Downloads temporarily removed for testing purposes

13.

Des morgens Spaziergang mit Hupka; gutes Pflaster, nette Häuschen, meist nur ebenerdig, überall Ebene u. Bäume eigentlich nur die wenigen Bäche entlang; die Luft streicht frisch durch die Felder, doch muß das Auge sich an das Endlose der Ebene erst gewöhnen. Wohlstand im Städtchen schon außen sichtbar; Hupkas Hauswirt, der zu den Aermsten zählt, versichert alles zu besitzen, was er zum Leben notwendig braucht; er ladet uns ein, in seinem Obstgarten Zwetschken zu pflücken. Durch Hupkas Vermittlung ist Lie-Liechen in der Lage, einige wertvolle Einkäufe zu machen: Strumpfbandgummi, sieben Knäulchen Stopfgarn, 2 Spülen Zwirn á 7 Kronen, 2 Stück Toilettenseife! Hupka packt unserer Fracht bei Likör, Birnen, Brot, Caces u. Butter u. noch außerdem 50 Stück Zigarren. Diese stammen aus dem reichen Besitze seines Dieners Abraham, der seine Sammlung allmälig 1 auf 6000 Stück gebracht hat. Dieser Diener ist ein {932} russischer Kriegsgefangener aus Odessa, der mehrmals desertirt u. endlich zu den Österreichern übergelaufen ist. Zuhause ein Agent in Parfumeriewaren, hat er auch in der Gefangenschaft vor allem seinen Geschäftssinn betätigt u. hierbei kleine Ersparnisse erzielt, die ihm insbesondere die Flucht erleichtern sollen, an die er ständig denkt. Akzent u. Gesten sind die eines einfachen Juden, bezeichnend die Wendung: „Zuhause bin ich Herr, hier Diener.“ Zu Tisch führte uns H. [in] ein Gasthaus, wo er uns ausgezeichnet bewirtete: Gemüse in Rahm gekocht, Rindfleisch, Braten mit verschiedenen Beilagen, Strauben, 2 Brot u. Wein ad libitum. Wegen der Verrechung blieb er dabei, daß wir sie später, bis die Summe beträchtlicher angewachsen, vornehmen; er behauptet u. wiederholt dies immer wieder, daß er die meisten Schätze, die er uns zukommen läßt, lediglich im Wege des Tausches gegen Tabak, der ihm selbst nur wenige Heller koste, erreichen kann, so daß es gar nicht lohne, die Posten schon jetzt in Verrechnung zu bringen. Ich teile ihm nun meinen Plan mit, der Höhenluft halber zunächst nach Mariazell zu gehen u. nach K. zurückzukehren, falls sich dieser Ort nicht bewähren sollte. Zur Bahn führt er uns wieder im Wagen. Sein Soldat fährt gleichzeitig nach Wien u. führt auch Brot, Butter u. Zigarren für uns mit sich. Nicht wenig bange wird uns um diese Schätze, da wir sehen, daß ein Feldwebel bei der Kontrolle ausnahmsweise sehr streng verfährt. Allerdings tobt sich diese Strenge meist nur an einem Reisenden aus – wehe, den der böse Zufall trifft – wahrend [sic] die anderen glimpflich davonkommen. In der Grenzstation sehen wir zu unserem Entsetzen eine ganze Menge von Rucksäcken, die auf diese Weise konfisziert worden waren. Desto überraschter waren wir aber zu sehen, wie sich die Reisenden selbst noch gegen strengste Kontrolle geschützt hatten: {933} Da sehen wir einen alten Herrn plötzlich Gilet u. Hose öffnen u. aus der Magengegend ein Säckchen Mehl hervorholen; ähnliche Prozeduren nahmen auch Mädchen an sich vor, am überraschendsten aber war, wie der erwähnte Greis ins Coupé, das er für wenige Minuten verlassen, mit einem großen vollen Sack zurückgekehrt ist, dem [sic] er offenbar dem Schaffner zur Verwahrung übergeben hatte. Auf dem Bahnhof in Wien konnten wir mit Genugtuung feststellen, daß wir keinerlei Verlust erlitten. Der Soldat erhält 20 Kronen. — Letztes Paar Schuhe vom Schuster abgeholtliefert; Lie-Liechen gibt dem Gehilfen ein Brot mit Fett bestrichen. — Von Mozio (K.): 3 entschuldigt sich, verspricht, mich bei seiner nächsten Anwesenheit in W. [= Wien] zu besuchen; habe Sophie geschrieben; Hans schreibt an. Von Schick (K.): ladet zur Probe.

