Sehr geehrter Herr Direktor!

Besten Dank für Ihre Gastfreundlichkeit von gestern. 1 Hätten wir allsogleich gewußt, daß die Partitur zu entfallen haben wird, wäre besser gewesen. Es gab u. giebt nützlichere dazu als jenes Stück. Ich will der Reihe nach verfahren:

1. Ich bitte Sie um ein bescheidenes Korrekturhonorar von 400 Kr. 2 Die stolzesten Firmen erhalten selbst vom allergeizigsten Staate Creditüberschreitungen in Millionenhöhen. Rechnen Sie nach, wie viel ich für das 400 S. starke Werk erhalten hat [habe], wie viel mich nur die Post allein kostet, die Seite einträgt u. Sie werden obige Forderung, wenn nicht dem Vertrage entsprechend, so doch in der Billigkeit begründet finden. Durch den Wegfall der Partitur sind Sie erfreulicherweise in die Lage gekommen, Ihre Einsicht in eine Tat umzusetzten. Wenden Sie die Korrekturen nicht ein, u. sparen Sie nicht gerade – an mir! Das könnten {2} Sie einmal reuen.

2. Die beiden letzten Male kamen Sie auf die Sonaten zurück, woraus ich erfreulicherweise entnehme, daß Sie den Ernst u. die Wichtigkeit der Aufgabe erfassen. Noch erinnere ich Sie außerdem, daß nur eine Konkurrenz u. zw. die Bülow ’s, 3 vorliegt, nicht aber etwa „konzertmäßige“ Ausgaben, wie bei der „chrom. Fantasie“, möglich sind. d.h. die Sonaten werden entweder nach Bülow oder nach mir zu spielen sein, u. da sage ich, daß sich die musikalische Menschheit, die Konzertgebäude wie die zu Hause rumorende, doch nur nach mir richten wird, – freilich, sobald sie die Ausgabe zu Gesicht kriegt. Meiden wir jeden Zeitverlust u. ich frage Sie an, ob Sie ernstlich, was ja der Fall zu sein scheint, den Standpunkt des vorigen Jahres verlassen u. die Ausgabe in Angriff nehmen wollen. Angesichts dessen, daß die Sache außerordentlich schwierig, neu u. von Niemandem, außer mir selbst verrichtet werden kann, ist meine Honorarforderung eine ganz minimale zu nennen. Jedes Jahr {3} eine Sonate u. in 5 Jahren ist die Sache fertig. Wollen Sie die Güte haben, mir anzugeben, ob Sie dabei sind, denn auch Sie verurteilen die Wege Bopp ’s, der auffordert, hin u. her schreibt, um schließlich mit einer Lüge davonzukommen. 4 Nichts ist einfacher, als daß mir was über die Kleinigkeit klar werden. Wenn ja, will ich freilich die Moralitäten erst noch ausdrücklich bezeichnen.

3. Unsere Beziehung soll die honetteste Klarheit in sich tragen zum Vorteile beider u. ich bitte Sie daher, mir mitzuteilen, wie viel Exemplare Niloff ’s bereits weg sind u. ob der Vertrag von den Sortimentern einzuhalten wird, d.h. ob ich nicht irgendwie bezugsberechtigt geworden bin. 5

Nur bleibt mir noch übrig, Ihnen zur Erwerbung von Weisse s sehr, sehr schönen Arbeiten zu gratulieren, die Ihnen sicher – hier schriftlich gegeben – den merkantilen Erfolg antragen werden. 6 Und endlich freue mich über Ihre Bereitschaft, gemeinsam mit Dr. Harpner unsere Sache der Organisation {4} zum Ziele zu führen. Wie jede gute Sache, wird auch diese ihren Lohn in sich haben.

Ich erbitte mir Auskünfte so bald als möglich, da ich gewohnt bin, planmäßig zu arbeiten, u. verspreche Ihnen für Dienstag 7 Rücksendung der letzten Korrektur mir auch die Mitteilung betreffs Harpner s.


