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13. Bedeckt, warm.

— Von Cube (Br.= OJ 9/34, [15]): meldet unerwartete Erfolge in Köln, die erfreuliche Hilfe von Braunfels u. Prof. Lemacher; er habe ein Auditorium von etwa 100 Menschen, beginne am 28. XI. Eine Eröffnungsrede zum {3284} Thema Schubert als Gegenstand einer Kritik, die beiliegt. (Noch hat Prof. Lemacher die Wirkung auf das Auditorium nicht wahrgenommen, er dürfte selbst ein Anfänger sein, u. schon drängt er wegen einiger Gegenbeispiele z. B. von Bruckner, Wagner.) 1 — Von Vrieslander (Br.): dankt für den Abend u. wiederholt, was wir schon mündlich von ihm gehört. — 37.49 S. für die Krankenkasse (Hausgehilfin). — Der Regenschirm ist nicht bei der Post. — Irgend eine Missetat unserer Hausgehilfin gibt mir wieder Gelegenheit, Lie-Liechen den wahren Stand zu schildern u. das Uebel als organisch unheilbar. Ich setze auseinander, daß wir beide gewissermaßen auch wirtschaftlich 2 eine sehr hohe Stufe vorstellen, wegen unserer materiellen Verhältnisse aber u. weil wir nur zu Zweien, ganz einer Arbeit ergeben, unmöglich eine Köchin nehmen können, die, unseren Forderungen entsprechend, die Fähigkeiten einer Herrschaftsköchin hätte. Eine solche Köchin würde noch ein Stubenmädchen brauchen, dieses wieder ein Extramädchen usw., wozu es uns an Geld, Lust u. sonstiger Möglichkeit fehlt. Es wird also dabei bleiben, daß wir auskriechende Dörflerinnen ins Haus bekommen, die nichts können, wir werden sogar immer genötigt sein mehr als andere Familien zu zahlen u. zwar nur deshalb, weil wir mit Geld u. gutem Essen die ungeheuere Kluft überbrücken müssen, die zwischen uns u. solchen Anfängerinnen besteht. Die Mädchen müssen sich schlecht in unserem Hause fühlen, sie wollen gar nicht heimisch werden, sie sehen einen Weg in die Zukunft verrammelt, hoffnungslos verrammelt, so daß wir sie nur so lange halten können, so lange sie selbst bleiben wollen. Die zwei Welten stimmen nicht, ein Ausweg findet sich nur für die Mädchen, die wieder in ärmere Familien gehen können, wo sie bei kleinerer Arbeit u. kleinem Lohn sich wohler fühlen – {3285} für uns bleibt der Ausweg überlegener Geister: die Sache mit Humor zu tragen, wozu ich Lie-Liechen eben einlade. — v. Hoboken drückt sich auch mir gegenüber sehr bestimmt darüber aus, daß er mit seiner Frau von uns eingeladen sein möchte; alles was ich dagegen vorbrachte erledigt er damit, daß er sich u. die Frau als genügend harmlos ausgab, um großes Vergnügen an unserer bescheidene nren Art zu empfinden. Ich habe selbstverständlich eine Einladung zugesagt. Sonderbarerweise leitete er das Gespräch mit der Frage ein: Finden Sie Vrieslander nicht starr u. alt? Ich wußte keine andere Antwort als die: Es rächt sich eben, wenn ein Mann von solcher Lebenskraft zu keiner richtigen Arbeit gelangt! Ich bedauere, sagte ich, daß V. sich nicht sofort zur Urlinie schlug, wie wWeisse es getan, er hat dadurch gute Einkünfte in München sich entgehen lassen. Doch läßt sich alles erklären. Weisse (u. nun auch v. Cube) gehen unbedingt ans Unbedingte; Weisse hatte seine [illeg]kompositorische Tätigkeit als Ventil für seine persönliche Kraft u. Eitelkeit; Vrieslander fehlt ein solches Ventil u. er sucht sich neben mir Platz zu machen – darüber verlor er den Anschluß usw. — Rf.: Sonja Palm singt Schubert-Lieder; eine Uebertragung aus Prag – wir hängen ab. — Von Oppel (Br.): werde kommen; der Mädchenwechsel sei vollzogen.

© Transcription Marko Deisinger.

13, cloudy, warm.

