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OJ 14/8, [12] - Handwritten letter from Paul & Anna Schiff to Heinrich & Jeanette Schenker, dated June 23, 1926
Die vergangenen Wochen hatten die besonderen Gedenktage und Ereignisse. Entschliesse ich mich überhaupt sehr schwer zu schreiben, so waren diese Umstände nur dazu angetan, mir den [?letzten] Rest an Mut zu nehmen und die Niederschrift dieser Zeilen immer wieder zu verschieben. Est ist nicht gut seine besonderen Stimmungen zu Papier zu bringen. Vor allem vielen Dank für das Meisterwerk! 2 Ich habe mit Freude, wenn auch nicht unter Zustimmung, diejenigen Teile & Bilder des Buches bereits gelesen, die mir für mich fassbar sind. Der wesentlichste Teil des Werkes bleibt mir natürlich verschlossen. Ich verstehe vo nm dem Teil der musikalischen Teil des Werkes natürlich gar nichts. Das kann bei meiner schon im Kindesalter zu Tagen getretenen Verständnislosigkeit allem gegenüber[,] was Musik ist und was nur so heißt, nicht Wunder nehmen. Ich wünsche Euch nur, daß die viele Mühe, die diese Arbeit gekostet hat, auch den verdienten Erfolg einbringen möge. [illegible word] man, schon weil man muß, so ist es doch trotzdem kein Fehler, die verdiente Anerkennung zu finden. Deine Bermerkungen über Viktor, decken sich ja im wesentlichen mit meiner Auffassung über seine Bestrebungen. Nur fürchte ich, daß sein Wunsch, dort drüben Ruhe zu finden, ent- {2} täuscht worden wird. Abgesehen davon aber, bin ich der Meinung, daß dieser Idealismus einer verlorenen Sache gehört. Das ist eine Sache, die nie das werden kann, was sich die Initiatoren dieser Bewegung versprechen. Die „nationale Befreiung“ der Juden gibt es dort nicht; sie ändern nur ihren „Herren“ und eine soziale „Veränderung“ will ja die Leitung dieser Gruppe nicht. Doch selbst wenn man letzteres wollte, wäre doch auch das nur möglich in Koordination zum übrigen Europa. Will man diese letztgenannten „Veränderungen“, dann bietet eben das übrige [word deleted] „außerpalästinensische Europa“ [word deleted] das eigentliche große Betätigungsgebiet. Bei Viktor aber habe ich den bis zum chauvinismus gesteigerten nationalen Sein bestaunt. Wie kann ein Zeitgenosse u. Europäer – wenn er schon kein Internationalist ist zu 100% – ein nationaler chauvinist sein? Zumal aber ein Jude, der nur etwas die Geschichte seines Volkes kennt & soviel weiß, dass es nur 2 Brutstätten der Bestialität gegeben hat – der Nationalismus – die Religiosität (letzteres im Kirchensinn gemeint)[.] Da aber habe ich bei aller Bewunderung für den Idealismus aufgehört zu begreifen. Dazu kommt aber noch, daß sich dieser bürgerlicher Idealismus mit einem tiefgehenden Verständnis für den Handel vereinigt. Sonderbar! Was soll man von diesem leidenschaftlichen Willen {3} zur nationalen Auferstehung halten, wenn er nicht in sich schon als selbstverständlich das Gebot einschließt, darauf zu verzichten, die unwissenden Eingeborenen von Bolivien „übers Ohr zu hauen“. (Gold gab man für – Hadern) Hat dieser bürgerliche Neunationalismus Wert, aufzuerstehen? Haben wir nicht schon genug von denen, die Eisen für Geld gegeben haben? Du wirst mir nicht böse sein, wenn ich im Zusammenhange mit unserem Bruder Viktor ein wenig offen über diese Art von Handel etc., den auch er betrieben zu Leben scheint, spreche. Ich begreife, daß er sich über das alles gewiß nicht besonderes klar sein u. diese Gegensätze † , in „Amerika“ nicht so kraß wie [word deleted] im vereinten Europa durchschaut haben wird. Doch genug davon. Machen wir aus unserer Hande Unfähigkeit zum Handel keine zu große Tugend, das wäre zu viel. Ja, Unfähigkeit sage ich, denn wer weiß denn, ob wir, der Fähigkeit vorausgesetzt, so stark wären, Feinde des Handlers zu bleiben. — Ich freue mich mit der Zeile von Euch, danke noch viele Male für Euer Buch Entschuldiget diese Schrift, aber mir [word deleted] fällt es schwer, den Federhalter zu halten, ich schreibe zu viel [illegible word]. Wenn ich Dir geschrieben hätte, ohne auf Paul zu warten, hättest Du schon längst einen Bericht über unser Treiben erhalten. Ich habe im Geiste oft, sehr oft Deinem letzten lieben Brief – vom 8. Feber! – beantwortet. Da Paul es unterlassen hat, Dir die Ursachen seines langen Stillschweigen zu schildern, will ich es tun. Drei Monate hindurch hat er vor einer Studentenorganisation volkswirtschaftliche Vorträge gehalten, die sehr viel Arbeit und Vorbereitung erforderten, zu der er erst nach