Mit besten Grüßen
I[h]r ergeb[ener]
[signed:] H Schenker


2. Juni 1912

© Transcription Ian Bent, 2006, 2023



Dear Director,

Cordial thanks for your hospitality yesterday. 1 It would have been better had we known then that the score was going to have to be dropped. There were and are more profitable things than that piece. I will take things in order:

1. I hereby request a modest honorarium of 400 Kronen for correcting the proofs. 2 Even the proudest firms receive from the most miserly of state banks credit overdrafts on the order of millions. Reckon it up for yourself: how much I have received for my 400-page book, how much just the postage alone costs me, how much each page earns, and you will find my request, if not in the terms of the contract, thoroughly modest. The cancellation of the score places you in the happy position of putting your wisdom into practice. Don't object to the proof-correcting [honorarium], and don't economize on, of all things ‒ me! You could one day live {2} to regret that.

2. On both of the last two occasions, you reverted to the sonatas, from which I happily infer that you grasp the seriousness and importance of the task. Moreover, I remind you yet again that there is only one rival, and that is von Bülow's [edition], 3 but no "performance-ready" editions, such as my Chromatic Fantasy ["& Fugue"] , are possible. That is, if it were a choice of playing the sonatas either according to von Bülow or according to me, I can assure you the musical world, those who hang around the Concert Building as if it were their home, will turn to me alone ‒ once, that is, they catch sight of my edition. We should lose no time; so let me inquire whether you really intend ‒ as seems to be the case ‒ to abandon the stance you adopted last year and make a start on my edition. Considering that this is an exceptionally difficult and novel undertaking, and that no one other than myself is capable of carrying it out, my honorarium demand is the bare minimum I could name. One sonata each year, {3} and the job will be done in five years. Be so kind as to indicate to me whether you are on board with it, for even you condemn Bopp's way of ordering people about, writing [letters] hither and thither, only to extricate himself finally with a lie. 4 Nothing could be simpler than for us to get the trivial matters sorted out. Only then, if yes, will I gladly spell out the moral issues.

3. It is to the advantage of both sides that our relationship should be utterly honest and transparent. Accordingly, I ask you to apprise me as to how many copies of Niloff have so far been released, and whether the contract will be adhered to by the retailers, i.e. whether I am not entitled to some of the benefit. 5

It only remains for me to congratulate you on acquiring Weisse's very, very fine works; they will surely – I put it here in writing ‒ bring you commercial success. 6 And finally, I am delighted that you are prepared to {4} further the cause of our organization jointly with Dr. Harpner. As with every good cause, this, too, will have its rewards.

Please get information to me as soon as possible, since I am accustomed to working to a set plan. And I promise to get the final proofs back to you by Tuesday, 7 and also to let you know regarding Harpner.


With best wishes,
Your devoted
[signed:] H. Schenker


June 2, 1912

© Translation Ian Bent, 2006, 2023



Sehr geehrter Herr Direktor!

Besten Dank für Ihre Gastfreundlichkeit von gestern. 1 Hätten wir allsogleich gewußt, daß die Partitur zu entfallen haben wird, wäre besser gewesen. Es gab u. giebt nützlichere dazu als jenes Stück. Ich will der Reihe nach verfahren:

1. Ich bitte Sie um ein bescheidenes Korrekturhonorar von 400 Kr. 2 Die stolzesten Firmen erhalten selbst vom allergeizigsten Staate Creditüberschreitungen in Millionenhöhen. Rechnen Sie nach, wie viel ich für das 400 S. starke Werk erhalten hat [habe], wie viel mich nur die Post allein kostet, die Seite einträgt u. Sie werden obige Forderung, wenn nicht dem Vertrage entsprechend, so doch in der Billigkeit begründet finden. Durch den Wegfall der Partitur sind Sie erfreulicherweise in die Lage gekommen, Ihre Einsicht in eine Tat umzusetzten. Wenden Sie die Korrekturen nicht ein, u. sparen Sie nicht gerade – an mir! Das könnten {2} Sie einmal reuen.

