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2. III. 17 -2°, sehr schön blau.

— O sancta simpli zcitas 1 der Nationalökonomie! Während Wo der Kaufmann lediglich nach Gefühl kalkuliert , siehe das Gerichtsverfahren wider den Küchenchef des Hotel[s] Krantz , während die wo alle vor Gericht zur Verantwortung gezogenen Preistreiber versichern, daß sie „draufzahlen“, während sie gleichzeitig ungeahnte Reichtümer erwerben, – ergehen sich die Nationalökonomen in ihren Gelehrtenstübchen in den romantischesten Definitionen u. Auslegungen des „ Preises “, bei denen sie aber weder das „Gefühl“, noch auch die den Erwerb der Reichtümer mitkalkulier ten werden. —

— Von Dr. Türkel (Br.): der Kammerrat läßt das Legat ausbezahlen; Briefwechsel zwischen Türkel u. dem Bankverein, dessen Inhalt mir zunächst etwas unverständlich bleibt. —

— „Das Große ist klein u. das Kleine ist groß, / das Leben hat nicht Maß, nur der Mensch mißt; / das Eine ist nicht klein u. nicht groß, / nicht tot u. nicht lebendig, nicht schön u. nicht häßlich: / es ist das Eine.[“]

Laotse

*

Die schwere Stunde

Nun hebt es an zum letzten Kampf,
wir wurden hell u. hart.
Nun gilt nur noch im grauen Dampf
die Gegenwart.



In dieser Stunde, die uns steinern bettet,
Deutschland, sink’ ich in deinen Schoß.
Die Liebe, die uns schwärmend kettet,
ist grenzen-los.



Das böseste von deinen Kindern,
o Deutschland, weiß:
sie wollen dich zerstückeln u. vermindern
um deiner Freiheit Preis[.]



In ferner Fremde schlägt das Herz bestürzter,
die Träne rinnt.
Von Norden weht ein Wind, ein süß gewürzter,
liebkosend deinem Kind.



Die schwache Seele klirrt in Erzen,
die Flamme brennt.
Deutschland, dich schützen Eisenherzen
und deiner Geister seliges Firmament.



{612} An Dr. Türkel (Br. recomm.): erbitte das Geld für den 5. oder 6. d. — Kriegsminister v. Stein spricht über die rohe Behandlung der deutschen Gefangenen in Frankreich . 2 Franzosenfreunde werden vielleicht sagen, diese wäre Rohheit aus wäre nichts weniger als blos Temperament? So müßte man denn zu dem sonderbaren Schluß kommen, daß, wer nie roh gewesen, auch kein Temperament habe, eine Annahme, die ihre Wiederlegung an der Erscheinung der größten Männer findet. —

Weltkrieg: Nun steht es so, daß die Frage lautet: Deutschland oder England ? Frankreich aber zählt, Gott sei Dank, überhaupt nicht mehr mit. — Von der Buchhandlung Hölzl kommen die fehlenden Nummern. — An Sophie (Br.): Lie-Liechen geht auf ihre neuen Verhältnisse ein u. erbittet einiges. — Schneegestöber gegen Abend. — Frau Pairamall fängt mit den Choral-Studien an u. zahlt pünktlich. — Brünauer äußert die Idee, das soeben Erfahrene bei Hertzka zu publizieren! wWenn der empfangende Kopf nicht eben auch ein selbständig schöpferischer ist, Wwelche Verwüstung macht doch in ihm nur schon die eine Aneignung fremder Gedanken. Und wWohin würde es aber führen, wenn z. B. die abertausend Hörer der verschiedenen Fakultäten die Notizen, die sie täglich nach den Vorträgen ihre nr Professoren machen, sofort auch schon in Druck legen u. unter ihrem Namen veröffentlichen lassen würden dürften? Eine Frage der Eitelkeit ist dies aber wohl doch nicht, denn ein wirkliches öffentliches Interesse ruht darauf, die richtige Quelle zu kennen. In welche Verlegenheit käme aber der dann auch so ein Plagiator, wenn er, vom Leser über dies oder jenes befragt, in die ZwangsLage käme, über Fragen Auskunft erteilen zu müssen.

© Transcription Marko Deisinger.

March 2, 1917. -2°, very fine weather, blue sky.

— O sancta simplicitas 1 of the national economy! Where the businessman simply calculates on the basis of feeling – see the court case against the chef of the Hotel Krantz, where all profiteers held accountable in a court of law give assurance that they "pay extra" while at the same time acquiring unimagined wealth – the state economists expatiate in their little academic chambers in the most romantic definitions and interpretations of " price" whereby, however, they factor in neither the "feeling" nor the acquisition of wealth. —

— Letter from Dr. Türkel : the Chamber Counsellor permits the legacy to be paid out; correspondence between Türkel and the Bankverein, the content of which initially remains somewhat incomprehensible to me. —

— "The great is small, and the small is great, / life has no dimension, only man measures; / the One is not small and not large, / not dead and not alive, not beautiful and not ugly: / it is the One.["]

Lao Tzu

*

The Difficult Hour

Now the last battle is beginning,
We became bright and hard.
Now all that matters in the gray mists
Is the present.



