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2. +5°, sehr stürmisch.

— Von Sophie (K.): Mitteilung in der Sanatoriumsangelegenheit. — Italienischen Honig 1 kg 6 dkg: 50.88 Kronen; zwei Päckchen Tee, angeblich zu 6 dkg, in Wahrheit 5½ mit Emballage, 1 davon 1 dkg ab für Emballage: je – 12 Kronen. — Kaff erscheint u. zahlt. — Nach Tisch zu Frau Jetty, von der wir Spiritus für 4 Kronen (¾ l!) erhalten u. die Zusage einer Eierlieferung; Debatte über Sophie, wieder auf Grund einseitiger von Wilhelm u. Dodi bezogener Informationen. Eine große Rolle spielt die {2064} Frage, ob Sophie sich selbst nach K. eingeladen oder ob die Einladung von der Gegenseite ausgegangen. Mir war es wieder einmal peinlich zu sehen, auf welcher unsagbar tiefen Stufe das psychologische Vermögen der gewöhnlichen Menschenkinder steht, denn unmöglich war es Frau Jetty beizubringen, wie der Fall Wilhelm – Sophie genau so liegt, wie mein eigenes Erlebnis mit Tonschl: sowie letzterer von selbst plötzlich erschien, nicht erwartet, nicht angesagt, nicht gebeten, nur offenbar von einer Art Scham u. Gewissen getrieben, die freilich nichts vermocht hätte, wenn sich nicht die Leichtigkeit der Ausführung aus gehobener wirtschaftlicher Stimmung ergeben hätte, genau so hat die Erwerbung von Reichtum u. im besondern die Auszahlung einer Polizze seitens der Versicherungsgesellschaft den Anstoß gegeben, einen Brosamen vom Tisch der Schwester u. deren Familie zu gönnen. Wie hätte denn sonst Sophie auf die Idee kommen mögen, gerade in diesem Jahr ihren Besuch anzusagen, wo sie bis dahin in so vielen vielen Jahren nicht ein Wort mit dem Bruder gewechselt hat. Freilich noch düsterer zeigt sich die Beschaffenheit des Menschen, wenn man erwägt, daß Wilhelm u. Dodi selbst einen solchen Akt der Liebenswürdigkeit, wie sie ihn der Schwester zugedacht, nachträglich umlügen u. heruntersetzen, nur um der gemeinen Freude am Heruntersetzen der Schwester fröhnen [sic] zu können. Oder, um in dem Gleichnisfall zu bleiben: wie wäre es niedrig, wollte Tonschl die Lüge vorbringen, ich hätte selbst geschrieben u. ihn gebeten u. es sei nun meinerseits recht undankbar zu vergessen, daß ich ihn gebeten habe. Man weiß wirklich nicht, was man an der Kanaille mehr verachten soll: die Lust, solche Gemeinheiten zu begehen, in ihnen zu waten wie eine Sau im Koth – oder die Lust, so viel Zeit daran zu wenden; u. zu welchem Ertrag? {2065}

© Transcription Marko Deisinger.

2 +5°, very stormy.

— From Sophie (postcard): message regarding the sanatorium. — Italian honey 1 kilogram 60 grams: 50.88 Kronen; two packets of tea, supposedly 60 grams each, in reality 55 with packaging 1 , 10 grams of that less for packaging: 12 Kronen – each. — Kaff turns up and pays. — After lunch to Mrs. Jetty, from whom we receive denatured alcohol for 4 Kronen (three quarters of a liter!) and the promise of an egg delivery; debate over Sophie, again based on one-sided information from Wilhelm and Dodi. A central issue is the {2064} question whether Sophie invited herself to Kautzen or whether the invitation came from the other side. I once again found it embarrassing to see how inexpressibly limited the average person's psychological capability is, as it was impossible to explain to Miss Jetty that the situation Wilhelm–Sophie situation is exactly parallel to my own experience with Tonschl: when the latter suddenly appeared, unexpected, unannounced, uninvited, driven only by a sort of shame and conscience, which naturally would have been inconsequential if the lightness of the delivery had not arisen from a heightened economic situation, it was thus that the acquisition of wealth and especially the payout of a policy by the insurance company that gave rise to my sister and her children being granted some crumbs from the table. How else could Sophie have otherwise had the idea to announce a visit for this very year after not having exchanged a single word with her brother for many, many years up until then. Of course, human character appears even more dismal when you consider that Wilhelm and Dodi themselves retrospectively bend and demean this act of kindness they attributed to my sister just to be able to indulge in the base joy of demeaning my sister. Or, to stay within the parallel case: how lowly it would be if Tonschl wanted to weave the lie that I had written myself and asked him and that it is now thankless of me to forget that I asked him. You really don't know what you should disdain more about the rabble: the desire to commit such acts of meanness, wallowing in them like a pig in the mud – or the desire to invest so much time in it; and for what payoff? {2065}

© Translation Scott Witmer.

2. +5°, sehr stürmisch.

