10. I. 17 +½°.
— Von Fl. (Br.): offenbar aus einer Schuldempfindung heraus; spielt Schwierigkeiten auf Seite seiner Frau aus, Beschäftigung im Häuslichen, Sorge um die Kinder usw. u. bittet uns, Sonntag wieder hinauszukommen. — Von Frl. Kahn (Br.): Condolenz! Nachgerade will es mir scheinen, als würde anläßlich des Ablebens der Fr. D. ich selbst mehr Beileidschreiben als die Familie erhalten haben. — Von Hertzka (Br.OC 52/557): begrüßt meinen guten Willen u. fragt an, ob ich nicht Vorschläge machen wollte oder ob ich ihm die Formulierung überlassen wolle. Denkt an die Flugschriften. — — Gegen Mittag Schneefall, Nässe, kurz ganz grämliches Wetter. — Frl. Elias erklärt sich bereit für Frau Deutsch einzutreten, was ich zunächst ablehne, indem ich erkläre, daß es meine Pflicht sei zu sehen, ob der einmal begangene Weg nicht zu einem Ziele führt. Jedenfalls gibt mir die Erklärung des Frl. Elias einige Sicherheit in der Art, die Antwort an Hertzka zu behandeln. — Frau Pairamall refüsiere ich das Honorar für Oktober u. erkläre, blos vier Monate festgelegt zu haben, woran ich mich nun eben halte. — An Halm (Br.): übermittle ihm die Auskunft, die ich von Hertzka erhalten u. komme auf seine beiden letzten Sendungen 1 zurück; bezeuge seinen {565} energischen Melodiewillen u. verweise bezüglich des Klaviersatzes auf Brahms’ Urteil über meine Legende „nicht ganz richtiger Klaviersatz“, indem ich ihm anheimstelle, wie viel er davon auf sich selbst beziehen möchte. — An Fl. (K.OJ 8/3, [27]): im Ton unwillig u. abfertigend; fordere ihn verweise darauf, sich zu vergegenwärtigen, daß wir uns es noch um vieles schwerer als er u. seine Frau haben. Wegen Sonntags erkläre ich, noch nicht mit Bestimmtheit sagen zu können, ob wir frei sein werden, da möglicherweise sich die Notwendigkeit einer Unterredung mit Mendl ergeben könnte. — — „Wenn eine Zeit in der Kunst für das Hohe u. Tiefe schwärmt, so ist der Geschmack verdorben; denn der wahre Sinn – um nicht zu sagen: das Verständnis – für das Tiefe u. Hohe ist immer nur das Vorrecht einzelner Begabter, die andern beten nach.“ Grillparzer 2 — — „Menschen sind wir eher, als wir Professionisten werden[,] u. wehe uns, wenn wir nicht auch in unserem künftigen Beruf Menschen blieben. Von dem, was wir als Menschen wissen u. als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung u. Brauchbarkeit für uns selbst her, noch ohne zu ängstliche Rücksicht, was der Staat aus uns machen wolle. Ist das Messer einmal gewetzt, so kann man allerlei damit schneiden u. nicht jede Hausfrau [recte Haushaltung] hält sich eben ein ander Gedeck das Brot, ein anderes das Fleisch auseinander zu schneiden [recte auseinanderzulegen]. So ist es [recte ist’s] auch mit der Schärfe u. Politur des Verstandes . .[“] Herder „Voss. Ztg.“ 14. XI. 16 „Lehrer u. Schüler in Weimar [“] 3 — © Transcription Marko Deisinger. |
January 10, 1917. +½°.
