling similar characteristics to her attention, she was again always able to appear ignorant and ultimately preserve her impassivity. As the Brünauer case was still unresolved – his first lesson was not to take place until tomorrow – it was in my own interests to play cautiously, even if a higher interest may have perhaps warranted more consideration against the principle of the teaching year. In this dilemma, I had to yield modestly to the request; but I consistently stressed my desire to reinstate the system at least from November onwards. In all events, and in spite of the bitter aftertaste, I at least arrived at the end of an era that has brought me to a state of nervousness year after year, {454} insofar as I have to struggle in the last weeks of September to gain an overview of my earnings during the teaching season.

© Translation William Drabkin.

2. X. 16

Von Dr. Dub (Br.): Absage; Begründung: Dr. Weigel sei es gelungen, noch ein paar Monate hier zu bleiben; auch wünsche Adler, daß die Kleine den Unterricht bei Weigel fortsetze; gegen Weigel hätte aber auch ich selbst umsoweniger einzuwenden, als er ja bei mir die Ausbildung erlangt habe. —

— An Dr. Dub (Br.): Bberichtige den Irrtum bezüglich Weigels u. weise darauf hin, daß Weigel Harmonielehre ja nach Brosig 1 doziert, was allein dagegen spr iech te, daß er ja mein Schüler gewesen sei; bemerke außerdem, daß eine Richtigstellung des Brosig wohl auch zu erfolgen haben werde, u. endlich bezeichne ich die Mitteilung über Adler zwar nicht unerwartet, immerhin aber als ein wertvolles Dokument. —

— Von Hupka (K.): gedenkt zur Stunde zu kommen; näheres verspricht er mündlich vorzubringen.

— Von Sophie (Br.): gratuliert u. schildert ihre nunmehr wieder einigermaßen gebesserten Verhältnisse, befürchtet aber eine neuerliche Versetzung u. zwar in die Nähe Wiens, was ihr der größeren Kosten halber nicht gerade angenehm wäre. —

— Frau Pairamall erscheint abends zur verabredeten Stunde u. rückt mit ihrer Bitte heraus: Sie könne sich nicht, wie in all d ieen vergangenen Jahren, für die Dauer der ganzen Saison binden, da sie nicht einmal weiß, ob ihr der Gesundheitszustand gestatten werde, überhaupt mit den Stunden zu beginnen. Ich möge also bis zum 1. November warten u. ihr so zunächst einen Monat Zeit lassen, zu sehen, welche Wirkung das Leben in Wien auf ihren Gesundheitszustand übe. Sollte es ihr möglich sein werden, so wäre sie bereit, am 1. Nov. zu beginnen, das Honorar monatlich zu erlegen; über die Dauer des Unterrichtes aber könne sie nichts Bestimmtes sagen, da sie die ganze Frage von ihrer Gesundheit abhängig machen müsse. Sie bat um Rücksicht wegen des Krankheitsfalles u. der Kriegsverhältnisse. {453} Im Laufe der Unterredung bekannte gestand sie auch, daß sie sich über mein System, das ich den Schülern gegenüber beobachte, nachgedacht habe Gedanken gemacht u. darin Härten finde gefunden [habe]! Ich wie ßs diesen Einwand mit sehr drastischen Spitzen wider die reichen Schüler zurück, ließ mich schließlich dennoch aber herbei, die Rücksicht ausnahmsweise walten zu lassen u. mit 1. Nov. zu beginnen, machte aber sofort auch den Vorbehalt, daß ich nicht wünsche, um einer kurzen Unterrichtsdauer wegen aus der Ordnung gerissen zu werden. Darauf gab sie mir zu verstehen, daß viel mehr Gründe dafür sprechen, daß sie in Wien zu bleiben als in die Schweiz zu reisen werde. Auch versäumte ich nicht, ihr Ehrgefühl auf die Probe zu stellen, indem ich wegen der ihr zugestandenen Ausnahmslizenz sie ausdrücklich bat, davon mindestens gegen jederman[n] zu schweigen. Auch diese Probe bestand aber ihre schmutzige Gesinnung siegreich, denn sie meinte, dies gehe ja ohnehin niemand etwas an u. sie werde das Geheimnis wohl bewahren. Ich hatte hauptsächlich den Eindruck, daß es ihr in erster Linie einfach um den Diebstahl von 160 Kronen ging u. wurde in diesem Eindruck dadurch ihre Mitteilung bestärkt, daß sie ihre Tochter zu Fr. Colbert ebenfalls erst in einem späteren Zeitpunkt schickt, (wie sie denn auch am Schluße der vorigen Saison den Unterricht bei Fr. C. auch um einen Monat abkürzte). Ich gestehe, daß die Situation mir überaus peinlich war; ihr die wahre Gesinnung der Dame dürfte ich nicht entlarven u. wenn ich sie gelegentlich indirekt apostrophierte, indem ich ähnliche Züge ihrer Erkenntnis empfahl, so wußte sie sich immer wieder dumm zu stellen u. schließlich die Unempfindlichkeit zu bewahren. Da außerdem der Fall Brünauer noch in der Schwebe war – seine erste Stunde sollte erst morgen sein –, so lag es in meinem eigenen Interesse Rücksicht zu spielen, auch wenn ein höheres Interesse vielleicht noch mehr Rücksicht wider das Prinzip der Saison erheischt hätte. In diesem Dilemma mußte ich mich also bescheiden der Bitte nachzugeben, betonte aber immer wieder den Wunsch, daß ich mindestens vom von November ab das System zurückgewinnen möchte. Unter allen Umständen gelangte ich trotz bitterem Nachgeschmack mindestens zum Abschluss einer Epoche, die jahraus jahrein mich in Ner- {454} vosität stürzt, sofern ich in den letzten Septemberwochen um eine Uebersicht über die Einkünfte der Saison zu ringen habe.

