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OJ 10/12, [2] - Handwritten letter from Aline Dunn to Schenker, dated April 28, 1931
da Sie immer so freundliches Interesse für meinen Mann hatten, erlaube ich mir Ihnen heute noch den Artikel aus dem “Scotsmann [sic]” von Professor Tovey geschrieben, 2 zu senden u. eine kleine Aufnahme von unserem letzten Aufenthalt in Marienbad im letzten Sommer. 3 Für Ihren teilnehmenden Brief noch meinen herzlichsten Dank. 4 Ich war jetzt einen Monat mit meiner Mutter in Italien, aber nächste Woche will ich zurück nach Edinburgh u. versuchen die Arbeit wieder aufzunehmen. Das furchtbare Erlebnis vom 4. II. lastet noch so schwer auf mir, u. ich kann mich gar nicht zurechtfinden. Am 3. II. übten wir noch zusammen am C-Dur Konzert von Bach, das wir am 15. II. mit Orchester {2} spielen sollten, u. am 24. III. war auch schon ein Klavierabend m. Mannes angesagt. Und nun ist er stumm, hingefällt lag er wie ein Baum. Es ist zu grausam. Das Orchester spielte für ihn das Allegretto aus der 7. Sinfonie Beethoven, das Publikum stehend. –
Obituary and Appreciation of John Petrie Dunn: source:
The Scotsman, February 6, 1931
[These German texts -- perhaps translated by Aline Petrie Dunn -- are typewritten] DR. JOHN PETRIE DUNN, Musikdozent und wohlbekannter Musiker Edinburghs, ist im Edinburgher Königl. Krankenhaus infolge eines Straßenunfalles am Mittwoch abend gestorben. Dr. Dunn war von einem Straßenbahnwagen in der Nähe der Murrayfield Avenue, wo er wohnte, abgestiegen, als er von einem Auto ungerissen wurde, das nach Westen fuhr. Er wurde nach dem Königl. Krankenhaus gebracht, wo ein Schädelbruch festgestellt wurde, und wo er kurz nach der Hinlieferung starb. John Petrie Dunn wurde 1878 in Edinburgh geboren und war der Sohn des verstorbenen Dr. Dunn, des Königl. Schurates von Schottland. Er wurde am George Watson-College und an der Edinburgher Universität erzogen, wo er sich in den Künsten einen akademischen Grad erwarb. Schon in früher Jugend zeigte sich ein ausgesprochenes Talent, und während seiner Kindheit offenbarten sich bereits die bemerkenswerten pianistischen Fähigkeiten, die sich später entfalten sollten. Während er privatim der praktischen Ausbildung nachging, studierte er gleichzeitig an der Universität unter dem verstorbenen Professor Niecks Musiktheorie. 1899 wurde ihm die „Bucher Scholarship“ zuerkannt, dann ging er nach Deutschland, wo er unter Max Pauer und S. de Lange am Stuttgarter Konservatorium tätig war, und wo er 1902 vom Stand eines Studenten zu dem eines Mitgliedes des Lehrkörpers aufrückte. Von Stuttgart ging er 1909 nach dem Stadt-Konservatorium in Kiel, zuerst als Hauptprofessor für prakt. Klavierspiel und später als stellvertretender Direktor. Die Sommerferien 1914 fanden ihn in Edinburgh, wohin er gerade noch zur rechten Zeit von Deutschland zurückgekehrt war, um der Internierung so entgehen. Kurz nach Ausbruch der Feindseligkeiten trat er in die Königl. Schotten ein, wo er zum Rang eines Offizierstellvertreters aufstieg. Es war charakteristisch für seine Gewissenhaftigkeit, die er durch sein ganzes Leben hindurch allen entgegenbrachte womit er sich beschäftigte, das er – nachdem er Corporal geworden war – bemerkte: „Ich fühle, daß ich mit gutem Gewissen das Amt übernehmen kann, da ich nun gelernt habe, alle die Dinge selbst zu tun, die ich später anderen Kameraden tun heiße.“ Als Offizier wurde er dann dem Generalstab zugewiesen, da ihm sein 14–15jähriger Aufenthalt in Deutschland besonders im Erkundigungs-Bureau zu statten kam. Nachdem er das Heer 1919 verlassen hatte, ließ er sich in Edinburgh als Musiklehrer nieder. Auch als Dozent in der Musik Fakultät ging er später völlig in der Arbeit auf. In seinen früheren Jahren hatte er in den verschiedenen musikalischen Centren des Kontinents hervorragende Kritiken als Virtuos geerntet. In Edinburgh erschien er von Zeit zu Zeit als Vortragskünstler. Er spielte auch in Edinburgh verschiedene Male mit dem schottischen Orchester. Er war mit ganzem Herzen ein großer Pianist, obgleich ihm augenscheinlich, das unruhvolle, aufreibende Leben eines Musik-Stars nicht zusagte. Die Natur hatte ihn mit feinen musikalischen Qualitäten begabt, und so brachte er zu ihrer Ausbildung Beharrlichkeit und