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OJ 5/38, [16] - Handwritten letter from Heinrich to Wilhelm Schenker, dated February 3, 1925
Wir danken Dir herzlich für deinen l. Brief 2 u. die Feuilleton-Beilage, die wir mit dem nötigen Verständnis gelesen haben. In der Beziehung von Dir zu Mozio habe ich immer mehr Teilnahme vermutet, als sie offenbar in Wirklichkeit vorhanden ist. Alle Menschen klagen so sehr über seinen überstiegenen Eifer, das Schönste zuzusagen, u. über den Widerspruch in den Taten. Wozu er das tut, weiß ich nicht; er muß es ja nicht, er macht ja nur Schaden den Anderen, überflüssigen Schaden obendrein. Näheres mündlich. Was Karli anbelangt, bitte ich, dich etwas näher bezüglich seines Zeichentalentes auszulassen. Ist es blos des Großvaters Meinung, die begreiflich wäre, oder auch des Lehrers aus Horn? Würdest du dich {2} getreuen, ihn auf das sie, was Du von seinem Talent hälst, in die Kunstgewerbeschule zu schicken? Merkst Du eine wirkliche Leidenschaft bei ihm, wie du sie doch bei mir als Jungen zu sehen Gelegenheit hattest? Oder ist das mehr eine schulmäßige Leistung? Die Laufbahn eines Kunstgewerblers ist ja schwierig, trauht[recte: traut] die Karli die Kraft dazu? Wenn ich nach meiner Nase erteilen sollte, möchte ich sie ihm absprechen. Solche Dinge gehen auf Leben u. Tod, d. h. Du müsstest schon längst eine gut ausgeprägte Neigung bei ihm gesehen haben † . Irre ich mich, so berechtige mich. Dann hieße es, mich umsehen, ob ich nicht Leute wüsste, die mithelfen könnten. Es wäre nicht unmöglich, daß ich Verbindungen hätte, ich spreche vorsichtig, obwohl ich sagen könnte ich habe sie. Aber wirkliches starkes Talent muß gegeben sein. Sonst stürzest du Karli ins Unglück. Aus Eitelkeit würde er {3} das Kunstgewerbe nicht mehr aufgeben wollen, u. würde jämmerlich zerschellen. Solltest du an eine solche Laufbahn nicht denken, so wollen wir hier bei einer städtischen Stelle uns zunächst erkundigen, welche Wege einem Bürgerschüler überhaupt offenstehen. Wir würden diese Auskunft dir mitteilen u., wenn du erlaubst, antreten, mithelfen. Heini ist, wie er uns auf Strasse sagte – Jetty ist bös („brojges“ 3 ), weil ich während ihres Prozesses auf seiner Seite stand – zur Post gegangen. Ist das nicht etwas auch für Karli? Vorausgesetzt, daß „Bürgerschule“ genügt. Und vielleicht paßte er für das Militär? Wir werden jedenfalls bei jener Stelle nach den Möglichkeiten fragen. Wann glaubst Du einmal hier zu {4} sein? Mein bisheriger Verlag hat mich furchtbar betrogen. Ich wechsele augenblicklich zu einem Verlag in München hinüber. Bis zum 1. Juli 1925 soll ist [recte ich] ein Buch von 250 Seiten abliefern. Kannst dir denken, wie wir schaffen. Wir sind aber Beide, Gott sei Dank, gesund. Schon die dritte Analyse zeigt 0 Zucker, gar keine Spur! Hoffentlich geht es Dir zumindest gesundheitlich gut? Lasse bald von dir hören, wir bitten sehr, © Transcription William Drabkin, 2024 |
We thank you cordially for your kind letter 2 and for the enclosed feuilleton, which we read with the necessary understanding. Regarding your relationship to Mozio, I always presumed more sympathy than was obviously evident in reality. All people complain so much about his excessive eagerness to promise the finest things, and about the contradiction in his actions. To what purpose he does that, I don’t know. He doesn’t have to do it, he just harms others, needless harm from the start. Specifics when we see each other. As far as Karli is concerned, I ask that you expand on his drawing talent. Is it just the grandfather’s opinion, which would be understandable, or also that of the teacher from Horn? Would you {2} trust yourself to send him to the School of Commercial Arts based on what you think about his talent? Do you notice a genuine passion in him, as you had occasion to see in me in my youth? Or is it more a schoolboy achievement? The career of a commercial artist is rather difficult. Does Karli believe he has the strength for it? If I were to make a determination according to my instinct, I would advise him against it. Such things end up as a matter of