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[printed letterhead:]
WIEN
XIII., WATTMANNGASSE 5

20. II. 31.

Lieber verehrter Meister, 1

Anbei Brief und Beilage von Cube mit bestem Dank.

Der Vortrag 2 begegnete wiederum starkem Interesse, das Zimmer war bis auf den letzten Platz gefüllt, etwa 5 30 Personen; ich sprach vollkommen frei[,] was entschieden die allerstärkste Wirkung machte (ich machte dabei für mich allerhand wichtige Erfahrungen.) In 14 Tagen halte ich den 3. und letzten Vortrag. Das Mozartzitat verfehlte seinen Wirkung nicht, aber den ganzen nächsten Vortrag lege ich daraufhin an, das Zitat zu deuten, indem ich zeige was damit gemeint ist. (Denn verstanden habe es ja doch nur meine Schüler, die drin waren[.])

{2} Hier zwei Fragen, für deren ganz kurze schlagwortartige Beantwortung ich Ihnen sehr dankbar wäre.

Sie sprechen bei Besprechung des 5. Kl. Präludiums im „Tonwillen“ 3 erst gegen Schluss von den rhythmischen Verhältnissen, von dem

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Nun liegt doch eigentlich von den ersten Takten an dieses Rhythmus dem Stück zugrunde, dadurch dass, die zweimailge Wiederkehr der aus 3 Achteln bestehenden Figur in den 3 Vierteltakt gezwängt ist

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es entsteht so eine Spannung zwischen Motiv und Takt[,] der letztere verlangt seine Rechte, so dass eine leichte Betonung des 5[.] Achtels mittels mithin aber grade der für die Stimmführung bedeutsamen Achtel Note für den Vortrag notwendig wird. [cued from lower margin:] Zu vergleichen etwa mit: [with scansion symbols] [„]Heraus in eure Schatten rege Wipfel….. Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl.[”] An dieser Stelle müsste ein verständnisvoller Regisseur die Iphigenie stehen bleiben lasse. 4 Bis zu dieser Stelle schreitet sie vor dem Tempel.[end cue]

Haben Sie diese Verhältnisse mit Absicht nicht erwähnt?

{3} Die zweite Frage.

Brahms Cmollquartett, 3. Satz Allegretto molto moderato liegen die rhythm. Verhältnisse äusserst merkwürdig. Weshalb schreibt Brahms den Einfall auftaktig. Er hätte doch auch auf eins beginnen können. Werden da bei der Notierung die Gewichtsverhältnisse berücksicht [sic], dass der Hauptklang f nur ein, der Nebennotenklang dagegen 3 Achtel beansprücht; ist das der Grund[,] der Brahms bestimmte[,] auftaktig zu schreiben? Noch merkwürdiger: von Takt 15 an liegt alles falsch, man hört doch:

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und Brahms notiert auch ���� zum es auf dem zweiten Achtel.

Ist folgende Erklärung richtig:

Takt 8 fällt der Schluss auf c auf das 3[.] Achtel: hier hätte Takt 15 anschliessen können, so zwar, dass

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dass das Achtel c noch das 4. Viertel des Taktes 8 in Anspruch genommen hätte, dann wäre “es” auf eins gefallen. Brahms hat {4} aber aus Grunden der Synthese ein Interesse daran[,] den C Klang auf einen starken Taktteil zu bekommen, daher die Einschaltung der Takte 9–15, deren Ende den Abschluss von Takt 8

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so dehnt

[music example 6: eighth-notes g1 e(ę)1, dotted eighth d1, sixteenth-note c1 | eighth-note c1]

dass c auf den starken Taktteil kommt. Deswegen aber liegt alles nachfolgende falsch.


Viele herzliche Grüsse und besten Dank von
Ihrem
[signed:] H .

© Transcription William Drabkin, 2008


[printed letterhead:]
VIENNA
XIII., WATTMANNGASSE 5

February 20, 1931

Dear, revered Master, 1

Enclosed is the letter, and the supplementary material, from Cube, for which I send my best thanks.

