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25. VII. 17 Bodennebel, wolkenlos.

— An Fl. (K.OJ 8/3, [43]): zwei Schnadahüpfeln, 1 von der Buchenwirtin das erste, 2 das zweite lautet:

Mit groß-großer Tasche in den Wald
jüngst zogen wir aus auf Pilze;
zurück wir kamen zwar nicht gar bald,
doch die Tasche nur leer man hieltse (!)


— Von Halm (K.OJ 11/35, 9[b]): dankt für Auskunft, wie auch für die von Cotta über meine Order empfangenen I u. II1, (die er „ erst jetzt“ kennen gelernt haben will). — Von Fr. Bednař (K.): dankt für die unsrige [Karte], raubt uns aber die Aussicht auf Kartoffeln. — 9–¾11h auf dem Weg zur Seefelderspitze, . Der Weg, der schöne, liebliche, zuweilen auch hochalpine Scenen bietet. , stellt im Grunde eine Schlucht vor, die von einem Wässerchen durchzogen wird; beim Eintritt in die Schlucht begrüßen wir vor allem eben dieses mit besonderem Wohlgefallen aus der Erfahrung, daß dem den stummen Bergen u. Felsen nichts so gut ansteht, als die Beredtsamkeit [sic] eines Bächleins. Wie überrascht waren wir dann aber in der Folge zu bemerken, daß im Bachbett alles Wasser irgendwie zu stocken u. zu verstumm ten schien, da sich eine große Strecke weit nur Steine u. Balken sich zeigten, aber nirgend auch nur das leiseste Flüstern eines Tropfens. Wir standen vor einem Rätsel, das uns lange äng- {728} stigte, bis wir, an einer höheren Stelle angelangt, zu unserer nun um desto gesteigerteren Genugtuung wieder das Wasser zu Gesicht u. Ohr bekamen. Auf dem Rückwege konnten wir dann aber auch genau die Stelle finden, an der das Wasser sich offenbar unter die Steine verliert, um erst nach geraumem Weg wieder an die Oberfläche zu treten. — 5–½7h im Walde, W. M. W. 3 fortsetzend; Lie-Liechen arbeitet. Auf der Bank sitzend vernehme nun auch ich zum erstenmale Schüsse vom Kampffeld, von denen mir Lie-Liechen schon so oft erzählte. Die Lage meines Erkerzimmers, das hauptsächlich dem Nordwind ausgesetzt ist, macht es mir unmöglich, Erschütterungen, die aus dem Süden kommen, rein zu vernehmen, während das Zimmer Lie-Liechens, dessen Fenster eben nach der südlichen Öffnung der Berge hinausgehen, einen solchen Rapport durch die Luft zu ermöglichen. Die Detonationen wie auch ihre deren Folge waren sehr deutlich zu hören. — Der Abendbericht meldet einen sensationellen Erfolg der deutsch-oesterreichischen Offensive in Ostgalizien ; 4 es darf schon heute von einer Wiedereroberung Ostgaliziens gesprochen werden. Wenn ich mich nicht täusche, dürfte wohl endlich dieses Ereignis einen Sonderfrieden mit Rußland herbeiführen, dem sich dann erst allmälig vielleicht auch der allgemeine Frieden anschließen dürfte. — Abends auf dem Balkon W. M. W. II. Buch 5 zuende gelesen. — An Frl. Elias (K.): Erkundigung nach dem Ausgang der Angelegenheit ihres Bruders. — In den bedeutendsten Dingen halten die Menschen es für überaus wichtig, Geheimnis walten zu lassen, dem zuliebe sie eigens die sonderbar esten Formen ersinnen, um die Menschen anzulocken, zu beschäftigen u. festzuhalten (Religion, Kultus, Freimauerei usf.). Sonderbarerweise trauen die Menschen aber dem Schöpfer nicht zu, daß nun auch er sich ihnen gegenüber einer Geheimnistuerei bediene, um die Menschen in steter Spannung über das Unerforschliche zu halten. Was würde denn aus der Menschheit, wenn sie heute alle Rätsel der Schöpfung bereits wüßte? — Ist dem Singvogel der Gesang als Lebensluxus von Natur aus verliehen, so ist anzunehmen, daß auch den anderen Tieren das Geschenk eines gewissen Schmuckes nicht vorenthalten ist; nur scheinen die Menschen hinter diese Rätsel {729} noch gar nicht gekommen zu sein. —

© Transcription Marko Deisinger.