seinem eigentlichen Beruf kam. Freitag ist Schluß, er hat dann wieder mehr Zeit. Darf ich auch einiges über Viktor sagen, den ich ja nur aus den wenigen Briefen kenne? (Paul hing übrigens zärtlich an den ihm fast unbekannten Bruder, wohl weil er auch ein „aus der Art Geratener“ war. Hätten wir an Lisls Stelle einen Jungen bekommen, wäre er Viktor benannt worden.) Als ich Viktors ersten Brief an Klara lass hat mich eine gewaltige Rührung erfaßt: {5} So ein tiefes Gefühl, eine solche innige Liebe zur Schwester! Gleichzeitig ein Gefühl der Verärgerung empfand ich gegen Klara. Auf die Sprache des Herzens antwortete sie mit bei Schiller erborgten Phrasen, anstatt als Schwester zu ihm zu sprechen. Es war mir dabei so leid um Viktor. Ich glaube er hat seine schönen Empfindungen einer Schwester bewahrt, die längst nichtmehr die ist, die er liebte. — Paul? Mit fast fieberhafter Ungeduld erwartete er Viktors Brief; doch was er darüber zu sagen hatte, schrieb er Dir selbst. (Am 30. IV erhielten wir den letzten Brief aus Valparaiso. Auch darin kein Wort mehr über die beabsichtigte Reise. Ob man ihm noch nach Chile schreiben kann?) Sonst aber glaube ich, liebe LieLie, sind diese beiden Brüder, wenn sie auch verschiedene Weltanschauungen vertreten, einander garnicht so unähnlich. Wenn Paul je wieder zur Arbeiterbewegung zurückkäme, würde ihn – ebensowenig, wie Viktor – die Vorstellung von drohenden Gefahren abhalten können, dies zu tun. — — Vor dem Werk Deines teueren Mannes {6} stand ich bewundernd. Eine gewaltige, große Arbeit! Als Laie sind wir die Werte, die es für Musiker haben muß, verschlossen. Die Essays jedoch las ich mit hohem, geistigen Genuß. An diesem großen Werk durftest Du teilhaben und konntest es auch! Ich bewundere Dich sehr, liebe Lie-Lie! Dann möchte ich so gerne Dich kennen lernen und fürchte mich zugleich davor. Habet Beide vielen Dank für das Werk! Paul vergaß noch, mitzuteilen, daß wir vom 17. Juli bis ca. 12. Aug nicht in Prag, sondern irgendwo in der Reichenberger Gegend sein werden. Wenn Ihr den Plan der Städtereise verwirklicht, werden wir uns vielleicht doch sehen? 3 Meine Nachschrift: Unsere Lisl wird immer größer, schlimmer und froher. Wir freuen uns über jeden dieser Fortschritte. © Transcription William Drabkin, 2024 |
The past weeks had special days of reflection and occurrences. If with difficulty I resolve to write at all, it is because the conditions persuaded me to summon my [?last] bit of courage and to continue postponing the writing down of these lines. It is not a good idea to put expressions of one’s exceptional moodiness on paper. First of all, many thanks for Das Meisterwerk ! 2 I have already read, with pleasure if not always in agreement, those parts and musical examples of the book that I was able to understand. Needless to say, the most substantive part of the work remains impenetrable to me. Of course, I cannot understand anything of the musical part of the work. That is hardly surprising given my lack of understanding of anything having to do with what is, and what is called, music ever since my childhood days. I only wish that, whatever the great efforts this work has cost the two of you, they bring you the success that you deserve. [illegible word] it is nevertheless not a mistake to find the recognition one deserves. Your comments about Viktor are largely in agreement with my understanding of his aspirations. I only fear that his wish to find peace over there [in Palestine] will end in disappointment. {2} Apart from that, however, I believe that this idealism belongs to a lost cause. It is a cause that can never become what the initiators of this movement promise. The “national liberation” of the Jews does not exist there; they merely change their “masters” and the leadership of this group does not indeed want a social “transformation.” But even if one wished for the latter, it would be possible only in coordination with the rest of Europe, for it is just the remaining territory, the “Europe that lies outside of Palestine,” that is the real area of activity. With Viktor, however, I have marveled at his national identity that has swelled to the point of chauvinism. How can a contemporary and a European, if he is not already a 100% internationalist, be a national chauvinist? All the more so a Jew, who knows only something of the history of his people and knows so much: that there have been only two breeding-grounds of bestiality: