1. April 1918 Oster-Montag, +3°, ein wenig bedeckt; – doch noch im Laufe des Vormittags erstrahlt der Tag in schönster Frühlingspracht.

— Spaziergang von 10h ab. —Zum Tisch setzt sich ein Nordbahnbeamter, der über die Mädchen u. Frauen in seinem {868} Büro heftigste Anklage führt; er stellt das Betragen derselben im grellsten Lichte dar u. ihre Wirksamkeit nur als Schädigung des Betriebes wie der Disziplin. —Von Sophie Paket trotz Feiertags: 2 Brote; der Bote, ein Soldat, erzählt, die Hausbesorgerin habe ihm das letzte mal nichts gegeben, da sie, wie er wenigstens sagte, nicht wisse, wie viel die Partei gebe. —Extraausgabe meldet weitere Fortschritte. —Aus den Osterblättern: „N. Fr. Pr.“: Dr. Lechner "„Die Kleinstaaterei“"; 1 ein vielfach glänzend gehaltener Aufsatz; Harnack: "„Die Religion im Weltkriege“"; 2 daraus vor allem, daß die Kirche schon im IV. Jhdt. den Krieg zwischen den Völkern als unabwendbar hinnahm; Lujo Brentano: "„Ein Vorschlag in der Rohstoffrage nach dem Kriege“" 3 —greift zurück auf einen Vorschlag von Siemens: wirtschaftliche Beteiligung der Mächtegruppen nach einem bestimmten Schlüssel. "„N. W. Tgbl.“: " Friedjung: "„Die aufgezwungene Weltherrschaft“"; 4 eine sehr treffende Idee, Deutschland als einen Staat hinzustellen, der auf Weltherrschaft gar nicht ausgegangen, dem seine Gegner aber unfreiwillig sie zuschieben; Prof. Erwin Stransky "„die Psyche des Hinterlandes[“]" 5 (mit bittern Anklagen wider das Frauengeschlecht). „Arbeiter Ztg.“: "„Individualistischer u. kollektivistischer Kapitalismus“" 6 (im Gegensatz zum proletarischen Kollektivismus, dem, wie der Verfasser meint, die Zukunft winkt[)]; "„Das Glücksrittertum“" 7 —wider die Kriegsgewinner; "„Czernins Programm“": 8 eine Absage an Czernin, weil er angeblich den Gedanken der Verständigung fallen gelassen; "„Die Mahnung des Osterfestes“" 9 von Max Adler: unerlaubte Transposition christlicher u. Kantischer Gedanken auf den gegenwärtigen Krieg, für alle diese ethischen u. religiösen Erörterungen wäre die Zeit nach dem Friedenschluß [sic] erst die geeignete.

Abends +11°. —

© Transcription Marko Deisinger.

April 1, 1918 Easter Monday, +3°, a little cloudy; – but already during the course of the morning the day radiates in the most beautiful splendor of springtime.

— A walk starting at 10 o'clock. —An official of the Northern Railway sits down at the table, bitterly cursing the girls and women in his {868} office; he depicts their behavior in the most awful light and their work as nothing but injurious to operations and to discipline. —A package from Sophie despite the holiday: 2 loaves of bread; the messenger, a soldier, tells that the housekeeper gave him nothing the last time since, at least according to him, she did not know how much the tenants would give [[as a tip]]. —Special edition announces new advances. —From the Easter news: „N. Fr. Pr.“: Dr. Lechner "„Small-Stateness“"; 1 in many ways a brilliant essay; Harnack: "„Religion in the World War“"; 2 from this above all that the Church accepted the inevitability of war between peoples already in the fourth century; Lujo Brentano: "„A Proposal in the Question of Raw Materials After the War“" 3 — takes up a proposal by Siemens: economic participation by the alliance powers according to a specific formula. „N. W. Tgbl.“: Friedjung: "„The Forced World Dominion“"; 4 a very apt idea, presenting Germany as a nation that had no ambitions to rule the world but was forced into this role by her enemies; Prof. Erwin Stransky "„The Psyche of the Hinterland[“]" 5 (with bitter accusations against the female sex). „Arbeiter Ztg.“: "„Individualistic and Collectivistic Capitalism“" 6 (as opposed to proletarian collectivism, which, in the opinion of the author, holds a promising future[)]; "„Fortune-Hunting“" 7 — against the profiteers of the war; "„Czernin's Program“": 8 eine Absage an Czernin, because he has supposedly abandoned the idea of conciliation; "„The Admonition of Eastertide“" 9 by Max Adler: impermissible transposition of Christian and Kantian ideas applied to the present war, only after the peace accord will it be the right time for all of these ethical and religious explorations.

Evening +11°. —

© Translation Morten Solvik.

1. April 1918 Oster-Montag, +3°, ein wenig bedeckt; – doch noch im Laufe des Vormittags erstrahlt der Tag in schönster Frühlingspracht.

