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17. Schnee, Regen, +5°.

— Von Sophie (Br.): mahnt um Antwort; ihre Fragen betreffen Mozio. — An Roth No. 17, 18, 19 für v. Hoboken. — 1 Von 5–¾11h bei Dr. Salzer: Aufführung des Oktetts von Weisse; W. gab mir die Partitur, neben mir saß der einarmige Wittgenstein. Das Werk ist mit erstaunlicher Geduld u. Hingabe zustandegebracht; wie immer herrscht die Sprache von Brahms vor, dazwischen tritt Eigenes, doch zu wenig, um einen wirklich schöpferischen Typus zu prägen. Es ist noch immer eine Art literarisch-musikalisches {3442} Werk aus bester Kinderstube – angeborene Zeichen aber einer neuen beispielgebenden Natur fehlen ganz. Sehr schön der 2. u. 3. Satz, durchaus kunstvoll, ja schließlich sogar zu überspitzt in den Rhythmen der letzte Satz, ein Passacaglio. W. versteht sich, in allen Nöten zu helfen, aber daß er in Nöte gerät, sollte eben nicht sein. Er erzählt mir, daß Furtwängler ganz entzückt war u. gesagt habe: „Ich hätte mir nicht vorgestellt, daß so etwas heute noch geschrieben werden kann.“ Damit hat Furtwängler Recht, auch ich wüßte kKeinen, der Weisse in der Führung eines solchen Werkes gleichkäme. 2

Außerdem erzählte ihm F., daß ihm Schönberg bei einer Begegnung in Berlin sagte, Schenker sei der größte Theoretiker heute, Hindemith erkläre sich gefühlsmäßig mehr für Kurth, lasse mich aber neben Kurth gelten (!!!). Prof. Deutsch erteilt mir den erbetenen Rat bezüglich der Drucklegung der Eroica – empfiehlt ein Offert auch bei Strache einzuholen! Holzfreies Papier müsse sein usw. 3

Die Fragen der Herren u. Damen aus dem Weisse-Kreis beziehen sich auf eine offenbar von ihm ausgegebene Weisung, das Stück sei als ein Werk in neuen Bahnen aufzufassen. Mir widerstrebt es zuzustimmen, ich verbessere ihn geflissentlich: er habe alle Ursache stolz darauf zu sein, wenn er Brahms ein solches Werk – in diesem Zusammenhang darf es wohl gesagt werden – nachplappert. Auch ihm habe ich in Gegenwart seiner Gattin mein Urteil dahin geäusdertsert, daß ich enttäuscht bin, nicht das angedeutete Neue gefunden zu haben, – indessen beglückwünsche ich ihn vom Herzen zu einem guten Brahms! Nun warf Frau Hertha ein: Das hat Hansja niemals gesagt! –, nun, ich u. Lie-Liechen haben es aus seinem Munde gehört, daß man doch auch über Brahms – hinausgehen müsse u. dgl. {3443} Wir wurden zu Tisch behalten, das Essen war schlecht, die Anstrengung der Unterhaltung hatte eine völlig schlaflose Nacht zur Folge mit heftigen Beschwerden; die schon vorhandene Erschöpfung von früheren Wochen her erreichte ihren tiefsten Stand.

© Transcription Marko Deisinger.

17, snow, rain, +5°.

— From Sophie (letter): she urges a reply; her questions concern Mozio. — Work on Roth, Nos. 17, 18, and 19 for Hoboken. — 1 From 5 to 10:45 at Dr. Salzer's: performance of the Octet by Weisse; Weisse gave me the score; next to me sat the one-armed Wittgenstein. The work has been achieved with astonishing patience and dedication; as ever, the language of Brahms predominates; in between, some originality appears, but too little to mark out a truly creative character. It is still a kind of literary-musical {3442} work of the best breeding – but innate signs of a new, exemplary nature are completely missing. The second and third movements were very beautiful, artful throughout; yet in the end the last movement, a passacaglia, was actually too pointed in its rhythms. Weisse understands to extricate himself from any difficulties; that he gets into difficulties, however, is something that should actually not happen. He tells me that Furtwängler was thoroughly enchanted and said: "I would not have imagined that something like this could still be written today." In this respect, Furtwängler is right; I too know of no one who was the equal to Weisse in the execution of such a work. 2

In addition, Furtwängler told him that, at a meeting in Berlin, Schoenberg said that Schenker was the greatest theorist today, that Hindemith declared himself to be more in sympathy with Kurth but accepts that I come next after Kurth (!!!). Prof. Deutsch offers me the requested advice concerning the printing of the "Eroica" – recommends that I get a quotation also from Strache! Wood-free paper is necessary, etc. 3

The questions from the gentlemen and ladies from Weisse's circle refer to a remark apparently made by him, to the effect that the piece should be understood as work in new directions. I resist agreeing with this and deliberately correct him: he has every cause to be proud of parroting – as it may be said in this connection – Brahms in such a work. I even expressed my judgement of it in the presence of his wife: that I am disappointed not to have found the New that was referred to, but nonetheless congratulate him from my heart on a good piece of Brahms! Now Hertha interjected: But Hans never said that! – now, I and Lie-Liechen have heard it from his own mouth, that one must of course go even beyond Brahms, etc. {3443} We were asked to stay for supper; the food was bad, the stress of the conversation resulted in a sleepless night with severe digestive disorder; the exhaustion from previous weeks, which was already present, reached its lowest point. —

© Translation William Drabkin.

