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15. III. 17 +5°, sehr schön, doch mittags plötzlich Temperaturstürz, Schneegestöber bei +2°.

— Von Hans aus M.-Schönberg (Br.): dankt für Geldsendung, schildert ausführlich sein Leben. — Von Dr. Türkel (Br.): teilt den an ihn gelangten Brief von Dr. Friedmann mit u. erinnert mich an die Pflicht zur Disziplin. — Zwischen 3 u. 3½h stellen wir uns beide bei Meinl um Marmelade an; Lie-Liechen erzählt, daß schon früh um 9h die Angestellten im Grunde nichts mehr zu verkaufen hatten, so daß sie die um dieselbe Stunde neu angelangte Ladung von Marmelade auszupacken reichlich Zeit u. Gelegenheit haben konnten. Nichtsdestoweniger wird das Geschäft erst einige Minuten nach 3h geöffnet, da, wie es heißt, der Herr Geschäftsführer noch nicht erschienen sei; u. als ich selbst um 3¼h in den Laden trat, um den Verkauf zu urgieren, sah ich selbst, daß wie die Angestellten die Gläser erst auf die Pulte stellten; u. einer von ihnen sagte: ich kann nicht vorgreifen, zuerst muß ich ja auspacken. Erst um ¼4h begann der Verkauf, wobei nur kleine Gläser ausgegeben wurden. Es scheint wohl also richtig zu sein, was Lie-Liechen vermutet, daß die großen Gläser gegen Entgelt reserviert werden. —

— An Dodi (Br.): einige Worte zum Unfall der lieben Mama, zu Tonschels günstiger Transferierung, freuen uns schon zum voraus der uns in Aussicht gestellten Eiersendung; u. schließlich setze ich noch einige heitere Worte zu Wilhelms 55. Geburtstag hinzu. — Revolution in Petersburg ! 1 Begreiflicherweise lauten die ersten Meldungen {622} sämtlich einander widersprechend. Ist es eine Hungerrevolte oder eine politische oder beides? Wenn eine politische, so mag dabei wohl auch England seine Hand im Spiele haben u. auf die Beseitigung des Zaren hingearbeitet haben, der, durch den Weltkrieg müde mürbe geworden, u. vielleicht mehr, als England lieb war, bereits zum Sonderfrieden geneige nt haben mochte.

© Transcription Marko Deisinger.

March 15, 1917. +5°, very fine weather, but a sudden plunge in temperature at midday, with snow flurries in +2° temperature.

— Letter from Hans in Mährisch Schönberg: he thanks me for sending the money, describes his life in detail. — Letter from Dr. Türkel : he shares the content of the letter he has received from Dr. Friedmann and reminds me of my duty to the discipline. — Between 3 o'clock and 3:30, we stand in line for marmalade at Meinl; Lie-Liechen says that already at 9 o'clock in the morning the employees basically had no more to sell, so that they could have plenty of time and opportunity to unpack the marmalade delivery that arrived at the same hour. Nonetheless, the shop did not open until a few minutes after 3 o'clock since, apparently, the store manager had not yet turned up; and when I entered the shop at 3:15, to urge them with the sale of it, I myself saw how the employees were only just placing the glasses on the table. One of them said: "I cannot take action now, I must first unpack. Not until 3:45 did the sale begin, in which only small jars were given out. It seems that Lie-Liechen is correct in her surmise that the large jars are reserved for those who will pay for them. —

— Letter to Dodi: a few words about our dear mother's accident, on Tonschl's favorable relocation; we are already looking forward in anticipation of the dispatch of eggs; and finally I add a few humorous words about Wilhelm's 55th birthday. — Revolution in St. Petersburg ! 1 Understandably, the first reports are all in conflict with one another. {622} Is it a hunger revolt, or a political one, or both? If political, then even England may have had a hand in it, and played its part in getting rid of the Czar who, worn out by the world war, may have already been keener than England to reach a separate peace.

© Translation William Drabkin.