— Letter from Floriz, evidently from a feeling of guilt; he plays off the difficulties against the side of his wife, domestic tasks, concerns over their children, etc. and invites us to come out on Sunday. — Letter from Miss Kahn: condolences! It almost seems to me as if I have myself received more letters of sympathy over Mrs. Deutsch's death than her family. — LetterOC 52/557 from Hertzka : he acknowledges my goodwill and asks whether I would like to make suggestions, or whether I would leave the formulation to him. He is thinking about the pamphlets . — — Towards midday, snowfall, wetness, in short thoroughly awful weather. — Miss Elias says she is prepared to stand in for Mrs. Deutsch ; I refuse initially, saying that it is my duty to see if the path once taken might lead to a goal. In any event, Miss Elias's declaration gives me a certain amount of surety in the way I handle the response to Hertzka. — I turn down Mrs. Pairamall lesson fee for October, and explain that I have settled on only four months, to which I shall in fact hold myself. — Letter to Halm : I transmit to him the information that received from Hertzka and return to his two most recent packages; 1 I acknowledge his {565} energetic melodic spirit, and, with reference to piano texture, refer him to Brahms's judgement about my saying "not entirely correct piano texture" by leaving it to his discretion as to how much he would like to undertake this himself. — PostcardOJ 8/3, [27] to Floriz, indignant and dismissive in tone; I ask him to understand that we are having a much more difficult time than he and his wife. With regard to Sunday, I cannot say for sure that we will be free, as the necessity of a meeting with Mendl may arise. — — "If a time comes in art in which one is keen on the high and the low, then taste will have been spoiled; for the true sense – not to say understanding – for low and high is only the privilege of a handful of gifted people; the others will imitate." Grillparzer 2 — — "We are human beings before we are professionals; and woe to us if we do not remain humans in our future occupation. From what we know as humans and have learned as youths are derived the most beautiful things in our education, and the most useful for us, without our yet having too much fearful concern over what the state may want to make of us. Once the knife has been sharpened, one can cut all manner of things with it; and not every household can manage to keep separate the bread on one table, meat on another. So it also is with the sharpness and polish of the intellect." Herder Vossische Zeitung , November 14 1916: "Teachers and Students in Weimar ["] 3 — © Translation William Drabkin. |
10. I. 17 +½°.
— Von Fl. (Br.): offenbar aus einer Schuldempfindung heraus; spielt Schwierigkeiten auf Seite seiner Frau aus, Beschäftigung im Häuslichen, Sorge um die Kinder usw. u. bittet uns, Sonntag wieder hinauszukommen. — Von Frl. Kahn (Br.): Condolenz! Nachgerade will es mir scheinen, als würde anläßlich des Ablebens der Fr. D. ich selbst mehr Beileidschreiben als die Familie erhalten haben. — Von Hertzka (Br.OC 52/557): begrüßt meinen guten Willen u. fragt an, ob ich nicht Vorschläge machen wollte oder ob ich ihm die Formulierung überlassen wolle. Denkt an die Flugschriften. — — Gegen Mittag Schneefall, Nässe, kurz ganz grämliches Wetter. — Frl. Elias erklärt sich bereit für Frau Deutsch einzutreten, was ich zunächst ablehne, indem ich erkläre, daß es meine Pflicht sei zu sehen, ob der einmal begangene Weg nicht zu einem Ziele führt. Jedenfalls gibt mir die Erklärung des Frl. Elias einige Sicherheit in der Art, die Antwort an Hertzka zu behandeln. — Frau Pairamall refüsiere ich das Honorar für Oktober u. erkläre, blos vier Monate festgelegt zu haben, woran ich mich nun eben halte. — An Halm (Br.): übermittle ihm die Auskunft, die ich von Hertzka erhalten u. komme auf seine beiden letzten Sendungen 1 zurück; bezeuge seinen {565} energischen Melodiewillen u. verweise bezüglich des Klaviersatzes auf Brahms’ Urteil über meine Legende „nicht ganz richtiger Klaviersatz“, indem ich ihm anheimstelle, wie viel er davon auf sich selbst beziehen möchte. — An Fl. (K.OJ 8/3, [27]): im Ton unwillig u. abfertigend; fordere ihn verweise darauf, sich zu vergegenwärtigen, daß wir uns es noch um vieles schwerer als er u. seine Frau haben. Wegen Sonntags erkläre ich, noch nicht mit Bestimmtheit sagen zu können, ob wir frei sein werden, da möglicherweise sich die Notwendigkeit einer Unterredung mit Mendl ergeben könnte. — — „Wenn eine Zeit in der Kunst für das Hohe u. Tiefe schwärmt, so ist der Geschmack verdorben; denn der wahre Sinn – um nicht zu sagen: das Verständnis – für das Tiefe u. Hohe ist immer nur das Vorrecht einzelner Begabter, die andern beten nach.“ Grillparzer 2 — — „Menschen sind wir eher, als wir Professionisten werden[,] u. wehe uns, wenn wir nicht auch in unserem künftigen Beruf Menschen blieben. Von dem, was wir als Menschen wissen u. als Jünglinge gelernt haben, kommt unsere schönste Bildung u. Brauchbarkeit für uns selbst her, noch ohne zu ängstliche Rücksicht, was der Staat aus uns machen wolle. Ist das Messer einmal gewetzt, so kann man allerlei damit schneiden u. nicht jede Hausfrau [recte Haushaltung] hält sich eben ein ander Gedeck das Brot, ein anderes das Fleisch auseinander zu schneiden [recte auseinanderzulegen]. So ist es [recte ist’s] auch mit der Schärfe u. Politur des Verstandes . .[“] Herder „Voss. Ztg.“ 14. XI. 16 „Lehrer u. Schüler in Weimar [“] 3 — © Transcription Marko Deisinger. |
January 10, 1917. +½°.