In this hour, which beds us stony ones,
I sink into your bosom, Germany.
The love that dreamily enchains us
Is boundless.



Know, Germany,
The wickedest of your children:
They want to tear you to pieces, to reduce you,
At the cost of your freedom.



In far-off lands the heart beats more distraught,
The tears fall.
From the north blows a sweetly seasoned wind,
Caressing your child.



The weak soul jangles in bronze,
The flame burns.
Germany, you are protected by hearts of iron
And the holy firmament of your spirits.





{612} Registered letter to Dr. Türkel : I request the money for the 5th or 6th of the month. — War minister Stein speaks of the rough treatment of German prisoners in France . 2 French sympathizers will probably say that this roughness is nothing less than mere temperament. Then one would have to arrive at the strange conclusion that anyone who was never rough is also lacking in temperament – an assumption that finds its refutation in the guise of the greatest men. —

World war: things have reached a point where the question becomes: " Germany or England ? But France, thank God, no longer counts for anything. — The missing issues arrive from the bookshop Hölzl. — Letter to Sophie: Lie-Liechen responds to her latest circumstances and requests a few things. — Snow flurries towards evening. — Mrs. Pairamall begins with the chorale exercises and pays on time. — Brünauer expresses the idea of having Hertzka publish the things he has learned from me! If the receiving mind is not also an independently creative one, what havoc would be wrought in it by the appropriation of the ideas of others. Whither would things lead if, for example, the thousands of auditors of the various [university] faculties were actually permitted to publish the notes they take from their professors' lectures with their own names? This is surely not a question of vanity, for a true public interest is based on knowledge of the right sources. What embarrassment would be suffered by a plagiarist who, when questioned by a reader about some thing or other, were forced into a position of having to provide information.

© Translation William Drabkin.

2. III. 17 -2°, sehr schön blau.

— O sancta simpli zcitas 1 der Nationalökonomie! Während Wo der Kaufmann lediglich nach Gefühl kalkuliert , siehe das Gerichtsverfahren wider den Küchenchef des Hotel[s] Krantz , während die wo alle vor Gericht zur Verantwortung gezogenen Preistreiber versichern, daß sie „draufzahlen“, während sie gleichzeitig ungeahnte Reichtümer erwerben, – ergehen sich die Nationalökonomen in ihren Gelehrtenstübchen in den romantischesten Definitionen u. Auslegungen des „ Preises “, bei denen sie aber weder das „Gefühl“, noch auch die den Erwerb der Reichtümer mitkalkulier ten werden. —

— Von Dr. Türkel (Br.): der Kammerrat läßt das Legat ausbezahlen; Briefwechsel zwischen Türkel u. dem Bankverein, dessen Inhalt mir zunächst etwas unverständlich bleibt. —

— „Das Große ist klein u. das Kleine ist groß, / das Leben hat nicht Maß, nur der Mensch mißt; / das Eine ist nicht klein u. nicht groß, / nicht tot u. nicht lebendig, nicht schön u. nicht häßlich: / es ist das Eine.[“]

Laotse

*

Die schwere Stunde

Nun hebt es an zum letzten Kampf,
wir wurden hell u. hart.
Nun gilt nur noch im grauen Dampf
die Gegenwart.



In dieser Stunde, die uns steinern bettet,
Deutschland, sink’ ich in deinen Schoß.
Die Liebe, die uns schwärmend kettet,
ist grenzen-los.



Das böseste von deinen Kindern,
o Deutschland, weiß:
sie wollen dich zerstückeln u. vermindern
um deiner Freiheit Preis[.]



In ferner Fremde schlägt das Herz bestürzter,
die Träne rinnt.
Von Norden weht ein Wind, ein süß gewürzter,
liebkosend deinem Kind.



Die schwache Seele klirrt in Erzen,
die Flamme brennt.
Deutschland, dich schützen Eisenherzen
und deiner Geister seliges Firmament.



