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16.

Vom Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde OJ 12/29, [5] Einladung zu einer Besprechung erhalten, nachdem tags vorher in den Zeitungen die Notiz von einer angeblichen „Anmeldung“ des Vortrags bereits erschienen war. 1 Echt Wienerische Geschäftslist (mehr östlich-russisch), den Namen zu Geschäftszwecken zu mißbrauchen u. hinterher Vorträge anzustreben ) !
Am selben Tage den erbetenen Besuch abgelehnt u. brieflicheGdM Exh.332, [2] Vorschläge eingefordert!

*

Zweistündiger Besuch in der Hofbibliothek aus Anlaß einer dem Eucharistischen Congress 2 gewidmeten Ausstellung von Bibeln, Gebetbüchern, Psaltern, Meßbüchern, u. s. f. Wie die ganze Ausstellung Zeugnis gibt von der Bedeutung eines Hauses wie unseres Erzhauses, so geben nicht minder die einzelnen Objekte stolze Kunde von Geschlechtern u. Personen geistlichen oder weltlichen Standes, deren Bedeutung Kunstwerke solchen Ranges gleichsam herausgefordert hat. Ungemein Suggestibles liegt in den alten, führenden Geschlechtern; nicht mit Unrecht. Keinem Industrieritter von heute würde es selbst bei größeren Geldmitteln gelingen, Künstler zu ähnlichen Kunstwerken zu inspirieren; gewissermaßen fehlt es ihnen, {230} wie an adeliger Herkunft des Blutes ebenso, an Adel des Geldes! Noch leben diejenigen, die bei ihnen das Geld in dieser oder jener widrigen Form entstehen sahen u. daher fehlt in diesem Milieu eine wahrhaft künstlerische Atmosphäre, wie sie nur um altehrwürdige Herkunft (auch des Geldes) schwebt. – So sahen wir mit Vergnügen den Thronfolger den Auftrag an einen Maler erteilen, eine die Hauptscene der Eucharistischen Prozession für alle Zeiten im Bilde festzuhalten. Welcher Industrieller von Beruf, P welcher Pierpont Morgan würde, frage ich, die Lust zu einem solchen Auftrag in sich spüren? Bestenfalls kauft er die über fremden Auftrag u. aus fremdem Bedürfnis entstandenen Bilder in späteren Jahrzehnten, um sie seiner Sammlung einzuverleiben, die so pure Dekoration seines Wesens bleiben.
Besonders fielen uns einige prächtige Stücke auf: (Pergamenthandschriften) 2 in Prag im 14[.] Jahrhundert verfertigte, mehrere französisch-flandrische Erzeugnisse, die Sforza-, 3 Gutenbergbibel 4 u. s. f. (s. Beilage). Kein Zweifel, daß solche Kunstwerke beim Künstler selbst tiefste Religiosität voraussetzen mussten, welche nur solche Hingabe an Gott konnte sich in so bedeutsamer Weise in eine Hingabe an den ihm gewidmeten Stoff umsetz ten . ! Eine Sorgfalt der Ausführung, wie sie bei diesen Kunstwerken wahrzunehmen ist, läßt sich nicht ohne innigste Liebe zum Stoff, ohne intensivsten Fleiß denken. Und so mag man es als traurig bezeichnen, daß in der heutigen Atmosphäre ein solcher Ozon reinster künstlerischer Hingabe nicht mehr anzutreffen, auch nicht mehr zu erwarten ist. —

*

© Transcription Marko Deisinger.

16.

From the general secretary of the Society of the Friends of Music OJ 12/29, [5]: invitation to a discussion received, after the newspaper notice of a supposed announcement of my lecture had already appeared the previous day. 1 Typical Viennese business cunning (more East European or Russian), to misuse my name for business purposes and to strive to arrange lectures as a follow-on!
On the same day, the requested visit turned down, and [Lafite’s] proposals requested by letterGdM Exh.332, [2]!

