26. I. 14
Die Reichen wollen Vorteil nicht nur aus dem Umsatz von Waren, sondern auch aus dem Umsatz von Menschensamen ziehen. Auch die große Fruchtbarkeit der Menschen in der Tiefe ist ihnen als Waren-Faktor willkommen! Der Mensch als Ware! Also auch Mädchenhandel – nur in anderer Form, als der als solcher verschrieenen! *Johann Gottlieb Fichte: „Es gibt nur einen Punkt, auf welchen ich unablässig alles mein Nachdenken zu richten habe: was ich tun solle, und wie ich dieses Gebotene am zweckmäßigsten ausführen könne. Auf mein Tun muß alles mein Denken sich beziehen, es muß sich als wenn auch entferntes Mittel für diesen Zweck betrachten lassen; außer dem ist ist [sic] es ein leeres zweckloses Spiel.“ 1 *Brief an Tante geschrieben, mit der Bitte um Ueberweisung des Monatsbetrags von Mozio an mich selbst. *Brief an Steinitz mit Anfrage, ob eine Eingabe gestattet ist u. in welcher Form. *Die neueste Nummer der „Signale“ bringt an leitender Stelle einen Aufsatz des Herausgebers, Spanut, worin er zwei ihm aus München von einem namhaften Musiker zugeschickte Kritiken über Löwe als Interpreten wiedergibt u. miteinander vergleicht. 2 Der Autor des einen Referats, Louis, preist die Aufführung als die denkbar vorzüglichste, wogegen Berrsche, der Autor des zweiten Referates ihn so tief als wie möglich hängt. Das Interessante für mich selbst war dabei nur der Anblick des Referats von Berrsche. Die Sprache, Methode gehören mir selbst an u. ich mußte erfreut sein darüber zu sehen, wie sich offenbar ein jüngerer Mensch damit abfindet u. sie als wirksame Waffe gegen das bornierte Musizieren verwendet. Doch ahne ich freilich auch persönliche Zusammenhänge: Es wäre nämlich möglich, daß Roth u. Vrieslander sich an Louis schadlos halten wollen für die Niedertracht, die im Verschweigen des Konzertes der Frau Roth liegt. Ich nehme demgemäß an, {516} daß hinter Berrsche Herr Roth selbst steckt, der vielleicht auch die Feder geführt hat. Doch sei dem wie es wolle – erwiesen bleibt sachlich dennoch, daß die Methode mit Erfolg auch von Anderen praktiziert werden kann. Dieses hat zur wohltätigen Folge, daß sich Dirigent, wie Kritiker mehr als bisher dahin zusammennehmen müssen. In der Tat hat das nachfolgende Referat über Löwe nicht mehr Louis, sondern ein Vertreter desselben geschrieben, der sich freilich dazu hergeben mußte, die Ehre des Herrn Louis unter allen Umständen zu retten! *
© Transcription Marko Deisinger. |
January 26, 1914.
Wealthy people want to draw advantage not only from the revenue from commodities, but also from the revenue from human seed. Even the great fecundity of people of lower order is acceptable to them as a commodity factor! People as products! Thus, also prostitution – only in a different form from that in which it is decried! *Johann Gottlieb Fichte: "There is but one point towards which I have unceasingly to direct all my attention, namely, what I ought to do, and how I may best fulfil the obligation. All my thoughts must have a bearing on my actions, and must be capable of being considered as means, however remote, to this end; otherwise they are an idle and aimless show." 1 *Letter written to my aunt requesting that the monthly payment from Mozio is transferred to me directly. *Letter to Steinitz with the question as to whether a petition is permitted, and in what form. *The latest issue of the Signale leads with an article by the editor Spanuth, in which he reproduces two reviews of Löwe as an interpreter, which were sent to him from Munich by a well-known musician, and which he compares with each other. 2 The author of one of the reviews, Louis, praises his performance as the most excellent imaginable, whereas Berrsche, the author of the second review, is as scathing as one can imagine. What was interesting for me in this was merely the sight of Berrsche's review. The language and method belong to me, and I was certainly gratified to see how a younger person apparently comes to terms with it and uses it as an effective weapon against blinkered music-making. Yet I have an inkling, admittedly, of personal connections: it is in fact possible that Roth and Vrieslander want to pay Louis back for the malice that lies behind the withholding of Mrs. Roth's concert. I assume, accordingly, {516} that Mr. Roth lies behind Berrsche, and may have even guided his pen. Yet be that as it may – it nonetheless remains objectively shown that my method can successfully be practiced even by another person. The beneficial consequence of this is that conductor and critic alike must summon their courage more than they have done previously. In point of fact, the following review of Löwe was not written by Louis but by a representative of his, who of course was obliged to save Mr. Louis's honor at all costs! *
© Translation William Drabkin. |
26. I. 14