Eifer mit. Seine ernsthafte Lebens- und Kunstauschauung veranlaßten ihn, einen Mann von großem persönlichem Charme, sich von einer vollkommenen Zugesellung seiner Kollegen zurückzuziehen. In Gesellschaft jedoch konnte niemand auf eine ruhigere und ungezwungenere Weise genial sein. Als Musikschriftsteller schrieb er 3 Werke, von denen zwei vom Klavierspiel handeln: „Das Geheimnis der Handführung beim Klavierspiel“; [„]Verzierungen in den Werken Chopins“ und ein Textbuch über [„]Orchestrationen“, das im letzten Sommer veröffentlicht wurde und zugleich seine These für den Grad als Musik-Dozent an der Edinburgher Universität war. Dr. Dunn hinterläßt seine Witwe, die selbst eine ^[APD:]feingebildete^ Pianistin ist. [signed:] [unsigned] Durch den Tod Dr. Dunns erleidet sowohl die Musikkunst als auch alle Musikinteressierten einen schweren Verlust. Die Eigenart eines Musikers offenbart sich in den Lieblingsstellen in seinem Repertoire. Dr. Dunns musikalischer Schaffensbereich als einen Ausübenden wie auch Lehrers war sehr groß, und die Eigenart seines Geistes zeigt sich sehr gut in der Tatsache, daß Beethovens Sonate E-Dur, op. 109 und Brahms Paganini-Variationen Stücke waren, in denen sich seine Fähigkeiten am besten kund taten. In aller Musik gibt es keine tiefere und mehr zu Herzen gehende Botschaft als die, die Beethoven in seinem op. 109 gab; und in dem gesamten Bereich technischer Entfaltung, die dichterischen Zwecken gewidmet ist, gibt es keine schwierigere „tour de Force“ als Brahms Paganini-Variationen. So schickt es sich von selbst, daß Dr. Dunns edler künstlerischer Vollkommenheit zu allererst bei dem Lob, das ihm gebührt, gedacht werde; denn seine Gaben als Lehrer waren das Ergebnis, nicht die Ursache seiner Kunst. Der verstorbene Professor Niecks hatte die höchste Meinung von seinen methodisch-didaktischen Gaben, von seiner Geduld und der anspornenden Kraft, und in dem Dunkel der Kriegsjahre war es ein Glückstag für die Musikfakultät der Universität Edinburgh, als John Petrie Dunn der Vizepräsident des Kieler Konservatoriums nach seiner Vaterstadt zurückkehrte und – da er ungebunden war – einen beträchtlichen Teil seines ererbten Lehrtalentes den Musikklassen der Universität widmete. Der Bereich, den sein Universitätsschaffen einnahm, war nicht der des Instrumentes, auf dem seine Kunst dem Publikum sich entfaltete. Er besaß bedeutende Geschicklichkeit auf vielen anderen instrumenten. Seine Kenntnis der Orchestration war tief und erschöpfend. Er besaß ein außerordentliches Fingerspitzegefühl dafür, seinen Schülern einen genauen Begriff vom Kontrapunkt zu geben. Sein Reich war die gesamte Musik. Das Wort „gewissenhaft“ ist wohl oft mißbraucht worden, insofern es als Ausflucht gilt, wo ein höheres Lob nicht auszudrücken ist. Aber die Charakterstärke, die sich in der Kunst wie im Leben zeigt, mag eine der Genieformen sein, und die Gewissenhaftigkeit mag bei ihm instinktiv und selbstlos gewesen sein. Nicht einer konnte mit Dr. Dunn arbeiten, ohne sich dabei die Worte des Predigers zu vergegenwärtigen, die so zwingend in Brahms letztem Musikwerk nach den Worten der Heiligen Schrift dargelegt sind und deren Sinn lautet: „Es gibt nichts Besseres, als daß ein Mann sich an seinem Werk erfreuen möge, denn das ist sein Erbe.“ © Transcription William Drabkin, 2007 |
As you have always taken such a friendly interest in my husband, I take the liberty of sending you the article from The Scotsman, written by Professor Tovey, 2 and a small photograph taken on our last visit to Marienbad, last summer. 3 For your compassionate letter, once again my most cordial thanks. 4 I have just spent a month in Italy with my mother, but next week I shall return to Edinburgh and try to resume my work. The frightful experience of February 4 still weighs so heavily upon me, and I cannot come to terms with it at all. On February 3 we were practising Bach’s C major Concerto, which we were to play with orchestral accompaniment on February 15, {2} and my husband was also booked to give a piano recital on March 24. And now he is silent; struck down, he lay there like a tree that had been felled. It is too horrible [to contemplate]. The orchestra played the Allegretto from Beethoven’s Seventh Symphony for him; the audience stood.