— From Cube (letter= OJ 9/34, [15]): reports unexpected successes in Cologne, the gratifying help of Braunfels and Prof. Lemacher; he will have an audience of 100 people, will begin on November 28 with an introductory lecture on the {3284} theme of Schubert as the substance of a review, which is enclosed. (Prof. Lemacher has not yet perceived the effect on the audience; he himself seems to be a beginner, and already he is urging him on, on account of several counter-examples, e.g. by Bruckner and Wagner.) 1 — From Vrieslander (letter): he thanks us for the evening and repeats what we had already heard him tell us. — 37.49 shillings for the health insurance company (household help). — The umbrella is not at the post office. — Some sort of midemeanor on the part of our household help again gives me occasion to to describe the true state of affairs to Lie-Liechen and the malady as organically incurable. I argue that the two of us imagine a very high level, to a certain extent also in terms of housekeeping 2 ; but because of our material circumstances, and because there are just the two of us, devoted to a single piece of work, we cannot possibly take on a cook who, in accordance with our requirements, would have the capabilities of a master chef. Such a cook would also require a kitchen maid, and she would need an additional maid, etc., for which we have neither money, nor interest or nor possibility of any other sort. It would thus always remain the case that we would always get grovelling country girls in our home, who could do nothing; we would even be required always to pay more than other families, and indeed only because we would have to bridge – with money and good food – the immense chasm that exists between us and such novice girls. The girls would surely feel unwell in our home; they would not become in any way domesticated, they would see a path to the future blocked, hopelessly blocked, so that we would be able to hold on to them only for as long as they themselves wanted to stay. The two worlds are out of tune with one another; there would be a way out only for the girls who would be able to go back to poorer families, where they would feel happier with easier work and low pay – {3285} for us there remains the way out for superior spirits: to bear the matter with humor, which I now invite Lie-Liechen to do. — Hoboken expresses, even to me, very distinctly that he and his wife would like to receive an invitation from us; everything that I brought out against this he dismissed by pretending that he and his wife are sufficiently ordinary to take great pleasure in our more modest ways. I have of course agreed to an invitation. Strangely, he initiated the conversation with the question: "Do you not find Vrieslander stiff and old?" I could not think of any answer but this: "If a man of such energy succeeds in obtaining no proper employment, that will take its toll on him!" I regret, I said, that Vrieslander did not immediately take to the Urlinie, as Weisse has done; he would have been able to get by in Munich with a good income. But everything can be explained. Weisse (and now also Cube) are going absolutely to the absolute; Weisse had his compositional activity as an outlet for his personal strength and vanity; Vrieslander is lacking such an outlet and he seeks to make space for himself beside me. – in this respect he could not maintain the pace, etc. — Radio: Sonja Palm sings lieder by Schubert; a transmission from Prague – we turn off. — From Oppel (letter): he will come; the change of maids has been completed.

© Translation William Drabkin.

13. Bedeckt, warm.

— Von Cube (Br.= OJ 9/34, [15]): meldet unerwartete Erfolge in Köln, die erfreuliche Hilfe von Braunfels u. Prof. Lemacher; er habe ein Auditorium von etwa 100 Menschen, beginne am 28. XI. Eine Eröffnungsrede zum {3284} Thema Schubert als Gegenstand einer Kritik, die beiliegt. (Noch hat Prof. Lemacher die Wirkung auf das Auditorium nicht wahrgenommen, er dürfte selbst ein Anfänger sein, u. schon drängt er wegen einiger Gegenbeispiele z. B. von Bruckner, Wagner.) 1 — Von Vrieslander (Br.): dankt für den Abend u. wiederholt, was wir schon mündlich von ihm gehört. — 37.49 S. für die Krankenkasse (Hausgehilfin). — Der Regenschirm ist nicht bei der Post. — Irgend eine Missetat unserer Hausgehilfin gibt mir wieder Gelegenheit, Lie-Liechen den wahren Stand zu schildern u. das Uebel als organisch unheilbar. Ich setze auseinander, daß wir beide gewissermaßen auch wirtschaftlich 2 eine sehr hohe Stufe vorstellen, wegen unserer materiellen Verhältnisse aber u. weil wir nur zu Zweien, ganz einer Arbeit ergeben, unmöglich eine Köchin nehmen können, die, unseren Forderungen entsprechend, die Fähigkeiten einer Herrschaftsköchin hätte. Eine solche Köchin würde noch ein Stubenmädchen brauchen, dieses wieder ein Extramädchen usw., wozu es uns an Geld, Lust u. sonstiger Möglichkeit fehlt. Es wird also dabei bleiben, daß wir auskriechende Dörflerinnen ins Haus bekommen, die nichts können, wir werden sogar immer genötigt sein mehr als andere Familien zu zahlen u. zwar nur deshalb, weil wir mit Geld u. gutem Essen die ungeheuere Kluft überbrücken müssen, die zwischen uns u. solchen Anfängerinnen besteht. Die Mädchen müssen sich schlecht in unserem Hause fühlen, sie wollen gar nicht heimisch werden, sie sehen einen Weg in die Zukunft verrammelt, hoffnungslos verrammelt, so daß wir sie nur so lange halten können, so lange sie selbst bleiben wollen. Die zwei Welten stimmen nicht, ein Ausweg findet sich nur für die Mädchen, die wieder in ärmere Familien gehen können, wo sie bei kleinerer Arbeit u. kleinem Lohn sich wohler fühlen – {3285} für uns bleibt der Ausweg überlegener Geister: die Sache mit Humor zu tragen, wozu ich Lie-Liechen eben einlade. — v. Hoboken drückt sich auch mir gegenüber sehr bestimmt darüber aus, daß er mit seiner Frau von uns eingeladen sein möchte; alles was ich dagegen vorbrachte erledigt er damit, daß er sich u. die Frau als genügend harmlos ausgab, um großes Vergnügen an unserer bescheidene nren Art zu empfinden. Ich habe selbstverständlich eine Einladung zugesagt. Sonderbarerweise leitete er das Gespräch mit der Frage ein: Finden Sie Vrieslander nicht starr u. alt? Ich wußte keine andere Antwort als die: Es rächt sich eben, wenn ein Mann von solcher Lebenskraft zu keiner richtigen Arbeit gelangt! Ich bedauere, sagte ich, daß V. sich nicht sofort zur Urlinie schlug, wie wWeisse es getan, er hat dadurch gute Einkünfte in München sich entgehen lassen. Doch läßt sich alles erklären. Weisse (u. nun auch v. Cube) gehen unbedingt ans Unbedingte; Weisse hatte seine [illeg]kompositorische Tätigkeit als Ventil für seine persönliche Kraft u. Eitelkeit; Vrieslander fehlt ein solches Ventil u. er sucht sich neben mir Platz zu machen – darüber verlor er den Anschluß usw. — Rf.: Sonja Palm singt Schubert-Lieder; eine Uebertragung aus Prag – wir hängen ab. — Von Oppel (Br.): werde kommen; der Mädchenwechsel sei vollzogen.