Nationalism and Religiosity (the latter understood in the sense of an established church). There, however, I ceased to understand, despite all my admiration for idealism. To this, however, is added that this bourgeois idealism is joined with a profound understanding of business. Extraordinary! What is one to make of this passionate will {3} to national resurrection, if it does not automatically embrace the commandment to desist from short-changing the unwitting natives of Bolivia? (They gave gold for — rags.) Is this bourgeois neo-nationalism worth resurrecting? Have we not already had enough of those people who have exchanged iron for money? You must not be angry with me if, in connection with our brother Viktor, I speak a bit openly about this method of business, etc., which he too appears to have pursued in his lifetime. I understand that he is surely not very clear about all these things, and that these contradictions † have not been perceived in such stark terms in “America” [word deleted] as in united Europe. But enough of this. We should not make too much of a virtue of our incapacity for business; that would be going too far. I say “incapacity”; for who knows whether, if we had that capacity, we would be strong enough to remain the businessman’s enemy. I look forward to hearing from the two of you. I thank you once more for your book, Please excuse my handwriting, but I find it [word deleted] difficult to hold a pen; I write too much [illegible word]. If I had written to you without waiting for Paul, you would have long ago had a report of our activities. I have replied to your kind letter – of February 8! – very often in my head. Since Paul neglected to explain the reasons for his long period of silence, I shall do so. For three whole months he has given lectures on economics to a student organization, which required a great deal of work and preparation, which he could undertake only after his actual professional work. This ends on Friday; then he will have more time. May I also say a few things about Viktor, whom I know only from the handful of letters he wrote. (Paul was moreover tenderly attached to his brother, whom he hardly knew, perhaps because he too was “different from the others.” Had we had a little boy instead of Lisl, he would have been named Viktor.) When I read Viktor’s first letter to Klara, a tremendous emotion overcame me: {5} such a deep feeling, such an intimate love for his sister! At the same time I had a feeling of anger towards Klara. To his language of the heart, she replied with phrases taken from Schiller, instead of speaking to him as a sister. I felt so sorry for Viktor. I believe that he has preserved his beautiful feelings towards a sister who for a long time has not been the person whom he once loved. And Paul? With an almost feverish impatience he awaited Viktor’s letter; but what he had to say about it he wrote to you himrself. (On April 30 we received the last letter from Valparaiso. There, too, not a further word about the planned voyage. I don’t know if one can write to him in Chile any longer.) Otherwise, dear Lie-Lie, I believe that these two brothers, even though they champion different views of the world, are not at all so unlike one another. If Paul were ever to return to the Worker’s Movement, the vision of threatening dangers would not deter him from doing this, any more than it would Viktor. I stood in wonderment before the work of your dear husband. {6} A tremendous achievement! As lay people, we cannot understand the value that it must have for musicians. The essays, however, I read with great intellectual enjoyment. You were permitted to take part in this great work, and you were able to as well! I marvel at you, dear Lie-Lie. And I would so much like to get to know you, and yet am at the same time afraid. Many thanks to the two of you for this work! Paul also forgot to tell you that we shall not be in Prague between July 17 and roughly August 12, but rather somewhere in the Reichenberg region. If you realize your plan to make a tour of the cities, we shall perhaps see each other nonetheless. 3 My postscript: Our Lisl is getting taller, more badly behaved, and more cheerful. We take pleasure in each of these signs of progress. © Translation William Drabkin, 2024 |