Obituary and Appreciation of John Petrie Dunn: source:
The Scotsman, February 6, 1931
[These English texts are the newsprint originals.] MR. JOHN PETRIE DUNN, MUS. DOC., the well-known Edinburgh musician, has died in Edinburgh Royal Infirmary following a street accident late on Wednesday evening. Mr. Dunn was alighting from a tramcar in Corstorphine Road, near Murrayfield Avenue, where he resided, when he was knocked down by a motor car proceeding westward. He was taken to the Royal Infirmary, suffering from a fractured skill, and died shortly after admission. John Petrie Dunn was born in Edinburgh in 1878, and was the son of the late Dr. Dunn, H. M. Inspector of Schools in Scotland. He was educated at George Watson’s College and at Edinburgh University, where he graduated in Arts. From an early age he revealed decided musical talent, and while still a boy gave promise of the remarkable abilities as a pianist which he was afterwards to display. Pursuing the study of the pianoforte privately in Edinburgh, he was also a student at the University, under the late Professor Niecks, for theoretical subjects. In 1899 he was awarded the Bucher Scholarship, and went to Germany, where he worked under Max Pauer and S. de Lange at Stuttgart Conservatoire, where, in 1902, he passed from the status of a student to that of a member of the teaching staff. From Stuttgart he went, in 1909, to the Municipal Conservatoire at Kiel, at first as principal Professor of the Pianoforte and latterly as Vice-Principal. The summer vacation of 1914 found him in Edinburgh, returned from Germany only just in time to avoid internment as a prisoner of war. Shortly after the outbreak of hostilities he enlisted in the Royal Scots, and rose to non-commissioned [recte commissioned] rank. It was characteristic of the conscientious thoroughness which throughout his life he brought to bear upon everything to which he set his hand that he should remark, after becoming a corporal, “I feel that I can decently go in for a commission now that I have learned to do all the things myself that I may afterwards have to tell other fellows to do.” Later, as an officer, he was transferred to the General Staff, his fourteen or fifteen years’ residence in Germany making him particularly useful in the Intelligence Department. Leaving the Army in 1919, he settled in Edinburgh, where, as a pianoforte teacher, and latterly also as a lecturer in the Faculty of Music, he did sterling work. In his earlier years he had won golden opinions as a virtuoso in[?] various musical centres on the Continent, and in Edinburgh he appeared from time to time as a recitalist. He also played in Edinburgh several times with the Scottish Orchestra. Emphatically he was a great pianist, although, apparently, the hectic life of a “musical star” did not appeal to him. Nature had endowed him with fine musical qualities, and he brought to their cultivation all the powers of a keen and sensitive intelligence. A man of great personal charm, his serious outlook on life and art rather tended to withdraw him from ready association with his fellows. In company, however, nobody could be more quietly and unaffectedly genial. As a writer on music he produced three works, two dealing with the pianoforte, Das Geheimnis der Handführung beim Klavierspiel; Ornamentation in the Works of Chopin; and a textbook of Orchestration, published last summer, which was his thesis for the degree of Mus. Doc. at Edinburgh University. Dr. Dunn is survived by his widow, herself an accomplished pianist. [signed:] [unsigned] By the death of Dr. John Petrie Dunn the art of music suffers a loss not less severe than that suffered by the interests of musical education. The calibre of a musical executant is revealed by the favourite items in his repertoire. Dr. Dunn’s musical range, both as executant and as teacher, was very wide; and the quality of his mind is well shown in the fact that Beethoven’s Sonata in E major, Op. 109, and Brahms’s Paganini Variations were items in which his powers were seen at their best. In the whole of music there is no deeper or more intimate message than that which Beethoven conveyed in his Op. 109; and in the whole range of technical display devoted to poetic purposes there is no more difficult tour-de-force than Brahms’s Paganini