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PROF. OTTO ERICH DEUTSCH
WIEN II.
Böcklinstraße 26
Tel. R 45–6–72
26. Februar 30

Lieber verehrter Herr Doktor! 1

Dank für Brief und Karten. 2 Es war auch für mich sehr erhebend, wie schön Weisse und Salzer sich benahmen, letzterer ein würdiger Spross der Wit[t]genstein-Tradition, in die sich auch ein Ausländer (Stonborough) 3 als Rabe eingeschlichen hat … Ich war sehr dankbar für den allseitigen Genuss.

Unser Freund 4 ist anders, aber man darf ihm – abgesehen von seinem quartalsweisen Fleiss – doch nicht Leistungen absprechen, die er, aus welchen Gründen immer, für die Allgemeinheit geleistet hat und jetzt halt noch launischer leistet. Dass er sich als Schüler nicht viel besser benimmt wie als Brotgeber (Bibliotheks-Inhaber), glaube ich freilich. Aber was tun? Wir können ihn doch nicht mehr in die Schule schicken. Nur durch Beispiel und durch Noblesse kann er gebessert werden. Wie Sie sagen, durch seine Mäzene hier. Die Frau beurteilen wir noch immer anders als Sie, und wir glauben, sie besser zu kennen, näher wenigstens. Sie lässt zwar seinen Launen meist freien Lauf, wie den harmloseren eigenen, aber Sie [recte sie] hindert ihn doch nicht, Vernünftiges zu tun und zu leisten (Archiv). Die Zukunft wird entscheiden, wer richtiger hier sieht. Jedenfalls ist der neu Ausflug, wenn er nicht durch die kranke Hand eingegeben ist, ein neuer Beweis der Unstetheit. Die Missa hat er doch hier eben unter Furtwängler gehört, und von den Philharmonikern. Wenn in Berlin wirklich, wie es scheint, das Werk innerhalb von 2 oder 3 Wochen von F. und Klemperer dirigiert wird, so ist das für einen normalen Menschen gewiss kein Grund, dorthin zu fahren und dort drei Wochen zu bleiben. Aber er fühlt sich vielleicht auch einsam hier, und ein fliegender Holländer kann ebenso unstet sein wie ein ewiger Jude. Auch Gschaftlhuberei spielt natürlich mit. Es ist traurig, dass er damit auch die Arbeit bei Ihnen, die er doch ernst zu nehmen scheint, spielerisch macht.

{2} Die Jahrbuch-Sitzung, 5 an der ich eventuell teilnehmen sollte, ist also neuerlich verschoben durch diesen Abstecher.

Ich möchte Ihnen noch aufrichtig sagen, dass ich mich über Frau v. H., mit der ich sonst ganz gut auskomme, wiederholt geärgert habe, wenn Sie [recte: sie] die Bibliothek als eine launige Beschäftigung auffasste, die man nicht zu ernst und konsequent betreiben dürfe. Dabei schien aber nie das Geld entscheidend zu sein, das sie kostet, und meine Honorierung wurde als selbstverständlich, meine Stellung als nicht subaltern bezeichnet. Aber ich fürchte, da das Thema dieser Arbeit noch keineswegs populär ist bei Verlegern, Sammlern, Lesern – dass ich die Früchte nicht ernten werde, bevor H. seine Zelte abbricht und, wie manche fürchten einem Nebehay 6 in den Rachen wirft, was ich zusammengetragen habe. Nicht einmal einen neuen Beethoven-Katalog (Nottebohm, 3. Auflage) dürfte ich herausbringen, der mir sehr am Herzen läge.

Wenn Sie in der Sache der Eroica noch einen Rat brauchen (verlegerisch), so stehe ich gerne zur Verfügung.


2:2!
Ihr sehr ergebener
[signed:] O E Deutsch

© Transcription William Drabkin, 2023


PROF. OTTO ERICH DEUTSCH
VIENNA II
Böcklinstraße 26
Tel. R 45–6–72
February 26, 1930

Dear revered Dr. [Schenker], 1

Thank you for your letter and postcards. 2 For me, too, it was very uplifting to see how beautifully Weisse und Salzer behaved, the latter being a worthy scion of the Wittgenstein tradition, in which even a foreigner (Stonborough) 3 sneaked in, like a raven … I was very grateful for the pleasure from all sides.

Our friend 4 is something else; but, in spite of his diligence every three months, one should not deny what he has achieved – whatever the reasons – and what he is failing to achieve in an even more erratic way. That he does not behave much better as a pupil than as an employer (library proprietor), is something that I believe. But what should be done about it? We can no longer send him to school. Only by being set a good example can he be improved. As you say, by his philanthropists here. We still judge his wife differently than you do; and we believe that we are better acquainted with her, at least more closely. She allows his caprices free reign, as she does her own, more benign ones; but she nonetheless does not prevent him from acting sensibly and accomplishing things (the Archive). The future will decide which of us is the better observer. In any event the new excursion, if it is not inspired by the bad hand, is new evidence of his unsteadiness. He actually heard the Missa solemnis here, under Furtwängler with the Philharmonic. If the work is really to be performed twice in Berlin within two or three weeks, by Furtwängler and Klemperer, that is still no reason at all for a normal person to travel there and stay there for three weeks. But perhaps he also feels lonely here, and a Flying Dutchman can be as restless as a Wandering Jew. Being a busybody is naturally a contributing factor. It is sad that he also toys around with his work with you, although he does seem to take it seriously.