Die vergangenen Wochen hatten die besonderen Gedenktage und Ereignisse. Entschliesse ich mich überhaupt sehr schwer zu schreiben, so waren diese Umstände nur dazu angetan, mir den [?letzten] Rest an Mut zu nehmen und die Niederschrift dieser Zeilen immer wieder zu verschieben. Est ist nicht gut seine besonderen Stimmungen zu Papier zu bringen. Vor allem vielen Dank für das Meisterwerk! 2 Ich habe mit Freude, wenn auch nicht unter Zustimmung, diejenigen Teile & Bilder des Buches bereits gelesen, die mir für mich fassbar sind. Der wesentlichste Teil des Werkes bleibt mir natürlich verschlossen. Ich verstehe vo nm dem Teil der musikalischen Teil des Werkes natürlich gar nichts. Das kann bei meiner schon im Kindesalter zu Tagen getretenen Verständnislosigkeit allem gegenüber[,] was Musik ist und was nur so heißt, nicht Wunder nehmen. Ich wünsche Euch nur, daß die viele Mühe, die diese Arbeit gekostet hat, auch den verdienten Erfolg einbringen möge. [illegible word] man, schon weil man muß, so ist es doch trotzdem kein Fehler, die verdiente Anerkennung zu finden. Deine Bermerkungen über Viktor, decken sich ja im wesentlichen mit meiner Auffassung über seine Bestrebungen. Nur fürchte ich, daß sein Wunsch, dort drüben Ruhe zu finden, ent- {2} täuscht worden wird. Abgesehen davon aber, bin ich der Meinung, daß dieser Idealismus einer verlorenen Sache gehört. Das ist eine Sache, die nie das werden kann, was sich die Initiatoren dieser Bewegung versprechen. Die „nationale Befreiung“ der Juden gibt es dort nicht; sie ändern nur ihren „Herren“ und eine soziale „Veränderung“ will ja die Leitung dieser Gruppe nicht. Doch selbst wenn man letzteres wollte, wäre doch auch das nur möglich in Koordination zum übrigen Europa. Will man diese letztgenannten „Veränderungen“, dann bietet eben das übrige [word deleted] „außerpalästinensische Europa“ [word deleted] das eigentliche große Betätigungsgebiet. Bei Viktor aber habe ich den bis zum chauvinismus gesteigerten nationalen Sein bestaunt. Wie kann ein Zeitgenosse u. Europäer – wenn er schon kein Internationalist ist zu 100% – ein nationaler chauvinist sein? Zumal aber ein Jude, der nur etwas die Geschichte seines Volkes kennt & soviel weiß, dass es nur 2 Brutstätten der Bestialität gegeben hat – der Nationalismus – die Religiosität (letzteres im Kirchensinn gemeint)[.] Da aber habe ich bei aller Bewunderung für den Idealismus aufgehört zu begreifen. Dazu kommt aber noch, daß sich dieser bürgerlicher Idealismus mit einem tiefgehenden Verständnis für den Handel vereinigt. Sonderbar! Was soll man von diesem leidenschaftlichen Willen {3} zur nationalen Auferstehung halten, wenn er nicht in sich schon als selbstverständlich das Gebot einschließt, darauf zu verzichten, die unwissenden Eingeborenen von Bolivien „übers Ohr zu hauen“. (Gold gab man für – Hadern) Hat dieser bürgerliche Neunationalismus Wert, aufzuerstehen? Haben wir nicht schon genug von denen, die Eisen für Geld gegeben haben? Du wirst mir nicht böse sein, wenn ich im Zusammenhange mit unserem Bruder Viktor ein wenig offen über diese Art von Handel etc., den auch er betrieben zu Leben scheint, spreche. Ich begreife, daß er sich über das alles gewiß nicht besonderes klar sein u. diese Gegensätze † , in „Amerika“ nicht so kraß wie [word deleted] im vereinten Europa durchschaut haben wird. Doch genug davon. Machen wir aus unserer Hande Unfähigkeit zum Handel keine zu große Tugend, das wäre zu viel. Ja, Unfähigkeit sage ich, denn wer weiß denn, ob wir, der Fähigkeit vorausgesetzt, so stark wären, Feinde des Handlers zu bleiben. — Ich freue mich mit der Zeile von Euch, danke noch viele Male für Euer Buch Entschuldiget diese Schrift, aber mir [word deleted] fällt es schwer, den Federhalter zu halten, ich schreibe zu viel [illegible word]. Wenn ich Dir geschrieben hätte, ohne auf Paul zu warten, hättest Du schon längst einen Bericht über unser Treiben erhalten. Ich habe im Geiste oft, sehr oft Deinem letzten lieben Brief – vom 8. Feber! – beantwortet. Da Paul es unterlassen hat, Dir die Ursachen seines langen Stillschweigen zu schildern, will ich es tun. Drei Monate hindurch hat er vor einer Studentenorganisation volkswirtschaftliche Vorträge gehalten, die sehr viel Arbeit und Vorbereitung erforderten, zu der er erst nach seinem eigentlichen Beruf kam. Freitag ist Schluß, er hat dann wieder mehr Zeit. Darf ich auch einiges über Viktor sagen, den ich ja nur aus den wenigen Briefen kenne? (Paul hing übrigens zärtlich an den ihm fast unbekannten Bruder, wohl weil er auch ein „aus der Art Geratener“ war. Hätten wir an Lisls Stelle einen