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OJ 5/45, [5] - Copy of letter from Schenker to Weisse, in Jeanette Schenker’s hand, dated January 12, 1924
Eigens nehme ich mir Zeit, um Ihnen zu sagen u. zu begründen, daß Ihr Rat an unseren Bamberger nicht zutreffend ist. Montag werde ich ihm sagen, daß ich, selbst wenn die Entfernung der Amerikanerin mir Stunden übrigließe, ihm keine Extrastunden geben werde: sie wären schädlich. Ich denke so: Junge Leute, verlassen ihre Lehrer meist im Gefühl des Ueberdrusses, sie fühlen irgendwie, daß sie nichts Rechtes gelernt haben, oder aber sie stürmen hinaus in wirklicher Unschuld, ohne Ahnung, daß etwas zu lernen gewesen wäre, zu lernen sei. Aller Rest ist Folgerichtigkeit der Natur. Reife muß Eigenprodukt bleiben, sie ist nicht übertragbar, nicht erzwingbar durch vermehrte Jahre des Studiums. Angst aber ist der S schlimmste Führer zur Reife. Sie kennen das Gesetz des ritenuto: einmal ihm ohne Grund ergeben, kommt man nicht mehr heraus u. findet das Tempo nicht, man verdirbt dieses erst recht; Angst aber ist das unseligste ritenuto. Daß ich Bamberger gern habe, wissen Sie. Ich habe mir alle Mühe um ihn genommen. Auch meinen Lieblingsplan habe ich ihm entworfen: Nur für die Besten aufs Beste zu wirken! Aber der Umstände Herr ist weder er, noch weniger bin ich es. Vielleicht ist es Bambergers Bestimmung bei der Oper zu bleiben – wer weiß das? Auf seinen Vater [?einzuwirken] ist heute um {2} viele Jahre zu spät, kurz u. gut: es wird kommen, wie es kommen muß. Er kam zu mir, fibernd [sic] vor Angst des Bleibenmüssens. Er hat diese Angst überwinden gelernt, nun soll will er mit Angst schließen? Er muss sich auf sich stellen – es ist das ein unerbittliches Gesetz der Natur. Noch ehe eine junges Frauengeschöpf selbst erzogen ist, hat sie schon ein Wimmerl an der Brust u. muß erziehen, ohne es zu können. Man sagt, Reue kommt zu spät – zu spät kommt leider auch die Reife – aber die Natur will es so. Er muß also hell von mir fort u. mache Dummheiten so viele zu ihm eben gehören. Eine Zusicherung dagegen gibt es nicht. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Ihnen raten: zurück zu Haydn, Krithi u. Rithi 2 lassen Sie draußen. Schade um Brahms III., der Sie untreu wurden, schade ist um Haydn. Sie sehen ja, wie ich es halte: Wenn Sie mir etwas vorlegen, sage ich, ich improvisiere; ich habe zu viel Respekt vor dem Inspirationsnerv eines Großen, als daß ich mir einbildete, über plötzliche Anfrage sofort auf jenen [illegible word] stoßen zu können. Machen Sie es doch auch so. Sie geben gewiß Ihr bestes Ihren Schülern; wird es noch besser werden in 5 – 10 Jahren, dann umso besser. Alles aber ist die Sphäre des Werkes, die warme Einstellung. Ihr Ehrenjahr mit den tausend Fragen hat Ihnen sicher nicht so viel {3} eingetragen, als eine völlig gesammelte Einstellung; jedenfalls hat es Sie in der rein künstlerischen u. menschlichen Anlage mehr geschädigt, als es Ihnen wirklichen Gewinn eintrug. Denken Sie solche Ehrenmonate bei unserem Bamberger: in 5 – 10 Jahren kommt er gelegentlich an das eine oder das andere Werk, die Erinnerung ist verdunkelt, ein Mißverständnis kommt dazu, was hat er davon? nicht den geringsten Halt. Daher komme ich zurück (ceterum censeo 3 ) u. sage: Wir machen Haydn u. sonst nichts. Ist das Ganze eigentlich überflussig, so kann es Sinn nur haben, wenn wir die ganze Kunst in einem solchen Stücke suchen. Vergessen Sie sonst Alle u. Alles. Bamberger können Sie ja diesen Brief zeigen, damit er sich überzeuge, daß ichs gut mit ihm meine, wenn er auch für den Augenblick das Gefühl hätte, etwas zu verlieren. Ich werde ihm Montag von dem Brief selbst sprechen, u. sagen, daß ich Ihnen schrieb, weil ich auch Sie in Theorie u. Praxis noch immer auf einem falschen Wege sehe. Angst verloren, dann ist alles gewonnen, Angst behalten, ist alles verloren! © Transcription William Drabkin, 2011 |