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Two-hour visit to the Court Library on the occasion of an exhibition of bibles, prayerbooks, psalters, missals, etc. in honor of the Eucharistic Congress. 2 As the exhibition as a whole bears testimony to the significance of a house like our [own] aristocratic house, to no less an extent do the individual objects proudly inform us of generations and persons of note in the sacred or secular world, the significance of whom may be said to have provoked artworks of such rank. In the old, leading generations lie uncommonly suggestible things, and not by mistake. None of today’s great industrialists would succeed, even if his financial means were very large, in inspiring similar works of art; to a certain extent they are lacking {230} not only a noble blood ancestry, but likewise a nobility of money! There still live those who saw this money acquired by them in this or that unpleasant manner, and for this reason there is a truly artistic atmosphere, which can flourish only around an old and venerable origin (also of money), missing from this milieu. – Thus we watched with enjoyment the heir to the throne assigning a painter the task of preserving a the principal scene of the Eucharistic procession for all time as a pictorial image. What industrialist by profession, what Pierpont Morgan would, I ask, feel within himself the urge to such a commission? At best, he buys paintings that were occasioned by others, and for remote needs in later decades, in order to incorporate them into his collection – paintings that are pure decoration of his being.
We were particularly struck by a few magnificent pieces: (parchment manuscripts) two completed in Prague in the fourteenth centry, several Franco-Flemish products, the Sforza 3 and Gutenberg Bibles 4 , etc. (see appendix). No doubt that such artworks must have presupposed the deepest religiosity in the artist himself; only such devotion to God could be transformed in such a significant way into a devotion to the material entrusted to him! A diligence in execution of the sort that is to be perceived in these art works cannot be imagined without the most intimative love of the material, without the most intensive industriousness. And so one can characterize it as sad that, in today’s atmosphere, such an ozone of the purest artistic devotion is no longer to be found, and also is no longer to be expected. —

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© Translation William Drabkin.

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Vom Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde OJ 12/29, [5] Einladung zu einer Besprechung erhalten, nachdem tags vorher in den Zeitungen die Notiz von einer angeblichen „Anmeldung“ des Vortrags bereits erschienen war. 1 Echt Wienerische Geschäftslist (mehr östlich-russisch), den Namen zu Geschäftszwecken zu mißbrauchen u. hinterher Vorträge anzustreben ) !
Am selben Tage den erbetenen Besuch abgelehnt u. brieflicheGdM Exh.332, [2] Vorschläge eingefordert!

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Zweistündiger Besuch in der Hofbibliothek aus Anlaß einer dem Eucharistischen Congress 2 gewidmeten Ausstellung von Bibeln, Gebetbüchern, Psaltern, Meßbüchern, u. s. f. Wie die ganze Ausstellung Zeugnis gibt von der Bedeutung eines Hauses wie unseres Erzhauses, so geben nicht minder die einzelnen Objekte stolze Kunde von Geschlechtern u. Personen geistlichen oder weltlichen Standes, deren Bedeutung Kunstwerke solchen Ranges gleichsam herausgefordert hat. Ungemein Suggestibles liegt in den alten, führenden Geschlechtern; nicht mit Unrecht. Keinem Industrieritter von heute würde es selbst bei größeren Geldmitteln gelingen, Künstler zu ähnlichen Kunstwerken zu inspirieren; gewissermaßen fehlt es ihnen, {230} wie an adeliger Herkunft des Blutes ebenso, an Adel des Geldes! Noch leben diejenigen, die bei ihnen das Geld in dieser oder jener widrigen Form entstehen sahen u. daher fehlt in diesem Milieu eine wahrhaft künstlerische Atmosphäre, wie sie nur um altehrwürdige Herkunft (auch des Geldes) schwebt. – So sahen wir mit Vergnügen den Thronfolger den Auftrag an einen Maler erteilen, eine die Hauptscene der Eucharistischen Prozession für alle Zeiten im Bilde festzuhalten. Welcher Industrieller von Beruf, P welcher Pierpont Morgan würde, frage ich, die Lust zu einem solchen Auftrag in sich spüren? Bestenfalls kauft er die über fremden Auftrag u. aus fremdem Bedürfnis entstandenen Bilder in späteren Jahrzehnten, um sie seiner Sammlung einzuverleiben, die so pure Dekoration seines Wesens bleiben.
Besonders fielen uns einige prächtige Stücke auf: (Pergamenthandschriften) 2 in Prag im 14[.] Jahrhundert verfertigte, mehrere französisch-flandrische Erzeugnisse, die Sforza-, 3 Gutenbergbibel 4 u. s. f. (s. Beilage). Kein Zweifel, daß solche Kunstwerke beim Künstler selbst tiefste Religiosität voraussetzen mussten, welche nur solche Hingabe an Gott konnte sich in so bedeutsamer Weise in eine Hingabe an den ihm gewidmeten Stoff umsetz ten . ! Eine Sorgfalt der Ausführung, wie sie bei diesen Kunstwerken wahrzunehmen ist, läßt sich nicht ohne innigste Liebe zum Stoff, ohne intensivsten Fleiß denken. Und so mag man es als traurig bezeichnen, daß in der heutigen Atmosphäre ein solcher Ozon reinster künstlerischer Hingabe nicht mehr anzutreffen, auch nicht mehr zu erwarten ist. —

