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OJ 10/3, [194] - Typewritten letter from Deutsch to Schenker, dated June 5, 1933
⇧ PROF. OTTO ERICH DEUTSCH Tel. R 45–6–72 WIEN II. Böcklinstraße 26 ⇧ 5. Juni 33 Lieber Verehrter! 1 Dank für Ihre beiden Karten. 2 Ich bemerkte gestern, dass eine vor [recte von] mir hängen geblieben ist: in meiner Manteltasche. Darin schrieb ich, dass nach meiner älteren Notiz Sie sich einmal über Brahms Kanonnotierung 3 geäus[s]ert haben sollen, ohne dass ich die Stelle finden kann. Ich widerrief das in einer späteren Karte, als ich im Katalog der Brahms-Austtellung und im Briefwechsel Brahms–Mandyczewski 4 alles Wissenswerte darüber fand. Ich muss mich geirrt haben, als ich Ihren Namen dazu notierte. Die Sache selbst können wir mündlich besprechen. Sie geht mich an wegen der bevorstehenden Herausgabe der Kanons von Haydn in der Originalfassung. Ich besorge das für einen neuen Verlag in Karlsbad, der auch die Notturni von Haydn ( ⇧ Schmidt) ediert, mit Regierungsrat Wagner-Schönkirch. Die Serenade ist auf den 9. verschoben worden, wird aber nicht mehr übertragen. Furtwänglers Artikel brauche ich nicht mehr. Dank! {2} Die Druckfehlerliste zur Neunte 5 müssten Sie sich einmal bei der Ges. d. Mfr. ansehen, solange ⇧ wenn Hob. eingelagert ist ⇧ bleibt . – Im Rathaus ist jetzt Brahms Wohnzimmer ausgestellt. – Ob Reich den Sie kaum empfehlen werden, 6 arisch ist, weiss ich nicht. Er hat übrigens im schriftlichen Verkehr gute Formen. – Im „Anbruch“ soll ein schöner Artikel von André Gide über Chopin erschienen sein. Verlangen Sie ihn doch von der UE, wenn er Sie interessiert. Nun Hoboken. Auch der gemeinsame Besuch bei uns, dem Thomasberger beiwohnte, verlief recht freundlich. Er war auch bei Dr. Ernst Fritz Schmid, der ihn zu behandeln weiss, allein zu Mittag. Obzwar unsere Not auch durch die Beremerlung Bemerkung meiner Frau angedeutet wurde, dass wir vielleicht nach dem billigen Süden auswandern müssen (was H. meiner Arbeit wegen für bedenklich hält), so nahm er sicher nicht zur Kenntnis, dass er etwas tun sollte. Ich kann es Ihnen nicht verärgern, dass Sie nichts davon gesprochen haben. Denn Ihre Sache erschien Ihnen wirklich nicht geklärt. Ich meine, dass sein Schweigen über Ihr künftiges Verhältnis nichts bedeuten muss. Vielleicht dachte er: tu mir nichts, ich tu Dir auch nichts. Allerdings hatte er keinen Grund anzunehmen, dass Sie etwa mehr verlangen würden für die Stunden. Uebrigens ist es unsicher, ob die Beiden in Garmisch über den Sommer bleiben, wenn man sie quält. Dann würden Sie [recte sie] Deutschland ganz aufgeben. Jedenfalls aber soll die Münchner Villa nicht bezogen werden, sondern ein Landhaus am Starhemberger [recte Starnberger] See. Oesterreich als Zuflucht hat wie Sie auch meine Frau vorläufig nicht empfohlen. Ich aber enthielt mich darüber jeder Aeussrung: die Bibliothek ist zu sehr meine Sache. Dies schriftlich. Ich bitte, mich vor Ihrer Abreise zu avisieren. © Transcription William Drabkin, 2023 |
⇧ PROF. OTTO ERICH DEUTSCH Tel. R 45–6–VIENNA II Böcklinstraße 26 ⇧ June 5, 1933 Dear revered friend, 1 Thank you for your two postcards. 2 I noticed yesterday that one of mine was left unsent: in my coat pocket. In it I had written that, according to my notes, you once mentioned something about Brahms’s notation of canons, 3 without my being able to find the passage I contradicted that in a later postcard, when I found everything worth knowing about it in the catalog of the Brahms exhibition and in the correspondence between Brahms and Mandyczewski. 4 I must have made a mistake when I added your name to it. We can discuss the matter itself face to face. It is of interest to me on account of the forthcoming publications of Haydn’s canons in their original version. I am preparing that for a new publishing house in Karlsbad, which is bringing out the notturnos by Haydn edited ⇧ by Schmidt in collaboration with government councilor Wagner-Schönkirch. The evening concert has been pushed back to the 9th but will no longer be broadcast. I no longer need Furtwängler’s article. Thank you! {2} You must have a look some time at the list of misprints in the Ninth Symphony, 5 at the Society of the Friends of Music, if Hoboken [‘s library] ⇧ remains in storage. – In the City Hall, Brahms’s parlor living room is now being exhibited. – Whether Reich, of whom you can hardly approve, 6 is Aryan is