July 25, 1917. Ground mist, cloudless.

— PostcardOJ 8/3, [43] to Floriz: two Schnaderhüpfeln, 1 the first about the landlady in Buchen, 2 the second as follows:

With a very large bag,
In a forest we were stranded;
Looked a long time for mushrooms
But returned empty-handed (!)


— PostcardOJ 11/35, 9[b] from Halm : he thanks me for the information, and also for the copies of [Neue musikalische Theorien und Phantasien,] vol. I and vol. II1 (which he wants to get to know "only now"). — Postcard from Mrs. Bednař: she thanks us for our card, but deprives us of the prospect of potatoes. — From 9 o'clock to 10:45, on the path to the Seefelderspitze. The track, which offers beautiful, charming but at times high alpine views, is essentially a ravine that follows the course of a stream; when we enter the ravine, we encounter this very stream with the special pleasure gained from the experience that nothing befits the silent mountains and cliffs so well as the eloquence of a little brook. How surprised we were, then, to observe later that all the water in the bed of the brook had somehow seemed to slow down and grow silent, as a large stretch showed only stones and beams, but nowhere even the quietest whisper of a drop. We stood in front of a mystery that frightened us for a long time {728} until, having reached a higher point, we saw and heard the water again, to our all-the-greater satisfaction. On the return trip we could find the exact place where the water disappears beneath the stones and comes to the surface only after a considerable distance. — From 5 to 6:30 in the forest, continuing Wilhelm Meister's Journeyman Years; 3 Lie-Liechen works. Sitting on the bench, I too now hear, for the first time, shots from the battlefield, about which Lie-Liechen has already so often told me. The position of my bay window, which is exposed mainly to the north wind, makes it impossible for me to perceive clearly vibrations that come from the south, whereas Lie-Liechen's room whose windows open to the mountains on the south, make it possible for such military reports to travel through the air. The detonations and also their consequence were clearly audible. — The evening news reports a sensational success of the German-Austrian offensive in eastern Galicia ; 4 one can already speak today of a reconquest of eastern Galicia. If I am not mistaken, this event can surely lead to a separate peace with Russia, to which a general peace accord might then gradually be linked. — In the evening on the balcony, Book II of Wilhelm Meister's Journeyman Years 5 finished. — Postcard to Miss Elias: enquiry about the outcome of the matter concerning her brother. — In the most significant things, people regard it as of the utmost important for secrecy to prevail, for the sake of which they conceive the strangest ways of engaging, occupying and retaining others (religion, cult, freemasonry, and so on). Oddly, however, they do not trust the Creator that he, too, may avail himself of a secretiveness with respect to themselves, to hold people in constant tension about that which is unfathomable. For what would come of humanity if it already now knew all the mysteries of creation? — If the song of songbirds is a luxury of life granted by nature, then it may be accepted that for other animals, too, the gift of a certain adornment is not withheld; only people seem not yet to have understood this mystery at all. {729}

© Translation William Drabkin.

25. VII. 17 Bodennebel, wolkenlos.

— An Fl. (K.OJ 8/3, [43]): zwei Schnadahüpfeln, 1 von der Buchenwirtin das erste, 2 das zweite lautet:

Mit groß-großer Tasche in den Wald
jüngst zogen wir aus auf Pilze;
zurück wir kamen zwar nicht gar bald,
doch die Tasche nur leer man hieltse (!)