© Transcription Marko Deisinger.

13, cloudy, warm.

— From Cube (letter= OJ 9/34, [15]): reports unexpected successes in Cologne, the gratifying help of Braunfels and Prof. Lemacher; he will have an audience of 100 people, will begin on November 28 with an introductory lecture on the {3284} theme of Schubert as the substance of a review, which is enclosed. (Prof. Lemacher has not yet perceived the effect on the audience; he himself seems to be a beginner, and already he is urging him on, on account of several counter-examples, e.g. by Bruckner and Wagner.) 1 — From Vrieslander (letter): he thanks us for the evening and repeats what we had already heard him tell us. — 37.49 shillings for the health insurance company (household help). — The umbrella is not at the post office. — Some sort of midemeanor on the part of our household help again gives me occasion to to describe the true state of affairs to Lie-Liechen and the malady as organically incurable. I argue that the two of us imagine a very high level, to a certain extent also in terms of housekeeping 2 ; but because of our material circumstances, and because there are just the two of us, devoted to a single piece of work, we cannot possibly take on a cook who, in accordance with our requirements, would have the capabilities of a master chef. Such a cook would also require a kitchen maid, and she would need an additional maid, etc., for which we have neither money, nor interest or nor possibility of any other sort. It would thus always remain the case that we would always get grovelling country girls in our home, who could do nothing; we would even be required always to pay more than other families, and indeed only because we would have to bridge – with money and good food – the immense chasm that exists between us and such novice girls. The girls would surely feel unwell in our home; they would not become in any way domesticated, they would see a path to the future blocked, hopelessly blocked, so that we would be able to hold on to them only for as long as they themselves wanted to stay. The two worlds are out of tune with one another; there would be a way out only for the girls who would be able to go back to poorer families, where they would feel happier with easier work and low pay – {3285} for us there remains the way out for superior spirits: to bear the matter with humor, which I now invite Lie-Liechen to do. — Hoboken expresses, even to me, very distinctly that he and his wife would like to receive an invitation from us; everything that I brought out against this he dismissed by pretending that he and his wife are sufficiently ordinary to take great pleasure in our more modest ways. I have of course agreed to an invitation. Strangely, he initiated the conversation with the question: "Do you not find Vrieslander stiff and old?" I could not think of any answer but this: "If a man of such energy succeeds in obtaining no proper employment, that will take its toll on him!" I regret, I said, that Vrieslander did not immediately take to the Urlinie, as Weisse has done; he would have been able to get by in Munich with a good income. But everything can be explained. Weisse (and now also Cube) are going absolutely to the absolute; Weisse had his compositional activity as an outlet for his personal strength and vanity; Vrieslander is lacking such an outlet and he seeks to make space for himself beside me. – in this respect he could not maintain the pace, etc. — Radio: Sonja Palm sings lieder by Schubert; a transmission from Prague – we turn off. — From Oppel (letter): he will come; the change of maids has been completed.

© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 In Cube's letter of November 7, the composers mooted for counter-examples are Bruckner, Reger, and Hindemith.

2 "gewissermaßen auch wirtschaftlich": in the present context, the meaning of ‘wirtschaftlich' is more specific than "financial" or "economical": it has more to do with domestic service.