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OJ 15/15, [H] - Handwritten letter from Weisse to Schenker, dated [September] 23, [1913]
⇧ Hotel Erbprinz Bs CARL VETTER, Hofl. Weimar [etc.] den 23. Nachts. 11 Uhr. ⇧ Mein einzig geliebter, verehrter Meister! 1 Heute nachmittags kam ich hier an und mein erster Gang war zur Post, wo ich von Ihnen ein paar Zeilen vorzufinden hoffte. Und siehe da! Sie erfüllten diese Hoffnung – wofür ich Ihnen innigst danke – denn hier in der Fremde mutet mich die liebe Karte mit Ihrer zierlichen Handschrift 2 ganz besonders heimatlich an – und vor allem eine Heimat, auf die man stolz sein muss! Ihre Nachricht erfreute mich ungemein: langsam kommt die Welt {2} ja doch drauf, wo das richtige steckt – nur dauerts lange! Dennoch aber dürfen Sie nachher noch das Bewusstsein haben, gar nichts für die Sache gemacht zu haben – was ja dann besonders Ihren Wert documentiert! Lieber, Verehrter – soll ich wieder eine jener Liebeserklärungen machen, deren Sie im Grunde schon überdrüssig sein müssen? Nehmen Sie nur es nicht übel – Liebster – aber ich fühle mich [–] welch eine Arroganz – als ein Stück von Ihnen, oder zumindest Ihnen zugehörig, so dass jedes Fortschreiten, jede Progression der guten Sache mich jubeln lassen möchte; Verzeihen Sie es nur, wenn im Banne des Geistes angezogen, auch mein äusseres Dasein sich Ihnen immer mehr an- {3} nähern möchte – aber verurteilt zur Existenz jener Naturen, deren geistiges und psychisches Empfinden und Erleben Hand in Hand geht, kann ich dem aus geistigem Genusse strömenden Liebesbedürfnis Ihnen gegenüber keinen Einhalt tun! Nennen Sie mich darum nicht sentimental, denn im Besitze des Gefühls, bin ich nur bewusst, dass es sich mit der lautern, edeln Klarheit Ihrer Methode deckt: dass es Folge oder Begleiterscheinung, jedenfalls in einem würdigen Abhängigkeitsverhältnisse steht, dessen ich mich nicht zu schämen brauche: In diesem dauernden Zustande nun drucke ich Ihnen nochmals meine übergrosse Freude über den Fall Peters 3 aus! Wie gut, dass Sie für jeden Fall Hertzka {4} gegenüber nicht nur gesichert, sondern sogar gewappnet sind! Diese Krafterneuerung wird jenen im geeigneten Augenblicke in die Kniee [sic] zwingen müssen: und so kommt, was unausbleiblich ist: Ihr endgültiger Sieg! Im Rausche dieser Perspectiven, wage ich es Ihnen endlich eine kleine Bitte vorzutragen, die seit lange in mir besteht und der ich heute die Aussprache nicht verweigere: Sagen Sie mir Du – und dulden Sie, dass Ich Ihnen weiter, Meister und vor allem Sie sage, in der Stellung und Verehrung die mir zu eigen sind: Wenn ich Ihre Wahrheiten fernerhin hören darf, lassen Sie sie mir in dem Gewande väterlicher Aussprache zuteil werden, {5} da ich Ihnen gegenüber, so sohnlich empfinde: Was Sie vortragen, ist über Formalitäten erhaben, und grade deswegen wollte ich das lästige, uns Scheidende entfernen, denn stehe ich Ihnen nicht näher, wie als mancher Anverwandte, Ihrem eigensten Wesen, Ihrem tiefsten Gedankenkreise nicht so nahe, dass das Wörtlein fallen dürfte, das mich Ihnen offenkundig als Fremden gegenüber stellt. Nehmen Sie selbstverständlich diese oben erwähnte psychische Begleitserscheinung Ihres Systems, falls Sie [recte sie] Ihnen nicht convenieren sollte[,] {6} nicht zu tragisch: und sagen Sie einfach[:] Daraus wird nichts! Mein Inneres Verhältnis zu Ihnen hätte ich freilich nur gerne nach Aussen pro[j]iziert, und ich habe ehrlich und offen gesprochen, wie ich für Sie empfinde. Von unterwegs will ich Sie noch um die alljährlich gewährte Extrazusammenkunft, vor der ersten Stunde bitten[,] um Ihnen die paar kurzen neuen Lieder zu bringen! Ich freue mich auf Sie und das Arbeiten und bitte Sie um Entschuldigung wegen dies scheinbaren: filius exstaticus! © Transcription William Drabkin, 2008 |
