6. XI. 16 Regnerisch!
— Früh auf Einkaufswegen. ¼10h zu Frau Bednař, holen 9½ kg Kartoffel ab. — — Bei der Putzerin beanstanden wir den Mangel an Sorgfalt, dem die Wäsche zum Opfer fällt. Die Putzerin antwortet immerhin anständig genug – verspricht Besserung. — Zum Marktkommissariat, wo wir den Conditor anzeigen, der uns gestern ungenießbare Waren um 2.40 Kronen verkauft hat. — Durch Zufall gelangen wir zu zwei 1/8 kg Café, doch ist dieser leider ranzig! — — Von Sophie eine Expressendung, nunmehr die dritte, u. Brief; 1½ Brote = 2½, verschiedenes Gebäck, etwa 2 kg Butter u. ein Stückchen zwar nicht mehr ganz frische, aber immerhin noch verwendbare Butter. — Abends mit dem Ehepaar Gärtner im Caféhaus; . Unter anderem gibt Fr. G. Lie-Liechen den Rat, der Einfachheit halber die Wohnung mit mir zu teilen, – der übliche Tric jener Menschen, die einen vor sich hin nur müßig gesprochenen Rat nur unter allen Umständen für ausführbar halten, nur weil er eben aus ihrem Munde kommt u. sie in [illeg]schönem freundlichem Lichte zeige nt soll, u. die aber anderseits gern vergessen, wie sehr in ihren eigenen schwierigen Situationen ihnen selbst reiche Leute nicht blos mit leerem Rat, sondern auch schon mit der Ausführung aufgewartet haben. Leider gestattet der {497} eigene Takt nicht, solchen Leuten ihre Vergangenheit in Erinnerung zu bringen u. sie zur Erkenntnis anzuhalten, wie es viel eher einem Hohn als einem guten Rat gleichkommt, wenn sie sich blos mit Worten eines guten Rates abfinden, dem weder sie selbst, noch auch d eriejenige Person, de mr der Rat gilt, die Ausführung wirklich folgen lassen können! — Eine Anekdote (nach Gärtner!): Theaterintendant Montenuovo bittet den Kapellmeister Helmesberger zu sich u. eröffnet ihm: Ich kann ganz ordentlich instrumentieren, nur fällt mir leider gar nichts ein; wollten Sie nicht für mich etwas instrumentieren [recte komponieren], was ich als Vorlage gebrauchen könnte? Herr H. kommt dem Auftrag nach. Hierauf bitter [sic] der Fürst den Hofkapellmeister Ba iyer zu sich u. sagt ihm: „Ich habe kein übles Komponistentalent, kann nur leider nicht instrumentieren; wollten Sie nicht z. B. diese Komposition in Partitur setzen?[“] Herr B. erfüllt diesen Auftrag. So kam eine Orchesterkomposition des Fürsten M. zustande – wovon Hellmesberger u. Ba iyer freilich erst später, nur durch Zufall voneinander erfuhren. — Von Floriz abends eine Karte vorgefunden, in der er die Geburt eine Mädels anzeigt. — Kaufmann: Bedarf zur Arbeit des Anreizes starker Prämien, – soziale Annomalie [sic]: Strolche pflegt man in eine Besserungsanstalten abzugeben, wenn sie sich der Arbeit entziehen – warum nicht so auch den Kaufmann ? Eher in die Besserungsanstalt stecken, als statt ihn erst mit Prämien auf Kosten weiter Schichten zur Arbeit zu erziehen? — *
© Transcription Marko Deisinger. |
November 6, 1916. Rainy!