15. III. 17 +5°, sehr schön, doch mittags plötzlich Temperaturstürz, Schneegestöber bei +2°.

— Von Hans aus M.-Schönberg (Br.): dankt für Geldsendung, schildert ausführlich sein Leben. — Von Dr. Türkel (Br.): teilt den an ihn gelangten Brief von Dr. Friedmann mit u. erinnert mich an die Pflicht zur Disziplin. — Zwischen 3 u. 3½h stellen wir uns beide bei Meinl um Marmelade an; Lie-Liechen erzählt, daß schon früh um 9h die Angestellten im Grunde nichts mehr zu verkaufen hatten, so daß sie die um dieselbe Stunde neu angelangte Ladung von Marmelade auszupacken reichlich Zeit u. Gelegenheit haben konnten. Nichtsdestoweniger wird das Geschäft erst einige Minuten nach 3h geöffnet, da, wie es heißt, der Herr Geschäftsführer noch nicht erschienen sei; u. als ich selbst um 3¼h in den Laden trat, um den Verkauf zu urgieren, sah ich selbst, daß wie die Angestellten die Gläser erst auf die Pulte stellten; u. einer von ihnen sagte: ich kann nicht vorgreifen, zuerst muß ich ja auspacken. Erst um ¼4h begann der Verkauf, wobei nur kleine Gläser ausgegeben wurden. Es scheint wohl also richtig zu sein, was Lie-Liechen vermutet, daß die großen Gläser gegen Entgelt reserviert werden. —

— An Dodi (Br.): einige Worte zum Unfall der lieben Mama, zu Tonschels günstiger Transferierung, freuen uns schon zum voraus der uns in Aussicht gestellten Eiersendung; u. schließlich setze ich noch einige heitere Worte zu Wilhelms 55. Geburtstag hinzu. — Revolution in Petersburg ! 1 Begreiflicherweise lauten die ersten Meldungen {622} sämtlich einander widersprechend. Ist es eine Hungerrevolte oder eine politische oder beides? Wenn eine politische, so mag dabei wohl auch England seine Hand im Spiele haben u. auf die Beseitigung des Zaren hingearbeitet haben, der, durch den Weltkrieg müde mürbe geworden, u. vielleicht mehr, als England lieb war, bereits zum Sonderfrieden geneige nt haben mochte.

© Transcription Marko Deisinger.

March 15, 1917. +5°, very fine weather, but a sudden plunge in temperature at midday, with snow flurries in +2° temperature.

— Letter from Hans in Mährisch Schönberg: he thanks me for sending the money, describes his life in detail. — Letter from Dr. Türkel : he shares the content of the letter he has received from Dr. Friedmann and reminds me of my duty to the discipline. — Between 3 o'clock and 3:30, we stand in line for marmalade at Meinl; Lie-Liechen says that already at 9 o'clock in the morning the employees basically had no more to sell, so that they could have plenty of time and opportunity to unpack the marmalade delivery that arrived at the same hour. Nonetheless, the shop did not open until a few minutes after 3 o'clock since, apparently, the store manager had not yet turned up; and when I entered the shop at 3:15, to urge them with the sale of it, I myself saw how the employees were only just placing the glasses on the table. One of them said: "I cannot take action now, I must first unpack. Not until 3:45 did the sale begin, in which only small jars were given out. It seems that Lie-Liechen is correct in her surmise that the large jars are reserved for those who will pay for them. —

— Letter to Dodi: a few words about our dear mother's accident, on Tonschl's favorable relocation; we are already looking forward in anticipation of the dispatch of eggs; and finally I add a few humorous words about Wilhelm's 55th birthday. — Revolution in St. Petersburg ! 1 Understandably, the first reports are all in conflict with one another. {622} Is it a hunger revolt, or a political one, or both? If political, then even England may have had a hand in it, and played its part in getting rid of the Czar who, worn out by the world war, may have already been keener than England to reach a separate peace.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "Ausbruch einer Revolution in Rußland. Verhaftung der Minister und Uebergang der Macht an einen Ausschuß der Duma" and "Wo ist der Zar?," Neue Freie Presse, No. 18880, March 15, 1917, evening edition, pp. 1-2.