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OJ 5/38, [90] - Handwritten letter from Heinrich to Wilhelm Schenker, dated July 12, 1934
Wie geht es dir? Und der l. Marie? Gerade lese ich, daß Major Fey zum Spezialminister für Sicherheit ernannt worden ist, der versteht keinen Spaß, das Ende der Nazis ist da! War das aber eine Verwüstung in Deutschland u. bei uns! 2 Die 10 Plagen über Pfarao nach Austreibung der Juden waren „a’ Bagatell“ dagegen! Deutschland kann sich nie mehr {2} erholen, doch das geht uns gar nicht mehr an. Gestern hat mir die Post ein Buch gebracht, dessen Untertitel lautet: „Eine Einführung in die Lehre H. Schenkers“, 221 Seiten groß mit 241 Beispielen. (von Dr. Oswald Jonas, Berlin). Wäre dir der Stoff gemäßer, so würde ich dir das Buch schicken, aber ih die Sache liegt dir gar zu fern, so magst du dich mit den ersten Worten auf dem Umschlag erfreuen, die lauten: „Das Werk H. Schenkers, nach seiner einzigartigen Bedeutung innerhalb der Musikwissenschaft nur der Kant † s in der Philosophie {3} vergleichbar usw usw.“ Das will was heißen. Auch daß mich Dr. Furtwängler jetzt gesucht hat, obgleich er „preußischer Staatsrat“ geworden u. weiß, daß ich Jude bin, will auch was heißen. Wohl hättest du eine größere Freude, wenn ich dir melden könnte, daß sich obige Erfreulichkeiten durch erhöhte Einnahmen ausdrücken, leider ist das nicht der Fall. Ich wäre sonst gleich jünger um paar Jahre u. könnte leichter die schweren Schmerzen der letzten 3 Jahre vermeiden. Zuletzt hatte ich recht viel mit Ärzten zu tun, die mich sehr lieben, da ich einer der Wenigen bin, die keiner Krankenkasse zugehören, also 10 S für die Or- {4} dination zahlen. Der Arzt in Bad-Gastein hat mich als gesund entlassen, [cued from top margin:] d. h. senectus ipse morbus 3 ,[end cue] diesmal brauche ich aber eine ausgiebige Erholung, namentlich brauchte ich einen halben, einen Viertelmenschen um mich, der mir gut will u. auch kann. Mozio nimmt von meinen Briefen keine Kenntnis, auch interessiert es ihn nicht, wenn ich eine Krankheit melde; gar zu gern möchte er die letzten 2.000 S. behalten. Doch werde ich es nicht zugeben. „Mutti, wissen die Esel, daß sie Esel sind?“ „„Ich glaube, nein, mein Junge““ „So dumm sind die Esel?“ Ein netter Spaß. Schreib recht bald. Wir wünschen Euch einen recht frohen Sommer! {5} 1. Ein berühmter Komiker in München wird nach seiner politischen Ansicht gefragt. „I’ sog’ gar nichts – dös wird man do’ no’ sagen dürfen“! erwidert er. _____ _____ 2. In einem kleinen ungarischen Städchen lebt eine Jüdin, die Zimmer vermietet. Ihr Untermieter macht ihr mit viel Körperpflege (Sich-Waschen) Unbequemlichkeiten, sie stellt ihn darüber immerfort zur Rede, bis er, abgequält, aufschreit: „Geben Sie endlich Ruh, Sie, alte Chonte!“ 4 Auf der Strasse begegnet die Jüdin dann dem Apotheker des Ortes; sie klagt ihm über die Beleidigung, worauf er sagt: „Was wollen {6} Sie, liebe Frau, ich bin schon 30 Jahr nicht mehr Apotheker, trotzdem rufen mich Alle „Herr Apotheker“! (!) © Transcription William Drabkin, 2024 |
How are you? And Marie? I am just now reading that Mayor Fey was named Minister for Security. He’s got no sense of humor. The end of the Nazis is at hand! That was really some devastation in Germany, and here! 2 The Ten Plagues on Pharaoh after the expulsion of the Jews were by contrast “a bagatelle!” Germany can never again {2} recover, but that has nothing to do with us. Yesterday, the postal delivery brought me a book whose subtitle is: “An Introduction to the Theory of Heinrich Schenker,” 221 pages long with 241 music examples (by Dr. Oswald Jonas, Berlin). If the content were more moderate for you, you might be delighted in the initial words on the cover, which say, “The Work of Heinrich Schenker, according to its unique meaning within musicology, {3} comparable only with that of Kant † in philosophy, etc., etc.” That claims something. That Dr. Furtwängler sought me out, although he has become “Prussian State Councilor” and knows that I am a Jew, also means something. You would surely take greater delight if I could report to you that the above-mentioned joys were expressed through added income. Unfortunately, that is not the case. I would otherwise at once be younger by a few years and could have more easily avoided the pains of the last three years. Recently, I had quite a lot to do with doctors, who love me a lot since I am one of the few who is not a member of a health plan, thus {4} pay 10 Schillings for an appointment. The doctor in Bad Gastein released me as healthy, [cued from top margin:] i.e. Senectus ipsa morbus . 