Jungen bekommen, wäre er Viktor benannt worden.) Als ich Viktors ersten Brief an Klara lass hat mich eine gewaltige Rührung erfaßt: {5} So ein tiefes Gefühl, eine solche innige Liebe zur Schwester! Gleichzeitig ein Gefühl der Verärgerung empfand ich gegen Klara. Auf die Sprache des Herzens antwortete sie mit bei Schiller erborgten Phrasen, anstatt als Schwester zu ihm zu sprechen. Es war mir dabei so leid um Viktor. Ich glaube er hat seine schönen Empfindungen einer Schwester bewahrt, die längst nichtmehr die ist, die er liebte. — Paul? Mit fast fieberhafter Ungeduld erwartete er Viktors Brief; doch was er darüber zu sagen hatte, schrieb er Dir selbst. (Am 30. IV erhielten wir den letzten Brief aus Valparaiso. Auch darin kein Wort mehr über die beabsichtigte Reise. Ob man ihm noch nach Chile schreiben kann?) Sonst aber glaube ich, liebe LieLie, sind diese beiden Brüder, wenn sie auch verschiedene Weltanschauungen vertreten, einander garnicht so unähnlich. Wenn Paul je wieder zur Arbeiterbewegung zurückkäme, würde ihn – ebensowenig, wie Viktor – die Vorstellung von drohenden Gefahren abhalten können, dies zu tun. — — Vor dem Werk Deines teueren Mannes {6} stand ich bewundernd. Eine gewaltige, große Arbeit! Als Laie sind wir die Werte, die es für Musiker haben muß, verschlossen. Die Essays jedoch las ich mit hohem, geistigen Genuß. An diesem großen Werk durftest Du teilhaben und konntest es auch! Ich bewundere Dich sehr, liebe Lie-Lie! Dann möchte ich so gerne Dich kennen lernen und fürchte mich zugleich davor. Habet Beide vielen Dank für das Werk! Paul vergaß noch, mitzuteilen, daß wir vom 17. Juli bis ca. 12. Aug nicht in Prag, sondern irgendwo in der Reichenberger Gegend sein werden. Wenn Ihr den Plan der Städtereise verwirklicht, werden wir uns vielleicht doch sehen? 3 Meine Nachschrift: Unsere Lisl wird immer größer, schlimmer und froher. Wir freuen uns über jeden dieser Fortschritte. © Transcription William Drabkin, 2024 |
The past weeks had special days of reflection and occurrences. If with difficulty I resolve to write at all, it is because the conditions persuaded me to summon my [?last] bit of courage and to continue postponing the writing down of these lines. It is not a good idea to put expressions of one’s exceptional moodiness on paper. First of all, many thanks for Das Meisterwerk ! 2 I have already read, with pleasure if not always in agreement, those parts and musical examples of the book that I was able to understand. Needless to say, the most substantive part of the work remains impenetrable to me. Of course, I cannot understand anything of the musical part of the work. That is hardly surprising given my lack of understanding of anything having to do with what is, and what is called, music ever since my childhood days. I only wish that, whatever the great efforts this work has cost the two of you, they bring you the success that you deserve. [illegible word] it is nevertheless not a mistake to find the recognition one deserves. Your comments about Viktor are largely in agreement with my understanding of his aspirations. I only fear that his wish to find peace over there [in Palestine] will end in disappointment. {2} Apart from that, however, I believe that this idealism belongs to a lost cause. It is a cause that can never become what the initiators of this movement promise. The “national liberation” of the Jews does not exist there; they merely change their “masters” and the leadership of this group does not indeed want a social “transformation.” But even if one wished for the latter, it would be possible only in coordination with the rest of Europe, for it is just the remaining territory, the “Europe that lies outside of Palestine,” that is the real area of activity. With Viktor, however, I have marveled at his national identity that has swelled to the point of chauvinism. How can a contemporary and a European, if he is not already a 100% internationalist, be a national chauvinist? All the more so a Jew, who knows only something of the history of his people and knows so much: that there have been only two breeding-grounds of bestiality: Nationalism and Religiosity (the latter understood in the sense of an established church). There, however, I ceased to understand, despite all my admiration for idealism. To this, however, is added that this bourgeois idealism is joined with a profound understanding of business. Extraordinary! What is one to make