10. IV. 17 +3°, bewölkt u. kalt.
— Vergeblicher Versuch zu Dr. Frühmann zu gelangen; für morgen vertagt. — Aus M.-Schönberg von Hans 2 Brote. — Von Brünauer 2 kg Cacao u. 50 Stück Teegebäck. — In Rußland trumpft My Miljukow neuerdings auf. 1 Die Unvornehmheit der Gegner in Denkweise u. Sprache zieht immer weitere Kreise – dem Deutschen hat aber die Vornehmheit noch keinen Feind vom Halse gehalten. Soll aber Vornehmheit wirklich das sein u. bleiben was sie ist, so muß sie zum Siege geführt werden. Und da meine ich, daß die schwächliche sprachliche Subordination gegenüber den Gegnern ein schwerer Fehler gewesen, jedenfalls trug sie zur Verlängerung des Krieges nicht wenig bei. Kein Zweifel, daß sich dahinter die politische Zaghaftigkeit gegenüber den sich stets als Herren der Welt sich sich gebärdenden Engländern u. Franzosen verbirgt. Aber die Not des Krieges hätte die Deutschen endlich belehren sollen, daß auch die Sprache der Feinde mit einer sprachlichen Repressalie zu beantworten war, wie z. B. Handgranaten gegen Handgranaten u. sonst eine Waffe gegen die andere in Anwend- {647} ung gebracht wird. Man vergesse nicht, daß der Anschluß Amerikas als ein moralischer Erfolg nicht nur von der Entente, sondern auch von den Neutralen aufgefaßt bucht wurde. Sagt das nicht aber, daß keinerlei Unvornehmheit der in Gesinnung u. der Mittel Hindernis sein kann, etwas von Grund aus so Unmoralisches, wie es der Anschluß Amerikas ist, gleichwohl noch für ein moralisches Faktum zu nehmen? — Je ehrlicher die deutsche Presse, desto schwieriger gestaltet sich die Lage der Regierung, die täglich nur millionenfache Wünsche u. Beschwerden zu hören bekommt, u. sie aber alle selbstverständlich zu erfüllen weder vermag, noch auch beim besten Willen sich gestatten dürfte. Während die Bestechlichkeit der Presse z. B. in Frankreich, England, Amerika der Regierung es möglich macht, nach einheitlich konzipierten Plänen u. Schlagworten das Volk zu beeinflussen, was während des eines Krieges vom blos rein mechanisch praktischen Standpunkt gesehen sicher nur willkommen sein kann, differenziert die Ehrlichkeit der deutschen politischen Schriftsteller die Situation u. die Schwierigkeiten ins Unendliche, u. da umso lauter die Schreier auf das Recht der freien Meinung pochen, je ehrlicher u. patriotischer sie es in der Tat meinen. —© Transcription Marko Deisinger. |
April 10, 1917. +3°, cloudy and cold.
— Unsuccessful attempt to get to Dr. Frühmann; postponement until tomorrow. — From Mährisch-Schönberg, two loaves of bread from Hans. — From Brünauer, 2 kilograms of cocoa and 50 tea biscuits. — In Russia, Milyukov makes recent boasts. 1 The ignobility of our enemies in thought and speech draws ever wider circles – but the German's nobility has not yet kept any enemy at bay. If nobility should really be and remain that what it is, then it must be led to victory. And here I mean that our linguistic subordination to our opponents has been a grave mistake, in any event it has contributed not a little to the prolongation of the war. No doubt that political cautiousness hides behind it, compared to the English and French who always behave as if they were the lords of the world. But the hardship of the war ought finally to have taught the Germans that the speech of the enemies must be answered with a linguistic reprisal, as a hand grenade is used against a hand grenade, and likewise for any other weapon. {647} One should not forget that the annexation of America was reckoned as a moral victory not only for the Entente but also for the neutral countries. But does not this tell us that no ignobility in attitude and means can be an obstacle to taking something as basically immoral as America's annexation as a moral fact? — The more honorable the German press is, the more difficult becomes the position of the government, which daily gets to hear millionfold wishes and complaints which, it of course is neither capable of fulfilling nor, with the best will in the world, ought it be allowed to do so. Whereas the corruptibility of the press, for example in France, England and America, make it possible for those governments to influence the people, according to coherently conceived plans and slogans, something that for sure can only be welcomed during a war, from a purely mechanical and practical standpoint, the honesty of German political writers diversify the situation and the difficulties to an infinite degree; for the louder the criers thump for the right of free speech, the more honestly and patriotically they actually mean it. —© Translation William Drabkin. |