© Transcription Marko Deisinger.

13

In the morning, a walk with Hupka; the road is good underfoot, nice little houses, mostly only single-storey; everywhere flat countryside with trees only alongside the few brooks. The air strikes fresh across the fields, but the eye has first to get accustomed to the endlessness of the plain. The prosperity in the little town is quite apparent; Hupka's house servant, who is among the poorest of them all, avows that he possesses everything he needs in order to live; he invites us to pick plums in his orchard. With Hupka's mediation, Lie-Liechen is able to make quite a few valuable purchases: rubber bands for nylons, seven spools of mending yarn, two spools of thread at 7 Kronen, two bars of toilet soap! Hupka packs our luggage with liqueur, pears, bread, biscuits, and butter, and what's more also 50 cigars. These come from the rich store of his house servant Abraham, who has gradually 1 built up his collection to 6,000 items. This servant is a {932} Russian prisoner-of-war from Odessa who deserted several times and finally came over to the Austrians. At home an agent for perfumed goods, he had used his business acumen during his capture also to make small savings that were intended particularly to assist his escape, a plan which was constantly on his mind. His accent and his gestures were those of a simple Jew, true to the motto that: "At home, I am my lord and master, here I am a servant." For the lunch Hupka led us to a restaurant, where he hosted us most excellently: vegetables cooked in cream, beef, roast with different accoutrements, Strauben, 2 with bread and wine ad libitum. When it came to paying the bill, he remained adamant, saying that we could re-pay it later, when the sum had grown larger. He maintains and frequently emphasizes that most of the delicacies he is putting our way have been acquired solely by exchanging tobacco, which in turn costs him only a few Heller: it is not even worth our trouble to add up the costs incurred. I tell him of my plan to go to Mariazell on account of the mountain air, but definitely to return to Kapuvar if the former does not turn out to be as we hope. He drives us to the railway station in his carriage. His soldier travels simultaneously to Vienna, and takes with him bread, butter, and cigars for us. When we see how exceptionally strict the sergeant is while checking the luggage, we are quite nervous about these treasures. But apparently this strictness applies mostly only to a traveler – woe betide him if he is caught smuggling – while most of the others get off lightly. At the border station we see to our dismay a great number of rucksacks that had been confiscated. But we are all the more surprised to see how the travelers had prepared themselves for even the most stringent checks. {933} We see an elderly gentleman suddenly open his vest and pants and pull out a sack of flour from the region of his stomach; girls subjected themselves to similar arrangements; the most surprising, however, was how the old man just mentioned returned to the compartment that he had left for few minutes with a large, full bag that he had apparently given to the conductor for safe-keeping. At the railway station in Vienna we were able to establish to our satisfaction that we had not lost a thing. The soldier receives 20 Kronen. — The last pair of shoes from the cobbler's picked up delivered; Lie-Liechen gives the cobbler's helper a piece of bread spread with lard. — From Mozio (postcard): 3 apologizes and promises to visit me the next time he is in Vienna; he has written to Sophie; Hans writes. From Schick (postcard): inviting us to a fitting.

© Translation Stephen Ferguson.

13.

