31. Schön.
— Telegramm an das Mädchen. — Von der Postmeisterin erfahren wir, daß die Lina mit Herrn Lorenz, der [sic] Pächter der Wiesbadener Hütte, verlobt gewesen, aber Verrat an ihm geübt habe, indem sie sich mit einem überdies häßlichen {2863} Soldaten einließ. Lorenz wurde gerade vom Militärdienst enthoben, da Lina das Kind zur Welt brachte. Sie hat sich durch diese Häßlichkeit ein freundliches Schicksal verscherzt. Auch hat sich an ihr gerächt, daß sie den Mut fand, Lie-Liechen von dem Kinde zu erzählen, mit keiner Silbe aber zu erzählen erwähnen, daß sie einen Fehler zu büßen habe. Hätte sie sich uns ganz eröffnet, vielleicht hätten wir ihr noch den Weg weisen können. Sie verschwieg aber ihren Verrat, vielleicht mit Absicht, vielleicht aus dem Instinkt heraus, sich selbst zu belügen. Kurz, sie hat einen günstigen Augenblick verpaßt u. einen ebenso günstigen versäumt, da sie bei uns nicht bleiben wollte. Ihre unverschämte Geldforderung erklärt Franz [illeg]Türtscher mit der Unverschämtheit der Galtürer überhaupt, die rund um die Ziege leben u., wenn sie nur ein wenig Milch u. Brot haben, jeder Arbeit ausweichen. Auch zu den Arbeiten im Vermunt- u. Lareintal mußten fremde Arbeiter zugezogen werden, da die Einheimischen unverschämte Ansprüche stellten! Das hat uns der Lehrer Walter dann bestätigt. Es ist also kein Zweifel, daß die Bevölkerung von Galtür sich allmählich auf den Beruf von Bergführern werfen wird u. zwar ganz ausschließlich – damit wird Galtür ins Schweizerische hinüberspielen! — Ein Sprung ins Jamtal, ½11–½12h. — Schiller fortgesetzt. — Nach der Jause abwärts, 1¼ Stunden. — Waage: 89.7 u. 70 kg. — Letzte Blumen aus dem Jamtal. — Mittags keine Zitrone zu haben – Angela erklärt, sie seien ausgegangen. Welche Schwerfälligkeit u. Unaufmerksamkeit –, als wären Zitronen nicht eine Ware, die man auch sonst gebrauchen kann. — Von Fl. (Br.= OJ 14/45, [45]): dankt für das Hilfeanbot, hofft aus eigenem ins Reine kommen zu können. — Offenbar über Auftrag von Steglich ein Heft der Neuen Musik-Zeitschrift mit einem Aufsatz von ihm über Händel. 1 {2864} —© Transcription Marko Deisinger. |
31 Nice.
— Telegram to the maid. — We learn from the postmistress that Lina was engaged to marry Mr. Lorenz, the leaseholder of the Wiesbaden Cabin, but betrayed him by getting involved with an incidentally ugly {2863} soldier. Lorenz was just absolved of military service when Lina gave birth to the child. Through this unpleasantness she forfeited a friendly fate. It also caught up with her that she found the courage to tell Lie-Liechen about the child without telling mentioning a word that she had an error to atone for. If she had been completely open to us, we might still have been able to guide her along the path. But she concealed her betrayal, perhaps with the intention, perhaps based on the instinct, to lie to herself. In short, she missed one good moment and let another equally good one slip by because she did not want to stay with us. Franz [illeg]Türtscher explains her impudent demand for money with the impudence of the people of Galtür in general, whose lives revolve around goats and if they only have a little milk and bread, avoid all work. Outside workers had to be brought in to do with work in the Vermunt Valley and Larein Valley as well because the locals made outrageous demands! The teacher Walter confirmed that for us. There is no doubt that the population of Galtür will gradually give in to the vocation of alpine guide, and that totally exclusively – with that Galtür will lean toward the Swiss [nature]! — A quick walk into the Jam Valley, 10:30–11:30. — Schiller continued. — Down the street after teatime, 1¼ hours. — Scale: 89.7 and 70 kg. — The last flowers from the Jam Valley. — No lemons available at mid-day – Angela claims they ran out. What ponderousness and inattentiveness –, as if lemons were not a product that you cannot use otherwise. — From Floriz (letter= OJ 14/45, [45]): he thanks [me] for the offer of help, hopes to get back on his feet using his own resources. — Apparently at the request of Steglich, an issue of Neue Zeitschrift für Musik for which he wrote an article about Handel. 1 —{2864}© Translation Scott Witmer. |