Variations. It is fitting that Dr. Dunn’s noble achievements as an artist should be commemorated in the forefront of the praise that is due to him, for his gifts as a teacher were the result, not the cause, of his art. The late Professor Niecks formed the highest opinion of his didactic gifts of method, patience, and stimulating power; and in the darkness of the years of the war it was a happy day for the Faculty of Music in the University of Edinburgh when John Petrie Dunn, Vice-President of the Conservatory at Kiel, returned to the city of his father, and was free to devote a considerable portion of his inherited pedagogic talent to the music classes of the University. The range covered by his University work was not that of the instrument on which his art was displayed to the public. He had considerable skill on many other instruments; his knowledge of orchestration was profound and exhaustive; he had an extraordinary knack for giving his pupils a sound grasp of counterpoint; and, in fact, his province was the whole of music. The word “conscientious” has become abused, from use as a subterfuge where higher praise is inadmissible. But force of character, in art as in life, may be one of the forms of genius, and conscientiousness may be instinctive and unself-conscious. No one could work with Dr. Dunn and fail to realise that it is dull to be slack, and that, in the words of the Preacher, so cogently set in Brahms’s last musical opus to the version of the German Bible, of which the sense is, “There is nothing better than that a man should rejoice in his work, for that is his portion.” © Translation William Drabkin, 2007 |
da Sie immer so freundliches Interesse für meinen Mann hatten, erlaube ich mir Ihnen heute noch den Artikel aus dem “Scotsmann [sic]” von Professor Tovey geschrieben, 2 zu senden u. eine kleine Aufnahme von unserem letzten Aufenthalt in Marienbad im letzten Sommer. 3 Für Ihren teilnehmenden Brief noch meinen herzlichsten Dank. 4 Ich war jetzt einen Monat mit meiner Mutter in Italien, aber nächste Woche will ich zurück nach Edinburgh u. versuchen die Arbeit wieder aufzunehmen. Das furchtbare Erlebnis vom 4. II. lastet noch so schwer auf mir, u. ich kann mich gar nicht zurechtfinden. Am 3. II. übten wir noch zusammen am C-Dur Konzert von Bach, das wir am 15. II. mit Orchester {2} spielen sollten, u. am 24. III. war auch schon ein Klavierabend m. Mannes angesagt. Und nun ist er stumm, hingefällt lag er wie ein Baum. Es ist zu grausam. Das Orchester spielte für ihn das Allegretto aus der 7. Sinfonie Beethoven, das Publikum stehend. –
Obituary and Appreciation of John Petrie Dunn: source:
The Scotsman, February 6, 1931
[These German texts -- perhaps translated by Aline Petrie Dunn -- are typewritten] DR. JOHN PETRIE DUNN, Musikdozent und wohlbekannter Musiker Edinburghs, ist im Edinburgher Königl. Krankenhaus infolge eines Straßenunfalles am Mittwoch abend gestorben. Dr. Dunn war von einem Straßenbahnwagen in der Nähe der Murrayfield Avenue, wo er wohnte, abgestiegen, als er von einem Auto ungerissen wurde, das nach Westen fuhr. Er wurde nach dem Königl. Krankenhaus gebracht, wo ein Schädelbruch festgestellt wurde, und wo er kurz nach der Hinlieferung starb. John Petrie Dunn wurde 1878 in Edinburgh geboren und war der Sohn des verstorbenen Dr. Dunn, des Königl. Schurates von Schottland. Er wurde am George Watson-College und an der Edinburgher Universität erzogen, wo er sich in den Künsten einen akademischen Grad erwarb. Schon in früher Jugend zeigte sich ein ausgesprochenes Talent, und während seiner Kindheit offenbarten sich bereits die bemerkenswerten pianistischen Fähigkeiten, die sich später entfalten sollten. Während er privatim der praktischen Ausbildung nachging, studierte er gleichzeitig an der Universität unter dem verstorbenen Professor Niecks Musiktheorie. 