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OJ 15/16, [82] - Handwritten letter from Weisse to Schenker, dated October 15, 1931
Nun bin ich schon so sehr eingewöhnt, dass ich glaube, Ihnen berichten zu dürfen, ohne dass meine Urteile allzu schief ausfallen. Im übrigen ist ja für’s erste mir von der Sache selbst, meinem Wirkungskreis zu berichten und da glaube ich jetzt schon sagen zu können, dass ich es nicht besser hätte treffen können. Der Geist[,] der durch die beiden Leiter der Schule Mr. und Mrs. Mannes in die Lehrerschaft verpflanzt wurde[,] war die beste Vorbereitung für das, was ich ihnen zu bringen hatte. Vorige Woche wurde mir zu Ehren, ehe die Schule eröffnet wurde [,] eine Versammlung der Lehrerschaft abgehalten und ich hielt mein Debut mit einem 25-30 Minuten lang währenden Vortrag über das Verhältnis des Theorielehrers zu den andern Lehrern einer Musikschule in englischer Sprache. Der Erfolg, abgesehen vom persönlichen, war der, dass sich 15 Lehrer und Lehrerinnen meldeten, mirum mit mir zu arbeiten, und 1 mal in der Woche regelmässig zusammenzukommen, um die neuen Begriffe kennen zu lernen. Ferner: der zweite Theorielehrer[,] ein um etwa 15 Jahre älterer Mann als ich, nimmt regelmässig bei mir Unterricht, um allmählich alle, die obligat Theorie als Neben- {2} fach zu lernen haben in der gleichen Weise und Anschauung anzuleiten, wie ich es tue. Ich selbst habe zwei verschiedene Klassen zu je 6 Schülern, eine Kompositionsklasse mit 3 Schülern, und noch 5–6 Privat stunden schüler à 2 Stunden alles in allem daweil gegen 22 Schüler. Die Gesichter von allen leuchten, schon bei der ersten Grundsteinlegung der Begriffe: Kpt und Harmonie – und ich bin überzeugt, dass sich der die Nachricht vom Einzug der neuen Lehre wie ein Lauffeuer verbreiten wird. Morgen treffe ich Mr. Wedge, der obersten Leiter des Institute of Musical Art, der schon längere Zeit nach Ihren Büchern unterrichtet und schon darauf brennt[,] mich kennenzulernen um mehr zu erfahren. Alles übrige versteht sich eigentlich von selbst: wer stark nach innen lebt, dem erscheint die äussere Umgebung nicht so verwirrend. Jedesfalls fühlte ich mich vom ersten Tag an zu Hause hier, das einzige woran ich mich gewöhnen musste, war der Strassenlärm. Alles andere ist aber zu ertragen und vor allem erfreue ich mich der Freundschaft von Mr. und Mrs. Mannes, die für mich wie Eltern sorgen, in deren Heim ein durchaus europäische Athmosphäre herrscht und mit denen das Zusammenarbeiten ein direktes Vergnügen ist. Soviel für heute, aus Hamburg 2 haben Sie jedesfalls mehr erfahren als ich, denn ich habe gar nichts gehört. Schreiben Sie bitte bald. © Transcription William Drabkin, 2008 |
I am now so well settled in that I believe I may be allowed to report to you without my judgments going too far astray. Moreover, I must report first of all about my work and my working environment; and here I believe I am able to say that things could not have gone better. The spirit that has been instilled in the teaching staff by the two directors of the School, Mr. and Mrs. Mannes, was the best preparation for that which I had to offer them. Last week, before the School was in session, a gathering of the faculty was arranged in my honor, and I gave my debut with a presentation, of 25 to 30 minutes' duration, about the relationship of the theory teacher to the other teachers in a music school ‒ in English. The effect, apart from the personal success, was that fifteen teachers, male and female, applied to work with me, and to get together once a week in order to learn the new concepts. Further: the second theory teacher, a man about fifteen years older than myself, receives regular tuition from me so that he can eventually teach everyone who must study theory as a subsidiary subject {2} in the same way and from the same point of view as I do. I myself have two different classes with six pupils in each, a composition class with three pupils, and a further five or six private lessons pupils for two hours each : all in all about twenty-two pupils at present. Their faces all light up, even when I lay the foundation stones of the concepts "counterpoint" and "harmony"; and I am convinced that the news of the introduction of the new theory will spread like a brush fire. Tomorrow I am meeting Mr. Wedge, the Dean of the Institute of Musical Art, who has already been teaching from your books for a considerable time and who is keenly looking forward to meeting me, in order to find out more. Everything else actually fits into place: anyone who lives strongly within himself will find that his external surroundings are not so bewildering. In any event, I felt at home from the first day; the only thing that I had to get used to was the street noise. Everything else, however, I can bear; and above all I take joy from the friendship of Mr. and Mrs. Mannes, who look after me as parents, in whose home a thoroughly European atmosphere reigns, and with whom collaboration is an unalloyed pleasure. So much for today. About Hamburg 2 you will have learned more than I, for I have not heard a thing. Please write soon. © Translation William Drabkin, 2008 |