something I do not know. He has good form in his written correspondence. – Der Anbruch is supposed to have published a nice article by André Gide on Chopin. You should ask Universal Edition for a copy of it, if it interests you. Now for Hoboken. Their joint visit to us, at which Thomasberger was present, also passed off in an entirely friendly way. He was also on his own at midday with Dr. Ernst Fritz Schmid, who knows how to treat him. Although our difficulty was hinted at by a remark made by my wife, to the effect that we might have to emigrate to the cheap South (something that Hoboken regards as serious, on account of my work), he certainly did not acknowledge that he ought to do something about it. I cannot reproach you for having said nothing about it: for your matter appeared truly not to have been resolved. I think that his silence about your future relationship does not mean anything. Perhaps he was thinking: do nothing about me, and I shall in turn do nothing about you. In any event, he has no grounds for supposing that you might, say, ask for more money for his lessons. Moreover, it is unclear whether the two will stay in Garmisch for the summer if they are pestered. Then they would leave Germany altogether. In any event, however, the villa in Munich is not going to be refurbished, but rather a country house on Lake Starnberg. Like you, my wife has not recommended Austria as a place of refuge for the time being. But I refrained from uttering a single word about it: the library is too much my domain. This much in writing. Please advise me before your departure. © Translation William Drabkin, 2023 |
⇧ PROF. OTTO ERICH DEUTSCH Tel. R 45–6–72 WIEN II. Böcklinstraße 26 ⇧ 5. Juni 33 Lieber Verehrter! 1 Dank für Ihre beiden Karten. 2 Ich bemerkte gestern, dass eine vor [recte von] mir hängen geblieben ist: in meiner Manteltasche. Darin schrieb ich, dass nach meiner älteren Notiz Sie sich einmal über Brahms Kanonnotierung 3 geäus[s]ert haben sollen, ohne dass ich die Stelle finden kann. Ich widerrief das in einer späteren Karte, als ich im Katalog der Brahms-Austtellung und im Briefwechsel Brahms–Mandyczewski 4 alles Wissenswerte darüber fand. Ich muss mich geirrt haben, als ich Ihren Namen dazu notierte. Die Sache selbst können wir mündlich besprechen. Sie geht mich an wegen der bevorstehenden Herausgabe der Kanons von Haydn in der Originalfassung. Ich besorge das für einen neuen Verlag in Karlsbad, der auch die Notturni von Haydn ( ⇧ Schmidt) ediert, mit Regierungsrat Wagner-Schönkirch. Die Serenade ist auf den 9. verschoben worden, wird aber nicht mehr übertragen. Furtwänglers Artikel brauche ich nicht mehr. Dank! {2} Die Druckfehlerliste zur Neunte 5 müssten Sie sich einmal bei der Ges. d. Mfr. ansehen, solange ⇧ wenn Hob. eingelagert ist ⇧ bleibt . – Im Rathaus ist jetzt Brahms Wohnzimmer ausgestellt. – Ob Reich den Sie kaum empfehlen werden, 6 arisch ist, weiss ich nicht. Er hat übrigens im schriftlichen Verkehr gute Formen. – Im „Anbruch“ soll ein schöner Artikel von André Gide über Chopin erschienen sein. Verlangen Sie ihn doch von der UE, wenn er Sie interessiert. Nun Hoboken. Auch der gemeinsame Besuch bei uns, dem Thomasberger beiwohnte, verlief recht freundlich. Er war auch bei Dr. Ernst Fritz Schmid, der ihn zu behandeln weiss, allein zu Mittag. Obzwar unsere Not auch durch die Beremerlung Bemerkung meiner Frau angedeutet wurde, dass wir vielleicht nach dem billigen Süden auswandern müssen (was H. meiner Arbeit wegen für bedenklich hält), so nahm er sicher nicht zur Kenntnis, dass er etwas tun sollte. Ich kann es Ihnen nicht verärgern, dass Sie nichts davon gesprochen haben. Denn Ihre Sache erschien Ihnen wirklich nicht geklärt. Ich meine, dass sein Schweigen über Ihr künftiges Verhältnis nichts bedeuten muss. Vielleicht dachte er: tu mir nichts, ich tu Dir auch nichts. Allerdings hatte er keinen Grund anzunehmen, dass Sie etwa mehr verlangen würden für die Stunden. Uebrigens ist es unsicher, ob die Beiden in Garmisch über den Sommer bleiben, wenn man sie quält. Dann würden Sie [recte sie] Deutschland ganz aufgeben. Jedenfalls aber soll die Münchner Villa nicht bezogen werden, sondern ein Landhaus am Starhemberger [recte Starnberger] See. Oesterreich als Zuflucht hat wie Sie auch meine Frau vorläufig nicht empfohlen. Ich aber enthielt mich darüber jeder Aeussrung: die Bibliothek ist zu sehr meine Sache. Dies schriftlich. Ich bitte, mich vor Ihrer Abreise zu avisieren. © Transcription William Drabkin, 2023 |