1899 wurde ihm die „Bucher Scholarship“ zuerkannt, dann ging er nach Deutschland, wo er unter Max Pauer und S. de Lange am Stuttgarter Konservatorium tätig war, und wo er 1902 vom Stand eines Studenten zu dem eines Mitgliedes des Lehrkörpers aufrückte. Von Stuttgart ging er 1909 nach dem Stadt-Konservatorium in Kiel, zuerst als Hauptprofessor für prakt. Klavierspiel und später als stellvertretender Direktor. Die Sommerferien 1914 fanden ihn in Edinburgh, wohin er gerade noch zur rechten Zeit von Deutschland zurückgekehrt war, um der Internierung so entgehen. Kurz nach Ausbruch der Feindseligkeiten trat er in die Königl. Schotten ein, wo er zum Rang eines Offizierstellvertreters aufstieg. Es war charakteristisch für seine Gewissenhaftigkeit, die er durch sein ganzes Leben hindurch allen entgegenbrachte womit er sich beschäftigte, das er – nachdem er Corporal geworden war – bemerkte: „Ich fühle, daß ich mit gutem Gewissen das Amt übernehmen kann, da ich nun gelernt habe, alle die Dinge selbst zu tun, die ich später anderen Kameraden tun heiße.“ Als Offizier wurde er dann dem Generalstab zugewiesen, da ihm sein 14–15jähriger Aufenthalt in Deutschland besonders im Erkundigungs-Bureau zu statten kam. Nachdem er das Heer 1919 verlassen hatte, ließ er sich in Edinburgh als Musiklehrer nieder. Auch als Dozent in der Musik Fakultät ging er später völlig in der Arbeit auf. In seinen früheren Jahren hatte er in den verschiedenen musikalischen Centren des Kontinents hervorragende Kritiken als Virtuos geerntet. In Edinburgh erschien er von Zeit zu Zeit als Vortragskünstler. Er spielte auch in Edinburgh verschiedene Male mit dem schottischen Orchester. Er war mit ganzem Herzen ein großer Pianist, obgleich ihm augenscheinlich, das unruhvolle, aufreibende Leben eines Musik-Stars nicht zusagte. Die Natur hatte ihn mit feinen musikalischen Qualitäten begabt, und so brachte er zu ihrer Ausbildung Beharrlichkeit und Eifer mit. Seine ernsthafte Lebens- und Kunstauschauung veranlaßten ihn, einen Mann von großem persönlichem Charme, sich von einer vollkommenen Zugesellung seiner Kollegen zurückzuziehen. In Gesellschaft jedoch konnte niemand auf eine ruhigere und ungezwungenere Weise genial sein. Als Musikschriftsteller schrieb er 3 Werke, von denen zwei vom Klavierspiel handeln: „Das Geheimnis der Handführung beim Klavierspiel“; [„]Verzierungen in den Werken Chopins“ und ein Textbuch über [„]Orchestrationen“, das im letzten Sommer veröffentlicht wurde und zugleich seine These für den Grad als Musik-Dozent an der Edinburgher Universität war. Dr. Dunn hinterläßt seine Witwe, die selbst eine ^[APD:]feingebildete^ Pianistin ist. [signed:] [unsigned] Durch den Tod Dr. Dunns erleidet sowohl die Musikkunst als auch alle Musikinteressierten einen schweren Verlust. Die Eigenart eines Musikers offenbart sich in den Lieblingsstellen in seinem Repertoire. Dr. Dunns musikalischer Schaffensbereich als einen Ausübenden wie auch Lehrers war sehr groß, und die Eigenart seines Geistes zeigt sich sehr gut in der Tatsache, daß Beethovens Sonate E-Dur, op. 109 und Brahms Paganini-Variationen Stücke waren, in denen sich seine Fähigkeiten am besten kund taten. In aller Musik gibt es keine tiefere und mehr zu Herzen gehende Botschaft als die, die Beethoven in seinem op. 109 gab; und in dem gesamten Bereich technischer Entfaltung, die dichterischen Zwecken gewidmet ist, gibt es keine schwierigere „tour de Force“ als Brahms Paganini-Variationen. So schickt es sich von selbst, daß Dr. Dunns edler künstlerischer Vollkommenheit zu allererst bei dem Lob, das ihm gebührt, gedacht werde; denn seine Gaben als Lehrer waren das Ergebnis, nicht die Ursache seiner Kunst. Der verstorbene Professor Niecks hatte die höchste Meinung von seinen methodisch-didaktischen Gaben, von seiner Geduld und der anspornenden Kraft, und in dem Dunkel der Kriegsjahre war es ein Glückstag für die Musikfakultät der Universität Edinburgh, als John Petrie Dunn der Vizepräsident des Kieler Konservatoriums nach seiner Vaterstadt zurückkehrte und – da er ungebunden war – einen beträchtlichen Teil seines ererbten Lehrtalentes den Musikklassen der Universität widmete. Der Bereich, den sein Universitätsschaffen einnahm, war nicht der des Instrumentes, auf dem seine Kunst dem Publikum sich entfaltete. Er besaß bedeutende Geschicklichkeit auf vielen anderen instrumenten. Seine Kenntnis der Orchestration war tief und erschöpfend. Er besaß ein außerordentliches Fingerspitzegefühl dafür, seinen Schülern einen genauen Begriff vom Kontrapunkt zu geben. Sein Reich war die gesamte Musik. Das Wort „gewissenhaft“ ist wohl oft mißbraucht worden, insofern es als Ausflucht gilt, wo ein höheres Lob nicht auszudrücken ist. Aber die Charakterstärke, die sich in der Kunst wie im Leben zeigt, mag eine der Genieformen sein, und die Gewissenhaftigkeit mag bei ihm instinktiv und selbstlos gewesen sein. Nicht einer konnte mit Dr. Dunn arbeiten, ohne sich dabei die Worte des Predigers zu vergegenwärtigen, die so zwingend in Brahms letztem Musikwerk nach den Worten der Heiligen Schrift dargelegt sind und deren Sinn lautet: „Es gibt nichts Besseres, als daß ein Mann sich an seinem Werk erfreuen möge, denn das ist sein Erbe.“ © Transcription William Drabkin, 2007 |