Nun bin ich schon so sehr eingewöhnt, dass ich glaube, Ihnen berichten zu dürfen, ohne dass meine Urteile allzu schief ausfallen. Im übrigen ist ja für’s erste mir von der Sache selbst, meinem Wirkungskreis zu berichten und da glaube ich jetzt schon sagen zu können, dass ich es nicht besser hätte treffen können. Der Geist[,] der durch die beiden Leiter der Schule Mr. und Mrs. Mannes in die Lehrerschaft verpflanzt wurde[,] war die beste Vorbereitung für das, was ich ihnen zu bringen hatte. Vorige Woche wurde mir zu Ehren, ehe die Schule eröffnet wurde [,] eine Versammlung der Lehrerschaft abgehalten und ich hielt mein Debut mit einem 25-30 Minuten lang währenden Vortrag über das Verhältnis des Theorielehrers zu den andern Lehrern einer Musikschule in englischer Sprache. Der Erfolg, abgesehen vom persönlichen, war der, dass sich 15 Lehrer und Lehrerinnen meldeten, mirum mit mir zu arbeiten, und 1 mal in der Woche regelmässig zusammenzukommen, um die neuen Begriffe kennen zu lernen. Ferner: der zweite Theorielehrer[,] ein um etwa 15 Jahre älterer Mann als ich, nimmt regelmässig bei mir Unterricht, um allmählich alle, die obligat Theorie als Neben- {2} fach zu lernen haben in der gleichen Weise und Anschauung anzuleiten, wie ich es tue. Ich selbst habe zwei verschiedene Klassen zu je 6 Schülern, eine Kompositionsklasse mit 3 Schülern, und noch 5–6 Privat stunden schüler à 2 Stunden alles in allem daweil gegen 22 Schüler. Die Gesichter von allen leuchten, schon bei der ersten Grundsteinlegung der Begriffe: Kpt und Harmonie – und ich bin überzeugt, dass sich der die Nachricht vom Einzug der neuen Lehre wie ein Lauffeuer verbreiten wird. Morgen treffe ich Mr. Wedge, der obersten Leiter des Institute of Musical Art, der schon längere Zeit nach Ihren Büchern unterrichtet und schon darauf brennt[,] mich kennenzulernen um mehr zu erfahren. Alles übrige versteht sich eigentlich von selbst: wer stark nach innen lebt, dem erscheint die äussere Umgebung nicht so verwirrend. Jedesfalls fühlte ich mich vom ersten Tag an zu Hause hier, das einzige woran ich mich gewöhnen musste, war der Strassenlärm. Alles andere ist aber zu ertragen und vor allem erfreue ich mich der Freundschaft von Mr. und Mrs. Mannes, die für mich wie Eltern sorgen, in deren Heim ein durchaus europäische Athmosphäre herrscht und mit denen das Zusammenarbeiten ein direktes Vergnügen ist. Soviel für heute, aus Hamburg 2 haben Sie jedesfalls mehr erfahren als ich, denn ich habe gar nichts gehört. Schreiben Sie bitte bald. © Transcription William Drabkin, 2008 |
I am now so well settled in that I believe I may be allowed to report to you without my judgments going too far astray. Moreover, I must report first of all about my work and my working environment; and here I believe I am able to say that things could not have gone better. The spirit that has been instilled in the teaching staff by the two directors of the School, Mr. and Mrs. Mannes, was the best preparation for that which I had to offer them. Last week, before the School was in session, a gathering of the faculty was arranged in my honor, and I gave my debut with a presentation, of 25 to 30 minutes' duration, about the relationship of the theory teacher to the other teachers in a music school ‒ in English. The effect, apart from the personal success, was that fifteen teachers, male and female, applied to work with me, and to get together once a week in order to learn the new concepts. Further: the second theory teacher, a man about fifteen years older than myself, receives regular tuition from me so that he can eventually teach everyone who must study theory as a subsidiary subject {2} in the same way and from the same point of view as I do. I myself have two different classes with six pupils in each, a composition class with three pupils, and a further five or six private lessons pupils for two hours each : all in all about twenty-two pupils at present. Their faces all light up, even when I lay the foundation stones of the concepts "counterpoint" and "harmony"; and I am convinced that the news of the introduction of the new theory will spread like a brush fire. Tomorrow I am meeting Mr. Wedge, the Dean of the Institute of Musical Art, who has already been teaching from your books for a considerable time and who is keenly looking forward to meeting me, in order to find out more. Everything else actually fits into place: anyone who lives strongly within himself will find that his external surroundings are not so bewildering. In any event, I felt at home from the first day; the only thing that I had to get used to was the street noise. Everything else, however, I can bear; and above all I take joy from the friendship of Mr. and Mrs. Mannes, who look after me as parents, in whose home a thoroughly European atmosphere reigns, and with whom collaboration is an unalloyed pleasure. So much for today. About Hamburg 2 you will have learned more than I, for I have not heard a thing. Please write soon. © Translation William Drabkin, 2008 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker's diary at OJ 4/5, p. 3673, October 27, 1931: "Von Weisse (Br. vom 15. X.): Bericht über überraschende Erfolge für mich u. ihn u. über den Schülerstand." ("From Weisse (letter of October 15): report on astonishing successes for me and him, and on the number of pupils."). — Two days later, Schenker forward it to Moriz Violin. (The diary for October 13 poignantly records: "An Frau Hertha Weisse (Br. Lie-Liechen): ladet zum „Herz ausschütten“ ein." ("To Mrs. Hertha Weisse (letter from Lie-Liechen): she invites her to 'pour her heart out.')".) 2 At the invitation of Moriz Violin, head of the newly founded Schenker-Institut in Hamburg, Weisse gave a lecture there the day before setting sail for America: see OJ 15/16, [81]. |
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Commentary
Digital version created: 2018-10-13 |