2. Die beiden letzten Male kamen Sie auf die Sonaten zurück, woraus ich erfreulicherweise entnehme, daß Sie den Ernst u. die Wichtigkeit der Aufgabe erfassen. Noch erinnere ich Sie außerdem, daß nur eine Konkurrenz u. zw. die Bülow ’s, 3 vorliegt, nicht aber etwa „konzertmäßige“ Ausgaben, wie bei der „chrom. Fantasie“, möglich sind. d.h. die Sonaten werden entweder nach Bülow oder nach mir zu spielen sein, u. da sage ich, daß sich die musikalische Menschheit, die Konzertgebäude wie die zu Hause rumorende, doch nur nach mir richten wird, – freilich, sobald sie die Ausgabe zu Gesicht kriegt. Meiden wir jeden Zeitverlust u. ich frage Sie an, ob Sie ernstlich, was ja der Fall zu sein scheint, den Standpunkt des vorigen Jahres verlassen u. die Ausgabe in Angriff nehmen wollen. Angesichts dessen, daß die Sache außerordentlich schwierig, neu u. von Niemandem, außer mir selbst verrichtet werden kann, ist meine Honorarforderung eine ganz minimale zu nennen. Jedes Jahr {3} eine Sonate u. in 5 Jahren ist die Sache fertig. Wollen Sie die Güte haben, mir anzugeben, ob Sie dabei sind, denn auch Sie verurteilen die Wege Bopp ’s, der auffordert, hin u. her schreibt, um schließlich mit einer Lüge davonzukommen. 4 Nichts ist einfacher, als daß mir was über die Kleinigkeit klar werden. Wenn ja, will ich freilich die Moralitäten erst noch ausdrücklich bezeichnen.

3. Unsere Beziehung soll die honetteste Klarheit in sich tragen zum Vorteile beider u. ich bitte Sie daher, mir mitzuteilen, wie viel Exemplare Niloff ’s bereits weg sind u. ob der Vertrag von den Sortimentern einzuhalten wird, d.h. ob ich nicht irgendwie bezugsberechtigt geworden bin. 5

Nur bleibt mir noch übrig, Ihnen zur Erwerbung von Weisse s sehr, sehr schönen Arbeiten zu gratulieren, die Ihnen sicher – hier schriftlich gegeben – den merkantilen Erfolg antragen werden. 6 Und endlich freue mich über Ihre Bereitschaft, gemeinsam mit Dr. Harpner unsere Sache der Organisation {4} zum Ziele zu führen. Wie jede gute Sache, wird auch diese ihren Lohn in sich haben.

Ich erbitte mir Auskünfte so bald als möglich, da ich gewohnt bin, planmäßig zu arbeiten, u. verspreche Ihnen für Dienstag 7 Rücksendung der letzten Korrektur mir auch die Mitteilung betreffs Harpner s.


Mit besten Grüßen
I[h]r ergeb[ener]
[signed:] H Schenker


2. Juni 1912

© Transcription Ian Bent, 2006, 2023



Dear Director,

Cordial thanks for your hospitality yesterday. 1 It would have been better had we known then that the score was going to have to be dropped. There were and are more profitable things than that piece. I will take things in order:

1. I hereby request a modest honorarium of 400 Kronen for correcting the proofs. 2 Even the proudest firms receive from the most miserly of state banks credit overdrafts on the order of millions. Reckon it up for yourself: how much I have received for my 400-page book, how much just the postage alone costs me, how much each page earns, and you will find my request, if not in the terms of the contract, thoroughly modest. The cancellation of the score places you in the happy position of putting your wisdom into practice. Don't object to the proof-correcting [honorarium], and don't economize on, of all things ‒ me! You could one day live {2} to regret that.