{2} The meeting to discuss the yearbook, 5 which I might possibly have attended, has also just been postponed on account of this side trip.

I should also like to tell you frankly that I have repeatedly been annoyed with Mrs. Hoboken, with whom I am otherwise on entirely good terms, when she views the library as a capricious occupation which one ought not pursue too seriously or systematically. But in this matter, money that it costs is not a decisive issue, and the payment that I receive is taken for granted and my position is not regarded as subordinate. But I fear that the theme of this work is by no means popular among publishers, collectors and readers, and that I shall not harvest its fruits before Hoboken breaks camp and, as many fear, throws what I have amassed into the throat of a Nebehay. 6 I would not even be able to bring out a new Beethoven catalog (a third edition of Nottebohm), which I would dearly like to do.

If you need any further advice (from a publishing perspective) on your Eroica project, I shall be glad to be of service.


From the two of us to the two of you,
Your very devoted
[signed:] O E Deutsch

© Translation William Drabkin, 2023


PROF. OTTO ERICH DEUTSCH
WIEN II.
Böcklinstraße 26
Tel. R 45–6–72
26. Februar 30

Lieber verehrter Herr Doktor! 1

Dank für Brief und Karten. 2 Es war auch für mich sehr erhebend, wie schön Weisse und Salzer sich benahmen, letzterer ein würdiger Spross der Wit[t]genstein-Tradition, in die sich auch ein Ausländer (Stonborough) 3 als Rabe eingeschlichen hat … Ich war sehr dankbar für den allseitigen Genuss.

Unser Freund 4 ist anders, aber man darf ihm – abgesehen von seinem quartalsweisen Fleiss – doch nicht Leistungen absprechen, die er, aus welchen Gründen immer, für die Allgemeinheit geleistet hat und jetzt halt noch launischer leistet. Dass er sich als Schüler nicht viel besser benimmt wie als Brotgeber (Bibliotheks-Inhaber), glaube ich freilich. Aber was tun? Wir können ihn doch nicht mehr in die Schule schicken. Nur durch Beispiel und durch Noblesse kann er gebessert werden. Wie Sie sagen, durch seine Mäzene hier. Die Frau beurteilen wir noch immer anders als Sie, und wir glauben, sie besser zu kennen, näher wenigstens. Sie lässt zwar seinen Launen meist freien Lauf, wie den harmloseren eigenen, aber Sie [recte sie] hindert ihn doch nicht, Vernünftiges zu tun und zu leisten (Archiv). Die Zukunft wird entscheiden, wer richtiger hier sieht. Jedenfalls ist der neu Ausflug, wenn er nicht durch die kranke Hand eingegeben ist, ein neuer Beweis der Unstetheit. Die Missa hat er doch hier eben unter Furtwängler gehört, und von den Philharmonikern. Wenn in Berlin wirklich, wie es scheint, das Werk innerhalb von 2 oder 3 Wochen von F. und Klemperer dirigiert wird, so ist das für einen normalen Menschen gewiss kein Grund, dorthin zu fahren und dort drei Wochen zu bleiben. Aber er fühlt sich vielleicht auch einsam hier, und ein fliegender Holländer kann ebenso unstet sein wie ein ewiger Jude. Auch Gschaftlhuberei spielt natürlich mit. Es ist traurig, dass er damit auch die Arbeit bei Ihnen, die er doch ernst zu nehmen scheint, spielerisch macht.

{2} Die Jahrbuch-Sitzung, 5 an der ich eventuell teilnehmen sollte, ist also neuerlich verschoben durch diesen Abstecher.

Ich möchte Ihnen noch aufrichtig sagen, dass ich mich über Frau v. H., mit der ich sonst ganz gut auskomme, wiederholt geärgert habe, wenn Sie [recte: sie] die Bibliothek als eine launige Beschäftigung auffasste, die man nicht zu ernst und konsequent betreiben dürfe. Dabei schien aber nie das Geld entscheidend zu sein, das sie kostet, und meine Honorierung wurde als selbstverständlich, meine Stellung als nicht subaltern bezeichnet. Aber ich fürchte, da das Thema dieser Arbeit noch keineswegs populär ist bei Verlegern, Sammlern, Lesern – dass ich die Früchte nicht ernten werde, bevor H. seine Zelte abbricht und, wie manche fürchten einem Nebehay 6 in den Rachen wirft, was ich zusammengetragen habe. Nicht einmal einen neuen Beethoven-Katalog (Nottebohm, 3. Auflage) dürfte ich herausbringen, der mir sehr am Herzen läge.

Wenn Sie in der Sache der Eroica noch einen Rat brauchen (verlegerisch), so stehe ich gerne zur Verfügung.