Die Reichen wollen Vorteil nicht nur aus dem Umsatz von Waren, sondern auch aus dem Umsatz von Menschensamen ziehen. Auch die große Fruchtbarkeit der Menschen in der Tiefe ist ihnen als Waren-Faktor willkommen! Der Mensch als Ware! Also auch Mädchenhandel – nur in anderer Form, als der als solcher verschrieenen! *Johann Gottlieb Fichte: „Es gibt nur einen Punkt, auf welchen ich unablässig alles mein Nachdenken zu richten habe: was ich tun solle, und wie ich dieses Gebotene am zweckmäßigsten ausführen könne. Auf mein Tun muß alles mein Denken sich beziehen, es muß sich als wenn auch entferntes Mittel für diesen Zweck betrachten lassen; außer dem ist ist [sic] es ein leeres zweckloses Spiel.“ 1 *Brief an Tante geschrieben, mit der Bitte um Ueberweisung des Monatsbetrags von Mozio an mich selbst. *Brief an Steinitz mit Anfrage, ob eine Eingabe gestattet ist u. in welcher Form. *Die neueste Nummer der „Signale“ bringt an leitender Stelle einen Aufsatz des Herausgebers, Spanut, worin er zwei ihm aus München von einem namhaften Musiker zugeschickte Kritiken über Löwe als Interpreten wiedergibt u. miteinander vergleicht. 2 Der Autor des einen Referats, Louis, preist die Aufführung als die denkbar vorzüglichste, wogegen Berrsche, der Autor des zweiten Referates ihn so tief als wie möglich hängt. Das Interessante für mich selbst war dabei nur der Anblick des Referats von Berrsche. Die Sprache, Methode gehören mir selbst an u. ich mußte erfreut sein darüber zu sehen, wie sich offenbar ein jüngerer Mensch damit abfindet u. sie als wirksame Waffe gegen das bornierte Musizieren verwendet. Doch ahne ich freilich auch persönliche Zusammenhänge: Es wäre nämlich möglich, daß Roth u. Vrieslander sich an Louis schadlos halten wollen für die Niedertracht, die im Verschweigen des Konzertes der Frau Roth liegt. Ich nehme demgemäß an, {516} daß hinter Berrsche Herr Roth selbst steckt, der vielleicht auch die Feder geführt hat. Doch sei dem wie es wolle – erwiesen bleibt sachlich dennoch, daß die Methode mit Erfolg auch von Anderen praktiziert werden kann. Dieses hat zur wohltätigen Folge, daß sich Dirigent, wie Kritiker mehr als bisher dahin zusammennehmen müssen. In der Tat hat das nachfolgende Referat über Löwe nicht mehr Louis, sondern ein Vertreter desselben geschrieben, der sich freilich dazu hergeben mußte, die Ehre des Herrn Louis unter allen Umständen zu retten! *
© Transcription Marko Deisinger. |
January 26, 1914.
Wealthy people want to draw advantage not only from the revenue from commodities, but also from the revenue from human seed. Even the great fecundity of people of lower order is acceptable to them as a commodity factor! People as products! Thus, also prostitution – only in a different form from that in which it is decried! *Johann Gottlieb Fichte: "There is but one point towards which I have unceasingly to direct all my attention, namely, what I ought to do, and how I may best fulfil the obligation. All my thoughts must have a bearing on my actions, and must be capable of being considered as means, however remote, to this end; otherwise they are an idle and aimless show." 1 *Letter written to my aunt requesting that the monthly payment from Mozio is transferred to me directly. *Letter to Steinitz with the question as to whether a petition is permitted, and in what form. *The latest issue of the Signale leads with an article by the editor Spanuth, in which he reproduces two reviews of Löwe as an interpreter, which were sent to him from Munich by a well-known musician, and which he compares with each other. 2 The author of one of the reviews, Louis, praises his performance as the most excellent imaginable, whereas Berrsche, the author of the second review, is as scathing as one can imagine. What was interesting for me in this was merely the sight of Berrsche's review. The language and method belong to me, and I was certainly gratified to see how a younger person apparently comes to terms with it and uses it as an effective weapon against blinkered music-making. Yet I have an inkling, admittedly, of personal connections: it is in fact possible that Roth and Vrieslander want to pay Louis back for the malice that lies behind the withholding of Mrs. Roth's concert. I assume, accordingly, {516} that Mr. Roth lies behind Berrsche, and may have even guided his pen. Yet be that as it may – it nonetheless remains objectively shown that my method can successfully be practiced even by another person. The beneficial consequence of this is that conductor and critic alike must summon their courage more than they have done previously. In point of fact, the following review of Löwe was not written by Louis but by a representative of his, who of course was obliged to save Mr. Louis's honor at all costs! *
© Translation William Drabkin. |
Footnotes1 Johann Gottlieb Fichte, Die Bestimmung des Menschen (Berlin: Voss,1800), p. 202; The Vocation of Man, Eng. trans. by William Smith (LaSalle IL: Open Court, 1916), p. 104. 2 "Problematische Kritik," Signale für die musikalische Welt, 72nd year, No. 3 (January 21, 1914), pp. 87–89. |