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© Transcription Marko Deisinger.

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From the general secretary of the Society of the Friends of Music OJ 12/29, [5]: invitation to a discussion received, after the newspaper notice of a supposed announcement of my lecture had already appeared the previous day. 1 Typical Viennese business cunning (more East European or Russian), to misuse my name for business purposes and to strive to arrange lectures as a follow-on!
On the same day, the requested visit turned down, and [Lafite’s] proposals requested by letterGdM Exh.332, [2]!

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Two-hour visit to the Court Library on the occasion of an exhibition of bibles, prayerbooks, psalters, missals, etc. in honor of the Eucharistic Congress. 2 As the exhibition as a whole bears testimony to the significance of a house like our [own] aristocratic house, to no less an extent do the individual objects proudly inform us of generations and persons of note in the sacred or secular world, the significance of whom may be said to have provoked artworks of such rank. In the old, leading generations lie uncommonly suggestible things, and not by mistake. None of today’s great industrialists would succeed, even if his financial means were very large, in inspiring similar works of art; to a certain extent they are lacking {230} not only a noble blood ancestry, but likewise a nobility of money! There still live those who saw this money acquired by them in this or that unpleasant manner, and for this reason there is a truly artistic atmosphere, which can flourish only around an old and venerable origin (also of money), missing from this milieu. – Thus we watched with enjoyment the heir to the throne assigning a painter the task of preserving a the principal scene of the Eucharistic procession for all time as a pictorial image. What industrialist by profession, what Pierpont Morgan would, I ask, feel within himself the urge to such a commission? At best, he buys paintings that were occasioned by others, and for remote needs in later decades, in order to incorporate them into his collection – paintings that are pure decoration of his being.
We were particularly struck by a few magnificent pieces: (parchment manuscripts) two completed in Prague in the fourteenth centry, several Franco-Flemish products, the Sforza 3 and Gutenberg Bibles 4 , etc. (see appendix). No doubt that such artworks must have presupposed the deepest religiosity in the artist himself; only such devotion to God could be transformed in such a significant way into a devotion to the material entrusted to him! A diligence in execution of the sort that is to be perceived in these art works cannot be imagined without the most intimative love of the material, without the most intensive industriousness. And so one can characterize it as sad that, in today’s atmosphere, such an ozone of the purest artistic devotion is no longer to be found, and also is no longer to be expected. —

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© Translation William Drabkin.

Footnotes

1 "Theater- und Kunstnachrichten," Neue freie Presse, No. 17264, September 15, 1912, morning edition, p. 15; see OJ 11/22, [4]. On Schenker's annoyance over the premature announcement of his participation in the lecture series, see also WSLB 135, September 15, 1912.

2 The Eucharistic World Congress, led by Cardinal Wilhelmus Marinus van Rossum by order of the Pope, took place in Vienna, September 12–15, 1912. The congress was a major church-political and cultural event in Vienna, which culminated in a procession from St. Stephen’s Cathedral along the Ringstrasse and back on the final day.

3 Probably the so-called Black Prayerbook of Duke Galeazzo Maria Sforza (Horarium Galeazii Mariae Sfortiae V. ducis Mediolanensis) in the Austrian National Library, catalogued as "Cod. 1856 Han."

4 The Gutenberg Bible, an edition of the Vulgate printed by Johannes Gutenberg in Mainz in the 1450s, which inaugurated the modern age of book printing in the West.