3 [end cue] However, this time I need an extensive recovery time, namely I needed a half-time [or] a quarter-time person around me, who wants, and also can, do well for me. Mozio takes no notice of my letters. It also doesn’t interest him when I report an illness. He would like all too much to keep the last 2,000 shillings. But I’m not giving it up. „“Mom, do donkeys know that they are donkeys?” “I don’t think so, my boy.” “So dumb are donkeys?” A charming joke. Write very soon. We wish you a very enjoyable summer! {5} 1. A famous comedian in Munich is asked about his political outlook. “I’m not saying anything – one may surely still say that”! he replies. _____ _____ 2. In a small Hungarian city lives a Jewess who rents rooms. Her tenant causes her a lot of distress because of a lot of body care (washing himself). She confronts him repeatedly until, annoyed, he cries out: “Leave me at last in peace, you old chonte!” 4 The Jewess then encounters the local pharmacist on the street. She complains to him about the insult, whereupon he says: “What do you want, {6} dear lady? I haven’t been a pharmacist for the last thirty years, yet everyone still calls me ‘Mr. Pharmacist’!” (!) © Translation Lee Rothfarb, 2024 |
Wie geht es dir? Und der l. Marie? Gerade lese ich, daß Major Fey zum Spezialminister für Sicherheit ernannt worden ist, der versteht keinen Spaß, das Ende der Nazis ist da! War das aber eine Verwüstung in Deutschland u. bei uns! 2 Die 10 Plagen über Pfarao nach Austreibung der Juden waren „a’ Bagatell“ dagegen! Deutschland kann sich nie mehr {2} erholen, doch das geht uns gar nicht mehr an. Gestern hat mir die Post ein Buch gebracht, dessen Untertitel lautet: „Eine Einführung in die Lehre H. Schenkers“, 221 Seiten groß mit 241 Beispielen. (von Dr. Oswald Jonas, Berlin). Wäre dir der Stoff gemäßer, so würde ich dir das Buch schicken, aber ih die Sache liegt dir gar zu fern, so magst du dich mit den ersten Worten auf dem Umschlag erfreuen, die lauten: „Das Werk H. Schenkers, nach seiner einzigartigen Bedeutung innerhalb der Musikwissenschaft nur der Kant † s in der Philosophie {3} vergleichbar usw usw.“ Das will was heißen. Auch daß mich Dr. Furtwängler jetzt gesucht hat, obgleich er „preußischer Staatsrat“ geworden u. weiß, daß ich Jude bin, will auch was heißen. Wohl hättest du eine größere Freude, wenn ich dir melden könnte, daß sich obige Erfreulichkeiten durch erhöhte Einnahmen ausdrücken, leider ist das nicht der Fall. Ich wäre sonst gleich jünger um paar Jahre u. könnte leichter die schweren Schmerzen der letzten 3 Jahre vermeiden. Zuletzt hatte ich recht viel mit Ärzten zu tun, die mich sehr lieben, da ich einer der Wenigen bin, die keiner Krankenkasse zugehören, also 10 S für die Or- {4} dination zahlen. Der Arzt in Bad-Gastein hat mich als gesund entlassen, [cued from top margin:] d. h. senectus ipse morbus 3 ,[end cue] diesmal brauche ich aber eine ausgiebige Erholung, namentlich brauchte ich einen halben, einen Viertelmenschen um mich, der mir gut will u. auch kann. Mozio nimmt von meinen Briefen keine Kenntnis, auch interessiert es ihn nicht, wenn ich eine Krankheit melde; gar zu gern möchte er die letzten 2.000 S. behalten. Doch werde ich es nicht zugeben. „Mutti, wissen die Esel, daß sie Esel sind?“ „„Ich glaube, nein, mein Junge““ „So dumm sind die Esel?“ Ein netter Spaß. Schreib recht bald. Wir wünschen Euch einen recht frohen Sommer! {5} 1. Ein berühmter Komiker in München wird nach seiner politischen Ansicht gefragt. „I’ sog’ gar nichts – dös wird man do’ no’ sagen dürfen“! erwidert er. _____ _____ 2. In einem kleinen ungarischen Städchen lebt eine Jüdin, die Zimmer vermietet. Ihr Untermieter macht ihr mit viel Körperpflege (Sich-Waschen) Unbequemlichkeiten, sie stellt ihn darüber immerfort zur Rede, bis er, abgequält, aufschreit: „Geben Sie endlich Ruh, Sie, alte Chonte!“ 4 Auf der Strasse begegnet die Jüdin dann dem Apotheker des Ortes; sie klagt ihm über die Beleidigung, worauf er sagt: „Was wollen {6} Sie, liebe Frau, ich bin schon 30 Jahr nicht mehr Apotheker, trotzdem rufen mich Alle „Herr Apotheker“! (!) © Transcription William Drabkin, 2024 |
