Roma
via Sardegna 79.
20. XI. 23.


Lieber Meister! 1

Kurz nachdem ich Ihnen letztens schrieb, kam ein Brief Ihres Herrn Bruders, der mich von der Sorge um das Schicksal des Buche 2 befreite und alles erledigte. Der sehr liebenswürdige Brief hat mir grosse Freude gemacht; ich hoffe, dass Sie vielleicht noch garkeine Zeit gefunden haben, sich um die Angelegenheit zu bekümmern, sodass meine Anfrage stillschweigend erledigt ist.

Aber darf ich Ihnen eine grosse Bitte aussprechen? Ich will nach dem Fehlschlagen der Subskription noch einmal einen Versuch machen, einen Finanzmann für den Belcanto-Plan 3 zu interessieren und habe zu dem Zwecke eine Denkschrift entworfen, in der ich Ziel und Aussichten meiner Arbeiten und meines Vorhabens darstelle. Diese Denkschrift möchte ich gern in die Hände von Persönlichkeiten bringen, die sowohl ein gewisses, vielleicht sogar starkes Interesse für einen solchen Plan, als auch den Willen haben, Geld in die Ausführung desselben zu stecken, welches ihnen dereinst wieder zurückgezahlt werden kann u. wird.

{2} Nun hörte ich hier den Namen Castiglione nennen. Dieser Mann soll Österreicher sein, ungeheuer reich, ein Unternehmer und Geldmann grössten Stils, der sich vor kurzem mit einer Künstlerin verheirat habe. So wenigstens wurde mir erzählt. Meine Frage, lieber Meister, ist nun die: könnten Sie (als der einzige Mensch, den ich in Wien kenne) bei ganz gelegentlicher Umfrage in Ihren Bekanntenkreise einmal zu erfahren suchen, wo dieser Castiglione wohnt, eventl. was es für ein Mann ist und wie man an ihn herankommen könnte? Ich schäme mich, Sie mit dieser Frage zu behelligen; aber ich weiss nicht, wie ich einen sicheren Weg zu Herrn Castiglione finden soll. Bitte betrachten Sie meine Frage als nicht eilig u. ganz gelegentlich einmal zu erwägen.


Mit den herzlichsten Grüssen
an Sie u. Ihre verehrte Frau Gemahlin
von uns beiden
Ihr
[signed:] Walter Dahms

© Transcription John Koslovsky, 2011


Rome
via Sardegna 79.
November 20, 1923


Dear Master, 1

Shortly after I last wrote you, a letter arrived from your brother, who relieved me from worrying about the fate of the book 2 and settled everything. His very kind letter made me extremely happy; I hope that you did not find any time to worry yourself with the matter, so that my request quietly took care of itself.

But may I ask of you a large request? After the failure of the subscription, I want to make one more attempt to interest a financial backer in the bel canto plan, 3 and to this end I have drafted a memorandum in which I depict the goal and outlook of my work and my project. This memorandum I would really like to put into the hands of people who have both a definite, perhaps even strong interest in such a plan and who have the means to put money into the deployment of the project, which can and will some day be paid back to them.

{2} I heard of the name Castiglioni . This man is an Austrian, immensely rich, an entrepreneur and financier of the greatest type, who recently married an artist. At least this is what I was told. My question, dear master, is this: could you (as the only person in Vienna whom I know) very casually try to figure out through inquiries in your known circles where this Castiglioni lives, and perhaps what sort of man he is and how one could reach him? I am ashamed to bother you with this question; but I do not know how I am to find a sure way to Mr. Castiglioni. Please do not consider my question urgent and pursue it completely casually.


With most cordial greetings
to you and your revered wife,
from the two of us.
Your
[signed:] Walter Dahms

© Translation John Koslovsky, 2011


Roma
via Sardegna 79.
20. XI. 23.


Lieber Meister! 1

Kurz nachdem ich Ihnen letztens schrieb, kam ein Brief Ihres Herrn Bruders, der mich von der Sorge um das Schicksal des Buche 2 befreite und alles erledigte. Der sehr liebenswürdige Brief hat mir grosse Freude gemacht; ich hoffe, dass Sie vielleicht noch garkeine Zeit gefunden haben, sich um die Angelegenheit zu bekümmern, sodass meine Anfrage stillschweigend erledigt ist.