The lecture 2 met once again with great interest; the room was filled to the last seat, approximately 5 30 persons. I spoke entirely without prepared text, which was crucial for making the strongest possible effect. (This gave me important experiences of all sorts.) In two weeks I shall give the third and last lecture. The Mozart quotation did not fail in its effect, but in the next lecture I shall make a special point of interpreting the quotation, so as to show what is implied by it. (For only my pupils understood what was contained in it.)

{2} I have two questions to which I would be most grateful for very short answers, in the form of key words.

In your study of [J. S. Bach's] Fifth Short Prelude in Der Tonwille , 3 you spoke about rhythmic relationships only towards the end, of the

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sense of the sixteenth-note runs.

In fact, however, this rhythm underlies the piece from the first bar, in such a way that the two-fold repeat of the figure comprising three eighth-notes is squeezed into the three-quarter measure

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There thus arises a tension between motive and measure; the latter demands its due, so that a gentle accent on the fifth eighth-note, by way of together with the eighth note that is significant for the voice-leading is essential for the performance. [cued from lower margin:] Compare, for instance, [with scansion symbols] "Heraus in eure Schatten rege Wipfel….. Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl." In this passage, an intelligent director would have Iphigenia stop moving. 4 Up to this point, she is moving in front of the temple.[end cue]

Did you intentionally refrain from mentioning these relationships?

{3} My second question:

Brahms’s String Quartet in C minor, third movement (Allegretto molto moderato), in which the rhythmic relationships are extremely striking. Why indeed does Brahms write the first note as an upbeat? He could indeed have begun on the downbeat. In the notation are the relationships of weight considered, so that the principal chord of F minor takes up only one eighth note, while the auxiliary chord takes up three? Is that the reason that determined that Brahms should begin on an upbeat? Even more striking: from measure 15 onward, everything appears to be wrong. One surely hears as follows:

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and Brahms applies ���� to the Eę on the second eighth.

Is the following explanation correct?

In m. 8 the cadence in C minor falls on the third eighth: here the music could have been continued with m. 15, in such away that

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that the eighth-note C would have still made use of the fourth quarter of m. 8, with "Eę" then falling on beat 1. For reasons of the synthesis, however, {4} Brahms was interested in having the chord on C come on a strong beat, hence the insertion of mm. 9–15, whose end expands the conclusion at m. 8 in such a way

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that C comes on a strong beat.

[music example 6: eighth-notes g1 e(ę)1, dotted eighth d1, sixteenth-note c1 | eighth-note c1]

On account of this, however, everything that follows is in the wrong position.


Many cordial greetings and best thanks from
Your
[signed:] H.

© Translation William Drabkin, 2008


[printed letterhead:]
WIEN
XIII., WATTMANNGASSE 5

20. II. 31.

Lieber verehrter Meister, 1

Anbei Brief und Beilage von Cube mit bestem Dank.

Der Vortrag 2 begegnete wiederum starkem Interesse, das Zimmer war bis auf den letzten Platz gefüllt, etwa 5 30 Personen; ich sprach vollkommen frei[,] was entschieden die allerstärkste Wirkung machte (ich machte dabei für mich allerhand wichtige Erfahrungen.) In 14 Tagen halte ich den 3. und letzten Vortrag. Das Mozartzitat verfehlte seinen Wirkung nicht, aber den ganzen nächsten Vortrag lege ich daraufhin an, das Zitat zu deuten, indem ich zeige was damit gemeint ist. (Denn verstanden habe es ja doch nur meine Schüler, die drin waren[.])

{2} Hier zwei Fragen, für deren ganz kurze schlagwortartige Beantwortung ich Ihnen sehr dankbar wäre.