life or death, that is, you would have to have long since seen in him a well-marked inclination. If I am wrong, then correct me. It would then mean that I look around to see whether I know of people who could help. It wouldn’t be impossible that I might have connections. I am speaking cautiously, although I could say that I have them. However, a truly strong talent must be evident. Otherwise, you will plunge Karli into misfortune. Out of vanity he would {3} no longer want to give up commercial art, and would be woefully shattered. Should you not want to think about such a career, let me inquire here at a municipal agency about which pathways are even open to a secondary school student. We would convey this information to you, and if you’ll allow it, get involved, and help out. Heini went to the post office, as he told us on the street – Jetty is angry (“broyges” 3 ) because I sided with him during her trial. Isn’t that something for Karli as well? On the condition that “secondary school” suffices. And perhaps he would be suitable for the military? In any case, we will inquire about possibilities for that position. When do you think you’ll be {4} here? My erstwhile publisher betrayed me terribly. I am at the moment transferring to a publisher in Munich. By July 1, 1925, I am supposed to submit a book of 250 pages. You can imagine how we are working. We are both, however, healthy, thank God. Even the third [urine] analysis shows 0% sugar, not even a trace! I I hope you are at least in good health? Let us hear from you soon, we ask urgently, © Translation Lee Rothfarb, 2024 |
Wir danken Dir herzlich für deinen l. Brief 2 u. die Feuilleton-Beilage, die wir mit dem nötigen Verständnis gelesen haben. In der Beziehung von Dir zu Mozio habe ich immer mehr Teilnahme vermutet, als sie offenbar in Wirklichkeit vorhanden ist. Alle Menschen klagen so sehr über seinen überstiegenen Eifer, das Schönste zuzusagen, u. über den Widerspruch in den Taten. Wozu er das tut, weiß ich nicht; er muß es ja nicht, er macht ja nur Schaden den Anderen, überflüssigen Schaden obendrein. Näheres mündlich. Was Karli anbelangt, bitte ich, dich etwas näher bezüglich seines Zeichentalentes auszulassen. Ist es blos des Großvaters Meinung, die begreiflich wäre, oder auch des Lehrers aus Horn? Würdest du dich {2} getreuen, ihn auf das sie, was Du von seinem Talent hälst, in die Kunstgewerbeschule zu schicken? Merkst Du eine wirkliche Leidenschaft bei ihm, wie du sie doch bei mir als Jungen zu sehen Gelegenheit hattest? Oder ist das mehr eine schulmäßige Leistung? Die Laufbahn eines Kunstgewerblers ist ja schwierig, trauht[recte: traut] die Karli die Kraft dazu? Wenn ich nach meiner Nase erteilen sollte, möchte ich sie ihm absprechen. Solche Dinge gehen auf Leben u. Tod, d. h. Du müsstest schon längst eine gut ausgeprägte Neigung bei ihm gesehen haben † . Irre ich mich, so berechtige mich. Dann hieße es, mich umsehen, ob ich nicht Leute wüsste, die mithelfen könnten. Es wäre nicht unmöglich, daß ich Verbindungen hätte, ich spreche vorsichtig, obwohl ich sagen könnte ich habe sie. Aber wirkliches starkes Talent muß gegeben sein. Sonst stürzest du Karli ins Unglück. Aus Eitelkeit würde er {3} das Kunstgewerbe nicht mehr aufgeben wollen, u. würde jämmerlich zerschellen. Solltest du an eine solche Laufbahn nicht denken, so wollen wir hier bei einer städtischen Stelle uns zunächst erkundigen, welche Wege einem Bürgerschüler überhaupt offenstehen. Wir würden diese Auskunft dir mitteilen u., wenn du erlaubst, antreten, mithelfen. Heini ist, wie er uns auf Strasse sagte – Jetty ist bös („brojges“ 3 ), weil ich während ihres Prozesses auf seiner Seite stand – zur Post gegangen. Ist das nicht etwas auch für Karli? Vorausgesetzt, daß „Bürgerschule“ genügt. Und vielleicht paßte er für das Militär? Wir werden jedenfalls bei jener Stelle nach den Möglichkeiten fragen. Wann glaubst Du einmal hier zu {4} sein? Mein bisheriger Verlag hat mich furchtbar betrogen. Ich wechsele augenblicklich zu einem Verlag in München hinüber. Bis zum 1. Juli 1925 soll ist [recte ich] ein Buch von 250 Seiten abliefern. Kannst dir denken, wie wir schaffen. Wir sind aber Beide, Gott sei Dank, gesund. Schon die dritte Analyse zeigt 0 Zucker, gar keine Spur! Hoffentlich geht es Dir zumindest gesundheitlich gut? Lasse bald von dir hören, wir bitten sehr, © Transcription William Drabkin, 2024 |