How are you? And Marie? I am just now reading that Mayor Fey was named Minister for Security. He’s got no sense of humor. The end of the Nazis is at hand! That was really some devastation in Germany, and here! 2 The Ten Plagues on Pharaoh after the expulsion of the Jews were by contrast “a bagatelle!” Germany can never again {2} recover, but that has nothing to do with us. Yesterday, the postal delivery brought me a book whose subtitle is: “An Introduction to the Theory of Heinrich Schenker,” 221 pages long with 241 music examples (by Dr. Oswald Jonas, Berlin). If the content were more moderate for you, you might be delighted in the initial words on the cover, which say, “The Work of Heinrich Schenker, according to its unique meaning within musicology, {3} comparable only with that of Kant † in philosophy, etc., etc.” That claims something. That Dr. Furtwängler sought me out, although he has become “Prussian State Councilor” and knows that I am a Jew, also means something. You would surely take greater delight if I could report to you that the above-mentioned joys were expressed through added income. Unfortunately, that is not the case. I would otherwise at once be younger by a few years and could have more easily avoided the pains of the last three years. Recently, I had quite a lot to do with doctors, who love me a lot since I am one of the few who is not a member of a health plan, thus {4} pay 10 Schillings for an appointment. The doctor in Bad Gastein released me as healthy, [cued from top margin:] i.e. Senectus ipsa morbus . 3 [end cue] However, this time I need an extensive recovery time, namely I needed a half-time [or] a quarter-time person around me, who wants, and also can, do well for me. Mozio takes no notice of my letters. It also doesn’t interest him when I report an illness. He would like all too much to keep the last 2,000 shillings. But I’m not giving it up. „“Mom, do donkeys know that they are donkeys?” “I don’t think so, my boy.” “So dumb are donkeys?” A charming joke. Write very soon. We wish you a very enjoyable summer! {5} 1. A famous comedian in Munich is asked about his political outlook. “I’m not saying anything – one may surely still say that”! he replies. _____ _____ 2. In a small Hungarian city lives a Jewess who rents rooms. Her tenant causes her a lot of distress because of a lot of body care (washing himself). She confronts him repeatedly until, annoyed, he cries out: “Leave me at last in peace, you old chonte!” 4 The Jewess then encounters the local pharmacist on the street. She complains to him about the insult, whereupon he says: “What do you want, {6} dear lady? I haven’t been a pharmacist for the last thirty years, yet everyone still calls me ‘Mr. Pharmacist’!” (!) © Translation Lee Rothfarb, 2024 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for July 12, 1934: “An Wilhelm (2. Brief): berichte über Jonas’ Buch, Mozios Benehmen u. a.” (“To Wilhelm (second letter): I report about Jonas’s book and Mozio’s demeanor, among other things”). 2 Reference is presumably to the “Night of the Long Knives” (“Nacht der langen Messer”), a purge of political leaders, including members of the Sturmabteilung, in particular Ernst Röhm, all of whom Hitler viewed as a threat to his political power, which took place across Germany between June 30 and July 2, 1934. (wikipedia, 13/11/2024) 3 senectus ipsa morbus est: Latin proverb, “Old age is itself a disease.” 4 chonte (Yiddish): prostitute, whore. |
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Format† Double underlined |
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Commentary
Digital version created: 2024-11-13 |