Sie sprechen bei Besprechung des 5. Kl. Präludiums im „Tonwillen“ 3 erst gegen Schluss von den rhythmischen Verhältnissen, von dem

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Nun liegt doch eigentlich von den ersten Takten an dieses Rhythmus dem Stück zugrunde, dadurch dass, die zweimailge Wiederkehr der aus 3 Achteln bestehenden Figur in den 3 Vierteltakt gezwängt ist

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es entsteht so eine Spannung zwischen Motiv und Takt[,] der letztere verlangt seine Rechte, so dass eine leichte Betonung des 5[.] Achtels mittels mithin aber grade der für die Stimmführung bedeutsamen Achtel Note für den Vortrag notwendig wird. [cued from lower margin:] Zu vergleichen etwa mit: [with scansion symbols] [„]Heraus in eure Schatten rege Wipfel….. Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl.[”] An dieser Stelle müsste ein verständnisvoller Regisseur die Iphigenie stehen bleiben lasse. 4 Bis zu dieser Stelle schreitet sie vor dem Tempel.[end cue]

Haben Sie diese Verhältnisse mit Absicht nicht erwähnt?

{3} Die zweite Frage.

Brahms Cmollquartett, 3. Satz Allegretto molto moderato liegen die rhythm. Verhältnisse äusserst merkwürdig. Weshalb schreibt Brahms den Einfall auftaktig. Er hätte doch auch auf eins beginnen können. Werden da bei der Notierung die Gewichtsverhältnisse berücksicht [sic], dass der Hauptklang f nur ein, der Nebennotenklang dagegen 3 Achtel beansprücht; ist das der Grund[,] der Brahms bestimmte[,] auftaktig zu schreiben? Noch merkwürdiger: von Takt 15 an liegt alles falsch, man hört doch:

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und Brahms notiert auch ���� zum es auf dem zweiten Achtel.

Ist folgende Erklärung richtig:

Takt 8 fällt der Schluss auf c auf das 3[.] Achtel: hier hätte Takt 15 anschliessen können, so zwar, dass

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dass das Achtel c noch das 4. Viertel des Taktes 8 in Anspruch genommen hätte, dann wäre “es” auf eins gefallen. Brahms hat {4} aber aus Grunden der Synthese ein Interesse daran[,] den C Klang auf einen starken Taktteil zu bekommen, daher die Einschaltung der Takte 9–15, deren Ende den Abschluss von Takt 8

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so dehnt

[music example 6: eighth-notes g1 e(ę)1, dotted eighth d1, sixteenth-note c1 | eighth-note c1]

dass c auf den starken Taktteil kommt. Deswegen aber liegt alles nachfolgende falsch.


Viele herzliche Grüsse und besten Dank von
Ihrem
[signed:] H .

© Transcription William Drabkin, 2008


[printed letterhead:]
VIENNA
XIII., WATTMANNGASSE 5

February 20, 1931

Dear, revered Master, 1

Enclosed is the letter, and the supplementary material, from Cube, for which I send my best thanks.

The lecture 2 met once again with great interest; the room was filled to the last seat, approximately 5 30 persons. I spoke entirely without prepared text, which was crucial for making the strongest possible effect. (This gave me important experiences of all sorts.) In two weeks I shall give the third and last lecture. The Mozart quotation did not fail in its effect, but in the next lecture I shall make a special point of interpreting the quotation, so as to show what is implied by it. (For only my pupils understood what was contained in it.)

{2} I have two questions to which I would be most grateful for very short answers, in the form of key words.

In your study of [J. S. Bach's] Fifth Short Prelude in Der Tonwille , 3 you spoke about rhythmic relationships only towards the end, of the

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sense of the sixteenth-note runs.