— Spaziergang von 10h ab. —Zum Tisch setzt sich ein Nordbahnbeamter, der über die Mädchen u. Frauen in seinem {868} Büro heftigste Anklage führt; er stellt das Betragen derselben im grellsten Lichte dar u. ihre Wirksamkeit nur als Schädigung des Betriebes wie der Disziplin. —Von Sophie Paket trotz Feiertags: 2 Brote; der Bote, ein Soldat, erzählt, die Hausbesorgerin habe ihm das letzte mal nichts gegeben, da sie, wie er wenigstens sagte, nicht wisse, wie viel die Partei gebe. —Extraausgabe meldet weitere Fortschritte. —Aus den Osterblättern: „N. Fr. Pr.“: Dr. Lechner "„Die Kleinstaaterei“"; 1 ein vielfach glänzend gehaltener Aufsatz; Harnack: "„Die Religion im Weltkriege“"; 2 daraus vor allem, daß die Kirche schon im IV. Jhdt. den Krieg zwischen den Völkern als unabwendbar hinnahm; Lujo Brentano: "„Ein Vorschlag in der Rohstoffrage nach dem Kriege“" 3 —greift zurück auf einen Vorschlag von Siemens: wirtschaftliche Beteiligung der Mächtegruppen nach einem bestimmten Schlüssel. "„N. W. Tgbl.“: " Friedjung: "„Die aufgezwungene Weltherrschaft“"; 4 eine sehr treffende Idee, Deutschland als einen Staat hinzustellen, der auf Weltherrschaft gar nicht ausgegangen, dem seine Gegner aber unfreiwillig sie zuschieben; Prof. Erwin Stransky "„die Psyche des Hinterlandes[“]" 5 (mit bittern Anklagen wider das Frauengeschlecht). „Arbeiter Ztg.“: "„Individualistischer u. kollektivistischer Kapitalismus“" 6 (im Gegensatz zum proletarischen Kollektivismus, dem, wie der Verfasser meint, die Zukunft winkt[)]; "„Das Glücksrittertum“" 7 —wider die Kriegsgewinner; "„Czernins Programm“": 8 eine Absage an Czernin, weil er angeblich den Gedanken der Verständigung fallen gelassen; "„Die Mahnung des Osterfestes“" 9 von Max Adler: unerlaubte Transposition christlicher u. Kantischer Gedanken auf den gegenwärtigen Krieg, für alle diese ethischen u. religiösen Erörterungen wäre die Zeit nach dem Friedenschluß [sic] erst die geeignete.

Abends +11°. —

© Transcription Marko Deisinger.

April 1, 1918 Easter Monday, +3°, a little cloudy; – but already during the course of the morning the day radiates in the most beautiful splendor of springtime.

— A walk starting at 10 o'clock. —An official of the Northern Railway sits down at the table, bitterly cursing the girls and women in his {868} office; he depicts their behavior in the most awful light and their work as nothing but injurious to operations and to discipline. —A package from Sophie despite the holiday: 2 loaves of bread; the messenger, a soldier, tells that the housekeeper gave him nothing the last time since, at least according to him, she did not know how much the tenants would give [[as a tip]]. —Special edition announces new advances. —From the Easter news: „N. Fr. Pr.“: Dr. Lechner "„Small-Stateness“"; 1 in many ways a brilliant essay; Harnack: "„Religion in the World War“"; 2 from this above all that the Church accepted the inevitability of war between peoples already in the fourth century; Lujo Brentano: "„A Proposal in the Question of Raw Materials After the War“" 3 — takes up a proposal by Siemens: economic participation by the alliance powers according to a specific formula. „N. W. Tgbl.“: Friedjung: "„The Forced World Dominion“"; 4 a very apt idea, presenting Germany as a nation that had no ambitions to rule the world but was forced into this role by her enemies; Prof. Erwin Stransky "„The Psyche of the Hinterland[“]" 5 (with bitter accusations against the female sex). „Arbeiter Ztg.“: "„Individualistic and Collectivistic Capitalism“" 6 (as opposed to proletarian collectivism, which, in the opinion of the author, holds a promising future[)]; "„Fortune-Hunting“" 7 — against the profiteers of the war; "„Czernin's Program“": 8 eine Absage an Czernin, because he has supposedly abandoned the idea of conciliation; "„The Admonition of Eastertide“" 9 by Max Adler: impermissible transposition of Christian and Kantian ideas applied to the present war, only after the peace accord will it be the right time for all of these ethical and religious explorations.

Evening +11°. —

© Translation Morten Solvik.

Footnotes

1 "Kleinstaaterei. Von Reichsratsabgeordneten Dr. Otto Lechner. Wien, 30. März," in: Neue Freie Presse , No. 19252, March 31, 1918, morning edition, p. 9.

2 "Die Religion im Weltkriege. Von Adolf v. Harnack. Wirklicher Geheimer Rat, auswärtiges Ehrenmitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Berlin, 28. März," in: Neue Freie Presse , No. 19252, March 31, 1918, morning edition, pp. 5–6.

3 "Ein Vorschlag in der Rohstoffrage nach dem Kriege. Das zukünftige Verhältnis von Deutschland und Amerika. Von Lujo Brentano. Scheveningen, im März," in: Neue Freie Presse , No. 19252, March 31, 1918, morning edition, pp. 7–8.

4 "Die aufgezwungene Weltherrschaft. Von Heinrich Friedjung," in: Neues Wiener Tagblatt , No. 86, March 31, 1918, 52nd year, pp. 2–3.

5 "Die Psyche des Hinterlandes. Von Universitätsprofessor Dr. Erwin Stransky," in: Neues Wiener Tagblatt , No. 86, March 31, 1918, 52nd year, pp. 12–13.

6 "Individualistischer und kollektivistischer Kapitalismus," in: Arbeiter-Zeitung , No. 86, March 31, 1918, 30th year, pp. 3–4.

7 "Das Glücksrittertum," in: Arbeiter-Zeitung , No. 86, March 31, 1918, 30th year, pp. 2–3.

8 "Czernins Programm," in: Arbeiter-Zeitung , No. 86, March 31, 1918, 30th year, p. 1.

9 "Die Mahnung des Osterfestes. Von Max Adler," in: Arbeiter-Zeitung , No. 86, March 31, 1918, 30th year, pp. 1–2.