As you have always taken such a friendly interest in my husband, I take the liberty of sending you the article from The Scotsman, written by Professor Tovey, 2 and a small photograph taken on our last visit to Marienbad, last summer. 3 For your compassionate letter, once again my most cordial thanks. 4 I have just spent a month in Italy with my mother, but next week I shall return to Edinburgh and try to resume my work. The frightful experience of February 4 still weighs so heavily upon me, and I cannot come to terms with it at all. On February 3 we were practising Bach’s C major Concerto, which we were to play with orchestral accompaniment on February 15, {2} and my husband was also booked to give a piano recital on March 24. And now he is silent; struck down, he lay there like a tree that had been felled. It is too horrible [to contemplate]. The orchestra played the Allegretto from Beethoven’s Seventh Symphony for him; the audience stood.
Obituary and Appreciation of John Petrie Dunn: source:
The Scotsman, February 6, 1931
[These English texts are the newsprint originals.] MR. JOHN PETRIE DUNN, MUS. DOC., the well-known Edinburgh musician, has died in Edinburgh Royal Infirmary following a street accident late on Wednesday evening. Mr. Dunn was alighting from a tramcar in Corstorphine Road, near Murrayfield Avenue, where he resided, when he was knocked down by a motor car proceeding westward. He was taken to the Royal Infirmary, suffering from a fractured skill, and died shortly after admission. John Petrie Dunn was born in Edinburgh in 1878, and was the son of the late Dr. Dunn, H. M. Inspector of Schools in Scotland. He was educated at George Watson’s College and at Edinburgh University, where he graduated in Arts. From an early age he revealed decided musical talent, and while still a boy gave promise of the remarkable abilities as a pianist which he was afterwards to display. Pursuing the study of the pianoforte privately in Edinburgh, he was also a student at the University, under the late Professor Niecks, for theoretical subjects. In 1899 he was awarded the Bucher Scholarship, and went to Germany, where he worked under Max Pauer and S. de Lange at Stuttgart Conservatoire, where, in 1902, he passed from the status of a student to that of a member of the teaching staff. From Stuttgart he went, in 1909, to the Municipal Conservatoire at Kiel, at first as principal Professor of the Pianoforte and latterly as Vice-Principal. The summer vacation of 1914 found him in Edinburgh, returned from Germany only just in time to avoid internment as a prisoner of war. Shortly after the outbreak of hostilities he enlisted in the Royal Scots, and rose to non-commissioned [recte commissioned] rank. It was characteristic of the conscientious thoroughness which throughout his life he brought to bear upon everything to which he set his hand that he should remark, after becoming a corporal, “I feel that I can decently go in for a commission now that I have learned to do all the things myself that I may afterwards have to tell other fellows to do.” Later, as an officer, he was transferred to the General Staff, his fourteen or fifteen years’ residence in Germany making him particularly useful in the Intelligence Department. Leaving the Army in 1919, he settled in Edinburgh, where, as a pianoforte teacher, and latterly also as a lecturer in the Faculty of Music, he did sterling work. In his earlier years he had won golden opinions as a virtuoso in[?] various musical centres on the Continent, and in Edinburgh he appeared from time to time as a recitalist. He also played in Edinburgh several times with the Scottish Orchestra. Emphatically he was a great pianist, although, apparently, the hectic life of a “musical star” did not appeal to him. Nature had endowed him with fine musical qualities, and