26.
17°, schön u. kühl.
— N. Fr. Pr. 110000 Kronen für Juli – August erlegt. — Zigarren 180000 Kronen. — Cube auf 5 Dollar erhöht; er stimmt zu, meint, daß er unter allen Umständen kommt, der Vater muß sich anstrengen. — Hammer, 3–4h, letzte Sitzung! Das Bild fällt, wie Lie-Liechen versichert, ganz vortrefflich aus ;. Seltsame Wendungen fallen im Gespräch: Hammer bekennt sich zu einer internationalen Gesinnung, ich zur nationalen u. ich ziehe sogar wider die Semiten los. Sie, die schon ihr eigenes Land, Geschichte, Poesie, Kultur überhaupt verloren haben, können nie mehr eine eigene Kultur zurückerobern, weil diese an eine eigene Heimat gebunden ist. Und wäre der König, die Königin noch so schmachvoll u. lasterhaft, ein eigener König ist es doch, u. es läutert sich das Volk am König, der König am Volk u. die Dichter sprechen die Buße aus. Aber was bedeuten Schicksale fremder Könige in der Poesie eines Volkes? Aus dem Herzen kommt es nicht u. geht folglich in die Dichtkunst nicht ein! Aus ihrem Unvermögen zur Kultur sind sie unempfindlich gegen wahre Kultur überhaupt u. verführen zumal ein Volk, das von Haus aus sich wegzuwerfen ge- {2684} neigt ist, zur Ueberbetonung von anationalen Momenten. Ich rufe aus: Die Königin eine Hure, meinetwegen, aber eine eigene Königin muß es sein. Das macht sichtlich auf Hammer einen überraschenden Eindruck. Er bohrt die Augen die meinen u. ruft aus: Das müssen Sie schreiben! Und es gelingt ihm dabei die schöne Wendung: „Aristokratie der Schande“. Beim Café drückt er sich nicht gerade glücklich aus u. scheint meine Rolle noch immer nicht richtig zu verstehn [sic]; er geht sogar so weit zu behaupten, Halm schreibe besser als ich, nur habe er es leichter, weil er nichts zu sagen hat. Wegen der Platte deutet er Pläne an: von 100 Stück spricht er, die Zeichnung behält er sich selbst, erhalte ich einige Exemplare, doch nicht zum verschenken, sondern zum aufbewahren, da ihr Wert immer steigen wird. Den Verkauf will er mit Umgehung eines Händlers vom Atelier aus selbst besorgen, dann will er die Platte vernichten. — 1 Um 6½h Prof. Pollak, um Abschied zu nehme; mit ihm u. Rothberger zum Konzert; vor dem Konzerthaus begegnen wir Hupka, der uns schon in der Wohnung gesucht hat; auch Jeral u. Frau sprechen wir; Hupka verspricht, uns in Tirol zu besuchen, er geht nach Köln. Hubermann [sic] ist sichtlich gewachsen, verfügt über alle Möglichkeiten der Tonbindung u. Licht- u. Schatten-Uebergänge, über alle Künste der Bogenführung, ist aber zugleich nachgiebig gegenüber gemeinsten Gelüsten, die er sogar ins Geschmacklose ausarten läßt. Spuren solcher Geschmacklosigkeit waren schon im Vortrag beider Konzerte zu hören – u. ich verstehe, was er meinte, als er von russischen Sängern u. Spielern in Newyork viel gelernt zu haben behauptete – am ärgsten freilich ließ er sich gehen in Brahms’ Ungarischen Tänzen, die er peinlich dilettantisch mit Verwischung des Rhythmus vortrug. — Wir werden von Warburg, Frl. Elias, u. Kahn, Frau Pairamall im Saal angesprochen. — Spät zu Bett. — {2685} © Transcription Marko Deisinger. |
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17°, nice and cool.