Des morgens Spaziergang mit Hupka; gutes Pflaster, nette Häuschen, meist nur ebenerdig, überall Ebene u. Bäume eigentlich nur die wenigen Bäche entlang; die Luft streicht frisch durch die Felder, doch muß das Auge sich an das Endlose der Ebene erst gewöhnen. Wohlstand im Städtchen schon außen sichtbar; Hupkas Hauswirt, der zu den Aermsten zählt, versichert alles zu besitzen, was er zum Leben notwendig braucht; er ladet uns ein, in seinem Obstgarten Zwetschken zu pflücken. Durch Hupkas Vermittlung ist Lie-Liechen in der Lage, einige wertvolle Einkäufe zu machen: Strumpfbandgummi, sieben Knäulchen Stopfgarn, 2 Spülen Zwirn á 7 Kronen, 2 Stück Toilettenseife! Hupka packt unserer Fracht bei Likör, Birnen, Brot, Caces u. Butter u. noch außerdem 50 Stück Zigarren. Diese stammen aus dem reichen Besitze seines Dieners Abraham, der seine Sammlung allmälig 1 auf 6000 Stück gebracht hat. Dieser Diener ist ein {932} russischer Kriegsgefangener aus Odessa, der mehrmals desertirt u. endlich zu den Österreichern übergelaufen ist. Zuhause ein Agent in Parfumeriewaren, hat er auch in der Gefangenschaft vor allem seinen Geschäftssinn betätigt u. hierbei kleine Ersparnisse erzielt, die ihm insbesondere die Flucht erleichtern sollen, an die er ständig denkt. Akzent u. Gesten sind die eines einfachen Juden, bezeichnend die Wendung: „Zuhause bin ich Herr, hier Diener.“ Zu Tisch führte uns H. [in] ein Gasthaus, wo er uns ausgezeichnet bewirtete: Gemüse in Rahm gekocht, Rindfleisch, Braten mit verschiedenen Beilagen, Strauben, 2 Brot u. Wein ad libitum. Wegen der Verrechung blieb er dabei, daß wir sie später, bis die Summe beträchtlicher angewachsen, vornehmen; er behauptet u. wiederholt dies immer wieder, daß er die meisten Schätze, die er uns zukommen läßt, lediglich im Wege des Tausches gegen Tabak, der ihm selbst nur wenige Heller koste, erreichen kann, so daß es gar nicht lohne, die Posten schon jetzt in Verrechnung zu bringen. Ich teile ihm nun meinen Plan mit, der Höhenluft halber zunächst nach Mariazell zu gehen u. nach K. zurückzukehren, falls sich dieser Ort nicht bewähren sollte. Zur Bahn führt er uns wieder im Wagen. Sein Soldat fährt gleichzeitig nach Wien u. führt auch Brot, Butter u. Zigarren für uns mit sich. Nicht wenig bange wird uns um diese Schätze, da wir sehen, daß ein Feldwebel bei der Kontrolle ausnahmsweise sehr streng verfährt. Allerdings tobt sich diese Strenge meist nur an einem Reisenden aus – wehe, den der böse Zufall trifft – wahrend [sic] die anderen glimpflich davonkommen. In der Grenzstation sehen wir zu unserem Entsetzen eine ganze Menge von Rucksäcken, die auf diese Weise konfisziert worden waren. Desto überraschter waren wir aber zu sehen, wie sich die Reisenden selbst noch gegen strengste Kontrolle geschützt hatten: {933} Da sehen wir einen alten Herrn plötzlich Gilet u. Hose öffnen u. aus der Magengegend ein Säckchen Mehl hervorholen; ähnliche Prozeduren nahmen auch Mädchen an sich vor, am überraschendsten aber war, wie der erwähnte Greis ins Coupé, das er für wenige Minuten verlassen, mit einem großen vollen Sack zurückgekehrt ist, dem [sic] er offenbar dem Schaffner zur Verwahrung übergeben hatte. Auf dem Bahnhof in Wien konnten wir mit Genugtuung feststellen, daß wir keinerlei Verlust erlitten. Der Soldat erhält 20 Kronen. — Letztes Paar Schuhe vom Schuster abgeholtliefert; Lie-Liechen gibt dem Gehilfen ein Brot mit Fett bestrichen. — Von Mozio (K.): 3 entschuldigt sich, verspricht, mich bei seiner nächsten Anwesenheit in W. [= Wien] zu besuchen; habe Sophie geschrieben; Hans schreibt an. Von Schick (K.): ladet zur Probe.