17. Schnee, Regen, +5°.

— Von Sophie (Br.): mahnt um Antwort; ihre Fragen betreffen Mozio. — An Roth No. 17, 18, 19 für v. Hoboken. — 1 Von 5–¾11h bei Dr. Salzer: Aufführung des Oktetts von Weisse; W. gab mir die Partitur, neben mir saß der einarmige Wittgenstein. Das Werk ist mit erstaunlicher Geduld u. Hingabe zustandegebracht; wie immer herrscht die Sprache von Brahms vor, dazwischen tritt Eigenes, doch zu wenig, um einen wirklich schöpferischen Typus zu prägen. Es ist noch immer eine Art literarisch-musikalisches {3442} Werk aus bester Kinderstube – angeborene Zeichen aber einer neuen beispielgebenden Natur fehlen ganz. Sehr schön der 2. u. 3. Satz, durchaus kunstvoll, ja schließlich sogar zu überspitzt in den Rhythmen der letzte Satz, ein Passacaglio. W. versteht sich, in allen Nöten zu helfen, aber daß er in Nöte gerät, sollte eben nicht sein. Er erzählt mir, daß Furtwängler ganz entzückt war u. gesagt habe: „Ich hätte mir nicht vorgestellt, daß so etwas heute noch geschrieben werden kann.“ Damit hat Furtwängler Recht, auch ich wüßte kKeinen, der Weisse in der Führung eines solchen Werkes gleichkäme. 2

Außerdem erzählte ihm F., daß ihm Schönberg bei einer Begegnung in Berlin sagte, Schenker sei der größte Theoretiker heute, Hindemith erkläre sich gefühlsmäßig mehr für Kurth, lasse mich aber neben Kurth gelten (!!!). Prof. Deutsch erteilt mir den erbetenen Rat bezüglich der Drucklegung der Eroica – empfiehlt ein Offert auch bei Strache einzuholen! Holzfreies Papier müsse sein usw. 3

Die Fragen der Herren u. Damen aus dem Weisse-Kreis beziehen sich auf eine offenbar von ihm ausgegebene Weisung, das Stück sei als ein Werk in neuen Bahnen aufzufassen. Mir widerstrebt es zuzustimmen, ich verbessere ihn geflissentlich: er habe alle Ursache stolz darauf zu sein, wenn er Brahms ein solches Werk – in diesem Zusammenhang darf es wohl gesagt werden – nachplappert. Auch ihm habe ich in Gegenwart seiner Gattin mein Urteil dahin geäusdertsert, daß ich enttäuscht bin, nicht das angedeutete Neue gefunden zu haben, – indessen beglückwünsche ich ihn vom Herzen zu einem guten Brahms! Nun warf Frau Hertha ein: Das hat Hansja niemals gesagt! –, nun, ich u. Lie-Liechen haben es aus seinem Munde gehört, daß man doch auch über Brahms – hinausgehen müsse u. dgl. {3443} Wir wurden zu Tisch behalten, das Essen war schlecht, die Anstrengung der Unterhaltung hatte eine völlig schlaflose Nacht zur Folge mit heftigen Beschwerden; die schon vorhandene Erschöpfung von früheren Wochen her erreichte ihren tiefsten Stand.

© Transcription Marko Deisinger.

17, snow, rain, +5°.

— From Sophie (letter): she urges a reply; her questions concern Mozio. — Work on Roth, Nos. 17, 18, and 19 for Hoboken. — 1 From 5 to 10:45 at Dr. Salzer's: performance of the Octet by Weisse; Weisse gave me the score; next to me sat the one-armed Wittgenstein. The work has been achieved with astonishing patience and dedication; as ever, the language of Brahms predominates; in between, some originality appears, but too little to mark out a truly creative character. It is still a kind of literary-musical {3442} work of the best breeding – but innate signs of a new, exemplary nature are completely missing. The second and third movements were very beautiful, artful throughout; yet in the end the last movement, a passacaglia, was actually too pointed in its rhythms. Weisse understands to extricate himself from any difficulties; that he gets into difficulties, however, is something that should actually not happen. He tells me that Furtwängler was thoroughly enchanted and said: "I would not have imagined that something like this could still be written today." In this respect, Furtwängler is right; I too know of no one who was the equal to Weisse in the execution of such a work. 2

In addition, Furtwängler told him that, at a meeting in Berlin, Schoenberg said that Schenker was the greatest theorist today, that Hindemith declared himself to be more in sympathy with Kurth but accepts that I come next after Kurth (!!!). Prof. Deutsch offers me the requested advice concerning the printing of the "Eroica" – recommends that I get a quotation also from Strache! Wood-free paper is necessary, etc. 3

The questions from the gentlemen and ladies from Weisse's circle refer to a remark apparently made by him, to the effect that the piece should be understood as work in new directions. I resist agreeing with this and deliberately correct him: he has every cause to be proud of parroting – as it may be said in this connection – Brahms in such a work. I even expressed my judgement of it in the presence of his wife: that I am disappointed not to have found the New that was referred to, but nonetheless congratulate him from my heart on a good piece of Brahms! Now Hertha interjected: But Hans never said that! – now, I and Lie-Liechen have heard it from his own mouth, that one must of course go even beyond Brahms, etc. {3443} We were asked to stay for supper; the food was bad, the stress of the conversation resulted in a sleepless night with severe digestive disorder; the exhaustion from previous weeks, which was already present, reached its lowest point. —

© Translation William Drabkin.

Footnotes

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3 No paragraph-break in source.