© Transcription Marko Deisinger.

October 2, 1916.

Letter from Dr. Dub: refusal; reason: it is possible for Dr. Weigel to remain here for a few more months; Adler, too, wishes that the girl continues to study with Weigel; but even I myself would have all the less reason for objecting to Weigel, since he has after all received his training from me. —

— Letter to Dr. Dub: I correct the error with respect to Weigel and refer to the fact that Weigel is actually studying the theory of harmony according to Brosig, 1 which in itself speaks against him having been my pupil; I note in addition that a "rectification of Brosig" must surely take place; and finally I note the communication about Adler is not unexpected, to be sure, but nonetheless a valuable document. —

— Postcard from Hupka: he is thinking of coming for his lesson; he promises to tell me more in person.

— Letter from Sophie: she congratulates me and describes her situation, which has somewhat improved again; but she fears a new transfer, and in fact in the vicinity of Vienna, something she does not really think would be suitable on account of the greater expenses. —

— Mrs. Pairamall appears in the evening at the agreed hour, and lays bare her request: she cannot tie herself down for the duration of the entire teaching year, as she has in all the past years, since she does not know whether the state of her health will permit her even to begin with the lessons at all. I might therefore wait until November 1 and thus give her a month's time to see what effect life in Vienna has on the state of her health. If permitted, she would be prepared to begin on November 1, paying the lesson fee every month; she was unable to say anything definitive about the length of the tuition, as she has to make the entire matter dependent upon her health. She asked for consideration in view of her [recent] illness and the wartime conditions. {453} In the course of the discussion, she also admitted that the [lesson] arrangement that I administer to my pupils gives her cause for concern, and that she has found "severities" in it! I have repudiated this objection with extremely sharp remarks against my wealthy pupils; but in the end I condescended, exceptionally, to make an allowance and begin on November 1, but also with the proviso that I do not wish to be thrown off course on account of a brief period of tuition. Thereupon she gave me to understand that there are many more reasons in favor of her remaining in Vienna than traveling to Switzerland. I also did not neglect to put her sense of honor to the test by asking her at least to say nothing to anyone about the exceptional license I granted her. But her greedy intentions passed even this test victoriously, for she said that it was at any rate no one else's business, and she would keep the secret well. My main impression was that, for her, it was simply a case of stealing 160 Kronen, and this impression was strengthened when she told me that she is likewise sending her daughter to Mrs. Colbert at a later date (as she had also shortened the tuition with Mrs. Colbert by a month at the end of the previous season). I admit that the situation was thoroughly painful to me; I was unable to divine the lady's true intentions, and when I occasionally referred to these indirectly, by calling similar characteristics to her attention, she was again always able to appear ignorant and ultimately preserve her impassivity. As the Brünauer case was still unresolved – his first lesson was not to take place until tomorrow – it was in my own interests to play cautiously, even if a higher interest may have perhaps warranted more consideration against the principle of the teaching year. In this dilemma, I had to yield modestly to the request; but I consistently stressed my desire to reinstate the system at least from November onwards. In all events, and in spite of the bitter aftertaste, I at least arrived at the end of an era that has brought me to a state of nervousness year after year, {454} insofar as I have to struggle in the last weeks of September to gain an overview of my earnings during the teaching season.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Moritz Brosig's Handbuch für den Unterricht in der Harmonielehre (Leipzig: Leuckart, 1874) went through many editions. In 1899 Carl Thiel brought out a fourth, revised and expanded edition, under the title Handbuch der Harmonielehre und Modulation (Leipzig: Leuckart).