2. On both of the last two occasions, you reverted to the sonatas, from which I happily infer that you grasp the seriousness and importance of the task. Moreover, I remind you yet again that there is only one rival, and that is von Bülow's [edition], 3 but no "performance-ready" editions, such as my Chromatic Fantasy ["& Fugue"] , are possible. That is, if it were a choice of playing the sonatas either according to von Bülow or according to me, I can assure you the musical world, those who hang around the Concert Building as if it were their home, will turn to me alone ‒ once, that is, they catch sight of my edition. We should lose no time; so let me inquire whether you really intend ‒ as seems to be the case ‒ to abandon the stance you adopted last year and make a start on my edition. Considering that this is an exceptionally difficult and novel undertaking, and that no one other than myself is capable of carrying it out, my honorarium demand is the bare minimum I could name. One sonata each year, {3} and the job will be done in five years. Be so kind as to indicate to me whether you are on board with it, for even you condemn Bopp's way of ordering people about, writing [letters] hither and thither, only to extricate himself finally with a lie. 4 Nothing could be simpler than for us to get the trivial matters sorted out. Only then, if yes, will I gladly spell out the moral issues.

3. It is to the advantage of both sides that our relationship should be utterly honest and transparent. Accordingly, I ask you to apprise me as to how many copies of Niloff have so far been released, and whether the contract will be adhered to by the retailers, i.e. whether I am not entitled to some of the benefit. 5

It only remains for me to congratulate you on acquiring Weisse's very, very fine works; they will surely – I put it here in writing ‒ bring you commercial success. 6 And finally, I am delighted that you are prepared to {4} further the cause of our organization jointly with Dr. Harpner. As with every good cause, this, too, will have its rewards.

Please get information to me as soon as possible, since I am accustomed to working to a set plan. And I promise to get the final proofs back to you by Tuesday, 7 and also to let you know regarding Harpner.


With best wishes,
Your devoted
[signed:] H. Schenker


June 2, 1912

© Translation Ian Bent, 2006, 2023

Footnotes

1 A meeting at Hertzka's house on the evening of Saturday June 1: see WSLB 115, May 29.

2 i.e. the proofs of his monograph Beethovens neunte Sinfonie .

3 Von Bülow was one of the collaborating editors of Cotta's Instruktive Ausgabe klassischer Klavierwerke; in particular, vols 4 and 5 of Beethoven’s Sonaten und andere Werke in that series were edited by von Bülow. His editions were a frequent target of Schenker's polemical attacks.

4 Schenker is alluding to his own unfortunate experiences in which Wilhelm Bopp first tried to persuade him in 1908 to do an edition of vol. II of the Well-tempered Clavier, and secondly in 1909 involved him in a historical concert of Bach and Handel only to drop it after Schenker has done much of the editing work. See Bent, "'That Bright New Light' ....," Journal of the American Musicological Society 58/1 (Spring 2005), pp. 69-138. See in this connection Moriz Violin, Die Zustände an der k. k. Akademie für Musik und darstellende Kunst (Vienna, 1912), a 34-page pamphlet in which Violin exposes Bopp's authoritarian handling of his staff.

5 For the second edition of the Instrumentations-Tabelle : a print order of 2,000 copies (the same as the print-run of the first edition in 1909) was placed on March 1, 1912, 500 of which were released on May 7, 1912 (the point of Schenker's question here), a further 500 respectively on October 31 and November 25, 1912, and the residue of 516 copies on August 23, 1913 (UE Verlagsdruckbuch 1999). In the contract, Schenker forewent the honorarium on the first 2,000 copies in order to maintain a shop price of 1 Mark (1.20 Kronen); he thus is keen to check when he becomes entitled to an honorarium of 100 Kronen per 1,000 copies sold (OC 52/421, June 20, 1908).

6 The only compositions by Weisse published by UE were his first string quartet, in C minor, Op. 4 and his Vier Quartette für Sopran, Alt, Tenor, Bass, und Klavier, Op. 6, both published in 1924.

7 i.e. June 6.