In fact, however, this rhythm underlies the piece from the first bar, in such a way that the two-fold repeat of the figure comprising three eighth-notes is squeezed into the three-quarter measure

thumb

There thus arises a tension between motive and measure; the latter demands its due, so that a gentle accent on the fifth eighth-note, by way of together with the eighth note that is significant for the voice-leading is essential for the performance. [cued from lower margin:] Compare, for instance, [with scansion symbols] "Heraus in eure Schatten rege Wipfel….. Tret ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl." In this passage, an intelligent director would have Iphigenia stop moving. 4 Up to this point, she is moving in front of the temple.[end cue]

Did you intentionally refrain from mentioning these relationships?

{3} My second question:

Brahms’s String Quartet in C minor, third movement (Allegretto molto moderato), in which the rhythmic relationships are extremely striking. Why indeed does Brahms write the first note as an upbeat? He could indeed have begun on the downbeat. In the notation are the relationships of weight considered, so that the principal chord of F minor takes up only one eighth note, while the auxiliary chord takes up three? Is that the reason that determined that Brahms should begin on an upbeat? Even more striking: from measure 15 onward, everything appears to be wrong. One surely hears as follows:

thumb

and Brahms applies ���� to the Eę on the second eighth.

Is the following explanation correct?

In m. 8 the cadence in C minor falls on the third eighth: here the music could have been continued with m. 15, in such away that

thumb

that the eighth-note C would have still made use of the fourth quarter of m. 8, with "Eę" then falling on beat 1. For reasons of the synthesis, however, {4} Brahms was interested in having the chord on C come on a strong beat, hence the insertion of mm. 9–15, whose end expands the conclusion at m. 8 in such a way

thumb

that C comes on a strong beat.

[music example 6: eighth-notes g1 e(ę)1, dotted eighth d1, sixteenth-note c1 | eighth-note c1]

On account of this, however, everything that follows is in the wrong position.


Many cordial greetings and best thanks from
Your
[signed:] H.

© Translation William Drabkin, 2008

Footnotes

1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/4, p. 3582, February 20, 1931: "Von Weisse (Br.)[:] Cubes u. Braunfels’ Briefe zurück; werde im Pädagogischen Verband ein drittes Mal sprechen u. zwar über das Mozart-Zitat – wie geschickt habe ich da vorgearbeitet! Außerdem stellt er zwei Fragen, die ins Gebiet der Metrik u. Rhythmik gehören: die eine betrifft das kleine Präludium Dm, Tw. 5 u. Brahms’ Streichquartett Cm, Allegretto." ("From Weisse (letter): Cube's and Braunfels' letters returned; he will speak for a third time at the Pedagogical Society, and in fact on the Mozart quotation – how cleverly I prepared the way to this! In addition, he poses two questions that belong to the field of meter and rhythm: one concerns the Short Prelude in D minor [discussed in] Tonwille 5, the other the Allegretto from Brahms's String Quartet in C minor.").

2 Weisse’s second lecture to the Society for Music Pedagogy in Vienna, given on February 18, 1931.

3 The analysis of Bach's Short Prelude in D minor, BWV 926, published in Tonwille 5, pp.8–9 (Eng. transl., vol. 1, pp.180–81). Weisse used this as the basis of his lecture (see OJ 15/15, [57], a postcard from Weisse to Schenker dated February 25, 1931.

4 These lines are taken from Goethe's play Iphigenia auf Tauris. Weisse has parsed them in different ways, to show their ambiguous rhythm.

Commentary

Rights Holder
Heirs of Hans Weisse, published here by kind permission
License
Permission to publish granted on March 10, 2008 by the heirs of Hans Weisse. Any claim to intellectual rights on this document should be addressed to the Schenker Documents Online, Faculty of Music, University of Cambridge, at schenkercorrespondence [at] mus (dot) cam (dot) ac (dot) uk
Format
4p letter, holograph salutation, message, valediction, and signature, with six items of music notation
Provenance
Schenker, Heinrich (document date-1935)--Schenker, Jeanette (1935-1938)--Oster, Ernst (1938-c.1939)—New York Public Library (c.1939-)

Digital version created: 2018-09-28
Last updated: 2013-10-01