⇧ Hotel Erbprinz Proprietor: CARL VETTER, Hofl. Weimar [etc.] den the night of the 23rd, 11 p.m. ⇧ My one beloved, revered Master, 1 This afternoon I arrived here and my first trip was to the Post Office, where I hoped to find a few lines from you. And, lo and behold, you fulfilled this hope, for which I offer you my deepest thanks, as here in a foreign place your lovely card with your decorative handwriting 2 enlivened my spirits in a quite specially native way ‒ and above all a native country of which one can be proud! Your news cheered me up uncommonly: slowly, the world is indeed {2} recognizing where the truth lies; it is just taking so long! Nevertheless you can later be conscious of having done nothing at all [merely] for the cause ‒ something that offers proof indeed of your worth! My dear, revered Master ‒ shall I make yet another of my declarations of love, of which you must have already grown tired of hearing? Please do not think ill of it, my most beloved, but I feel ‒ what arrogance! ‒ that I am a part of you, or at least that I belong to you, so that every step forward, every progression of the good cause, makes me want to rejoice. Forgive me only if, under the spell of your spirit, my outward existence also wants to come as close to you as possible; {3} being however condemned to the existence of those natures whose spiritual and psychic sensibility and experiences go hand in hand, I cannot hold in check that need to love you that emanates from spiritual pleasure! Do not call me sentimental on account of this; for, in possession of the feeling, I am only conscious that it is consistent with the worthy and noble clarity of your method, that it is its consequence or accompanying manifestation, which at any rate stands in a relationship of dependency of which I need not be ashamed. In this permanent state, I once again express my enormous joy regarding the Peters affair! 3 How good it is, that you are at any rate not only protected from Hertzka {4} but actually armed against him! This renewal of strength will surely bring him to his knees at the appropriate time: and thus will come that which is inevitable: your ultimate victory! Intoxicated by these perspectives, I dare, finally, to ask a small favor, which I have held within me for a long time and from whose expression I can no longer refrain: Address me with "Du," and allow me to continue to address you, Master, with "Sie" in the relationship and honor that are appropriate to me. If I may be permitted in future to hear your words of truth, let them come to me in the form of fatherly expression, {5} as I feel so much like a son in relation to you. What you have to say is beyond all formalities, and precisely because of this I wanted to banish that which is a burden, and which comes between us; for am I not closer to you than many of your relations? Am I not so close to your very own being, your deepest sphere of thoughts, that we might be able to drop this little word that evidently consigns me to the status of an outsider? Do not, of course, take too seriously this above-mentioned accompanying psychic manifestation of your system, in the event that you do not find yourself in sympathy with it, {6} and simply say: "Nothing will come of it!" My inner relationship to you is something I would have, of course, gladly projected outwards, and I have spoken honestly and openly about my feelings for you. Writing from my travels, I shall again ask you for the extra meetings that you have granted me every year in advance of the first lesson, so that I may bring you a few short new songs. I look forward to seeing and working with you, and ask your forgiveness on account of what must seem a ‒ filius exstaticus! © Translation William Drabkin, 2008 |