— Von Sophie (K.): Mitteilung in der Sanatoriumsangelegenheit. — Italienischen Honig 1 kg 6 dkg: 50.88 Kronen; zwei Päckchen Tee, angeblich zu 6 dkg, in Wahrheit 5½ mit Emballage, 1 davon 1 dkg ab für Emballage: je – 12 Kronen. — Kaff erscheint u. zahlt. — Nach Tisch zu Frau Jetty, von der wir Spiritus für 4 Kronen (¾ l!) erhalten u. die Zusage einer Eierlieferung; Debatte über Sophie, wieder auf Grund einseitiger von Wilhelm u. Dodi bezogener Informationen. Eine große Rolle spielt die {2064} Frage, ob Sophie sich selbst nach K. eingeladen oder ob die Einladung von der Gegenseite ausgegangen. Mir war es wieder einmal peinlich zu sehen, auf welcher unsagbar tiefen Stufe das psychologische Vermögen der gewöhnlichen Menschenkinder steht, denn unmöglich war es Frau Jetty beizubringen, wie der Fall Wilhelm – Sophie genau so liegt, wie mein eigenes Erlebnis mit Tonschl: sowie letzterer von selbst plötzlich erschien, nicht erwartet, nicht angesagt, nicht gebeten, nur offenbar von einer Art Scham u. Gewissen getrieben, die freilich nichts vermocht hätte, wenn sich nicht die Leichtigkeit der Ausführung aus gehobener wirtschaftlicher Stimmung ergeben hätte, genau so hat die Erwerbung von Reichtum u. im besondern die Auszahlung einer Polizze seitens der Versicherungsgesellschaft den Anstoß gegeben, einen Brosamen vom Tisch der Schwester u. deren Familie zu gönnen. Wie hätte denn sonst Sophie auf die Idee kommen mögen, gerade in diesem Jahr ihren Besuch anzusagen, wo sie bis dahin in so vielen vielen Jahren nicht ein Wort mit dem Bruder gewechselt hat. Freilich noch düsterer zeigt sich die Beschaffenheit des Menschen, wenn man erwägt, daß Wilhelm u. Dodi selbst einen solchen Akt der Liebenswürdigkeit, wie sie ihn der Schwester zugedacht, nachträglich umlügen u. heruntersetzen, nur um der gemeinen Freude am Heruntersetzen der Schwester fröhnen [sic] zu können. Oder, um in dem Gleichnisfall zu bleiben: wie wäre es niedrig, wollte Tonschl die Lüge vorbringen, ich hätte selbst geschrieben u. ihn gebeten u. es sei nun meinerseits recht undankbar zu vergessen, daß ich ihn gebeten habe. Man weiß wirklich nicht, was man an der Kanaille mehr verachten soll: die Lust, solche Gemeinheiten zu begehen, in ihnen zu waten wie eine Sau im Koth – oder die Lust, so viel Zeit daran zu wenden; u. zu welchem Ertrag? {2065}

© Transcription Marko Deisinger.

2 +5°, very stormy.

— From Sophie (postcard): message regarding the sanatorium. — Italian honey 1 kilogram 60 grams: 50.88 Kronen; two packets of tea, supposedly 60 grams each, in reality 55 with packaging 1 , 10 grams of that less for packaging: 12 Kronen – each. — Kaff turns up and pays. — After lunch to Mrs. Jetty, from whom we receive denatured alcohol for 4 Kronen (three quarters of a liter!) and the promise of an egg delivery; debate over Sophie, again based on one-sided information from Wilhelm and Dodi. A central issue is the {2064} question whether Sophie invited herself to Kautzen or whether the invitation came from the other side. I once again found it embarrassing to see how inexpressibly limited the average person's psychological capability is, as it was impossible to explain to Miss Jetty that the situation Wilhelm–Sophie situation is exactly parallel to my own experience with Tonschl: when the latter suddenly appeared, unexpected, unannounced, uninvited, driven only by a sort of shame and conscience, which naturally would have been inconsequential if the lightness of the delivery had not arisen from a heightened economic situation, it was thus that the acquisition of wealth and especially the payout of a policy by the insurance company that gave rise to my sister and her children being granted some crumbs from the table. How else could Sophie have otherwise had the idea to announce a visit for this very year after not having exchanged a single word with her brother for many, many years up until then. Of course, human character appears even more dismal when you consider that Wilhelm and Dodi themselves retrospectively bend and demean this act of kindness they attributed to my sister just to be able to indulge in the base joy of demeaning my sister. Or, to stay within the parallel case: how lowly it would be if Tonschl wanted to weave the lie that I had written myself and asked him and that it is now thankless of me to forget that I asked him. You really don't know what you should disdain more about the rabble: the desire to commit such acts of meanness, wallowing in them like a pig in the mud – or the desire to invest so much time in it; and for what payoff? {2065}

© Translation Scott Witmer.

Footnotes

1 Emballage: (obsolete) Verpackung (packaging).