© Transcription Marko Deisinger.

13

In the morning, a walk with Hupka; the road is good underfoot, nice little houses, mostly only single-storey; everywhere flat countryside with trees only alongside the few brooks. The air strikes fresh across the fields, but the eye has first to get accustomed to the endlessness of the plain. The prosperity in the little town is quite apparent; Hupka's house servant, who is among the poorest of them all, avows that he possesses everything he needs in order to live; he invites us to pick plums in his orchard. With Hupka's mediation, Lie-Liechen is able to make quite a few valuable purchases: rubber bands for nylons, seven spools of mending yarn, two spools of thread at 7 Kronen, two bars of toilet soap! Hupka packs our luggage with liqueur, pears, bread, biscuits, and butter, and what's more also 50 cigars. These come from the rich store of his house servant Abraham, who has gradually 1 built up his collection to 6,000 items. This servant is a {932} Russian prisoner-of-war from Odessa who deserted several times and finally came over to the Austrians. At home an agent for perfumed goods, he had used his business acumen during his capture also to make small savings that were intended particularly to assist his escape, a plan which was constantly on his mind. His accent and his gestures were those of a simple Jew, true to the motto that: "At home, I am my lord and master, here I am a servant." For the lunch Hupka led us to a restaurant, where he hosted us most excellently: vegetables cooked in cream, beef, roast with different accoutrements, Strauben, 2 with bread and wine ad libitum. When it came to paying the bill, he remained adamant, saying that we could re-pay it later, when the sum had grown larger. He maintains and frequently emphasizes that most of the delicacies he is putting our way have been acquired solely by exchanging tobacco, which in turn costs him only a few Heller: it is not even worth our trouble to add up the costs incurred. I tell him of my plan to go to Mariazell on account of the mountain air, but definitely to return to Kapuvar if the former does not turn out to be as we hope. He drives us to the railway station in his carriage. His soldier travels simultaneously to Vienna, and takes with him bread, butter, and cigars for us. When we see how exceptionally strict the sergeant is while checking the luggage, we are quite nervous about these treasures. But apparently this strictness applies mostly only to a traveler – woe betide him if he is caught smuggling – while most of the others get off lightly. At the border station we see to our dismay a great number of rucksacks that had been confiscated. But we are all the more surprised to see how the travelers had prepared themselves for even the most stringent checks. {933} We see an elderly gentleman suddenly open his vest and pants and pull out a sack of flour from the region of his stomach; girls subjected themselves to similar arrangements; the most surprising, however, was how the old man just mentioned returned to the compartment that he had left for few minutes with a large, full bag that he had apparently given to the conductor for safe-keeping. At the railway station in Vienna we were able to establish to our satisfaction that we had not lost a thing. The soldier receives 20 Kronen. — The last pair of shoes from the cobbler's picked up delivered; Lie-Liechen gives the cobbler's helper a piece of bread spread with lard. — From Mozio (postcard): 3 apologizes and promises to visit me the next time he is in Vienna; he has written to Sophie; Hans writes. From Schick (postcard): inviting us to a fitting.

© Translation Stephen Ferguson.

Footnotes

1 allmälig: Archaic Austrian German for allmählich (gradually).

2 Strauben: a sweet loaf made from milky dough, common in Southern Germany, Austria and South Tyrol.

3 = OJ 14/5, [6], August 8, 1918 (fieldpostcard, from Rumania)