⇧ Hotel Erbprinz Bs CARL VETTER, Hofl. Weimar [etc.] den 23. Nachts. 11 Uhr. ⇧ Mein einzig geliebter, verehrter Meister! 1 Heute nachmittags kam ich hier an und mein erster Gang war zur Post, wo ich von Ihnen ein paar Zeilen vorzufinden hoffte. Und siehe da! Sie erfüllten diese Hoffnung – wofür ich Ihnen innigst danke – denn hier in der Fremde mutet mich die liebe Karte mit Ihrer zierlichen Handschrift 2 ganz besonders heimatlich an – und vor allem eine Heimat, auf die man stolz sein muss! Ihre Nachricht erfreute mich ungemein: langsam kommt die Welt {2} ja doch drauf, wo das richtige steckt – nur dauerts lange! Dennoch aber dürfen Sie nachher noch das Bewusstsein haben, gar nichts für die Sache gemacht zu haben – was ja dann besonders Ihren Wert documentiert! Lieber, Verehrter – soll ich wieder eine jener Liebeserklärungen machen, deren Sie im Grunde schon überdrüssig sein müssen? Nehmen Sie nur es nicht übel – Liebster – aber ich fühle mich [–] welch eine Arroganz – als ein Stück von Ihnen, oder zumindest Ihnen zugehörig, so dass jedes Fortschreiten, jede Progression der guten Sache mich jubeln lassen möchte; Verzeihen Sie es nur, wenn im Banne des Geistes angezogen, auch mein äusseres Dasein sich Ihnen immer mehr an- {3} nähern möchte – aber verurteilt zur Existenz jener Naturen, deren geistiges und psychisches Empfinden und Erleben Hand in Hand geht, kann ich dem aus geistigem Genusse strömenden Liebesbedürfnis Ihnen gegenüber keinen Einhalt tun! Nennen Sie mich darum nicht sentimental, denn im Besitze des Gefühls, bin ich nur bewusst, dass es sich mit der lautern, edeln Klarheit Ihrer Methode deckt: dass es Folge oder Begleiterscheinung, jedenfalls in einem würdigen Abhängigkeitsverhältnisse steht, dessen ich mich nicht zu schämen brauche: In diesem dauernden Zustande nun drucke ich Ihnen nochmals meine übergrosse Freude über den Fall Peters 3 aus! Wie gut, dass Sie für jeden Fall Hertzka {4} gegenüber nicht nur gesichert, sondern sogar gewappnet sind! Diese Krafterneuerung wird jenen im geeigneten Augenblicke in die Kniee [sic] zwingen müssen: und so kommt, was unausbleiblich ist: Ihr endgültiger Sieg! Im Rausche dieser Perspectiven, wage ich es Ihnen endlich eine kleine Bitte vorzutragen, die seit lange in mir besteht und der ich heute die Aussprache nicht verweigere: Sagen Sie mir Du – und dulden Sie, dass Ich Ihnen weiter, Meister und vor allem Sie sage, in der Stellung und Verehrung die mir zu eigen sind: Wenn ich Ihre Wahrheiten fernerhin hören darf, lassen Sie sie mir in dem Gewande väterlicher Aussprache zuteil werden, {5} da ich Ihnen gegenüber, so sohnlich empfinde: Was Sie vortragen, ist über Formalitäten erhaben, und grade deswegen wollte ich das lästige, uns Scheidende entfernen, denn stehe ich Ihnen nicht näher, wie als mancher Anverwandte, Ihrem eigensten Wesen, Ihrem tiefsten Gedankenkreise nicht so nahe, dass das Wörtlein fallen dürfte, das mich Ihnen offenkundig als Fremden gegenüber stellt. Nehmen Sie selbstverständlich diese oben erwähnte psychische Begleitserscheinung Ihres Systems, falls Sie [recte sie] Ihnen nicht convenieren sollte[,] {6} nicht zu tragisch: und sagen Sie einfach[:] Daraus wird nichts! Mein Inneres Verhältnis zu Ihnen hätte ich freilich nur gerne nach Aussen pro[j]iziert, und ich habe ehrlich und offen gesprochen, wie ich für Sie empfinde. Von unterwegs will ich Sie noch um die alljährlich gewährte Extrazusammenkunft, vor der ersten Stunde bitten[,] um Ihnen die paar kurzen neuen Lieder zu bringen! Ich freue mich auf Sie und das Arbeiten und bitte Sie um Entschuldigung wegen dies scheinbaren: filius exstaticus! © Transcription William Drabkin, 2008 |
⇧ Hotel Erbprinz Proprietor: CARL VETTER, Hofl. Weimar [etc.] den the night of the 23rd, 11 p.m. ⇧ My one beloved, revered Master, 1 This afternoon I arrived here and my first trip was to the Post Office, where I hoped to find a few lines from you. And, lo and behold, you fulfilled this hope, for which I offer you my deepest thanks, as here in a foreign place your lovely card with your decorative handwriting 2 enlivened my spirits in a quite specially native way ‒ and above all a native country of which one can be proud! Your news cheered me up uncommonly: slowly, the world is indeed {2} recognizing where the truth lies; it is just taking so long! Nevertheless you can later be conscious of having done nothing at all [merely] for the cause ‒ something that offers proof indeed of your worth! My dear, revered Master ‒ shall I make yet another of my declarations of love, of which you must