5. Ueberaus schöner mit herbstlicher Sonne voll durchtränkter Tag.
— Nach dem Frühstück auf Einkaufswegen; stoßen bei dieser Gelegenheit auf Frau Bednař, die uns bei aller Eile mit großer Ausführlichkeit gleich den Roman ihres ganzen Lebens, den ersten u. zweiten, den Lebensgang ihrer Kinder u. sogar auch der von ihnen annektirten weiblichen Personen, noch etwas auch von einem Ehrenbeleidigungsprozess, u.von ihren Einkaufsmethoden u. s. w. zu erzählen fertigbringt. Das Beste war, daß es uns gelungen ist, uns einige Kilogramm Kartoffel bei ihr zu sichern. Der Leutnant läßt sich maniküren, bringt Nächte u. Geld in teuern Lokalen durch, alles bei einem Einkommen von nur – 300 Kronen! — Floriz vor unserem Gasthaus begegnet; er klagt über den harten Zwang in der Schule, über das Fechten u. Reiten-lernen-müssen, erzählt nach Herrn Spiegler, daß die Zucker-Industriellen erwiesenermaßen noch Rückstände aus dem Jahre 1914 haben, sie aber nur um den erhöhten Kriegspreis u. zw. selbst an Kriegsspitäler verkaufen! – Wir lehnen ab, heute {496} ein zweitesmal hinauszufahren mit der Motivierung, daß wir ein wenig der Ruhe pflegen wollen. *Beide Kaiser erlassen ein Manifest, worin sie Polen wieder als selbstständiges Königreich aufrichten! 1 Eine alte bekannte Note, um im allgemeinen Jargon zu sprechen, die leider aber niemals je neu u. jung war u. so auch ebensowenig in alle Zeiten niemals je neu wird sein können! Eine belanglose Nuançe unter den Völkern, die, wie bisher so auch in Zukunft, leider sicher nur zum Verdruß der Nachbarvölker gereichen wird. Schließlich wird in Polen der Rubel siegen u. die Situation des Weltkrieges wird ebenso eine zweite Auflage erleben, als im Großen Grunde das Manifest ja ohnehin das Ereignis von 1795 oder 1815 nur erneut zum Ausdruck bringt. Ein circulus vitiosus das Ganze, was der aber an der Rasse liegt! — *
© Transcription Marko Deisinger. |
5. A thoroughly beautiful day, bathed in autumnal sunshine.
— After breakfast, on shopping errands; on this occasion we bump into Mrs. Bednař, who in spite of all haste manages to tell us the story of her entire life in great detail, the first and second parts, the course of her children's lives, and even that of various female personages annexed by them, also something about her libel action, her shopping technique, and so on. The best thing was that we were able to secure a few kilograms of potatoes. The lieutenant is having a manicure, spends his nights and money at expensive venues, all this with an income of only – 300 Kronen! — We meet Floriz in front of our restaurant; he complains about the difficult constraints in the [military] school, about having to learn fencing and riding; he says that, according to Mr. Spiegler, the sugar industrialists have been shown to be still in possession of backlogs dating back to 1914 but have been selling them at inflated wartime prices, and indeed even to military hospitals! – We decline to go out a second time today, {496} as we would like to get a bit of rest. *Both emperors issue a manifesto, in which they again raise Poland to the status of independent kingdom! 1 A well-worn note, to speak in everyday jargon, which unfortunately was never new or young, and least of all could it in all ages ever be new! An inconsequential nuance among the people who, as before, so also in future, will surely serve to annoy the neighboring peoples. Ultimately the ruble will be victorious in Poland, and the situation of the world war will likewise undergo a second edition, as the manifesto is basically doing no more than renewing the expression of the events of 1795 and 1815. The whole thing is a vicious circle which, however, has a racial basis! — *