— Neue Freie Presse paid 110,000 Kronen for July–August. — Cigars 180,000 Kronen. — Increased Cube's fee to 5 dollars; he accepts, declares that he will come whatever the circumstances, his father will have to exert himself. — Hammer, 3:00–4:00, last sitting! The picture has turned out quite splendidly, as Lie-Liechen assures [me] ;. Odd twists and turns occur in the discussion: Hammer professes an international viewpoint, I a national one and I even declaim against the Semites. Having altogether lost their own country, history, poetry, culture, they can never again recapture their own culture, because that is bound up with one's own homeland. And no matter how ignominious and profligate the king and queen may be, they are at least one's own king, the people reforming themselves through the king, and the king himself through the people, wile the poets articulate their penitence. What, though, do the fates of foreign kings mean for the poetry of a people? It does not come from the heart and as a result cannot transpierce the poetic arts! In any case, through their incapacity for culture, they are insensitive towards true art, seducing in particular any people that by nature tends to repudiate itself, {2684} to overemphasize any anti-nationalist momentum. I vociferate: for all I care, the queen may be a whore, but she has to be one's own queen. This obviously makes a surprising impression on Hammer. He bores into my eyes with his, yelling: you must write that down! And in so doing succeeds in finding the fine phrase: "aristocracy of shame." Over coffee, he does not exactly express himself too aptly and seems still not to understand my role correctly; he actually goes so far as to maintain that Halm writes better than I do, but has an easier time of it because he has nothing to say. Regarding the plate, he indicates his plans: he speaks of 100 pieces, he will keep the mezzotint drawing himself, I will receive several copies, though not for giving away but for keeping in store, since their value will continue to increase. He wishes to deal with the sale himself from the atelier, circumventing a dealer, then wishes to destroy the plate. — 1 g At 6:30 Prof. Pollak, to take his leave; with him and Rothberger to the concert; in front of the Konzerthaus we run into Hupka, who already sought us at the apartment; we also speak to Jeral and his wife; Hupka promises to visit us in Tyrol, he is going to Cologne. Hubermann [sic] is visibly grown, commanding all the possibilities of tone connection and gradations of light and shade, all the techniques of bowing, but at the same time yielding to the commonest of desires, which he allows to deteriorate even into tastelessness. Traces of such tastelessness were already audible in his performance at both concerts – and I understand what he means when he asserts that he has learned much from Russian singers and players in New York – sure enough, he let himself go most dreadfully in Brahms' Hungarian Dances, which he performed with embarrassing dilettantism, blurring the rhythm. — We are greeted by Warburg, Miss Elias, and Kahn, Mrs. Pairamall in the hall. — Late to bed. {2685} —© Translation Stephen Ferguson. |
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17°, schön u. kühl.
— N. Fr. Pr. 110000 Kronen für Juli – August erlegt. — Zigarren 180000 Kronen. — Cube auf 5 Dollar erhöht; er stimmt zu, meint, daß er unter allen Umständen kommt, der Vater muß sich anstrengen. — Hammer, 3–4h, letzte Sitzung! Das Bild fällt, wie Lie-Liechen versichert, ganz vortrefflich aus ;. Seltsame Wendungen fallen im Gespräch: Hammer bekennt sich zu einer internationalen Gesinnung, ich zur nationalen u. ich ziehe sogar wider die Semiten los. Sie, die schon ihr eigenes Land, Geschichte, Poesie, Kultur überhaupt verloren haben, können nie mehr eine eigene Kultur zurückerobern, weil diese an eine eigene Heimat gebunden ist. Und wäre der König, die Königin noch so schmachvoll u. lasterhaft, ein eigener König ist es doch, u. es läutert sich das Volk am König, der König am Volk u. die Dichter sprechen die Buße aus. Aber was bedeuten Schicksale fremder Könige in der Poesie eines Volkes? Aus dem Herzen kommt es nicht u. geht folglich in die Dichtkunst nicht ein! Aus ihrem Unvermögen zur Kultur sind sie unempfindlich gegen wahre Kultur überhaupt u. verführen zumal ein Volk, das von Haus aus sich wegzuwerfen ge- {2684} neigt ist, zur Ueberbetonung von anationalen Momenten. Ich rufe aus: Die Königin eine Hure, meinetwegen, aber eine eigene Königin muß es sein. Das macht sichtlich auf Hammer einen überraschenden Eindruck. Er bohrt die Augen die meinen u. ruft aus: Das müssen Sie schreiben! Und es gelingt ihm dabei die schöne Wendung: „Aristokratie der Schande“. Beim Café drückt er sich nicht gerade glücklich aus u. scheint meine Rolle