— Von Halm (K.OJ 11/35, 9[b]): dankt für Auskunft, wie auch für die von Cotta über meine Order empfangenen I u. II1, (die er „ erst jetzt“ kennen gelernt haben will). — Von Fr. Bednař (K.): dankt für die unsrige [Karte], raubt uns aber die Aussicht auf Kartoffeln. — 9–¾11h auf dem Weg zur Seefelderspitze, . Der Weg, der schöne, liebliche, zuweilen auch hochalpine Scenen bietet. , stellt im Grunde eine Schlucht vor, die von einem Wässerchen durchzogen wird; beim Eintritt in die Schlucht begrüßen wir vor allem eben dieses mit besonderem Wohlgefallen aus der Erfahrung, daß dem den stummen Bergen u. Felsen nichts so gut ansteht, als die Beredtsamkeit [sic] eines Bächleins. Wie überrascht waren wir dann aber in der Folge zu bemerken, daß im Bachbett alles Wasser irgendwie zu stocken u. zu verstumm ten schien, da sich eine große Strecke weit nur Steine u. Balken sich zeigten, aber nirgend auch nur das leiseste Flüstern eines Tropfens. Wir standen vor einem Rätsel, das uns lange äng- {728} stigte, bis wir, an einer höheren Stelle angelangt, zu unserer nun um desto gesteigerteren Genugtuung wieder das Wasser zu Gesicht u. Ohr bekamen. Auf dem Rückwege konnten wir dann aber auch genau die Stelle finden, an der das Wasser sich offenbar unter die Steine verliert, um erst nach geraumem Weg wieder an die Oberfläche zu treten. — 5–½7h im Walde, W. M. W. 3 fortsetzend; Lie-Liechen arbeitet. Auf der Bank sitzend vernehme nun auch ich zum erstenmale Schüsse vom Kampffeld, von denen mir Lie-Liechen schon so oft erzählte. Die Lage meines Erkerzimmers, das hauptsächlich dem Nordwind ausgesetzt ist, macht es mir unmöglich, Erschütterungen, die aus dem Süden kommen, rein zu vernehmen, während das Zimmer Lie-Liechens, dessen Fenster eben nach der südlichen Öffnung der Berge hinausgehen, einen solchen Rapport durch die Luft zu ermöglichen. Die Detonationen wie auch ihre deren Folge waren sehr deutlich zu hören. — Der Abendbericht meldet einen sensationellen Erfolg der deutsch-oesterreichischen Offensive in Ostgalizien ; 4 es darf schon heute von einer Wiedereroberung Ostgaliziens gesprochen werden. Wenn ich mich nicht täusche, dürfte wohl endlich dieses Ereignis einen Sonderfrieden mit Rußland herbeiführen, dem sich dann erst allmälig vielleicht auch der allgemeine Frieden anschließen dürfte. — Abends auf dem Balkon W. M. W. II. Buch 5 zuende gelesen. — An Frl. Elias (K.): Erkundigung nach dem Ausgang der Angelegenheit ihres Bruders. — In den bedeutendsten Dingen halten die Menschen es für überaus wichtig, Geheimnis walten zu lassen, dem zuliebe sie eigens die sonderbar esten Formen ersinnen, um die Menschen anzulocken, zu beschäftigen u. festzuhalten (Religion, Kultus, Freimauerei usf.). Sonderbarerweise trauen die Menschen aber dem Schöpfer nicht zu, daß nun auch er sich ihnen gegenüber einer Geheimnistuerei bediene, um die Menschen in steter Spannung über das Unerforschliche zu halten. Was würde denn aus der Menschheit, wenn sie heute alle Rätsel der Schöpfung bereits wüßte? — Ist dem Singvogel der Gesang als Lebensluxus von Natur aus verliehen, so ist anzunehmen, daß auch den anderen Tieren das Geschenk eines gewissen Schmuckes nicht vorenthalten ist; nur scheinen die Menschen hinter diese Rätsel {729} noch gar nicht gekommen zu sein. —

© Transcription Marko Deisinger.