© Translation William Drabkin. |
5. Ueberaus schöner mit herbstlicher Sonne voll durchtränkter Tag.
— Nach dem Frühstück auf Einkaufswegen; stoßen bei dieser Gelegenheit auf Frau Bednař, die uns bei aller Eile mit großer Ausführlichkeit gleich den Roman ihres ganzen Lebens, den ersten u. zweiten, den Lebensgang ihrer Kinder u. sogar auch der von ihnen annektirten weiblichen Personen, noch etwas auch von einem Ehrenbeleidigungsprozess, u.von ihren Einkaufsmethoden u. s. w. zu erzählen fertigbringt. Das Beste war, daß es uns gelungen ist, uns einige Kilogramm Kartoffel bei ihr zu sichern. Der Leutnant läßt sich maniküren, bringt Nächte u. Geld in teuern Lokalen durch, alles bei einem Einkommen von nur – 300 Kronen! — Floriz vor unserem Gasthaus begegnet; er klagt über den harten Zwang in der Schule, über das Fechten u. Reiten-lernen-müssen, erzählt nach Herrn Spiegler, daß die Zucker-Industriellen erwiesenermaßen noch Rückstände aus dem Jahre 1914 haben, sie aber nur um den erhöhten Kriegspreis u. zw. selbst an Kriegsspitäler verkaufen! – Wir lehnen ab, heute {496} ein zweitesmal hinauszufahren mit der Motivierung, daß wir ein wenig der Ruhe pflegen wollen. *Beide Kaiser erlassen ein Manifest, worin sie Polen wieder als selbstständiges Königreich aufrichten! 1 Eine alte bekannte Note, um im allgemeinen Jargon zu sprechen, die leider aber niemals je neu u. jung war u. so auch ebensowenig in alle Zeiten niemals je neu wird sein können! Eine belanglose Nuançe unter den Völkern, die, wie bisher so auch in Zukunft, leider sicher nur zum Verdruß der Nachbarvölker gereichen wird. Schließlich wird in Polen der Rubel siegen u. die Situation des Weltkrieges wird ebenso eine zweite Auflage erleben, als im Großen Grunde das Manifest ja ohnehin das Ereignis von 1795 oder 1815 nur erneut zum Ausdruck bringt. Ein circulus vitiosus das Ganze, was der aber an der Rasse liegt! — *
© Transcription Marko Deisinger. |
5. A thoroughly beautiful day, bathed in autumnal sunshine.
— After breakfast, on shopping errands; on this occasion we bump into Mrs. Bednař, who in spite of all haste manages to tell us the story of her entire life in great detail, the first and second parts, the course of her children's lives, and even that of various female personages annexed by them, also something about her libel action, her shopping technique, and so on. The best thing was that we were able to secure a few kilograms of potatoes. The lieutenant is having a manicure, spends his nights and money at expensive venues, all this with an income of only – 300 Kronen! — We meet Floriz in front of our restaurant; he complains about the difficult constraints in the [military] school, about having to learn fencing and riding; he says that, according to Mr. Spiegler, the sugar industrialists have been shown to be still in possession of backlogs dating back to 1914 but have been selling them at inflated wartime prices, and indeed even to military hospitals! – We decline to go out a second time today, {496} as we would like to get a bit of rest. *Both emperors issue a manifesto, in which they again raise Poland to the status of independent kingdom! 1 A well-worn note, to speak in everyday jargon, which unfortunately was never new or young, and least of all could it in all ages ever be new! An inconsequential nuance among the people who, as before, so also in future, will surely serve to annoy the neighboring peoples. Ultimately the ruble will be victorious in Poland, and the situation of the world war will likewise undergo a second edition, as the manifesto is basically doing no more than renewing the expression of the events of 1795 and 1815. The whole thing is a vicious circle which, however, has a racial basis! — *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Die Kundgebung des Kaisers Franz Josef und des Kaisers Wilhelm. Bildung eines selbständigen Staates aus dem von Rußland eroberten polnischen Gebiete," Neue Freie Presse, No. 18754, November 5, 1916, p. 1. |