10. IV. 17 +3°, bewölkt u. kalt.
— Vergeblicher Versuch zu Dr. Frühmann zu gelangen; für morgen vertagt. — Aus M.-Schönberg von Hans 2 Brote. — Von Brünauer 2 kg Cacao u. 50 Stück Teegebäck. — In Rußland trumpft My Miljukow neuerdings auf. 1 Die Unvornehmheit der Gegner in Denkweise u. Sprache zieht immer weitere Kreise – dem Deutschen hat aber die Vornehmheit noch keinen Feind vom Halse gehalten. Soll aber Vornehmheit wirklich das sein u. bleiben was sie ist, so muß sie zum Siege geführt werden. Und da meine ich, daß die schwächliche sprachliche Subordination gegenüber den Gegnern ein schwerer Fehler gewesen, jedenfalls trug sie zur Verlängerung des Krieges nicht wenig bei. Kein Zweifel, daß sich dahinter die politische Zaghaftigkeit gegenüber den sich stets als Herren der Welt sich sich gebärdenden Engländern u. Franzosen verbirgt. Aber die Not des Krieges hätte die Deutschen endlich belehren sollen, daß auch die Sprache der Feinde mit einer sprachlichen Repressalie zu beantworten war, wie z. B. Handgranaten gegen Handgranaten u. sonst eine Waffe gegen die andere in Anwend- {647} ung gebracht wird. Man vergesse nicht, daß der Anschluß Amerikas als ein moralischer Erfolg nicht nur von der Entente, sondern auch von den Neutralen aufgefaßt bucht wurde. Sagt das nicht aber, daß keinerlei Unvornehmheit der in Gesinnung u. der Mittel Hindernis sein kann, etwas von Grund aus so Unmoralisches, wie es der Anschluß Amerikas ist, gleichwohl noch für ein moralisches Faktum zu nehmen? — Je ehrlicher die deutsche Presse, desto schwieriger gestaltet sich die Lage der Regierung, die täglich nur millionenfache Wünsche u. Beschwerden zu hören bekommt, u. sie aber alle selbstverständlich zu erfüllen weder vermag, noch auch beim besten Willen sich gestatten dürfte. Während die Bestechlichkeit der Presse z. B. in Frankreich, England, Amerika der Regierung es möglich macht, nach einheitlich konzipierten Plänen u. Schlagworten das Volk zu beeinflussen, was während des eines Krieges vom blos rein mechanisch praktischen Standpunkt gesehen sicher nur willkommen sein kann, differenziert die Ehrlichkeit der deutschen politischen Schriftsteller die Situation u. die Schwierigkeiten ins Unendliche, u. da umso lauter die Schreier auf das Recht der freien Meinung pochen, je ehrlicher u. patriotischer sie es in der Tat meinen. —© Transcription Marko Deisinger. |
April 10, 1917. +3°, cloudy and cold.
— Unsuccessful attempt to get to Dr. Frühmann; postponement until tomorrow. — From Mährisch-Schönberg, two loaves of bread from Hans. — From Brünauer, 2 kilograms of cocoa and 50 tea biscuits. — In Russia, Milyukov makes recent boasts. 1 The ignobility of our enemies in thought and speech draws ever wider circles – but the German's nobility has not yet kept any enemy at bay. If nobility should really be and remain that what it is, then it must be led to victory. And here I mean that our linguistic subordination to our opponents has been a grave mistake, in any event it has contributed not a little to the prolongation of the war. No doubt that political cautiousness hides behind it, compared to the English and French who always behave as if they were the lords of the world. But the hardship of the war ought finally to have taught the Germans that the speech of the enemies must be answered with a linguistic reprisal, as a hand grenade is used against a hand grenade, and likewise for any other weapon. {647} One should not forget that the annexation of America was reckoned as a moral victory not only for the Entente but also for the neutral countries. But does not this tell us that no ignobility in attitude and means can be an obstacle to taking something as basically immoral as America's annexation as a moral fact? — The more honorable the German press is, the more difficult becomes the position of the government, which daily gets to hear millionfold wishes and complaints which, it of course is neither capable of fulfilling nor, with the best will in the world, ought it be allowed to do so. Whereas the corruptibility of the press, for example in France, England and America, make it possible for those governments to influence the people, according to coherently conceived plans and slogans, something that for sure can only be welcomed during a war, from a purely mechanical and practical standpoint, the honesty of German political writers diversify the situation and the difficulties to an infinite degree; for the louder the criers thump for the right of free speech, the more honestly and patriotically they actually mean it. —© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 "Eine Kriegsrede Miljukows. Deutschland das Friedenshindernis. Die Meerengenfrage. Die Aufteilung Oesterreich-Ungarns," Neue Freie Presse, No. 18905, April 10, 1917, p. 3. |