noch immer nicht richtig zu verstehn [sic]; er geht sogar so weit zu behaupten, Halm schreibe besser als ich, nur habe er es leichter, weil er nichts zu sagen hat. Wegen der Platte deutet er Pläne an: von 100 Stück spricht er, die Zeichnung behält er sich selbst, erhalte ich einige Exemplare, doch nicht zum verschenken, sondern zum aufbewahren, da ihr Wert immer steigen wird. Den Verkauf will er mit Umgehung eines Händlers vom Atelier aus selbst besorgen, dann will er die Platte vernichten. — 1 Um 6½h Prof. Pollak, um Abschied zu nehme; mit ihm u. Rothberger zum Konzert; vor dem Konzerthaus begegnen wir Hupka, der uns schon in der Wohnung gesucht hat; auch Jeral u. Frau sprechen wir; Hupka verspricht, uns in Tirol zu besuchen, er geht nach Köln. Hubermann [sic] ist sichtlich gewachsen, verfügt über alle Möglichkeiten der Tonbindung u. Licht- u. Schatten-Uebergänge, über alle Künste der Bogenführung, ist aber zugleich nachgiebig gegenüber gemeinsten Gelüsten, die er sogar ins Geschmacklose ausarten läßt. Spuren solcher Geschmacklosigkeit waren schon im Vortrag beider Konzerte zu hören – u. ich verstehe, was er meinte, als er von russischen Sängern u. Spielern in Newyork viel gelernt zu haben behauptete – am ärgsten freilich ließ er sich gehen in Brahms’ Ungarischen Tänzen, die er peinlich dilettantisch mit Verwischung des Rhythmus vortrug. — Wir werden von Warburg, Frl. Elias, u. Kahn, Frau Pairamall im Saal angesprochen. — Spät zu Bett. — {2685} © Transcription Marko Deisinger. |
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17°, nice and cool.
— Neue Freie Presse paid 110,000 Kronen for July–August. — Cigars 180,000 Kronen. — Increased Cube's fee to 5 dollars; he accepts, declares that he will come whatever the circumstances, his father will have to exert himself. — Hammer, 3:00–4:00, last sitting! The picture has turned out quite splendidly, as Lie-Liechen assures [me] ;. Odd twists and turns occur in the discussion: Hammer professes an international viewpoint, I a national one and I even declaim against the Semites. Having altogether lost their own country, history, poetry, culture, they can never again recapture their own culture, because that is bound up with one's own homeland. And no matter how ignominious and profligate the king and queen may be, they are at least one's own king, the people reforming themselves through the king, and the king himself through the people, wile the poets articulate their penitence. What, though, do the fates of foreign kings mean for the poetry of a people? It does not come from the heart and as a result cannot transpierce the poetic arts! In any case, through their incapacity for culture, they are insensitive towards true art, seducing in particular any people that by nature tends to repudiate itself, {2684} to overemphasize any anti-nationalist momentum. I vociferate: for all I care, the queen may be a whore, but she has to be one's own queen. This obviously makes a surprising impression on Hammer. He bores into my eyes with his, yelling: you must write that down! And in so doing succeeds in finding the fine phrase: "aristocracy of shame." Over coffee, he does not exactly express himself too aptly and seems still not to understand my role correctly; he actually goes so far as to maintain that Halm writes better than I do, but has an easier time of it because he has nothing to say. Regarding the plate, he indicates his plans: he speaks of 100 pieces, he will keep the mezzotint drawing himself, I will receive several copies, though not for giving away but for keeping in store, since their value will continue to increase. He wishes to deal with the sale himself from the atelier, circumventing a dealer, then wishes to destroy the plate. — 1 g At 6:30 Prof. Pollak, to take his leave; with him and Rothberger to the concert; in front of the Konzerthaus we run into Hupka, who already sought us at the apartment; we also speak to Jeral and his wife; Hupka promises to visit us in Tyrol, he is going to Cologne. Hubermann [sic] is visibly grown, commanding all the possibilities of tone connection and gradations of light and shade, all the techniques of bowing, but at the same time yielding to the commonest of desires, which he allows to deteriorate even into tastelessness. Traces of such tastelessness were already audible in his performance at both concerts – and I understand what he means when he asserts that he has learned much from Russian singers and players in New York – sure enough, he let himself go most dreadfully in Brahms' Hungarian Dances, which he performed with embarrassing dilettantism, blurring the rhythm. — We are greeted by Warburg, Miss Elias, and Kahn, Mrs. Pairamall in the hall. — Late to bed. {2685} —© Translation Stephen Ferguson. |
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