of this passionate will {3} to national resurrection, if it does not automatically embrace the commandment to desist from short-changing the unwitting natives of Bolivia? (They gave gold for — rags.) Is this bourgeois neo-nationalism worth resurrecting? Have we not already had enough of those people who have exchanged iron for money? You must not be angry with me if, in connection with our brother Viktor, I speak a bit openly about this method of business, etc., which he too appears to have pursued in his lifetime. I understand that he is surely not very clear about all these things, and that these contradictions † have not been perceived in such stark terms in “America” [word deleted] as in united Europe. But enough of this. We should not make too much of a virtue of our incapacity for business; that would be going too far. I say “incapacity”; for who knows whether, if we had that capacity, we would be strong enough to remain the businessman’s enemy. I look forward to hearing from the two of you. I thank you once more for your book, Please excuse my handwriting, but I find it [word deleted] difficult to hold a pen; I write too much [illegible word]. If I had written to you without waiting for Paul, you would have long ago had a report of our activities. I have replied to your kind letter – of February 8! – very often in my head. Since Paul neglected to explain the reasons for his long period of silence, I shall do so. For three whole months he has given lectures on economics to a student organization, which required a great deal of work and preparation, which he could undertake only after his actual professional work. This ends on Friday; then he will have more time. May I also say a few things about Viktor, whom I know only from the handful of letters he wrote. (Paul was moreover tenderly attached to his brother, whom he hardly knew, perhaps because he too was “different from the others.” Had we had a little boy instead of Lisl, he would have been named Viktor.) When I read Viktor’s first letter to Klara, a tremendous emotion overcame me: {5} such a deep feeling, such an intimate love for his sister! At the same time I had a feeling of anger towards Klara. To his language of the heart, she replied with phrases taken from Schiller, instead of speaking to him as a sister. I felt so sorry for Viktor. I believe that he has preserved his beautiful feelings towards a sister who for a long time has not been the person whom he once loved. And Paul? With an almost feverish impatience he awaited Viktor’s letter; but what he had to say about it he wrote to you himrself. (On April 30 we received the last letter from Valparaiso. There, too, not a further word about the planned voyage. I don’t know if one can write to him in Chile any longer.) Otherwise, dear Lie-Lie, I believe that these two brothers, even though they champion different views of the world, are not at all so unlike one another. If Paul were ever to return to the Worker’s Movement, the vision of threatening dangers would not deter him from doing this, any more than it would Viktor. I stood in wonderment before the work of your dear husband. {6} A tremendous achievement! As lay people, we cannot understand the value that it must have for musicians. The essays, however, I read with great intellectual enjoyment. You were permitted to take part in this great work, and you were able to as well! I marvel at you, dear Lie-Lie. And I would so much like to get to know you, and yet am at the same time afraid. Many thanks to the two of you for this work! Paul also forgot to tell you that we shall not be in Prague between July 17 and roughly August 12, but rather somewhere in the Reichenberg region. If you realize your plan to make a tour of the cities, we shall perhaps see each other nonetheless. 3 My postscript: Our Lisl is getting taller, more badly behaved, and more cheerful. We take pleasure in each of these signs of progress. © Translation William Drabkin, 2024 |
Footnotes1 Receipt of this letter is not recorded in Schenker’s diary. 2 Heinrich’s diary entry for June 17 records the sending of the (first) Meisterwerk yearbook to Paul Schiff. 3 The plan for Heinrich and Jeanette to travel to Bohemia, including Prague, did not materialize. |
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Format† Double underlined |
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Commentary
Digital version created: 2025-02-12 |