31. Schön.
— Telegramm an das Mädchen. — Von der Postmeisterin erfahren wir, daß die Lina mit Herrn Lorenz, der [sic] Pächter der Wiesbadener Hütte, verlobt gewesen, aber Verrat an ihm geübt habe, indem sie sich mit einem überdies häßlichen {2863} Soldaten einließ. Lorenz wurde gerade vom Militärdienst enthoben, da Lina das Kind zur Welt brachte. Sie hat sich durch diese Häßlichkeit ein freundliches Schicksal verscherzt. Auch hat sich an ihr gerächt, daß sie den Mut fand, Lie-Liechen von dem Kinde zu erzählen, mit keiner Silbe aber zu erzählen erwähnen, daß sie einen Fehler zu büßen habe. Hätte sie sich uns ganz eröffnet, vielleicht hätten wir ihr noch den Weg weisen können. Sie verschwieg aber ihren Verrat, vielleicht mit Absicht, vielleicht aus dem Instinkt heraus, sich selbst zu belügen. Kurz, sie hat einen günstigen Augenblick verpaßt u. einen ebenso günstigen versäumt, da sie bei uns nicht bleiben wollte. Ihre unverschämte Geldforderung erklärt Franz [illeg]Türtscher mit der Unverschämtheit der Galtürer überhaupt, die rund um die Ziege leben u., wenn sie nur ein wenig Milch u. Brot haben, jeder Arbeit ausweichen. Auch zu den Arbeiten im Vermunt- u. Lareintal mußten fremde Arbeiter zugezogen werden, da die Einheimischen unverschämte Ansprüche stellten! Das hat uns der Lehrer Walter dann bestätigt. Es ist also kein Zweifel, daß die Bevölkerung von Galtür sich allmählich auf den Beruf von Bergführern werfen wird u. zwar ganz ausschließlich – damit wird Galtür ins Schweizerische hinüberspielen! — Ein Sprung ins Jamtal, ½11–½12h. — Schiller fortgesetzt. — Nach der Jause abwärts, 1¼ Stunden. — Waage: 89.7 u. 70 kg. — Letzte Blumen aus dem Jamtal. — Mittags keine Zitrone zu haben – Angela erklärt, sie seien ausgegangen. Welche Schwerfälligkeit u. Unaufmerksamkeit –, als wären Zitronen nicht eine Ware, die man auch sonst gebrauchen kann. — Von Fl. (Br.= OJ 14/45, [45]): dankt für das Hilfeanbot, hofft aus eigenem ins Reine kommen zu können. — Offenbar über Auftrag von Steglich ein Heft der Neuen Musik-Zeitschrift mit einem Aufsatz von ihm über Händel. 1 {2864} —© Transcription Marko Deisinger. |
31 Nice.
— Telegram to the maid. — We learn from the postmistress that Lina was engaged to marry Mr. Lorenz, the leaseholder of the Wiesbaden Cabin, but betrayed him by getting involved with an incidentally ugly {2863} soldier. Lorenz was just absolved of military service when Lina gave birth to the child. Through this unpleasantness she forfeited a friendly fate. It also caught up with her that she found the courage to tell Lie-Liechen about the child without telling mentioning a word that she had an error to atone for. If she had been completely open to us, we might still have been able to guide her along the path. But she concealed her betrayal, perhaps with the intention, perhaps based on the instinct, to lie to herself. In short, she missed one good moment and let another equally good one slip by because she did not want to stay with us. Franz [illeg]Türtscher explains her impudent demand for money with the impudence of the people of Galtür in general, whose lives revolve around goats and if they only have a little milk and bread, avoid all work. Outside workers had to be brought in to do with work in the Vermunt Valley and Larein Valley as well because the locals made outrageous demands! The teacher Walter confirmed that for us. There is no doubt that the population of Galtür will gradually give in to the vocation of alpine guide, and that totally exclusively – with that Galtür will lean toward the Swiss [nature]! — A quick walk into the Jam Valley, 10:30–11:30. — Schiller continued. — Down the street after teatime, 1¼ hours. — Scale: 89.7 and 70 kg. — The last flowers from the Jam Valley. — No lemons available at mid-day – Angela claims they ran out. What ponderousness and inattentiveness –, as if lemons were not a product that you cannot use otherwise. — From Floriz (letter= OJ 14/45, [45]): he thanks [me] for the offer of help, hopes to get back on his feet using his own resources. — Apparently at the request of Steglich, an issue of Neue Zeitschrift für Musik for which he wrote an article about Handel. 1 —{2864}© Translation Scott Witmer. |
Footnotes1 Rudolf Steglich, "Händel und die Gegenwart," Zeitschrift für Musik , 92nd year, issue 6 (June 1925), pp. 333–338. |