We thank you cordially for your kind letter 2 and for the enclosed feuilleton, which we read with the necessary understanding. Regarding your relationship to Mozio, I always presumed more sympathy than was obviously evident in reality. All people complain so much about his excessive eagerness to promise the finest things, and about the contradiction in his actions. To what purpose he does that, I don’t know. He doesn’t have to do it, he just harms others, needless harm from the start. Specifics when we see each other. As far as Karli is concerned, I ask that you expand on his drawing talent. Is it just the grandfather’s opinion, which would be understandable, or also that of the teacher from Horn? Would you {2} trust yourself to send him to the School of Commercial Arts based on what you think about his talent? Do you notice a genuine passion in him, as you had occasion to see in me in my youth? Or is it more a schoolboy achievement? The career of a commercial artist is rather difficult. Does Karli believe he has the strength for it? If I were to make a determination according to my instinct, I would advise him against it. Such things end up as a matter of life or death, that is, you would have to have long since seen in him a well-marked inclination. If I am wrong, then correct me. It would then mean that I look around to see whether I know of people who could help. It wouldn’t be impossible that I might have connections. I am speaking cautiously, although I could say that I have them. However, a truly strong talent must be evident. Otherwise, you will plunge Karli into misfortune. Out of vanity he would {3} no longer want to give up commercial art, and would be woefully shattered. Should you not want to think about such a career, let me inquire here at a municipal agency about which pathways are even open to a secondary school student. We would convey this information to you, and if you’ll allow it, get involved, and help out. Heini went to the post office, as he told us on the street – Jetty is angry (“broyges” 3 ) because I sided with him during her trial. Isn’t that something for Karli as well? On the condition that “secondary school” suffices. And perhaps he would be suitable for the military? In any case, we will inquire about possibilities for that position. When do you think you’ll be {4} here? My erstwhile publisher betrayed me terribly. I am at the moment transferring to a publisher in Munich. By July 1, 1925, I am supposed to submit a book of 250 pages. You can imagine how we are working. We are both, however, healthy, thank God. Even the third [urine] analysis shows 0% sugar, not even a trace! I I hope you are at least in good health? Let us hear from you soon, we ask urgently, © Translation Lee Rothfarb, 2024 |
Footnotes1 Writing of this letter is recorded in Schenker’s diary for February 2, 1925: “An Wilhelm (Br.): ob er Karli zum Kunstgewerbler machen will?” “To Wilhelm (letter): would he like to make Karli a commercial artist?”). 2 Schenker’s diary entry for January 20 records the receipt of a letter from his elder brother: “Von Wilhelm (Br. u. Zeitungsausschnitt): er bestreitet Mozios Angaben, auch die Angaben von dessen Frau. Tonerl habe er schon untergebracht, habe also nur noch Sorge um die Fortbildung Karli; er fragt, ob ich eine Idee habe.” (“From Wilhelm (letter and newspaper clipping): he disputes Mozio's claims, and those of Mozio's wife as well. He has already found a spot for Tonerl, so his only remaining concern is about Karli's education in the future; he asks whether I have any ideas”). 3 broyges (Yiddish): bitter dispute or feud, or irreconcilable anger. |
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Format† Double underlined |
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Commentary
Digital version created: 2024-06-12 |