I am especially taking the time to tell you that, and to explain why, your advice to our Bamberger is inapplicable. On Monday I shall tell him that I shall not give him any additional lessons, even if the departture of the American lady allows me spare hours for lessons. My reasoning is as follows: young people leave their teachers usually with a feeling of weariness; they somehow feel that they have not learned anything useful; or, on the other hand, they storm out in an actual state of innocence, without realising that there had been or is anything to learn. All the rest is the consequence of nature. Maturity must be one’s own product; it is not transferable, it cannot be forced upon one by many years of study. Fear, however, is the worst guide to maturity. You know the law of ritenuto: once one gives into it without justification, one cannot escape and regain the tempo, one gets entangled in the problem even more so; fear, however, is the most wretched ritenuto. That I like Bamberger is something of which you are aware. I have taken every care with him. I have even devised my favourite plan for him: to give my best students the very best! But he is not master of his fate; still less am I. Perhaps it is Bamberger’s calling to remain in the opera house – who knows? It is too late, by many years, to exert an influence on his father; {2} in short, let come what may. He came to me in a feverish anxiety of having to stay. He learned to overcome this anxiety, now will he have done with anxiety? He must rely upon himself – that is indeed an inexorable law of nature. Even before a young female being has herself grown up, she has a mark on her breast and must nurture, without knowing how. It is said that regret arrives too late – maturity, too, unfortunately arrives to late – but Nature wills it thus. He must therefore make a clean break with me, and do as many foolish things as he has within him. A guarantee against this does not exist. And may I on this occasion advise you, too: back to Haydn, leave Kriti and riti 2 behind. A pity about Brahms’s Third, to which you were unfaithful; a pity, too, about Haydn. You understand, for sure, how I see things. When you put something in front of me, I say that I am improvising; I have too much respect for the inspirational nerve of a great figure that I should delude myself into thinking that I could immediately come up with the answer to a sudden question. You should do the same. You must certainly be giving your pupils your best; if things continue to improve over the next five to ten years, then so much the better. Everything, however, is the sphere of the artwork, the proper attitude. Your year of honor, with its thousand questions, has certainly not brought you so much {3} as a fully serene attitude; in any event it has done you more damage in the purely artistic and human realm as it has brought you true gain. Think about such months of honor with regard to our Bamberger: in five to ten years he may occasionally come across some work or other, his memory of which is obscured; a misunderstanding creeps in, and what does he have over it? Not the slightest control. And so I come back (ceterum censeo 3 ) and say: let us do Haydn and nothing else. If the whole is in fact superfluous, it can only have meaning if we seek out the whole of art in one such piece. Forget everyone and everything else. You can of course show this letter to Bamberger, so that he may be convinced that I mean well by him, even if at the moment he has the feeling of losing something. I will speak to him about the letter myself, and tell him that I wrote to you because I see you, too, are still taking a false path in theory and practice. When your fear is gone, everything is won; hold on to your fear, and everything is lost! © Translation William Drabkin, 2011 |