⇧ PROF. OTTO ERICH DEUTSCH Tel. R 45–6–VIENNA II Böcklinstraße 26 ⇧ June 5, 1933 Dear revered friend, 1 Thank you for your two postcards. 2 I noticed yesterday that one of mine was left unsent: in my coat pocket. In it I had written that, according to my notes, you once mentioned something about Brahms’s notation of canons, 3 without my being able to find the passage I contradicted that in a later postcard, when I found everything worth knowing about it in the catalog of the Brahms exhibition and in the correspondence between Brahms and Mandyczewski. 4 I must have made a mistake when I added your name to it. We can discuss the matter itself face to face. It is of interest to me on account of the forthcoming publications of Haydn’s canons in their original version. I am preparing that for a new publishing house in Karlsbad, which is bringing out the notturnos by Haydn edited ⇧ by Schmidt in collaboration with government councilor Wagner-Schönkirch. The evening concert has been pushed back to the 9th but will no longer be broadcast. I no longer need Furtwängler’s article. Thank you! {2} You must have a look some time at the list of misprints in the Ninth Symphony, 5 at the Society of the Friends of Music, if Hoboken [‘s library] ⇧ remains in storage. – In the City Hall, Brahms’s parlor living room is now being exhibited. – Whether Reich, of whom you can hardly approve, 6 is Aryan is something I do not know. He has good form in his written correspondence. – Der Anbruch is supposed to have published a nice article by André Gide on Chopin. You should ask Universal Edition for a copy of it, if it interests you. Now for Hoboken. Their joint visit to us, at which Thomasberger was present, also passed off in an entirely friendly way. He was also on his own at midday with Dr. Ernst Fritz Schmid, who knows how to treat him. Although our difficulty was hinted at by a remark made by my wife, to the effect that we might have to emigrate to the cheap South (something that Hoboken regards as serious, on account of my work), he certainly did not acknowledge that he ought to do something about it. I cannot reproach you for having said nothing about it: for your matter appeared truly not to have been resolved. I think that his silence about your future relationship does not mean anything. Perhaps he was thinking: do nothing about me, and I shall in turn do nothing about you. In any event, he has no grounds for supposing that you might, say, ask for more money for his lessons. Moreover, it is unclear whether the two will stay in Garmisch for the summer if they are pestered. Then they would leave Germany altogether. In any event, however, the villa in Munich is not going to be refurbished, but rather a country house on Lake Starnberg. Like you, my wife has not recommended Austria as a place of refuge for the time being. But I refrained from uttering a single word about it: the library is too much my domain. This much in writing. Please advise me before your departure. © Translation William Drabkin, 2023 |
Footnotes1 Receipt of this letter is recorded in Schenker’s diary for June 6, 1933: “Von Deutsch (Br.): über den Abend mit v. H. u. Gattin; dessen Schweigen will vielleicht nichts bedeuten.” (“From Deutsch (letter): concerning the evening with Hoboken and his wife; his silence is probably nothing to worry about.”). 2 According to the diary entry of May 30, Schenker sent Deutsch a postcard in response to his letter of the same day: “An Deutsch (K.): Dank für Alles; Bericht über die Lawine.” (“To Deutsch (postcard): thanks for everything, report about the avalanche.”). The second postcard, written on June 3, expresses concern that Hoboken had not said anything about his plans for the forthcoming (1933/34) teaching year. What is meant by “avalanche” is not clear. 3 “Kanonnotierung” (“list … Symphony”): underlined by Schenker in crayon. 4 Karl Geiringer (ed.), Johannes Brahms im Briefwechsel mit Eusebius Mandyczewski (Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1933). 5 “Druckfehler … müssten“: underlined by Schenker in crayon. 6 Willi Reich (1898–1980) was a staunch supporter of the Second Viennese School, to which Schenker was fundamentally opposed. |
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Commentary
Digital version created: 2023-08-24 |