2:2!
Ihr sehr ergebener
[signed:] O E Deutsch

© Transcription William Drabkin, 2023


PROF. OTTO ERICH DEUTSCH
VIENNA II
Böcklinstraße 26
Tel. R 45–6–72
February 26, 1930

Dear revered Dr. [Schenker], 1

Thank you for your letter and postcards. 2 For me, too, it was very uplifting to see how beautifully Weisse und Salzer behaved, the latter being a worthy scion of the Wittgenstein tradition, in which even a foreigner (Stonborough) 3 sneaked in, like a raven … I was very grateful for the pleasure from all sides.

Our friend 4 is something else; but, in spite of his diligence every three months, one should not deny what he has achieved – whatever the reasons – and what he is failing to achieve in an even more erratic way. That he does not behave much better as a pupil than as an employer (library proprietor), is something that I believe. But what should be done about it? We can no longer send him to school. Only by being set a good example can he be improved. As you say, by his philanthropists here. We still judge his wife differently than you do; and we believe that we are better acquainted with her, at least more closely. She allows his caprices free reign, as she does her own, more benign ones; but she nonetheless does not prevent him from acting sensibly and accomplishing things (the Archive). The future will decide which of us is the better observer. In any event the new excursion, if it is not inspired by the bad hand, is new evidence of his unsteadiness. He actually heard the Missa solemnis here, under Furtwängler with the Philharmonic. If the work is really to be performed twice in Berlin within two or three weeks, by Furtwängler and Klemperer, that is still no reason at all for a normal person to travel there and stay there for three weeks. But perhaps he also feels lonely here, and a Flying Dutchman can be as restless as a Wandering Jew. Being a busybody is naturally a contributing factor. It is sad that he also toys around with his work with you, although he does seem to take it seriously.

{2} The meeting to discuss the yearbook, 5 which I might possibly have attended, has also just been postponed on account of this side trip.

I should also like to tell you frankly that I have repeatedly been annoyed with Mrs. Hoboken, with whom I am otherwise on entirely good terms, when she views the library as a capricious occupation which one ought not pursue too seriously or systematically. But in this matter, money that it costs is not a decisive issue, and the payment that I receive is taken for granted and my position is not regarded as subordinate. But I fear that the theme of this work is by no means popular among publishers, collectors and readers, and that I shall not harvest its fruits before Hoboken breaks camp and, as many fear, throws what I have amassed into the throat of a Nebehay. 6 I would not even be able to bring out a new Beethoven catalog (a third edition of Nottebohm), which I would dearly like to do.

If you need any further advice (from a publishing perspective) on your Eroica project, I shall be glad to be of service.


From the two of us to the two of you,
Your very devoted
[signed:] O E Deutsch

© Translation William Drabkin, 2023

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker’s diary for February 27, 1930: “Von Deutsch (Br.): sehe van H. nun etwas klarer.” (“From Deutsch (letter): he now sees Hoboken in a somewhat clearer light.”).

2 This correspondence is summarized in the diary as follows:
February 16: “An Deutsch (Br.): Offerte von Waldheim; erkundige mich nach einem Kommisionsverlag; erkläre es für eine Schande, daß mir in einem solchen Augenblick keine andere Möglichkeit bequem geboten wird” (“To Deutsch (letter): quotation from Waldheim; I enquire about a publisher who will take on my work on a commission basis; I say that it is a scandal that, at such a moment, no other possibility is reasonably offered to me”).
February 21: “An Deutsch (K.): Dank für seine Mühe; mache ihm Gedanken über Salzer–Weisse, Hobokens Betragen daran gemessen?,” (“To Deutsch (postcard): thanks for his efforts; I offer him my thoughts on Salzer-Weisse, Hoboken’s behavior measured against it?,”). :
February 23: “An Deutsch (K.): wie v. H. die Missa solemnis bestellt hat” (“To Deutsch (postcard): [I ask him] how Hoboken booked the Missa solemnis”).

3 Probably Thomas Stonborough (1906–86), the nephew of the philosopher Ludwig Wittgenstein and a cousin of Felix Salzer.

4 “Unser Freund”: from the context, Anthony van Hoboken

5 A yearbook recording the activities of the Photogram Archive and publishing articles on textual criticism.

6 Gustav Nebehay (1881–1935), a famous and highly respected art dealer in Vienna.

Commentary

Format
2p letter, printed sender address, typewritten salutation, message, and valediction, holograph signature
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-c.1942)--Ratz, Erwin (c.1942-c.1956)--Jonas, Oswald (c.1956-1978)--University of California, Riverside (1978--)
Rights Holder
Heirs of Otto Erich and Hanna Deutsch, published by kind permission
License
Permission to publish granted by the heirs of Otto Erich and Hanna Deutsch on February 12, 2008. Any claim to intellectual rights should be addressed to the Schenker Correspondence Project, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence[at]mus(dot)cam(dot)ac(dot)uk

Digital version created: 2023-03-23
Last updated: 2015-09-18