— Early shopping trip. At 9:15, to Frau Bednař; we collect 9½ kilograms of potatoes. — — At the cleaners we complain about the lack of care suffered by the laundry. The cleaner nonetheless replies with sufficient respect – promises an improvement. — To the market commissariat, where we denounce the confectioner who yesterday sold us inedible wares costing 2.40 Kronen. — By chance we succeed in obtaining two 1/8-kilogram packets of coffee; but this is unfortunately rancid! — — From Sophie, an express package, already the third, and a letter; 1½ loaves of bread (in reality 2½), various baked goods, about 2 kilograms of butter and a small piece of butter which, though no longer completely fresh, is still useable. — In the evening, with Gärtner and his wife at the coffee house. Mrs. Gärtner advises Lie-Liechen, among other things, to share my apartment for sake of simplicity – the usual trick of those people who regard a piece of advice they merely express idly as practicable in all circumstances, for no other reason that it comes from their mouth and shows them in a friendly light – though on the other hand they forget how, when they encounter difficult situations themselves, rich people come up not only with empty advice but also with the means of implementing it. {497} Unfortunately one's own discretion is not enough to remind such people of their past, and to get them to recognize that it amounts more to an insult than to good advice for them to come up with words of advice that neither they themselves nor the person for whom the advice is intended is capable of following up! — An anecdote (according to Gärtner!): theater director Montenuovo invites the conductor Hellmesberger to his place and confesses to him: ["]I can orchestrate quite competently, but unfortunately do not come up with any ideas; would you perhaps compose something for me, which I can use as a model?["] Hellmesberger fulfills the assignment. Thereupon the count invites the court conductor Bayer to his place and says to him: "I have no small talent for composition, but unfortunately cannot orchestrate; perhaps you might score this composition?" Mr. Bayer fulfills this assignment. In this way an orchestral composition by Prince Montenuovo came into being – which Hellmesberger and Bayer discovered from each other only by chance, and of course much later. — In the evening, we discover a card from Floriz in which he announces the birth of a little girl. — Businessman: the need for healthy bonuses as an incentive to work – a social anomaly: thugs who withdraw their work are usually put into reform institutions – why not likewise stick the businessman into the reform institution instead of raising him to work for bonuses, to the detriment of other levels of society? — *
© Translation William Drabkin. |
6. XI. 16 Regnerisch!
— Früh auf Einkaufswegen. ¼10h zu Frau Bednař, holen 9½ kg Kartoffel ab. — — Bei der Putzerin beanstanden wir den Mangel an Sorgfalt, dem die Wäsche zum Opfer fällt. Die Putzerin antwortet immerhin anständig genug – verspricht Besserung. — Zum Marktkommissariat, wo wir den Conditor anzeigen, der uns gestern ungenießbare Waren um 2.40 Kronen verkauft hat. — Durch Zufall gelangen wir zu zwei 1/8 kg Café, doch ist dieser leider ranzig! — — Von Sophie eine Expressendung, nunmehr die dritte, u. Brief; 1½ Brote = 2½, verschiedenes Gebäck, etwa 2 kg Butter u. ein Stückchen zwar nicht mehr ganz frische, aber immerhin noch verwendbare Butter. — Abends mit dem Ehepaar Gärtner im Caféhaus; . Unter anderem gibt Fr. G. Lie-Liechen den Rat, der Einfachheit halber die Wohnung mit mir zu teilen, – der übliche Tric jener Menschen, die einen vor sich hin nur müßig gesprochenen Rat nur unter allen Umständen für ausführbar halten, nur weil er eben aus ihrem Munde kommt u. sie in [illeg]schönem freundlichem Lichte zeige nt soll, u. die aber anderseits gern vergessen, wie sehr in ihren eigenen schwierigen Situationen ihnen selbst reiche Leute nicht blos mit leerem Rat, sondern auch schon mit der Ausführung aufgewartet haben. Leider gestattet der {497} eigene Takt nicht, solchen Leuten ihre Vergangenheit in Erinnerung zu bringen u. sie zur Erkenntnis anzuhalten, wie es viel eher einem Hohn als einem guten Rat