— Letter from Floriz, evidently from a feeling of guilt; he plays off the difficulties against the side of his wife, domestic tasks, concerns over their children, etc. and invites us to come out on Sunday. — Letter from Miss Kahn: condolences! It almost seems to me as if I have myself received more letters of sympathy over Mrs. Deutsch's death than her family. — LetterOC 52/557 from Hertzka : he acknowledges my goodwill and asks whether I would like to make suggestions, or whether I would leave the formulation to him. He is thinking about the pamphlets . — — Towards midday, snowfall, wetness, in short thoroughly awful weather. — Miss Elias says she is prepared to stand in for Mrs. Deutsch ; I refuse initially, saying that it is my duty to see if the path once taken might lead to a goal. In any event, Miss Elias's declaration gives me a certain amount of surety in the way I handle the response to Hertzka. — I turn down Mrs. Pairamall lesson fee for October, and explain that I have settled on only four months, to which I shall in fact hold myself. — Letter to Halm : I transmit to him the information that received from Hertzka and return to his two most recent packages; 1 I acknowledge his {565} energetic melodic spirit, and, with reference to piano texture, refer him to Brahms's judgement about my saying "not entirely correct piano texture" by leaving it to his discretion as to how much he would like to undertake this himself. — PostcardOJ 8/3, [27] to Floriz, indignant and dismissive in tone; I ask him to understand that we are having a much more difficult time than he and his wife. With regard to Sunday, I cannot say for sure that we will be free, as the necessity of a meeting with Mendl may arise. — — "If a time comes in art in which one is keen on the high and the low, then taste will have been spoiled; for the true sense – not to say understanding – for low and high is only the privilege of a handful of gifted people; the others will imitate." Grillparzer 2 — — "We are human beings before we are professionals; and woe to us if we do not remain humans in our future occupation. From what we know as humans and have learned as youths are derived the most beautiful things in our education, and the most useful for us, without our yet having too much fearful concern over what the state may want to make of us. Once the knife has been sharpened, one can cut all manner of things with it; and not every household can manage to keep separate the bread on one table, meat on another. So it also is with the sharpness and polish of the intellect." Herder Vossische Zeitung , November 14 1916: "Teachers and Students in Weimar ["] 3 — © Translation William Drabkin. |
Footnotes1 August Halm, Compositionen für Pianoforte, vol. 5: Sarabande mit Variationen, Bagatellen (Stuttgart: Zumsteeg, 1915). Brochure of Halm's violin method (Violinübung), which embraces three volumes: vol. 1 (Stuttgart: Zumsteeg, 1916); vol. 2 (unpublished); vol. 3 (Kassel: Bärenreiter, 1930). 2 Grillparzer's Sämmtliche Werke, vol. 9: Politische Studien. Aesthetische Studien (Stuttgart: Cotta, 1872), p. 83 („Zur Aesthetik im Allgemeinen") 3 A. K., "Lehrer und Schüler in Weimar. 200 Jahre Weimarer Gymnasium," Vossische Zeitung, No. 584, November 14, 1916, morning edition, pp. [2-3]. |