{612} An Dr. Türkel (Br. recomm.): erbitte das Geld für den 5. oder 6. d. — Kriegsminister v. Stein spricht über die rohe Behandlung der deutschen Gefangenen in Frankreich . 2 Franzosenfreunde werden vielleicht sagen, diese wäre Rohheit aus wäre nichts weniger als blos Temperament? So müßte man denn zu dem sonderbaren Schluß kommen, daß, wer nie roh gewesen, auch kein Temperament habe, eine Annahme, die ihre Wiederlegung an der Erscheinung der größten Männer findet. —

Weltkrieg: Nun steht es so, daß die Frage lautet: Deutschland oder England ? Frankreich aber zählt, Gott sei Dank, überhaupt nicht mehr mit. — Von der Buchhandlung Hölzl kommen die fehlenden Nummern. — An Sophie (Br.): Lie-Liechen geht auf ihre neuen Verhältnisse ein u. erbittet einiges. — Schneegestöber gegen Abend. — Frau Pairamall fängt mit den Choral-Studien an u. zahlt pünktlich. — Brünauer äußert die Idee, das soeben Erfahrene bei Hertzka zu publizieren! wWenn der empfangende Kopf nicht eben auch ein selbständig schöpferischer ist, Wwelche Verwüstung macht doch in ihm nur schon die eine Aneignung fremder Gedanken. Und wWohin würde es aber führen, wenn z. B. die abertausend Hörer der verschiedenen Fakultäten die Notizen, die sie täglich nach den Vorträgen ihre nr Professoren machen, sofort auch schon in Druck legen u. unter ihrem Namen veröffentlichen lassen würden dürften? Eine Frage der Eitelkeit ist dies aber wohl doch nicht, denn ein wirkliches öffentliches Interesse ruht darauf, die richtige Quelle zu kennen. In welche Verlegenheit käme aber der dann auch so ein Plagiator, wenn er, vom Leser über dies oder jenes befragt, in die ZwangsLage käme, über Fragen Auskunft erteilen zu müssen.

© Transcription Marko Deisinger.

March 2, 1917. -2°, very fine weather, blue sky.

— O sancta simplicitas 1 of the national economy! Where the businessman simply calculates on the basis of feeling – see the court case against the chef of the Hotel Krantz, where all profiteers held accountable in a court of law give assurance that they "pay extra" while at the same time acquiring unimagined wealth – the state economists expatiate in their little academic chambers in the most romantic definitions and interpretations of " price" whereby, however, they factor in neither the "feeling" nor the acquisition of wealth. —

— Letter from Dr. Türkel : the Chamber Counsellor permits the legacy to be paid out; correspondence between Türkel and the Bankverein, the content of which initially remains somewhat incomprehensible to me. —

— "The great is small, and the small is great, / life has no dimension, only man measures; / the One is not small and not large, / not dead and not alive, not beautiful and not ugly: / it is the One.["]

Lao Tzu

*

The Difficult Hour

Now the last battle is beginning,
We became bright and hard.
Now all that matters in the gray mists
Is the present.



In this hour, which beds us stony ones,
I sink into your bosom, Germany.
The love that dreamily enchains us
Is boundless.



Know, Germany,
The wickedest of your children:
They want to tear you to pieces, to reduce you,
At the cost of your freedom.



In far-off lands the heart beats more distraught,
The tears fall.
From the north blows a sweetly seasoned wind,
Caressing your child.



The weak soul jangles in bronze,
The flame burns.
Germany, you are protected by hearts of iron
And the holy firmament of your spirits.





{612} Registered letter to Dr. Türkel : I request the money for the 5th or 6th of the month. — War minister Stein speaks of the rough treatment of German prisoners in France . 2 French sympathizers will probably say that this roughness is nothing less than mere temperament. Then one would have to arrive at the strange conclusion that anyone who was never rough is also lacking in temperament – an assumption that finds its refutation in the guise of the greatest men. —

World war: things have reached a point where the question becomes: " Germany or England ? But France, thank God, no longer counts for anything. — The missing issues arrive from the bookshop Hölzl. — Letter to Sophie: Lie-Liechen responds to her latest circumstances and requests a few things. — Snow flurries towards evening. — Mrs. Pairamall begins with the chorale exercises and pays on time. — Brünauer expresses the idea of having Hertzka publish the things he has learned from me! If the receiving mind is not also an independently creative one, what havoc would be wrought in it by the appropriation of the ideas of others. Whither would things lead if, for example, the thousands of auditors of the various [university] faculties were actually permitted to publish the notes they take from their professors' lectures with their own names? This is surely not a question of vanity, for a true public interest is based on knowledge of the right sources. What embarrassment would be suffered by a plagiarist who, when questioned by a reader about some thing or other, were forced into a position of having to provide information.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "O holy simplicity": a phrase attributed to the Czech theologian and church reformer Jan Hus (c. 1372–1415).

2 "Deutscher Reichstag. Erklärung des Kriegsministers über die traurige Lage der deutschen Gefangenen in Feindesland," Neue Freie Presse, No. 18867, March 2, 1917, morning edition, p. 6.