gleichkommt, wenn sie sich blos mit Worten eines guten Rates abfinden, dem weder sie selbst, noch auch d eriejenige Person, de mr der Rat gilt, die Ausführung wirklich folgen lassen können! — Eine Anekdote (nach Gärtner!): Theaterintendant Montenuovo bittet den Kapellmeister Helmesberger zu sich u. eröffnet ihm: Ich kann ganz ordentlich instrumentieren, nur fällt mir leider gar nichts ein; wollten Sie nicht für mich etwas instrumentieren [recte komponieren], was ich als Vorlage gebrauchen könnte? Herr H. kommt dem Auftrag nach. Hierauf bitter [sic] der Fürst den Hofkapellmeister Ba iyer zu sich u. sagt ihm: „Ich habe kein übles Komponistentalent, kann nur leider nicht instrumentieren; wollten Sie nicht z. B. diese Komposition in Partitur setzen?[“] Herr B. erfüllt diesen Auftrag. So kam eine Orchesterkomposition des Fürsten M. zustande – wovon Hellmesberger u. Ba iyer freilich erst später, nur durch Zufall voneinander erfuhren. — Von Floriz abends eine Karte vorgefunden, in der er die Geburt eine Mädels anzeigt. — Kaufmann: Bedarf zur Arbeit des Anreizes starker Prämien, – soziale Annomalie [sic]: Strolche pflegt man in eine Besserungsanstalten abzugeben, wenn sie sich der Arbeit entziehen – warum nicht so auch den Kaufmann ? Eher in die Besserungsanstalt stecken, als statt ihn erst mit Prämien auf Kosten weiter Schichten zur Arbeit zu erziehen? — *
© Transcription Marko Deisinger. |
November 6, 1916. Rainy!
— Early shopping trip. At 9:15, to Frau Bednař; we collect 9½ kilograms of potatoes. — — At the cleaners we complain about the lack of care suffered by the laundry. The cleaner nonetheless replies with sufficient respect – promises an improvement. — To the market commissariat, where we denounce the confectioner who yesterday sold us inedible wares costing 2.40 Kronen. — By chance we succeed in obtaining two 1/8-kilogram packets of coffee; but this is unfortunately rancid! — — From Sophie, an express package, already the third, and a letter; 1½ loaves of bread (in reality 2½), various baked goods, about 2 kilograms of butter and a small piece of butter which, though no longer completely fresh, is still useable. — In the evening, with Gärtner and his wife at the coffee house. Mrs. Gärtner advises Lie-Liechen, among other things, to share my apartment for sake of simplicity – the usual trick of those people who regard a piece of advice they merely express idly as practicable in all circumstances, for no other reason that it comes from their mouth and shows them in a friendly light – though on the other hand they forget how, when they encounter difficult situations themselves, rich people come up not only with empty advice but also with the means of implementing it. {497} Unfortunately one's own discretion is not enough to remind such people of their past, and to get them to recognize that it amounts more to an insult than to good advice for them to come up with words of advice that neither they themselves nor the person for whom the advice is intended is capable of following up! — An anecdote (according to Gärtner!): theater director Montenuovo invites the conductor Hellmesberger to his place and confesses to him: ["]I can orchestrate quite competently, but unfortunately do not come up with any ideas; would you perhaps compose something for me, which I can use as a model?["] Hellmesberger fulfills the assignment. Thereupon the count invites the court conductor Bayer to his place and says to him: "I have no small talent for composition, but unfortunately cannot orchestrate; perhaps you might score this composition?" Mr. Bayer fulfills this assignment. In this way an orchestral composition by Prince Montenuovo came into being – which Hellmesberger and Bayer discovered from each other only by chance, and of course much later. — In the evening, we discover a card from Floriz in which he announces the birth of a little girl. — Businessman: the need for healthy bonuses as an incentive to work – a social anomaly: thugs who withdraw their work are usually put into reform institutions – why not likewise stick the businessman into the reform institution instead of raising him to work for bonuses, to the detriment of other levels of society? — *
© Translation William Drabkin. |