Eigens nehme ich mir Zeit, um Ihnen zu sagen u. zu begründen, daß Ihr Rat an unseren Bamberger nicht zutreffend ist. Montag werde ich ihm sagen, daß ich, selbst wenn die Entfernung der Amerikanerin mir Stunden übrigließe, ihm keine Extrastunden geben werde: sie wären schädlich. Ich denke so: Junge Leute, verlassen ihre Lehrer meist im Gefühl des Ueberdrusses, sie fühlen irgendwie, daß sie nichts Rechtes gelernt haben, oder aber sie stürmen hinaus in wirklicher Unschuld, ohne Ahnung, daß etwas zu lernen gewesen wäre, zu lernen sei. Aller Rest ist Folgerichtigkeit der Natur. Reife muß Eigenprodukt bleiben, sie ist nicht übertragbar, nicht erzwingbar durch vermehrte Jahre des Studiums. Angst aber ist der S schlimmste Führer zur Reife. Sie kennen das Gesetz des ritenuto: einmal ihm ohne Grund ergeben, kommt man nicht mehr heraus u. findet das Tempo nicht, man verdirbt dieses erst recht; Angst aber ist das unseligste ritenuto. Daß ich Bamberger gern habe, wissen Sie. Ich habe mir alle Mühe um ihn genommen. Auch meinen Lieblingsplan habe ich ihm entworfen: Nur für die Besten aufs Beste zu wirken! Aber der Umstände Herr ist weder er, noch weniger bin ich es. Vielleicht ist es Bambergers Bestimmung bei der Oper zu bleiben – wer weiß das? Auf seinen Vater [?einzuwirken] ist heute um {2} viele Jahre zu spät, kurz u. gut: es wird kommen, wie es kommen muß. Er kam zu mir, fibernd [sic] vor Angst des Bleibenmüssens. Er hat diese Angst überwinden gelernt, nun soll will er mit Angst schließen? Er muss sich auf sich stellen – es ist das ein unerbittliches Gesetz der Natur. Noch ehe eine junges Frauengeschöpf selbst erzogen ist, hat sie schon ein Wimmerl an der Brust u. muß erziehen, ohne es zu können. Man sagt, Reue kommt zu spät – zu spät kommt leider auch die Reife – aber die Natur will es so. Er muß also hell von mir fort u. mache Dummheiten so viele zu ihm eben gehören. Eine Zusicherung dagegen gibt es nicht. Und bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Ihnen raten: zurück zu Haydn, Krithi u. Rithi 2 lassen Sie draußen. Schade um Brahms III., der Sie untreu wurden, schade ist um Haydn. Sie sehen ja, wie ich es halte: Wenn Sie mir etwas vorlegen, sage ich, ich improvisiere; ich habe zu viel Respekt vor dem Inspirationsnerv eines Großen, als daß ich mir einbildete, über plötzliche Anfrage sofort auf jenen [illegible word] stoßen zu können. Machen Sie es doch auch so. Sie geben gewiß Ihr bestes Ihren Schülern; wird es noch besser werden in 5 – 10 Jahren, dann umso besser. Alles aber ist die Sphäre des Werkes, die warme Einstellung. Ihr Ehrenjahr mit den tausend Fragen hat Ihnen sicher nicht so viel {3} eingetragen, als eine völlig gesammelte Einstellung; jedenfalls hat es Sie in der rein künstlerischen u. menschlichen Anlage mehr geschädigt, als es Ihnen wirklichen Gewinn eintrug. Denken Sie solche Ehrenmonate bei unserem Bamberger: in 5 – 10 Jahren kommt er gelegentlich an das eine oder das andere Werk, die Erinnerung ist verdunkelt, ein Mißverständnis kommt dazu, was hat er davon? nicht den geringsten Halt. Daher komme ich zurück (ceterum censeo 3 ) u. sage: Wir machen Haydn u. sonst nichts. Ist das Ganze eigentlich überflussig, so kann es Sinn nur haben, wenn wir die ganze Kunst in einem solchen Stücke suchen. Vergessen Sie sonst Alle u. Alles. Bamberger können Sie ja diesen Brief zeigen, damit er sich überzeuge, daß ichs gut mit ihm meine, wenn er auch für den Augenblick das Gefühl hätte, etwas zu verlieren. Ich werde ihm Montag von dem Brief selbst sprechen, u. sagen, daß ich Ihnen schrieb, weil ich auch Sie in Theorie u. Praxis noch immer auf einem falschen Wege sehe. Angst verloren, dann ist alles gewonnen, Angst behalten, ist alles verloren! © Transcription William Drabkin, 2011 |
I am especially taking the time to tell you that, and to explain why, your advice to our Bamberger is inapplicable. On Monday I shall tell him that I shall not give him any additional lessons, even if the departture of the American lady allows me spare hours for lessons. My reasoning is as follows: young people leave their teachers usually with a feeling of weariness; they somehow feel that they have not learned anything useful; or, on the other hand, they storm out in an actual state of innocence, without realising that there had been or is anything to learn. All the rest is the consequence of nature. Maturity must be one’s own product; it is not transferable, it cannot be forced upon one by many years of study. Fear, however, is the worst guide to maturity. You know the law of ritenuto: once one gives into it without justification, one cannot escape