he brought to their cultivation all the powers of a keen and sensitive intelligence. A man of great personal charm, his serious outlook on life and art rather tended to withdraw him from ready association with his fellows. In company, however, nobody could be more quietly and unaffectedly genial. As a writer on music he produced three works, two dealing with the pianoforte, Das Geheimnis der Handführung beim Klavierspiel; Ornamentation in the Works of Chopin; and a textbook of Orchestration, published last summer, which was his thesis for the degree of Mus. Doc. at Edinburgh University. Dr. Dunn is survived by his widow, herself an accomplished pianist. [signed:] [unsigned] By the death of Dr. John Petrie Dunn the art of music suffers a loss not less severe than that suffered by the interests of musical education. The calibre of a musical executant is revealed by the favourite items in his repertoire. Dr. Dunn’s musical range, both as executant and as teacher, was very wide; and the quality of his mind is well shown in the fact that Beethoven’s Sonata in E major, Op. 109, and Brahms’s Paganini Variations were items in which his powers were seen at their best. In the whole of music there is no deeper or more intimate message than that which Beethoven conveyed in his Op. 109; and in the whole range of technical display devoted to poetic purposes there is no more difficult tour-de-force than Brahms’s Paganini Variations. It is fitting that Dr. Dunn’s noble achievements as an artist should be commemorated in the forefront of the praise that is due to him, for his gifts as a teacher were the result, not the cause, of his art. The late Professor Niecks formed the highest opinion of his didactic gifts of method, patience, and stimulating power; and in the darkness of the years of the war it was a happy day for the Faculty of Music in the University of Edinburgh when John Petrie Dunn, Vice-President of the Conservatory at Kiel, returned to the city of his father, and was free to devote a considerable portion of his inherited pedagogic talent to the music classes of the University. The range covered by his University work was not that of the instrument on which his art was displayed to the public. He had considerable skill on many other instruments; his knowledge of orchestration was profound and exhaustive; he had an extraordinary knack for giving his pupils a sound grasp of counterpoint; and, in fact, his province was the whole of music. The word “conscientious” has become abused, from use as a subterfuge where higher praise is inadmissible. But force of character, in art as in life, may be one of the forms of genius, and conscientiousness may be instinctive and unself-conscious. No one could work with Dr. Dunn and fail to realise that it is dull to be slack, and that, in the words of the Preacher, so cogently set in Brahms’s last musical opus to the version of the German Bible, of which the sense is, “There is nothing better than that a man should rejoice in his work, for that is his portion.” © Translation William Drabkin, 2007 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker’s diary for April 30, 1931: “Von Frau Dunn (Br.): ein Bild u. zwei Nachrufe.” (“From Mrs. Dunn (letter): a picture and two obituary notices.”). — This letter was published in English in Heinrich Schenker: Selected Correspondence, ed. Ian Bent, David Bretherton, and William Drabkin (Woodbridge, UK: The Boydell Press, 2014), pp. 452–53. 2 An obituary of John Petrie Dunn, together with “An Appreciation” (signed D. F. T. = Donald Francis Tovey), appeared in The Scotsman on February 6, 1931. German translations of both were made (there is a minor emendation in Aline’s hand); Schenker kept them, and the original clipping from The Scotsman, with Mrs. Dunn’s letters to him in folder OJ 10/13, [1]. These two documents are reproduced below. 3 The photograph, showing John and Aline Petrie Dunn walking at Marienbad, with the inscription on the verso “Marienbad, August 1930.”, survives as OJ 72/4, item 2. 4 The writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for February 23, 1931: “An Frau Dunn (Br.): Beileid.” (“To Mrs. Dunn (letter): Condolences.”). |
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Commentary
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