July 25, 1917. Ground mist, cloudless.

— PostcardOJ 8/3, [43] to Floriz: two Schnaderhüpfeln, 1 the first about the landlady in Buchen, 2 the second as follows:

With a very large bag,
In a forest we were stranded;
Looked a long time for mushrooms
But returned empty-handed (!)


— PostcardOJ 11/35, 9[b] from Halm : he thanks me for the information, and also for the copies of [Neue musikalische Theorien und Phantasien,] vol. I and vol. II1 (which he wants to get to know "only now"). — Postcard from Mrs. Bednař: she thanks us for our card, but deprives us of the prospect of potatoes. — From 9 o'clock to 10:45, on the path to the Seefelderspitze. The track, which offers beautiful, charming but at times high alpine views, is essentially a ravine that follows the course of a stream; when we enter the ravine, we encounter this very stream with the special pleasure gained from the experience that nothing befits the silent mountains and cliffs so well as the eloquence of a little brook. How surprised we were, then, to observe later that all the water in the bed of the brook had somehow seemed to slow down and grow silent, as a large stretch showed only stones and beams, but nowhere even the quietest whisper of a drop. We stood in front of a mystery that frightened us for a long time {728} until, having reached a higher point, we saw and heard the water again, to our all-the-greater satisfaction. On the return trip we could find the exact place where the water disappears beneath the stones and comes to the surface only after a considerable distance. — From 5 to 6:30 in the forest, continuing Wilhelm Meister's Journeyman Years; 3 Lie-Liechen works. Sitting on the bench, I too now hear, for the first time, shots from the battlefield, about which Lie-Liechen has already so often told me. The position of my bay window, which is exposed mainly to the north wind, makes it impossible for me to perceive clearly vibrations that come from the south, whereas Lie-Liechen's room whose windows open to the mountains on the south, make it possible for such military reports to travel through the air. The detonations and also their consequence were clearly audible. — The evening news reports a sensational success of the German-Austrian offensive in eastern Galicia ; 4 one can already speak today of a reconquest of eastern Galicia. If I am not mistaken, this event can surely lead to a separate peace with Russia, to which a general peace accord might then gradually be linked. — In the evening on the balcony, Book II of Wilhelm Meister's Journeyman Years 5 finished. — Postcard to Miss Elias: enquiry about the outcome of the matter concerning her brother. — In the most significant things, people regard it as of the utmost important for secrecy to prevail, for the sake of which they conceive the strangest ways of engaging, occupying and retaining others (religion, cult, freemasonry, and so on). Oddly, however, they do not trust the Creator that he, too, may avail himself of a secretiveness with respect to themselves, to hold people in constant tension about that which is unfathomable. For what would come of humanity if it already now knew all the mysteries of creation? — If the song of songbirds is a luxury of life granted by nature, then it may be accepted that for other animals, too, the gift of a certain adornment is not withheld; only people seem not yet to have understood this mystery at all. {729}

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 Schnaderhüpfl (or Gstanzl): traditional type of dialect songs particularly known in the Austrian-Bavarian regions.

2 See entry for July 19, 1917.

3 Johann Wolfgang von Goethe, Wilhelm Meisters Wanderjahre oder die Entsagenden (Wilhelm Meister's Journeyman Years, or the Renunciants), the first edition appeared in 1821 (Stuttgart, Tübingen: Cotta), and the second edition – differing substantially from the first – in 1829 (Stuttgart, Tübingen: Cotta).

4 "Einnahme von Stanislau, Nadworna und Tarnopol. Durch österreichisch-ungarische und deutsche Truppen" and "Die großen Erfolge der verbündeten Truppen. Innere Zersetzung der russischen Heere," Neue Freie Presse, No. 19010, July 25, 1917, evening edition, p. 1.

5 See footnote 3.