and regain the tempo, one gets entangled in the problem even more so; fear, however, is the most wretched ritenuto. That I like Bamberger is something of which you are aware. I have taken every care with him. I have even devised my favourite plan for him: to give my best students the very best! But he is not master of his fate; still less am I. Perhaps it is Bamberger’s calling to remain in the opera house – who knows? It is too late, by many years, to exert an influence on his father; {2} in short, let come what may. He came to me in a feverish anxiety of having to stay. He learned to overcome this anxiety, now will he have done with anxiety? He must rely upon himself – that is indeed an inexorable law of nature. Even before a young female being has herself grown up, she has a mark on her breast and must nurture, without knowing how. It is said that regret arrives too late – maturity, too, unfortunately arrives to late – but Nature wills it thus. He must therefore make a clean break with me, and do as many foolish things as he has within him. A guarantee against this does not exist. And may I on this occasion advise you, too: back to Haydn, leave Kriti and riti 2 behind. A pity about Brahms’s Third, to which you were unfaithful; a pity, too, about Haydn. You understand, for sure, how I see things. When you put something in front of me, I say that I am improvising; I have too much respect for the inspirational nerve of a great figure that I should delude myself into thinking that I could immediately come up with the answer to a sudden question. You should do the same. You must certainly be giving your pupils your best; if things continue to improve over the next five to ten years, then so much the better. Everything, however, is the sphere of the artwork, the proper attitude. Your year of honor, with its thousand questions, has certainly not brought you so much {3} as a fully serene attitude; in any event it has done you more damage in the purely artistic and human realm as it has brought you true gain. Think about such months of honor with regard to our Bamberger: in five to ten years he may occasionally come across some work or other, his memory of which is obscured; a misunderstanding creeps in, and what does he have over it? Not the slightest control. And so I come back (ceterum censeo 3 ) and say: let us do Haydn and nothing else. If the whole is in fact superfluous, it can only have meaning if we seek out the whole of art in one such piece. Forget everyone and everything else. You can of course show this letter to Bamberger, so that he may be convinced that I mean well by him, even if at the moment he has the feeling of losing something. I will speak to him about the letter myself, and tell him that I wrote to you because I see you, too, are still taking a false path in theory and practice. When your fear is gone, everything is won; hold on to your fear, and everything is lost! © Translation William Drabkin, 2011 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 3/6, p. 2619, January 12, 1924: "An Weisse (Brief, von Lie-Liechen abgeschrieben): gegen seinen Rat an Bamberger: Angst ein ritenuto; Ehrenjahre oder –Monate tragen nichts ein, alles ist die Sphäre u. die warme Einstellung – daher wünsche ich auch Rückkehr zu Haydn. Krethi u. Plethi müssen draußenbleiben!" ("To Weisse (letter, copied out by Lie-Liechen): against his advice to Bamberger: fear [is] a ritenuto; honorable years or months do not bring any returns, everything you need is in a sphere, [and] heartfelt in approach – that is why I wish to return to Haydn. Krethi and Plethi must stay outside!"). 2 Kriti and riti: terms used in the classical music of southern India (Carnatic music). In choosing terms that rhyme with each other, Schenker may at the same time be mocking Weisse’s interest in non-Western music. 3 ceterum censeo (Lat.): lit. "however, I reckon," "For the rest, it is my opinion." |
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Format† Double underlined |
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Commentary
Digital version created: 2011-11-09 |