Aber darf ich Ihnen eine grosse Bitte aussprechen? Ich will nach dem Fehlschlagen der Subskription noch einmal einen Versuch machen, einen Finanzmann für den Belcanto-Plan 3 zu interessieren und habe zu dem Zwecke eine Denkschrift entworfen, in der ich Ziel und Aussichten meiner Arbeiten und meines Vorhabens darstelle. Diese Denkschrift möchte ich gern in die Hände von Persönlichkeiten bringen, die sowohl ein gewisses, vielleicht sogar starkes Interesse für einen solchen Plan, als auch den Willen haben, Geld in die Ausführung desselben zu stecken, welches ihnen dereinst wieder zurückgezahlt werden kann u. wird.

{2} Nun hörte ich hier den Namen Castiglione nennen. Dieser Mann soll Österreicher sein, ungeheuer reich, ein Unternehmer und Geldmann grössten Stils, der sich vor kurzem mit einer Künstlerin verheirat habe. So wenigstens wurde mir erzählt. Meine Frage, lieber Meister, ist nun die: könnten Sie (als der einzige Mensch, den ich in Wien kenne) bei ganz gelegentlicher Umfrage in Ihren Bekanntenkreise einmal zu erfahren suchen, wo dieser Castiglione wohnt, eventl. was es für ein Mann ist und wie man an ihn herankommen könnte? Ich schäme mich, Sie mit dieser Frage zu behelligen; aber ich weiss nicht, wie ich einen sicheren Weg zu Herrn Castiglione finden soll. Bitte betrachten Sie meine Frage als nicht eilig u. ganz gelegentlich einmal zu erwägen.


Mit den herzlichsten Grüssen
an Sie u. Ihre verehrte Frau Gemahlin
von uns beiden
Ihr
[signed:] Walter Dahms

© Transcription John Koslovsky, 2011


Rome
via Sardegna 79.
November 20, 1923


Dear Master, 1

Shortly after I last wrote you, a letter arrived from your brother, who relieved me from worrying about the fate of the book 2 and settled everything. His very kind letter made me extremely happy; I hope that you did not find any time to worry yourself with the matter, so that my request quietly took care of itself.

But may I ask of you a large request? After the failure of the subscription, I want to make one more attempt to interest a financial backer in the bel canto plan, 3 and to this end I have drafted a memorandum in which I depict the goal and outlook of my work and my project. This memorandum I would really like to put into the hands of people who have both a definite, perhaps even strong interest in such a plan and who have the means to put money into the deployment of the project, which can and will some day be paid back to them.

{2} I heard of the name Castiglioni . This man is an Austrian, immensely rich, an entrepreneur and financier of the greatest type, who recently married an artist. At least this is what I was told. My question, dear master, is this: could you (as the only person in Vienna whom I know) very casually try to figure out through inquiries in your known circles where this Castiglioni lives, and perhaps what sort of man he is and how one could reach him? I am ashamed to bother you with this question; but I do not know how I am to find a sure way to Mr. Castiglioni. Please do not consider my question urgent and pursue it completely casually.


With most cordial greetings
to you and your revered wife,
from the two of us.
Your
[signed:] Walter Dahms

© Translation John Koslovsky, 2011

Footnotes

1 Receipt of this letter and OJ 10/1, [80] is recorded in Schenker's diary at OJ 3/5, p. 2600, November 22, 1923: "Von Dahms (zwei Briefe): [...] im 2. Brief bestätigt er die Zahlung; bittet mich um Verwendung bei Castiglioni, damit er das belcanto-Buch ermögliche." ("From Dahms (two letters): [...] in the second letter he confirms the payment; asks me to intervene with Castiglioni, so that he will make the bel canto book possible.").

2 A copy of the de-luxe edition of Dahms, Musik des Südens (Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt, 1923) that Moriz Schenker had purchased by subscription.

3 Dahms intended to write a book on bel canto following the publication of Musik des Südens, but the book never came to fruition and no manuscript is known to exist.