have already grown tired of hearing? Please do not think ill of it, my most beloved, but I feel ‒ what arrogance! ‒ that I am a part of you, or at least that I belong to you, so that every step forward, every progression of the good cause, makes me want to rejoice. Forgive me only if, under the spell of your spirit, my outward existence also wants to come as close to you as possible; {3} being however condemned to the existence of those natures whose spiritual and psychic sensibility and experiences go hand in hand, I cannot hold in check that need to love you that emanates from spiritual pleasure! Do not call me sentimental on account of this; for, in possession of the feeling, I am only conscious that it is consistent with the worthy and noble clarity of your method, that it is its consequence or accompanying manifestation, which at any rate stands in a relationship of dependency of which I need not be ashamed. In this permanent state, I once again express my enormous joy regarding the Peters affair! 3 How good it is, that you are at any rate not only protected from Hertzka {4} but actually armed against him! This renewal of strength will surely bring him to his knees at the appropriate time: and thus will come that which is inevitable: your ultimate victory! Intoxicated by these perspectives, I dare, finally, to ask a small favor, which I have held within me for a long time and from whose expression I can no longer refrain: Address me with "Du," and allow me to continue to address you, Master, with "Sie" in the relationship and honor that are appropriate to me. If I may be permitted in future to hear your words of truth, let them come to me in the form of fatherly expression, {5} as I feel so much like a son in relation to you. What you have to say is beyond all formalities, and precisely because of this I wanted to banish that which is a burden, and which comes between us; for am I not closer to you than many of your relations? Am I not so close to your very own being, your deepest sphere of thoughts, that we might be able to drop this little word that evidently consigns me to the status of an outsider? Do not, of course, take too seriously this above-mentioned accompanying psychic manifestation of your system, in the event that you do not find yourself in sympathy with it, {6} and simply say: "Nothing will come of it!" My inner relationship to you is something I would have, of course, gladly projected outwards, and I have spoken honestly and openly about my feelings for you. Writing from my travels, I shall again ask you for the extra meetings that you have granted me every year in advance of the first lesson, so that I may bring you a few short new songs. I look forward to seeing and working with you, and ask your forgiveness on account of what must seem a ‒ filius exstaticus! © Translation William Drabkin, 2008 |
Footnotes1 Schenker's diary for September 24, 1913, p. 426, establishes beyond doubt the date of Weisse's letter as September 23, 1913 by recording: "Brief von Weisse mit der seltsam kindlichen Bitte um ein väterliches „Du“!" ("Letter from Weisse with the strangely childlike request that I address him with a paternal 'Du'!"). 2 Schenker's card is not known to have survived. 3 The publishing firm C. F. Peter, based in Leipzig, approached Schenker on September 10, 1913 with a view to his producing an edition of selected Beethoven piano sonatas for them (OJ 13/17, [3] and diary for September 11). Schenker replied on September 18 (Ssa, [1], 12 pages, and diary September 17) with stipulations about the commentaries to the edition, and on October 29 (Ssa, [2], 19 pages, and diary October 27‒29) proposing which sonatas should be included. Peters broke off negotiations on November 4 (OJ 13/17, [7], which Schenker later appears to have regretted (diary entry of November 1, 1913: "I almost regret not having written to Peters in a somewhat more conciliatory way."). |
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Commentary
Digital version created: 2019-10-18 |